LVwG-601457/15/KLE

Linz, 03.10.2016

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Mag. Karin Lederer über den Vorlageantrag von J B, H, G, vertreten durch Rechtsanwalt Mag. M B LL.M., R, A, gegen die Beschwerdevorentscheidung der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen vom 26.2.2016,  VerkR96-21381-2015 über die Beschwerde von J B, H, G, vertreten durch Rechtsanwalt Mag. M B LL.M., R, A gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen vom 23.11.2015, VerkR96-21381-2015, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung

zu Recht   e r k a n n t :

 

I.         Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde stattgegeben, die angefochtene Beschwerdevorentscheidung im Spruchpunkt 1) behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

II.      Gemäß § 52 Abs. 9 VwGVG hat die Beschwerdeführerin keine Beiträge zu den Kosten des Verfahrens zu leisten.

 

III.   Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.             Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen vom 23.11.2015, VerkR96-21381-2015, wurde nachstehender Spruch erlassen:

„Sehr geehrte Frau B!

Sie haben folgende Verwaltungsübertretung(en) begangen: Taten (einschließlich Ort, Datum und Zeit der Begehung)

1) Sie sind als Lenker/in des angeführten Fahrzeuges mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang gestanden und haben ihr Fahrzeug nicht sofort angehalten.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift(en) verletzt: § 4 Abs. 1 lit. a StVO

 

2) Sie sind mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang gestanden und haben an der Sachverhaltsfeststellung nicht mitgewirkt, da Sie es durch Verlassen der Unfallstelle unmöglich gemacht haben, Ihre körperliche und geistige Verfassung zum Unfallszeitpunkt festzustellen.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift(en) verletzt: § 4 Abs. 1 iit. c StVO

 

Tatort: Gemeinde Fraham, Aumühle, Wallener Bundesstraße Richtung/Kreuzung: unben. Straße hinter dem Hause Aumühle x, B134 bei km 5.550, Tatzeit: 09.07.2015, 08:54 Uhr. Fahrzeug: PKW, x

 

Wegen dieser Verwaltungsübertretung(en) wird über Sie folgende Strafe verhängt:

Geldstrafe von

falls diese uneinbringlich ist, Ersatzfreiheitsstrafe von

gemäß

150,00 Euro

150,00 Euro

73 Stunden

73 Stunden

§ 99 Abs. 2 lit. a StVO

§ 99 Abs. 2 lit. a StVO

 

Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) zu zahlen:

30,00 Euro als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, das sind 10 % der Strafe, mindestens

jedoch 10,00 Euro (ein Tag Freiheitsstrafe gleich 100,00 Euro);

 

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) beträgt daher 330,00 Euro.“

 

Gegen dieses Straferkenntnis erhob die Beschwerdeführerin durch ihren Rechtsvertreter Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich und stellte die Anträge, eine mündliche Verhandlung durchzuführen und das angefochtene Straferkenntnis ersatzlos zu beheben und das Verfahren einzustellen,

in eventu das Verfahren unter Erteilung einer Ermahnung einzustellen,

in eventu die Strafhöhe auf ein tat- und schuldangemessenes Maß herabzusetzen.

 

Begründend wird ausgeführt:

„Sachverhalt:

Die Behörde wirft mir vor, ich sei am 09.07.2015 um 08:54 Uhr auf der Wallerner Bundesstraße B134 hinter dem Haus Aumühle x, Gemeinde Fraham bei Str-KM 5.550 in ursächlichem Zusammenhang mit einem Verkehrsunfall gestanden und habe

a. mein Fahrzeug nicht sofort angehalten und

b. durch Verlassen der Unfallstelle nicht an der Sachverhaltsfeststellung mitgewirkt.

 

Ich habe dadurch gegen § 4 Abs. 1 lit. a und lit. c StVO verstoßen und wurde deshalb mittels Strafverfügung der BH Eferding vom 21.07.2015 zur GZ. VerkR96-1407-2015 zu einer Geldstrafe gemäß § 99 Abs. 2 lit. a StVO von 2 x € 250,-, sohin gesamt € 500,- verurteilt

 

Nach fristgerechtem Einspruch vom 07.08.2015 teilte die BH Eferding am 10.08.2015 mit, dass sie den Verwaltungsstrafakt an die BH Grieskirchen abgetreten habe, welche am 09.10.2015 eine Verständigung vom Ergebnis einer Beweisaufnahme übermittelte, nämlich der Vernehmung der Zeugen H K und C G.

 

In meiner umfangreichen Stellungnahme vom 27.10.2015 beantragte ich, einen Lokalaugenschein durchzuführen, einen sachverständigen Gutachter aus dem Gebiet des Verkehrsunfallwesens beizuziehen und die genannten Zeugen ergänzend zu vernehmen, sowie den einschreitenden Polizeibeamten der PI Grieskirchen (der mich unmittelbar nach dem Vorfall aufsuchte) und meinen Ehemann, DI K B als Zeugen.

 

Jene beantragten Beweismittel wurden jedoch von der Behörde nicht aufgenommen. Statt dessen wurde meinem ausgewiesenem Vertreter am 03.12.2015 das hiermit angefochtene Straferkenntnis der BH Grieskirchen vom 23.11.2015 zur GZ. VerkR96-21381-2015 zugestellt, mit welchem ich zur Zahlung von 2 x € 150,- zzgl. 30,- Verfahrenskosten, sohin gesamt € 330,- verurteilt wurde.

 

Beschwerdebehauptung und -gründe:

Der Bescheid der belangten Behörde vom 23.11.2015 zur GZ. VerkrR96-21381-2015 verletzt mich in meinem subjektiven Recht, nicht entgegen den §§ 4 Abs. 1 lit. a und lit. c StVO iVm. § 99 Abs. 2 lit. a StVO bestraft zu werden.

 

Die Rechtsverletzungen ergeben sich in Detail, wie folgt:

1. Der von der Behörde festgestellte Sachverhalt gründet sich unter anderem auf die "Wahrnehmungen der Polizeiorgane", ohne auf solche Wahrnehmungen einzugehen.

 

Tatsächlich gibt es zum Vorfall vom 09.07.2015 keinerlei eigene Wahrnehmungen von Polizeiorganen, da diese lediglich die Aussagen der Beteiligten im Nachhinein zu Protokoll nahmen. Es ist daher gar nicht möglich, dass solchen Wahrnehmungen erheblicher Beweischarakter zukommt.

 

Die einzige persönliche Wahrnehmung eines Polizeiorganes, nämlich des Polizeibeamten der PI Grieskirchen, der mich unmittelbar nach dem Vorfall aufsuchte und dabei keinerlei Beeinträchtigung meiner körperlichen und geistigen Verfassung feststellte, wurde - entgegen dem diesbezüglichen Beweisantrag - nicht von der Behörde aufgenommen.

 

2. Die Behörde weist mein Vorbringen ohne Begründung als "Schutzbehauptung" zurück und geht davon aus, dass ich in "ursächlichem Zusammenhang" mit einem Verkehrsunfall gestanden sei und das Fahrzeug "nicht sofort angehalten" habe.

 

Dies obwohl ich selbst am 09.07.2015 und später beide Zeugen, Herr H K am 21.09.2015 und Frau C G am 15.09.2015 übereinstimmend aussagten, dass ich mein Fahrzeug für zumindest 30 Sekunden anhielt. Es ist daher nicht nachvollziehbar, wie die Behörde zu der Annahme kommt, ich hätte mein Fahrzeug nicht sofort angehalten.

 

Ich habe mich durch den Rückspiegel vergewissert, dass es zu keinem Verkehrsunfall gekommen sein konnte, da das hinter mir befindliche Fahrzeug des Herrn K in Fahrtrichtung langsam anfuhr. Eine Verpflichtung, in jedem Fall, bei dem im Straßenverkehr bloß ein Bremsgeräusch zu vernehmen ist, aus dem Auto zu steigen, ist dem § 4 Abs. 1 lit a. StVO nicht zu entnehmen und wird auch von der einschlägigen Judikatur nicht gefordert (zB. E 27 zu § 4 in Pürstl, StVO, 13. Auflage (2011).

 

Selbst wenn man der Darstellung des Zeuge K folgte, dass er in der Folge seine Fahrt wegen eines geplatzten Reifens nicht fortsetzen konnte, so ist es - entgegen der Ansicht der belangten Behörde - absolut lebensnah und nachvollziehbar, dass sich die Reifenpanne nicht unmittelbar ausgewirkt hat, sodass Herr K zunächst versuchte, seine Fahrt fortzusetzen.

 

3. Angesichts der Verkehrssituation besteht auch kein "ursächlicher Zusammenhang" meinerseits mit einem Verkehrsunfall.

 

Wie bereits in der Stellungnahme vom 27.10.2015 dargestellt, musste es dem Zeugen K aufgrund der vorhandenen Sichtweite und bei Einhaltung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit innerhalb von 4,5 Sekunden möglich gewesen sein, das Fahrzeug gefahrlos vor meinem Auto abzubremsen, sodass mein Abbiegen in die B 134 nicht ursächlich für einen anfälligen Schaden war.

 

Der Tatbestand des § 4 Abs. 1 lit a. StVO ist somit objektiv nicht erfüllt (Faktum 1).

 

Dem gegenüber hat es die Behörde unterlassen, die von mir beantragte Beweisaufnahme eines Lokalaugenscheines unter Beiziehung eines Sachverständigen aus dem Gebiet des Verkehrsunfallwesens aufzunehmen. Die Aufnahme jenes Beweismitteis hätte ergeben, dass mein Einbiegen nicht ursächlich für einen Verkehrsunfall war. Die Nichteinholung eines SV-Gutachtens stellt daher einen wesentlichen Verfahrensmangel dar (VwGH vom 27.01.194, 93/01/0696).

 

Die Behörde ist nach dem Grundsatz der Amtswegigkeit des Verwaltungsstrafverfahrens (§ 25 VStG) verpflichtet, für die Durchführung aller zur Klarstellung des Sachverhaltes erforderlichen Beweise von Amts wegen zu sorgen und auf das Parteivorbringen, soweit es für die Feststellung des Sachverhaltes von Bedeutung sein kann, einzugehen.

 

Sie kann sich daher nicht über erhebliche Behauptungen und Beweisanträge ohne Ermittlungen und Begründungen hinwegsetzen (VwGH vom 10.4.1991, 90/03/0264 u.a.). Auch sind gemäß Abs. 2 dieser Bestimmung ("Prinzip der materiellen Wahrheit") auch die der Entlastung des Beschuldigten dienlichen Umstände in gleicher Weise zu berücksichtigen wie die belastenden (VwGH vom 24.4.1997, 96/06/0107).

 

Der Eintritt eines Sachschadens ist zudem objektiv, zB. durch Fotos oder Reparaturrechnung, etc. nicht nachgewiesen. Entgegen dem diesbezüglichen Beweisantrag hat es die belangte Behörde unterlassen, dem Zeugen H K die Vorlage entsprechender objektiver Schadensnachweise aufzutragen.

 

Ebensowenig wurden der Zeuge H K als auch die Zeugin C G anlässlich ihrer Vernehmung durch die ersuchten Behörden nach erheblichen Umständen befragt, wie zB. die gefahrene Geschwindigkeit.

 

Unklar ist, weshalb die belangte Behörde den - unvollständig gebliebenen -Zeugenaussagen offenbar deshalb Glauben schenkt, weil die Zeugen im Falle einer "falschen Zeugenaussage mit strafrechtlichen Konsequenzen zu rechnen hätten". Demgegenüber werden meine Aussagen ohne Begründung als Schutzbehauptungen abgetan.

 

Die angefochtene Strafverfügung leidet diesbezüglich unter gravierenden Feststellungsmängeln, da die vollständige Zeugenbefragung ergeben hätte, dass ich nicht ursächlich für den Schaden war und somit der Tatbestand des § 4 Abs. 1 lit a. StVO objektiv nicht erfüllt ist

 

5. Angesichts des Umstandes, dass nach meinem Einbiegen lediglich ein kurzes Bremsgeräusch zu vernehmen war, von dessen Harmlosigkeit ich mich nach den sofortigen Anhalten überzeugt habe, ist auch nicht von Fahrlässigkeit iSd. § 5 Abs. 1 VStG auszugehen.

 

Nach ständiger Rechtssprechung ist der Tatbestand erst gegeben, wenn dem "Täter objektive Umstände (Anstoßgeräusch, ruckartige Anstoßerschütterung) zu Bewusstsein hätten kommen müssen, aus denen er die Möglichkeit eines Verkehrsunfalles mit wenigstens einer Sachbeschädigung zu erkennen vermocht hätte" (VwGH vom 06.07.1984, 82/02A/0072). Solche auslösenden Umstände sind selbst nach den Feststellungen der belangten Behörde eben nicht vorgelegen.

 

Der Tatbestand des § 4 Abs. 1 lit a. StVO ist somit auch subjektiv nicht erfüllt.

 

6. Auch der Tatbestand des § 4 Abs. 1 lit c. StVO (Mitwirkungspflicht - Faktum 2) ist objektiv nicht erfüllt.

 

Die Verpflichtung zur Mitwirkung an der Sachverhaltsfeststellung kann nur dann bestehen, wenn es überhaupt zu einer amtlichen Aufnahme des Tatbestandes kommt oder zu kommen hat.

 

Dies trifft immer dann zu, wenn es sich um einen Unfall handelt, bezüglich dessen eine Verständigungspflicht im Sinne des § 4 Abs. 2 StVO (Unfall mit Personenschaden) besteht, was hier keinesfalls vorliegt und in der Beweiswürdigung der belangten Behörde zu Unrecht übergangen wird (siehe Keplinger/Wimmer, StVO für Exekutivorgane, Rz 7 zu § 4 Abs. 1 lit c). Eine allgemeine Aussagepflicht - wie sie etwa für Zeugen besteht - ist von jener Bestimmung nicht umfasst (E 72 zu § 4, Pürstl, StVO, a.a.O.)

 

Ein Unfallbeteiligter ist zum passiven Mitwirken an der Feststellung des Sachverhalts nur dann verpflichtet, wenn er weiß (oder fahrlässig nicht weiß), dass ein Verkehrsunfall im Sinne des § 4 Abs. 1 StVO passiert ist. Da ich aufgrund der Umstände nicht annehmen musste, dass ein Verkehrsunfall passiert sei, war ich auch subjektiv nicht verpflichtet, an einer Sachverhaltsfeststellung mitzuwirken.“

 

Mit Beschwerdevorentscheidung vom 26.2.2016,  VerkR96-21381-2015, wurde der Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt 1 des Straferkenntnisses abgewiesen, hinsichtlich Spruchpunkt 2 wird der Beschwerde stattgegeben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

Im Spruch wurde weiters angeführt:

„Sie haben folgende Verwaltungsübertretung begangen:

Sie sind als Lenkerin des angeführten Fahrzeuges mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhäng gestanden und haben Ihr Fahrzeug nicht sofort angehalten.

 

Tatort: Gemeinde Fraham, Aumühle, Kreuzung der Wallerner Bundesstraße B 134 bei km 5.550 mit der unbenannten Gem. Straße hinter dem Hause Aumühle x

 

Tatzeit: 09.07.2015, 08:54 Uhr.

 

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift(en) verletzt: § 4 Abs. 1 lit. a StVO

 

Wegen dieser Verwaltungsübertretung(en) wird über Sie folgende Strafe verhängt:

Geldstrafe von

falls diese uneinbringlich ist, Ersatzfreiheitsstrafe von

gemäß

150,00 Euro

 

73 Stunden

 

§ 99 Abs. 2 lit. a StVO

 

 

Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) zu zahlen:

 

15 Euro als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, das sind 10 % der Strafe, mindestens jedoch 10,00 Euro (ein Tag Freiheitsstrafe gleich 100,00 Euro);

 

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) beträgt daher

165 Euro.“

 

Mit Vorlageantrag vom 30.3.2015 begehrte die Beschwerdeführerin die Entscheidung durch das Landesverwaltungsgericht. Begründend wurde ergänzend ausgeführt:

„Ich habe am 30.12.2015 gegen das Straferkenntnis der BH Grieskirchen vom 23.11.2015 zur GZ. VerkR96-21381-2015, meinem bevollmächtigten Vertreter zugestellt am 03.12.2015, mit weichem mir

• gemäß § 4 Abs. 1 lit. a und lit. c StVO, jeweils iVm. § 99 Abs. 2 lit. a StVO die Bezahlung von € 300,- zzgl. € 30,- an Verfahrenskosten, sohin der Gesamtstrafbetrag von € 330,- aufgetragen wurde, fristgerecht Beschwerde erhoben.

Diese Beschwerde hat die BH Grieskirchen gemäß § 14 Abs. 1 VwGVG mit Beschwerdevorentscheidung vom 26.02.2016 zur GZ. VerkR96-21381-2015, meinem bevollmächtigten Vertreter zugestellt am 16.03.2016, dahingehend erledigt, dass sie der Beschwerde nur teilweise stattgegeben, das Straferkenntnis im Spruchpunkt 2) aufgehoben und die Verurteilung im Spruchpunkt 1), nämlich eine Verurteilung gemäß § 4 Abs. 1 lit. a iVm. § 99 Abs. 2 lit. a StVO zu einer Geldstrafe von € 150,- zzgl. € 15,- an Verfahrenskosten, sohin zu einem Gesamtstrafbetrag von € 165,-bestätigt hat. Meinen Beschwerdeanträgen wurde somit nicht zur Gänze entsprochen.

Aus diesem Grund stelle ich binnen offener Frist gemäß § 15 Abs. 2 VwGVG den

ANTRAG,

meine Beschwerde vom 30.12.2015 gegen das Straferkenntnis der BH Grieskirchen vom 23.11.2015 zur GZ. VerkR96-21381-2015 dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich als Berufungsbehörde zur Entscheidung vorzulegen und den Beschwerdeanträgen vollinhaltlich stattzugeben.

 

BEGRÜNDUNG:

Die Beschwerdevorentscheidung beruht auf einem unrichtigen bzw. unvollständig ermittelten Sachverhalt:

 

Die Behörde wirft mir vor, ich sei am 09.07.2015 um 08:54 Uhr auf der Wallerner Bundesstraße B134 hinter dem Haus Aumühle x, Gemeinde Fraham bei Str-KM 5.550 in ursächlichem Zusammenhang mit einem Verkehrsunfall gestanden und habe mein Fahrzeug nicht sofort angehalten, ich habe dadurch gegen § 4 Abs. 1 lit. a StVO verstoßen und werde deshalb zu einer Geldstrafe gemäß § 99 Abs. 2 lit. a StVO von € 150,-, zzgl. € 15,- Kostenbeitrag, sohin gesamt € 165,- verurteilt.

 

In den Feststellungen geht die Behörde davon aus, dass ich den (aus meiner Sicht) von rechts auf der B134 fahrenden Lenker mit dem Kennzeichen x "offenbar" übersehen und durch das Einbiegen diesen zum stark-Abbremsen und nach-rechts-Verlenken veranlasst habe, wodurch der "Vorderreifen samt Alufelge sowie ein Leitpflock" beschädigt worden seien. Es läge dadurch ein Verkehrsunfall im Sinne des § 4 StVO vor und sei mein Fahrverhalten ("als ich eine kleine Lücke sah, fuhr ich ein...") dafür kausal gewesen, wodurch der Tatbeststand des § 4 Abs. 1 lit. a StVO objektiv verwirklicht sei und auch subjektiv keine entlastenden Umstände festzustellen seien.

 

1. Richtig ist jedoch vielmehr, dass nicht in ursächlichem Zusammenhang mit einem Verkehrsunfall gestanden bin.

 

Wie bereits mehrfach vorgebracht, sah ich keine kleine Lücke und fuhr ein, sondern vergewisserte ich mich, dass aus beiden Richtungen kein Fahrzeug kam, bevor ich nach links in die B 134 einbog. Offenbar war der Zeuge H K mit seinem Alfa Spider mit verkehrsunangepasster oder überhöhter Geschwindigkeit unterwegs oder beim Lenken seines Fahrzeuges abgelenkt und hat deshalb die Abstandsvorschriften nicht eingehalten. Ein ursächlicher Zusammenhang mit einem Schaden wurde allenfalls von Herrn K herbeigeführt.

Wie bereits dargestellt, musste es dem Zeugen K aufgrund der vorhandenen Sichtweite und bei Einhaltung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit innerhalb von 4,5 Sekunden  möglich  gewesen  sein,  das  Fahrzeug  gefahrlos vor meinem Auto abzubremsen, sodass mein Abbiegen in die B 134 gar nicht ursächlich für einen etwaigen Schaden gewesen sein konnte.

 

2. Der Eintritt eines Schadens wurde vom Zeugen K lediglich behauptet, nicht aber zß. durch Reparaturrechnung, Fotos etc. nachgewiesen und hat es die Behörde unterlassen, entsprechende Schadensnachweise zu verlangen.

 

Im Übrigen wurde der Straßenleitpflock - entgegen den Feststellungen der Behörde - nach der Aktenlage gar nicht beschädigt, weil die Straßenmeisterei keinerlei Reparaturmaßnahmen durchführte (siehe Seite 2 des polizeilichen VU-Berichts vom 13.07.2015).

 

3. Ferner ist unrichtig, dass ich das Fahrzeug "nicht sofort angehalten" habe.

 

Nach der Aktenlage stimmten beide Zeugen, Herr H K und Frau C G darin überein, dass ich mein Fahrzeug unverzüglich und für zumindest 30 Sekunden anhielt. Eine Verpflichtung, in jedem Fall aus dem Auto zu steigen, wenn im Straßenverkehr ein Bremsgeräusch zu vernehmen ist, ist dem § 4 Abs. 1 lit a. StVO nicht zu entnehmen und wird auch von der einschlägigen Judikatur - entgegen der rechtlichen Beurteilung der Behörde - nicht gefordert (zB. E 27 zu § 4 in Pürstl, StVO, 13. Auflage (2011).

 

Da ich im Rückspiegel deutlich erkennen konnte, dass das hinter mir befindliche Fahrzeug des Herrn K in Fahrtrichtung langsam anfuhr, hatte ich objektiv keinen Grund anzunehmen, dass zu einem Verkehrsunfall gekommen sein könnte. Herr K gab auch keinerlei Signale, dass etwas passiert sei. Auch das zweitfolgende Fahrzeug bewegte sich weiter in Fahrtrichtung, weshalb ich mir völlig sicher war, dass es zu keinem Verkehrsunfall gekommen ist. Es sind mir daher keinerlei "Umstände zu Bewusstsein gekommen", die zwingend auf einen Verkehrsunfall hätten schließen lassen. Ohne den Sachverhalt überhaupt näher überprüft zu haben, überspannt hier die Behörde den Sorgfaltsmaßstab an einen maßgetreuen Autofahrer bei Weitem, wenn sie vermeint, Fahrzeuglenker seien in jedem Fall dazu verpflichtet, das Fahrzeug zu verlassen. Eine solche Anforderung wäre nicht nur lebensfern, sondern könnte - je nach Verkehrsaufkommen auf einer Bundesstraße - auch zur Behinderung oder Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer führen.

 

Die konkreten Anforderungen an mein Verhalten hätten von der Behörde nur im Rahmen eines Lokalaugenscheines ermittelt werden können, welcher von der Behörde aber nicht durchgeführt wurde.

 

Der Tatbestand des § 4 Abs. 1 lit a. StVO ist somit objektiv und subjektiv nicht erfüllt und deshalb die Strafbarkeit nicht gegeben.

 

Unter Missachtung der Verpflichtung zur amtswegigen Klärung des Sachverhaltes hat es die Behörde rechtswidrig unterlassen, die von mir beantragte Beweisaufnahme eines Lokalaugenscheines unter Beiziehung eines Sachverständigen aus dem Gebiet des Verkehrsunfallwesens aufzunehmen. Die Aufnahme jenes Beweismittels hätte ergeben, dass mein Einbiegen nicht ursächlich für einen Verkehrsunfall war. Die Nichteinholung eines SV-Gutachtens stellt daher einen wesentlichen Verfahrensmangel dar (VwGH vom 27.01.194, 93/01/0696).“

 

Mit Schreiben vom 27.6.2016 legte die belangte Behörde dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich die Beschwerde samt dem bezughabenden Verwaltungsakt vor.

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme und Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung. An dieser nahmen die Beschwerdeführerin, ihr Rechtsvertreter, und die Zeugin C G und der Zeuge H K teil.

 

Folgender Sachverhalt steht fest:

Die Beschwerdeführerin lenkte den PKW mit dem Kennzeichen x am 9.7.2015, 8:54 Uhr, in der Gemeinde Fraham, Aumühle, auf der unbenannten Gemeindestraße hinter dem Hause Aumühle x und bog links in die B134, Wallener Bundesstraße, bei km 5.550 ein. Der Zeuge K gab an, dass man Fahrzeuge ja grundsätzlich nicht als Gefahr wahrnehme. Erst als der PKW der Beschwerdeführerin sich im Bereich der Gegenfahrbahn der B134 befand, wurde er von ihm „als Gefahr wahrgenommen“. Der Zeuge K leitete daraufhin eine „Notbremsung“ ein um einen Aufprall zu verhindern und nach rechts in die Wiese auszuweichen. Dabei stieß dieser mit seinem PKW gegen die Gehsteigkante wodurch sein Vorderreifen samt Alufelge beschädigt wurde. Die Beschwerdeführerin brachte ihren PKW - nach Angaben des Zeugen K in einer Entfernung von ca. 10 bis 15 m zum Stehen - nachdem sie ein Reifenquietschen gehört hatte. Nach den übereinstimmenden Angaben aller Beteiligter (Beschwerdeführerin, Zeugin G und Zeuge K) stand der PKW der Beschwerdeführerin ca. 30 Sekunden dort. Der Zeuge K hatte die Warnblinkanlage nicht eingeschaltet, auch stiegen weder er noch seine Beifahrerin aus dem Fahrzeug aus. Seitens des Zeugen K wurde weder die Lichthupe betätigt noch Handzeichen gegeben. Erst als die Beschwerdeführerin nach einer halben Minute die Fahrt fortsetzte, hupte der Zeuge K nach eigenen Angaben. Die Beschwerdeführerin erkannte, dass sich im PKW des Zeugen K zwei Personen befanden. Da keiner aus dem Fahrzeug ausstieg bzw. sich auf andere Weise innerhalb eines Zeitraumes von einer halben Minute bemerkbar machte, setzte die Beschwerdeführerin ihre Fahrt fort. Ein Hupen wurde von ihr nicht wahrgenommen. Die Zeugin G fuhr daraufhin der Beschwerdeführerin nach und konnte sie erst in „beim zweiten Kreisverkehr“ wieder einholen, und betätigte Lichthupe und Hupe. Die Beschwerdeführerin gab weiters an, gesehen zu haben, dass sich der PKW des Zeugen K bewegt hat. Daraus schloss sie, dass es keinen Unfall gegeben hatte. Die Zeugen G und K geben übereinstimmend an, dass der PKW des Zeugen K nach dem Stillstand nicht mehr bewegt wurde.

 

Dieser Sachverhalt ergibt sich aus den glaubwürdigen Zeugenaussagen der Zeugen, den Angaben der Beschwerdeführerin und den Angaben im Verfahrensakt.

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat in rechtlicher Hinsicht Folgendes erwogen:

 

§ 4 Abs. 1 lit. a StVO:

Alle Personen, deren Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhange steht, haben wenn sie ein Fahrzeug lenken, sofort anzuhalten.

 

Mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhange steht auf jeden Fall das Verhalten des davon unmittelbar betroffenen Fahrzeuglenkers oder Fußgängers. Aber auch Personen, die vom Unfall nicht unmittelbar betroffen sind, können mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang stehen, nämlich dann, wenn sie den unmittelbar Betroffenen zu einem Verhalten veranlasst haben, das schließlich zu einem Verkehrsunfall führte. Bei der Beurteilung des ursächlichen Zusammenhanges ist die sich der Eliminationsmethode bedienende Äquivalenztheorie (condicio sine qua non) maßgebend. Die Frage der Rechtswidrigkeit oder des Verschuldens ist dabei nicht zu prüfen.

 

Die Verpflichtung, ein Fahrzeug anzuhalten, besteht nicht nur dann, wenn der Lenker den Unfall verschuldet oder mitverschuldet hat, sondern auch dann, wenn das Verhalten des Lenkers mit dem Verkehrsunfall in Zusammenhang gebracht werden kann.

 

Voraussetzung für die Anhaltepflicht ist als objektives Tatbildmerkmal der Eintritt wenigstens eines Sachschadens und in subjektiver Hinsicht das Wissen von dem Eintritt eines derartigen Schadens, wobei der Tatbestand schon dann gegeben ist, wenn dem Täter objektive Umstände zu Bewusstsein gekommen sind oder bei gehöriger Aufmerksamkeit zu Bewusstsein hätten kommen müssen, aus denen er die Möglichkeit eines Verkehrsunfalls mit einer Sachbeschädigung zu erkennen vermochte (VwGH 23.5.2002, 2001/03/0417; s auch VwGH 20.2.1991, 90/02/0148 (Wahrnehmen eines Knalls); 17.11.2014, 2012/02/0237 (bloßes Nachfahren und Betätigen der Lichthupe durch einen anderen Lenker lässt noch keinen Schluss auf vorhergegangenen Unfall zu).

 

Das sofortige Anhalten hat den Zweck, dass der Lenker, nachdem er sich vom Ausmaß des Verkehrsunfalls überzeugt hat, die gesamten gesetzlich vorgeschriebenen Maßnahmen, so insb die nach § 4 Abs. 1 lit. b, lit. c, Abs. 2 und Abs. 5 trifft. (VwGH 20.4.2001, 99/02/0176).

 

Die Anhaltepflicht beschränkt sich auf den Bereich der Unfallstelle (vgl. VwGH 17.6.1971, 2223/70 ZVR 1972/87).

 

Stand der Lenker mit einem Verkehrsunfall mit Sachschaden in ursächlichem Zusammenhang, dann war er verpflichtet, sein Fahrzeug sofort anzuhalten. (vgl. VwGH 17.6.1992, 91/03/0286).

 

Da die Beschwerdeführerin auf die B134 einbog, leitete der Zeuge K eine Notbremsung ein und lenkte seinen PKW nach rechts zum Randstein. Sie stand somit mit diesem Verkehrsunfall im Sinne der Äquivalenztheorie in ursächlichem Zusammenhang. Die Beschwerdeführerin entsprach ihrer gesetzlichen Verpflichtung sofort anzuhalten. Sie überzeugte sich daraufhin, ob etwas passiert war. Im einem, doch relativ langen Zeitraum von einer halben Minute, stiegen weder der Zeuge K, noch dessen Beifahrerin aus dem PKW aus, noch machten sie sich durch Lichthupe oder Hupe bemerkbar, dass etwas passiert wäre.

 

Aus Sicht der Beschwerdeführerin, die nur ein „Reifenquietschen“ wahrnahm und subjektiv nicht davon auszugehen hatte, dass ein Verkehrsunfall passiert war, da es weder eine Beschädigung an ihrem Fahrzeug gab noch die Beschädigung des Fahrzeuges des Zeugen K für sie ersichtlich war, und sich eine halbe Minute lang niemand bemerkbar machte, fuhr sie weiter. Das spätere bloße Nachfahren und Betätigen der Lichthupe und Hupe durch die Zeugin G ließ noch keinen Schluss auf vorhergegangenen Unfall zu.

 

Für die Beschwerdeführerin waren keine objektiven Umstände erkennbar bzw. hätten ihr bei gehöriger Aufmerksamkeit zu Bewusstsein kommen müssen, aus denen sie die Möglichkeit eines Verkehrsunfalls mit einer Sachbeschädigung zu erkennen vermochte. Ein bloßes Reifenquietschen ohne Wahrnehmbarkeit zB eines Knalls lässt nicht den Schluss eines Verkehrsunfalls mit Sachschaden zu.

 

Das Verwaltungsverfahren war daher mangels Vorliegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 45 Abs. 1 Z 2 VStG einzustellen.

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

II.            Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

H i n w e i s

Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen.

 

 

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Mag. Karin Lederer