LVwG-410000/10/Gf/Rt LVwG-410001/12/Gf/Rt

Linz, 17.03.2014

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Dr. Gróf  aus Anlass der Beschwerden 1.) der Fa. X und 2.) der X, beide vertreten durch RA Dr. X, gegen die wegen Verwaltungsübertretungen nach dem Glücksspielgesetz ergangenen Straferkenntnisse des Polizeidirektors der Stadt Steyr vom 16. Jänner 2012, Zl. 7507/St/11, und vom 12. Jänner 2012, Zl. 7508/St/11, den

 

 

B E S C H L U S S

 

 

gefasst:

 

I.          Die Beschwerden werden gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG i.V.m. § 31 Abs. 1 VwGVG wegen Unzuständigkeit des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich zurückgewiesen.

 

II.         Gegen diesen Beschluss ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.

 

 


 

 

B e g r ü n d u n g

 

 

Zu I.:

 

1.1. Mit den ho. anhängigen, ursprünglich auf Art. 129a Abs. 1 Z. 1 a.F. B-VG – nunmehr: Art. 130 Abs. 1 Z. 1 B-VG – gestützten, am 24. Jänner 2012 per Telefax eingebrachten Beschwerden wendeten sich die Rechtsmittelwerberinnen gegen die Straferkenntnisse des Polizeidirektors der Stadt Steyr vom 16. Jänner 2012, Zl. 7507/St/11, bzw. vom 12. Jänner 2012, Zl. 7508/St/11, mit denen über sie jeweils eine Geldstrafe in Höhe von 4.000 Euro wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem Glücksspielgesetz verhängt wurde.

 

1.2. Gegen die Erkenntnisse des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 12. Juli 2012, Zlen. VwSen-301166/7/Gf/JK und VwSen-301169/8/Gf/JK, mit denen diesen Beschwerden stattgegeben, die angefochtenen Straferkenntnisse aufgehoben und die Verwaltungsstrafverfahren eingestellt wurden, hat die Bundesministerin für Finanzen jeweils eine Amtsbeschwerde an den Verwaltungsgerichtshof (VwGH) erhoben.

 

1.3. Aus Anlass dieser Amtsbeschwerden hat der VwGH die vorangeführten Entscheidungen des Oö. Verwaltungssenates mit Erkenntnissen vom 21. Oktober 2013, Zlen. 2012/17/0333 und 2012/17/0332, wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.

 

Auf Grund dieser ihm am 14. November 2013 zugestellten VwGH-Erkenntnisse war der Oö. Verwaltungssenat daher (bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013) gemäß § 63 Abs. 1 VwGG dazu verhalten, der Rechtsansicht des VwGH im Wege der Erlassung eines Ersatzbescheides entsprechend Rechnung zu tragen.

 

1.4. Mit Wirkung vom 1. Jänner 2014 wurden durch Art. 151 Abs. 51 Z. 8 erster Satz B‑VG (u.a.) die Unabhängigen Verwaltungssenate in den Ländern – und damit auch der Oö. Verwaltungssenat – aufgelöst.

 

Hinsichtlich der mit Ablauf des 31. Dezember 2013 bei den Unabhängigen Verwaltungssenaten anhängigen Verfahren ordnet Art. 151 Abs. 51 Z. 8 zweiter Satz erster Halbsatz B-VG an, dass die Zuständigkeit zu deren Weiterführung (allgemein) auf „die Verwaltungsgerichte“ übergeht.

 

2. Gegenständlich liegt kein Fall eines (noch) beim VwGH (oder beim Verfassungsgerichtshof) anhängigen Verfahrens i.S.d. Art. 151 Abs. 51 Z. 9 B‑VG, sondern vielmehr eine Konstellation gemäß Art. 151 Abs. 51 Z. 8 B-VG im eben dargestellten Sinn vor.

 

Wenn davon ausgehend Art. 151 Abs. 51 Z. 8 zweiter Satz erster Halbsatz B‑VG explizit anordnet, dass die Zuständigkeit zur Weiterführung anhängiger Verfahren „auf die Verwaltungsgerichte“ (Hervorhebung nicht im Original) als solche (und nicht: auf die Verwaltungsgerichte der Länder) übergeht, so knüpft der Verfassungsgesetzgeber damit – mangels gegenteiliger Hinweise sowohl im B‑VG selbst als auch in den §§ 1 ff des Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetzes BGBl.Nr. I 33/2013 i.d.g.F. BGBl.Nr. I 122/2013 (im Folgenden: VwGbk-ÜG) – an die insoweit gleichsam allgemeine Kompetenzverteilung des Art. 131 B-VG zwischen den drei unterschiedlichen Typen von Verwaltungsgerichten (Verwaltungsgerichte der Länder, Verwaltungsgericht des Bundes, Finanzgericht des Bundes; vgl. Art. 129 B-VG) an.

 

Nach der diesbezüglich gleichsam als Generalklausel fungierenden Anordnung des Art. 131 Abs. 1 B-VG erkennen über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B‑VG – und damit auch über Beschwerden gegen einen Bescheid (bzw. wie im vorliegenden Fall: gegen ein Straferkenntnis) einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit i.S.d. Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG – die Verwaltungsgerichte der Länder, soweit sich aus der lex specialis des Art. 131 Abs. 2 B-VG hinsichtlich des Verwaltungsgerichtes des Bundes (oder aus der Spezialbestimmung des Art. 131 Abs. 3 B-VG in Bezug auf das Finanzgericht des Bundes) nicht anderes ergibt.

 

Und nach demselben Schema ordnet Art. 131 Abs. 2 B-VG an, dass das (allgemeine) Verwaltungsgericht des Bundes – soweit sich aus Art. 131 Abs. 3 B-VG nicht hinsichtlich des Finanzgericht des Bundes Abweichendes ergibt – über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG (und damit u.a. auch über Beschwerden gegen Straferkenntnisse) in Rechtssachen in den Angelegenheiten der Vollziehung des Bundes erkennt, „die unmittelbar von Bundesbehörden besorgt werden“.

 

Wenn vor diesem Hintergrund § 50 des Glücksspielgesetzes, BGBl.Nr. 620/1989 (in der im gegenständlichen Fall grundsätzlich maßgeblichen Fassung BGBl.Nr. I 76/2011 bzw. in der geltenden Fassung BGBl.Nr. I 70/2013, im Folgenden: GSpG), anordnet, dass (u.a.) für Strafverfahren und Betriebsschließungen nach diesem Bundesgesetz in erster Instanz die Bezirksverwaltungsbehörde, im örtlichen Wirkungsbereich einer Bundespolizeidirektion hingegen diese bzw. im Gebiet einer Gemeinde, für das die Landespolizeidirektion zugleich Sicherheitsbehörde erster Instanz ist, die Landespolizeidirektion zuständig ist, dann wird damit vor dem Hintergrund, dass ein mehrgliedriger behördlicher Rechtsmittelinstanzenzug – von den Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde abgesehen – seit dem 1. Jänner 2014 nicht mehr besteht (arg. Art. 131 Abs. 1 B-VG: „Gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde“; vgl. auch § 63 Abs. 1 AVG i.d.g.F.), im Ergebnis für die in § 8 des Sicherheitspolizeigesetzes, BGBl.Nr. 560/1991 i.d.g.F. BGBl.Nr. I 53/2012 (im Folgenden: SPG), genannten Gemeinden eine Vollziehung des Verwaltungsstrafverfahrens nach dem GSpG unmittelbar durch Bundesbehörden i.S.d. Art. 131 Abs. 2 B-VG festgelegt.

 

3.1. Zur Entscheidung gegen derartige Straferkenntnisse ist daher nicht (mehr) das nach örtlichen Bezugspunkten in Betracht kommende Verwaltungsgericht eines Landes, sondern nach den Spezialbestimmungen des Art. 131 Abs. 2 B-VG i.V.m. § 50 Abs. 1 GSpG (nicht das Bundesfinanzgericht gemäß Art. 131 Abs. 3 B-VG i.V.m. § 19 des Abgabenverwaltungsorganisationsgesetzes, BGBl.Nr. I 9/2010, sondern, weil § 50 Abs. 1 GSpG auch in Bezug auf § 19 AVOG als lex specialis anzusehen ist,) das Bundesverwaltungsgericht sachlich und funktionell zuständig.

 

3.2. § 50 Abs. 1 zweiter Satz GSpG (contra legem) verfassungskonform interpretierend hat daher das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich mit Beschlüssen vom 13. Jänner 2014, LVwG-410000/3/Gf/Rt, und vom selben Tag, LVwG-410001/3/Gf/Rt (jeweils i.d.F. vom 17. Februar 2014, LVwG-410000/6/Gf/Rt bzw. vom selben Tag, LVwG-410001/8/Gf/Rt), die vorliegenden, gegen Straferkenntnisse, die das Gebiet einer Gemeinde gemäß § 8 Z. 5 SPG (nämlich: die Statutarstadt Steyr) betreffen und nach § 96 Abs. 6 SPG nunmehr der Landespolizeidirektion Oberösterreich zuzurechnen sind, gerichteten Beschwerden gemäß § 17 VwGVG i.V.m. § 6 Abs. 1 AVG an das Verwaltungsgericht des Bundes weitergeleitet.

 

4. Mit Beschlüssen vom 3. März 2014, Zln. W187-2000585-1/4E und W134-2001966-1/2E, hat das Verwaltungsgericht des Bundes die Beschwerden der Rechtsmittelwerber wieder gemäß § 17 VwGVG i.V.m. § 6 Abs. 1 AVG an das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich rückgeleitet.

 

Begründend wurde dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass der Bundesgesetzgeber mit § 50 Abs. 1 GSpG von seiner Ermächtigung i.S.d. Art. 131 Abs. 4 Z. 1 B‑VG Gebrauch gemacht habe und dieser Bestimmung eindeutig zu entnehmen sei, dass für Strafverfahren nach dem Glücksspielgesetz nicht das Verwaltungsgericht des Bundes, sondern die Landesverwaltungsgerichte zuständig seien. Davon abgesehen handle es sich bei der Sicherheitsverwaltung um einen dritten Typus von Zuständigkeiten, der zwischen unmittelbarer und mittelbarer Bundesvollziehung angesiedelt sei und sohin in die Vollzugszuständigkeit der Landesverwaltungsgerichte falle.

 

5. Mit Antrag vom 13. März 2014 haben die Rechtsmittelwerber das Begehren gestellt, dass über ihre Beschwerden das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich entscheiden möge.

 

6. Nach der bisherigen ständigen Rechtsprechung des VwGH zu § 6 AVG, der von den Verwaltungsgerichten – mangels eigenständiger Regelung im VwGVG – im Wege der Verweisungsnorm des § 38 VwGVG auch in Verwaltungsstrafverfahren anzuwenden ist, verkörpert eine Weiterleitung keinen Bescheid (vgl. z.B. VwGH vom 28. Jänner 2010, Zl. 2009/12/0045), sondern eine bloße, nicht gesondert bekämpfbare Verfahrensordnung; davon ausgehend stellen weder die zuvor angeführten Beschlüsse des Verwaltungsgerichtes des Landes Oberösterreich vom 13. Jänner 2014 noch die Beschlüsse des Verwaltungsgerichtes des Bundes vom 3. März 2014 der Rechtskraft fähige Erledigungen dar. Eine Weiter- bzw. Rückleitung hat daher keine bindende Wirkung; die angeleitete Behörde kann bzw. muss vielmehr ihrerseits die Eingabe an eine andere Behörde weiter-, gegebenenfalls diese sogar an die ursprünglich weiterleitende Behörde zurückleiten, um zu vermeiden, dass sie rechtsfehlerhaft als unzuständige Behörde entscheidet (vgl. z.B. VwGH vom 4. November 2009, Zl. 2008/17/0240, mit Hinweis auf VwSlg 14475/1996).

 

Erfolgt – objektiv besehen – eine Weiterleitung der zuständigen an die unzuständige Behörde, so ist ein solcher Akt zwar rechtswidrig; er begründet aber eine Entscheidungspflicht der Letzteren, allerdings nicht in der Sache, sondern nur hinsichtlich der Zurückweisung der Eingabe wegen Unzuständigkeit (vgl. z.B. VwGH vom 27. November 2012, Zl. 2009/10/0083).

 

Davon ausgehend ist eine Behörde, der ein Antrag nach § 6 AVG wieder rückübermittelt wurde, nicht nur zu einer neuerlichen Weiterleitung, sondern auch dazu legitimiert, durch Zurückweisung des Antrages ihre Unzuständigkeit zu dessen meritorischer Erledigung auszusprechen (vgl. z.B. VwGH vom 19. Mai 2000, Zl. 96/21/0670, mit Hinweis auf VwGH v. 30. Mai 1996, Zl. 94/05/0370). In diesem Sinne hat eine Zurückweisung des Sachantrages jedenfalls dann zu erfolgen, wenn eine Verfahrenspartei auf einer Erledigung durch die objektiv besehen unzuständige Behörde beharrt (vgl. z.B. schon VwGH vom 24. Februar 1993, Zl. 92/02/0309).

 

7. Die vom Verwaltungsgericht des Bundes in dessen Beschlüssen vom 3. März 2014, Zln. W187-2000585-1/4E und W134-2001966-1/2E, zur Begründung dafür, dass das Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich im gegenständlichen Fall zur Entscheidung über die von den Rechtsmittelwerbern eingebrachten Beschwerden sachlich zuständig wäre, herangezogenen Argumente sind jedoch nach hg. Ansicht nicht geeignet, das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich zu einer von dessen Beschlüssen vom 13. Jänner 2014 abweichenden Beurteilung dieser Rechtsfrage zu veranlassen:

 

7.1. Zunächst ergibt sich aus Art. 102 B-VG zweifelsfrei, dass der Verfassungsgesetzgeber lediglich von zwei Typen der Verwaltungsführung des Bundes – nämlich: mittelbare Bundesverwaltung (als Regelfall) und unmittelbare Bundesverwaltung – ausgeht. Auch die in den Art. 78a ff B-VG getroffenen Anordnungen hinsichtlich der Sicherheitsbehörden des Bundes lassen sich – abgesehen davon, dass es sich insoweit lediglich um organisationsrechtliche Vorschriften und nicht um eine materielle Kompetenzaufteilung handelt – zwanglos in dieses System einfügen.

 

Die vom Verwaltungsgericht des Bundes und in einigen Literaturstellen getroffene Annahme eines eigenständigen „dritten“ Typus der Verwaltungsführung des Bundes erscheint daher weder zwingend noch aus sonstigen Gründen geboten.

 

7.2. Davon abgesehen knüpft die Kompetenzaufteilung des Art. 131 B-VG ohnehin nicht daran an, ob eine Angelegenheit in systematischer Hinsicht in Form der mittelbaren oder unmittelbaren Bundesverwaltung, der unmittelbaren oder mittelbaren Landesverwaltung, der territorialen oder beruflichen Selbstverwaltung etc. besorgt wird, sondern vielmehr daran, ob diese faktisch unmittelbar von einer Bundesbehörde (oder unmittelbar von einer Abgaben- oder Finanzstrafbehörde des Bundes) besorgt wird oder nicht: Die in dieser Festlegung zum Ausdruck kommende Absicht des Gesetzgebers besteht offensichtlich darin, dass das Handeln von Bundesbehörden durch die Verwaltungsgerichte des Bundes, das Handeln von Landesbehörden hingegen durch die Verwaltungsgerichte der Länder auf seine jeweilige Rechtmäßigkeit hin kontrolliert werden soll.

 

Für jene (Ausnahms-)Fälle, in denen diese prinzipielle verfassungsmäßige Kompetenzaufteilung aus rechtspolitischen Gründen als wenig bzw. nicht praktikabel erscheinen mag, sieht Art. 131 Abs. 4 und Abs. 5 B-VG ohnehin die Möglichkeit vor, dass der einfache Gesetzgeber abweichende Regelungen schaffen kann; im Hinblick auf den damit verbundenen Personal- und Sachaufwand bedarf es in diesen Fällen allerdings der vorangehenden Zustimmung der jeweils gegenbeteiligten Gebietskörperschaft(en).

 

7.3. Betrachtet man vor diesem Hintergrund die Anordnung des § 50 Abs. 1 zweiter Satz GSpG, wonach u.a. gegen Entscheidungen in Verwaltungsstrafverfahren pauschal eine „Beschwerde an ein Verwaltungsgericht des Landes erhoben werden“ kann, so ist zunächst darauf hinzuweisen, dass diese Bestimmung – soweit für den vorliegenden Zusammenhang von Bedeutung – mit BGBl.Nr. I 70/2013 ihre gegenwärtige Fassung erhielt. Diesbezüglich kann aber der Regierungsvorlage (vgl. 2196 BlgNR, 24. GP, S. 7) und dem Bericht des Finanzausschusses (vgl. 2233 BlgNR, 24. GP) kein Hinweis darauf entnommen werden, dass dem Gesetzgeber die in diesem Zusammenhang maßgebliche verfassungsmäßige Grundlage für die Kompetenzabgrenzung zwischen den Verwaltungsgerichten des Bundes und den Verwaltungsgerichten der Länder aktuell bewusst gewesen wäre. Wäre dies nämlich der Fall gewesen, so ist kein vernünftiger Grund dafür ersichtlich, weshalb die nach Art. 131 Abs. 4 Z. 1 B-VG erforderliche Zustimmung der (= aller) Bundesländer nicht eingeholt wurde.

 

Wesentlich näher liegt vielmehr die Schlussfolgerung, dass der einfache Bundesgesetzgeber dieses Problem schlicht übersehen hat, sodass die pauschale Formulierungan ein Verwaltungsgericht des Landes“ im zweiten Satz des § 50 Abs. 1 GSpG im Ergebnis als insoweit überschießend erscheint, weil sie jene Fälle nicht mitbedenkt, in denen – wie sich aus dem zweiten Halbsatz des ersten Satzes des § 50 Abs. 1 GSpG ergibt (dessen Formulierung jedoch schon früher, nämlich bereits mit dem Sicherheitsbehörden-Neustrukturierungsgesetz BGBl.Nr. I 50/2012 festgelegt worden war) – das Verwaltungsstrafverfahren von einer Landespolizeidirektion durchzuführen ist.

 

7.4. Ist der prinzipielle Sinn einer gesetzlichen Regelung unmissverständlich, die Formulierung des entsprechenden Gesetzestextes jedoch hinsichtlich nicht essentiell maßgeblicher Randfragen unklar, offen oder verbal überschießend, so ist diese Bestimmung insgesamt besehen ungeachtet ihres Wortlauts dahin zu interpretieren, dass im konkreten Anwendungsfall ein verfassungskonformes Ergebnis resultiert – und zwar ohne dass es in solchen Fällen eines offenkundigen Versehens eines gesonderten Normprüfungsverfahrens i.S.d. Art. 140 Abs. 1 B‑VG bedürfte.

 

Dies wurde jüngst auch vom Verfassungsgerichtshof – gerade im Zusammenhang mit dem GSpG – klargestellt, indem er in seinem Erkenntnis vom 13. Juni 2013, B 422/2013 u.a., ausgeführt hat (Hervorhebungen nicht im Original):

 

Ungeachtet der Formulierung des § 52 Abs. 2 GSpG ..... kann diesem nicht der (verfassungswidrige) Inhalt unterstellt werden, dass die Abgrenzung der Zuständigkeit der Verwaltungsstrafbehörde nach dem Glücksspielgesetz und der Strafgerichte nach § 168 StGB nach den vom jeweiligen Spieler tatsächlich geleisteten Einsätzen ..... abhängt. Der Verwaltungsstraftatbestand des § 52 Abs. 1 Z. 1 GSpG erfasst nämlich das Veranstalten, Organisieren, Anbieten oder unternehmerisch Zugänglichmachen von verbotenen Ausspielungen ..... Die Strafbarkeit knüpft somit nicht – wie dies aus der Textierung des § 52 Abs. 2 GSpG missverstanden werden könnte – an das Verhalten des konkreten Spielers – also daran, ob dieser im Einzelfall einen Einsatz von höchstens oder unter € 10,– an einem Glücksspielautomaten tatsächlich leistet – an, sondern stellt auf das Verhalten jener Person ab, die einem Spieler verbotene Ausspielungen ermöglicht ..... Bei der Abgrenzung der Strafbarkeit nach § 52 Abs. 1 (Z. 1) GSpG und nach § 168 StGB sowie damit auch der Zuständigkeit der Verwaltungsstrafbehörden und der Strafgerichte ist somit – bei einer verfassungskonformen, das Verbot der Doppelbestrafung gemäß Art. 4 Abs. 1 7. ZPEMRK berücksichtigenden Auslegung (vgl. VfSlg 15.199/1998 mwN) – darauf abzustellen, ob derjenige, der eine Ausspielung etwa mit einem Glücksspielapparat oder Glücksspielautomaten bzw. mit einem darauf installierten Spielprogramm veranstaltet, organisiert, anbietet oder unternehmerisch zugänglich macht, der bzw. das Einsätze von höchstens € 10,– oder mehr als € 10,– ermöglicht. .....

 

Die belangte Behörde hat somit dem § 52 Abs. 2 (i.V.m. § 52 Abs. 1 Z. 1) GSpG einen verfassungswidrigen Inhalt unterstellt, indem sie nicht auf den maximal möglichen Einsatz der vom Beschwerdeführer betriebenen Glücksspielautomaten, sondern auf den jeweils von Spielern geleisteten Einsatz pro Spiel abstellte.“

 

7.5. Verfassungskonform – nämlich eine Verletzung des Art. 131 Abs. 4 letzter Satz B-VG vermeidend – interpretiert ist § 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG daher dahin auszulegen, dass zur Entscheidung über Beschwerden gegen Entscheidungen einer Landespolizeidirektion, die in einem Verwaltungsstrafverfahren ergangen sind, das Verwaltungsgericht des Bundes zuständig ist.

 

8. Davon ausgehend hatte daher das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich angesichts des Beharrungsantrages der Rechtsmittelwerber vom 13. März 2014 im Sinne der vorzitierten ständigen Rechtsprechung des VwGH zu § 6 AVG die gegenständlichen Beschwerden wegen sachlicher Unzuständigkeit zurückzuweisen und diese an das Verwaltungsgericht des Bundes weiterzuleiten (vgl. VwGH vom 27. November 2012, Zl. 2009/10/0083; vom 19. Mai 2000, Zl. 96/21/0670; und vom 24. Februar 1993, Zl. 92/02/0309). 

 

Zu II.:

Die ordentliche Revision ist zulässig, weil im gegenständlichen Verfahren eine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG insofern grundsätzliche Bedeutung zukommt, weil bislang eine entsprechende Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 50 Abs. 1 zweiter Satz VwGG fehlt.

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

 

Gegen diesen Beschluss besteht die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer ordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Die Beschwerde bzw. Revision ist innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung des Beschlusses durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt abzufassen und einzubringen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240 Euro zu entrichten.

 

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

 

 

Dr.  G r ó f

LVwG-410000/10/Gf/Rt vom 17. März 2014

LVwG-410001/12/Gf/Rt vom 17. März 2014

 

Rechtssatz

 

Beschluss

 

Art. 129 B-VG;

Art. 130 B-VG;

Art. 131 B-VG;

Art. 151 Abs. 51 B-VG;

§ 50 GSpG;

§ 19 AVOG;

§ 8 SPG;

§ 96 Abs. 6 SPG;

§§ 1 ff VwGbk-ÜG;

§ 17 VwGVG;

§ 6 Abs. 1 AVG

 

* Aus Art. 102 B-VG ergibt sich, dass der Verfassungsgesetzgeber lediglich von zwei Typen der Verwaltungsführung des Bundes – nämlich: mittelbare Bundesverwaltung (als Regelfall) und unmittelbare Bundesverwaltung – ausgeht. Auch die in den Art. 78a ff B-VG getroffenen Anordnungen hinsichtlich der Sicherheitsbehörden des Bundes lassen sich – abgesehen davon, dass es sich insoweit lediglich um organisationsrechtliche Vorschriften und nicht um eine materielle Kompetenzaufteilung handelt – zwanglos in dieses System einfügen. Die vom Verwaltungsgericht des Bundes und in einigen Literaturstellen getroffene Annahme eines eigenständigen „dritten“ Typus der Verwaltungsführung des Bundes erscheint daher weder zwingend noch aus sonstigen Gründen geboten. Davon abgesehen knüpft die Kompetenzaufteilung des Art. 131 B-VG ohnehin nicht daran an, ob eine Angelegenheit in systematischer Hinsicht in Form der mittelbaren oder unmittelbaren Bundesverwaltung, der unmittelbaren oder mittelbaren Landesverwaltung, der territorialen oder beruflichen Selbstverwaltung etc. besorgt wird, sondern vielmehr daran, ob diese faktisch unmittelbar von einer Bundesbehörde (oder unmittelbar von einer Abgaben- oder Finanzstrafbehörde des Bundes) besorgt wird oder nicht: Die in dieser Festlegung zum Ausdruck kommende Absicht des Gesetzgebers besteht offensichtlich darin, dass das Handeln von Bundesbehörden durch die Verwaltungsgerichte des Bundes, das Handeln von Landesbehörden hingegen durch die Verwaltungsgerichte der Länder auf seine jeweilige Rechtmäßigkeit hin kontrolliert werden soll. Für jene (Ausnahms-)Fälle, in denen diese prinzipielle verfassungsmäßige Kompetenzaufteilung aus rechtspolitischen Gründen als wenig bzw. nicht praktikabel erscheinen mag, sieht Art. 131 Abs. 4 und Abs. 5 B-VG ohnehin die Möglichkeit vor, dass der einfache Gesetzgeber abweichende Regelungen schaffen kann; im Hinblick auf den damit verbundenen Personal- und Sachaufwand bedarf es in diesen Fällen allerdings der vorangehenden Zustimmung der jeweils gegenbeteiligten Gebietskörperschaft(en).

 

* Betrachtet man vor diesem Hintergrund die Anordnung des § 50 Abs. 1 zweiter Satz GSpG, wonach u.a. gegen Entscheidungen in Verwaltungsstrafverfahren pauschal eine „Beschwerde an ein Verwaltungsgericht des Landes erhoben werden“ kann, so ist zunächst darauf hinzuweisen, dass diese Bestimmung – soweit für den vorliegenden Zusammenhang von Bedeutung – mit BGBl.Nr. I 70/2013 ihre gegenwärtige Fassung erhielt. Diesbezüglich kann aber der Regierungsvorlage (vgl. 2196 BlgNR, 24. GP, S. 7) und dem Bericht des Finanzausschusses (vgl. 2233 BlgNR, 24. GP) kein Hinweis darauf entnommen werden, dass dem Gesetzgeber die in diesem Zusammenhang maßgebliche verfassungsmäßige Grundlage für die Kompetenzabgrenzung zwischen den Verwaltungsgerichten des Bundes und den Verwaltungsgerichten der Länder aktuell bewusst gewesen wäre. Wäre dies nämlich der Fall gewesen, so ist kein vernünftiger Grund dafür ersichtlich, weshalb die nach Art. 131 Abs. 4 Z. 1 B-VG erforderliche Zustimmung der (= aller) Bundesländer nicht eingeholt wurde. Wesentlich näher liegt vielmehr die Schlussfolgerung, dass der einfache Bundesgesetzgeber dieses Problem schlicht übersehen hat, sodass die pauschale Formulierung „an ein Verwaltungsgericht des Landes“ im zweiten Satz des § 50 Abs. 1 GSpG im Ergebnis als insoweit überschießend erscheint, weil sie jene Fälle nicht mitbedenkt, in denen – wie sich aus dem zweiten Halbsatz des ersten Satzes des § 50 Abs. 1 GSpG ergibt (dessen Formulierung jedoch schon früher, nämlich bereits mit dem Sicherheitsbehörden-Neustrukturierungsgesetz BGBl.Nr. I 50/2012 festgelegt worden war) – das Verwaltungsstrafverfahren von einer Landespolizeidirektion durchzuführen ist.

 

* Ist der prinzipielle Sinn einer gesetzlichen Regelung unmissverständlich, die Formulierung des entsprechenden Gesetzestextes jedoch hinsichtlich nicht essentiell maßgeblicher Randfragen unklar, offen oder verbal überschießend, so ist diese Bestimmung insgesamt besehen ungeachtet ihres Wortlauts dahin zu interpretieren, dass im konkreten Anwendungsfall ein verfassungskonformes Ergebnis resultiert – und zwar ohne dass es in solchen Fällen eines offenkundigen Versehens eines gesonderten Normprüfungsverfahrens i.S.d. Art. 140 Abs. 1 B VG bedürfte. Dies wurde jüngst auch vom Verfassungsgerichtshof – gerade im Zusammenhang mit dem GSpG – klargestellt (vgl. VfGH vom 13. Juni 2013, B 422/2013 u.a.). Verfassungskonform – nämlich eine Verletzung des Art. 131 Abs. 4 letzter Satz B-VG vermeidend – interpretiert ist § 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG daher dahin auszulegen, dass zur Entscheidung über Beschwerden gegen Entscheidungen einer Landespolizeidirektion, die in einem Verwaltungsstrafverfahren ergangen sind, das Verwaltungsgericht des Bundes zuständig ist.

 

* Davon ausgehend hatte daher das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich angesichts des Beharrungsantrages der Rechtsmittelwerber im Sinne der ständigen Rechtsprechung des VwGH zu § 6 AVG (vgl. VwGH vom 27. November 2012, Zl. 2009/10/0083; vom 19. Mai 2000, Zl. 96/21/0670; und vom 24. Februar 1993, Zl. 92/02/0309) die gegenständlichen Beschwerden wegen sachlicher Unzuständigkeit zurückzuweisen und diese an das Verwaltungsgericht des Bundes weiterzuleiten.

 

Beschlagwortung:

 

Kompetenzabgrenzung: BVwG – LVwG; Auslegung contra legem

Beachte:

Behandlung der Beschwerde wurde abgelehnt.

VfGH vom 05.06.2014, Zl.: E 302/2014-7