LVwG-750144/2/BP/JO

Linz, 07.03.2014

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Mag. Dr. Bernhard Pree über die „Mitteilung der Unwirksamkeit der Berufungszurücknahme vom 18. Februar 2014“ des X, geb. X, vertreten durch RA X, in einem Beschwerdeverfahren nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), den

 

 

B E S C H L U S S

 

gefasst:

 

I.          Gemäß § 28 iVm. § 31 VwGVG wird das als „Mitteilung der Unwirksamkeit der Berufungszurückziehung vom 18. Februar 2014“ bezeichnete Anbringen als unzulässig zurückgewiesen.

 

II.         Gegen diesen Beschluss ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

 

1. Die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck hat mit Bescheid vom 12. November 2013 zu GZ.: Sich40-43355-2013 einen quotenfreien Erstantrag des Beschwerdeführers (im Folgenden Bf) auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Niederlassungsbewilligung“ gemäß § 43 Abs. 3 NAG 2005 als unzulässig zurückgewiesen.

 

2. Gegen diesen Bescheid erhob der Bf durch seinen rechtsfreundlichen Vertreter innerhalb offener Frist Berufung am 29. November 2013.

 

3. Mit Schreiben vom 20. Jänner 2014 legte das Bundesministerium für Inneres den betreffenden Verwaltungsakt dem Oö. Landesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.

 

4. Wiederum mit Schreiben vom 20. Februar 2014 übermittelte die belangte Behörde die schriftliche Zurückziehung der Berufung des Bf vom 18. Februar 2014.

 

5. Mit Beschluss des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 3. März 2014 wurde in der Folge das Beschwerdeverfahren zu LVwG-750056/3/BP/JO, formal eingestellt.

 

6.1. Mit Telefax vom 3. März 2014 übermittelte der rechtsfreundliche Vertreter des Bf eine „Mitteilung der Unwirksamkeit der Berufungszurückziehung vom 18. Februar 2014“ dem Landesverwaltungsgericht und begehrt, dass mit dem oa. Beschwerdeverfahren fortgefahren werden möge.

 

6.2. Begründend wird in dem Schreiben ua. Folgendes ausgeführt:

 

Am Montag, 17. Februar 2014 meldete sich die Gattin des Beschwerdeführers in der Kanzlei des Rechtsvertreters und gab bekannt, dass die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck mitgeteilt hätte, dass laufende Beschwerdeverfahren wäre ein Hindernis für den später eingebrachten Antrag auf Familienzusammenführung. Es könnten nicht zwei verschiedene Aufenthaltstitel beantragt werden.

 

Um das laufende Verfahren auf Familienzusammenführung nicht zu behindern, zog der Rechtsvertreter mit Eingabe per Telefax vom 18.2.2014 die Berufung zurück. In weiterer Folge erkundigte er sich bei der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck über den Stand des Verfahrens hinsichtlich der beantragten Familienzusammenführung. Am Freitag 28.2.2014 war der Beamte wegen Abrechnungstätigkeiten nicht mehr erreichbar, jedoch am Montag 3.3.2014. Herr X gab dabei bekannt, dass der Antrag bereits zurückgewiesen worden wäre, weil ein Beschwerdeverfahren desselben Beschwerdeführers anhängig wäre. Der Zurückweisungsbescheid würde dem Antragsteller X im Wege der österreichischen Botschaft Skopje gerade zugestellt werden.

 

Die Zurückziehung der Berufung vom 18.2.2014 war daher nicht frei von Willensmängeln und kann daher keine Rechtswirkungen entfalten. Dem Rechtsvertreter bzw. der vertretenen Partei war nicht klar, dass die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck sofort und ohne Zuwarten den Antrag wegen Verfahrensanhängigkeit zurückweisen würden. Dem Antragsteller kam es darauf an, zumindest ein Verfahren fortzuführen.

 

Das Ergebnis des Zurückziehens der seinerzeitigen Berufung wäre nun jenes, dass überhaupt kein Verfahren mehr laufen würde.

 

Der Antragsteller bzw. Beschwerdeführer braucht daher das Zurückziehen der Berufung nicht zurücknehmen, sondern bloß, auf die Wirkungslosigkeit des Zurückziehens der Berufung verweisen.

 

Der Irrtum des Beschwerdeführers wurde durch die Organwalter der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck veranlasst, weil sie bei der Gattin X den Eindruck erweckten, ihr Gatte müsse die ursprüngliche Berufung/Beschwerde zurückziehen.

 

 

II.

 

1. Gemäß § 81 Abs. 26 NAG, BGBl I 100/2005 idF BGBl I 144/2013 sind alle bis zum 31. Dezember 2013 beim Bundesminister für Inneres anhängigen Berufungsverfahren nach dem NAG ab dem 1. Jänner 2014 vom jeweils zuständigen Landesverwaltungsgericht mach den Bestimmungen des NAG idF vor dem BGBl I 87/2012 zu Ende zu führen.

 

2. Gemäß § 3 VwGvk-ÜG gelten die eingebrachten Berufungen des Bf als Beschwerden gem. Art 130 Abs. 1 Z 1 B-VG.

 

3. Zur Klärung der in Rede stehenden Rechtsfrage ist zunächst auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen:

 

§ 13 Abs. 7 AVG enthält (seit der Novelle BGBl. I Nr. 158/1998) die ausdrückliche Vorschrift, dass ein Anbringen in jeder Lage des Verfahrens zurückgezogen werden kann. Der Gesetzgeber wollte § 13 Abs.7 AVG nach dem Vorbild des § 237 ZPO einführen (so die RV 1167 BlgNR, XX GP, 26). Zu dieser Bestimmung entspricht es einhelliger Ansicht, dass die Rechtsfolgen des § 237 Abs.3 ZPO (insbesondere also, dass die Klage als nicht eingebracht anzusehen ist) automatisch mit dem Zugang der Erklärung des Klägers an das Gericht eintreten, sodass einem die Prozessbeendigung aussprechenden Beschluss nur deklarative Bedeutung zukommt (Hinweis E 21. Oktober 2005, 2002/12/0294). Auch nach der Rechtsprechung vor Inkrafttreten des § 13 Abs.7 AVG bewirkte eine Antragsrückziehung das Ende des Verfahrens, ohne dass es einer behördlichen Entscheidung bedurfte (vgl E 29. März 2001, 2000/20/0473). Die Zurückziehung eines Antrages zieht daher – wenn sie dem Vorbild des § 237 ZPO vergleichbare Rechtswirkungen haben sollte – keinen weiteren, über die formlose Einstellung des Verfahrens hinausgehenden Akt der Behörde nach sich.

(VwGH vom 25.07.2013, Zl. 2013/07/0099)

Die Zurückziehung eines Antrages ist als prozessuale Willenserklärung
empfangs-, jedoch nicht annahmebedürftig. Sie wird mit Einlangen bei der zuständigen Behörde wirksam. Damit wird sie auch unwiderruflich (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 13. August 2003, Zl. 2001/11/0202, und den hg. Beschluss vom 10. Oktober 1997, Zl. 96/02/0144).

(VwGH vom 23. Juli 2009, Zl. 2008/05/0241)

 

Soweit sich eine Partei eines Rechtsvertreters bedient, ist ihr nach ständiger hg. Judikatur ein Verschulden dieses Vertreters wie eigenes Verschulden zuzurechnen (Hinweis auf die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze 12 (1998) S. 1558 f dargestellte Judikatur).

(VwGH vom 17. Juli 2008, Zl. 2007/21/0227).

 

Die erfolgte Erklärung des Bf, die Beschwerde an die belangte Behörde zurückzuziehen, wird dadurch nicht berührt, dass sie – angeblich – auf Grund von Zusicherungen erfolgt sei, die in der Folge nicht eingehalten worden seien (vgl. dazu beispielsweise das hg. Erkenntnis vom 20. Dezember 1995, Zl. 95/03/0310, mwN.)

(VwGH vom 15. September 2009, Zl. 2009/06/0111)

 

4. Es ergibt sich nun für den vorliegenden Fall, dass – wie allseits unbestritten – die Beschwerde vom Rechtsvertreter des Bf am 18. Februar 2014 zurückgezogen wurde. Dadurch treten aber die durch die oa Judikatur dargestellten Rechtsfolgen ein. Die Beschwerde gilt ab dem Einbringungszeitpunkt beim LVwG sohin als nicht eingebracht. Dem Beschluss vom 3. März 2014 kommt demnach nur deklarative Wirkung zu.

 

Wenn nun vorgebracht wird, die Zurückziehung beruhe auf einem von der belangten Behörde (mittelbar) hervorgerufenen Irrtum, weshalb die Zurückziehung unwirksam sei, kann dies nicht nachvollzogen werden. Zum Einen ist anzumerken, dass der Rechtsvertreter nach Information der Ehegattin des Bf – ohne weitere Nachforschungen – die Beschwerde zurückzog; zum Anderen ist auf die Judikatur hinzuweisen, dass sogar nicht gehaltene Zusicherungen nicht in der Lage sind, die Wirksamkeit einer zugegangenen Erklärung über die Zurückziehung eines Rechtsmittels zu verhindern.

 

5. Im Ergebnis bedeutet dies aber, dass das Anbringen mangels entsprechender Rechtsgrundlage als unzulässig zurückzuweisen war.

 

 

III. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

 

Gegen diesen Beschluss besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

 

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

 

 

Bernhard Pree