LVwG-601540/8/Bi/CG

Linz, 07.10.2016

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin         Mag. Karin Bissenberger über die Beschwerde des Herrn Dipl.Ing. K P, T,  G, vom 12. August 2016 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung vom 20. Juni 2016, VerkR96-853-2015, wegen Übertretung des KFG 1967,

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

I.

Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren ohne Vorschreibung von Verfahrenskostenbeiträgen gemäß § 45 Abs.1 Z1 VStG eingestellt.

 

II.

Gemäß § 52 Abs.8 VwGVG entfällt ein Kostenbeitrag zum Beschwerdeverfahren.

 

III.

Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Zu I.:

1. Mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis wurde über den Beschuldigten wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß §§ 82 Abs.8 iVm 134 Abs.1 KFG 1967 eine Geldstrafe von 250 Euro und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 50 Stunden verhängt sowie ihm gemäß § 64 Abs.1 VStG ein Verfahrenskostenbeitrag von 25 Euro auferlegt. Zugrundegelegt wurde laut Schuldspruch, er habe es als Benutzer des Fahrzeuges mit einem ausländischen Kennzeichen, nämlich des Pkw Honda Civic, weiß, Kennzeichen x, am   21. Juli 2014, 18.30 Uhr, im Ortsgebiet Gallneukirchen, Parkplatz Rammesberg, unterlassen, den Zulassungsschein und die Kennzeichentafeln nach Ablauf eines Monats nach Einbringung des Fahrzeuges nach Österreich der Behörde, in deren Wirkungsbereich sich das Fahrzeug befinde, abzuliefern, obwohl Fahrzeuge mit ausländischem Kennzeichen, die von Personen mit dem Hauptwohnsitz oder Sitz im Inland in das Bundesgebiet eingebracht und in diesem verwendet würden, bis zum Gegenbeweis als Fahrzeug mit dem dauernden Standort im Inland anzusehen seien. Die Verwendung solcher Fahrzeuge ohne Zulassung gemäß     § 37 sei nur während eines Monats unmittelbar nach ihrer Einbringung in das Bundesgebiet zulässig. Nach Ablauf dieser Frist seien der Zulassungsschein und die Kennzeichentafeln der Behörde, in deren örtlichem Wirkungsbereich sich das Fahrzeug befinde, abzuliefern. Das Kraftfahrzeug sei am 21. März 2014 in Österreich eingebracht worden. Der Standort in Österreich sei in 4210 Gallneukirchen, T. Er habe  bis zum 6. März 2015 die Kennzeichen und den Fahrzeugschein nicht abgeliefert.

Die Zustellung des Straferkenntnisses erfolgte laut Rückschein am 18. Juli 2016.

 

2. Dagegen hat der Beschwerdeführer (in Folge: Bf) fristgerecht Beschwerde gemäß § 7 VwGVG iVm Art.130 Abs.1 Z1 B-VG eingebracht, die von der belangten Behörde ohne Beschwerdevorentscheidung dem Landesverwaltungs­gericht zur Entscheidung vorgelegt wurde, das darüber gemäß Art.131 B-VG zu entscheiden hat. Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung erübrigte sich gemäß § 44 Abs.2 VwGVG.

 

3. Der Bf macht unter Vorlage umfangreicher Unterlagen mit dem Vorbringen, er sei in seinem Recht auf Anerkennung seines Lebensmittelpunktes im Ausland, nämlich der Tschechischen Republik, verletzt, im Wesentlichen geltend, sein Lebensmittelpunkt sei insofern in Tschechien, als er seit 2003 geschieden sei, sein volljähriger Sohn nicht in Österreich lebe und er seit Jahren nicht mehr in Österreich beruflich tätig sei. Aus der Zeit seiner Ehe stamme das Hälfte­eigentum an der Liegenschaft T in Gallneukirchen, das aber inzwischen aufgelöst worden sei. Er habe in Österreich keine familiären Anknüpfungspunkte und bestünden auch keine gesellschaftlichen oder sozialen Beziehungen oder ein Freundeskreis. Die im Rahmen der in Bezug auf das Haus notwendigen Besuche in Österreich erfolgten sporadisch und Kontakte mit früheren Freunden seien zufällig. Sein Hauptwohnsitz im Sinne eines tatsächlichen Lebensmittelpunktes in Prag habe sich durch sein Zusammenleben mit seinem pflegebedürftigen Vater in dessen Wohnung in Prag ergeben. Er sei österreichischer Staatsbürger, sei früher kanadischer und davor tschechischer Staatsbürger gewesen. Er habe einen Hauptwohnsitz in Österreich und würde auch in Österreich leben, wenn er eine entsprechende Erwerbs­tätigkeit oder andere Einkommensquelle sowie Sozialversicherung hätte, was aber nicht der Fall sei. Er habe auch in Tschechien eine enge Beziehung zu seiner Freundin gehabt, was durch eine angeschlossene Zeugenaussage bestätigt werde. Das alles spreche klar für einen Lebensmittelpunkt in Tschechien. Die von ihm geltend gemachten bzw vorgelegten Beweise seien von der belangten Behörde vollkommen ignoriert worden.

Der dauernde Standort des Pkw sei in Tschechien und das Fahrzeug werde ausschließlich für Fahrten im Rahmen von Besuchen zur Hauserhaltung verwendet, sodass gerade keine Verwendung im Inland im eigentlichen Sinn vorliege. Die scheinbar akribische Überwachung durch GI S laut Meldungsblatt vom 27.10.2014 dokumentiere, dass von 32 Sichtungen 31 vom selben Beamten vorgenommen worden seien; allerdings wäre interessanter gewesen, wie oft er ihn tatsächlich kontrolliert habe und wie oft er das Fahrzeug nicht vor seinem Haus stehen gesehen habe und warum keine Sichtung im Verkehr erfolgt sei. Er habe sich 2014 zeitlich überwiegend  in Tschechien und im Ausland, aber nicht in Österreich aufgehalten. Im Mai 2014 sei sein Vater in Prag verstorben und dessen vorherige Pflegebedürftigkeit habe dazu geführt, dass er sich nur sehr wenig um die Liegenschaft kümmern habe können. Nach dem Ableben seines Vaters habe er erhebliche Zeit mit Instandsetzung und Instandhaltung der Liegenschaft und insbesondere des Hauses zu tun gehabt, was aber nichts an seinem Lebensmittelpunkt in Prag geändert habe, da er nur vorher nicht erledigte Arbeiten nachgeholt habe. Nach drei Jahren habe der Pkw einen Tachometer­stand von 60.000 km gehabt, dh 20.000 km pro Jahr. Die Distanz zwischen Gallneukirchen und Staatsgrenze betrage 35 km, die er jährlich nur etwa 40mal fahre, dh ca 1400 km, die er in Österreich fahre, das seien 7%. Das spreche bestimmt nicht für einen dauernden Standort des Fahrzeuges in Österreich.

Die belangte Behörde habe zwar die von ihm erbrachten Beweise formal in die Akten aufgenommen, was auch im Straferkenntnis erwähnt sei, diese sachlich und inhaltlich aber vollkommen ignoriert, obwohl sie Beweise zu würdigen habe. Damit habe sie auch wesentliche Verfahrensvorschriften verletzt. Einziger Beweis für die widerrechtliche Anschuldigung sei die Zeugenaussage von GI S, die zudem unglaubwürdig sei. Dieser habe auch behauptet, sein Sohn lebe in Österreich, obwohl sein Sohn seit drei Jahren in Deutschland studiere und seinen Lebensmittelpunkt dort habe; daher sei er auch innerhalb von 9 Monaten nicht für eine Zeugenaussage in Österreich aufzuspüren gewesen. Sein Sohn sei gesetzlich bedingt in Österreich angemeldet. Die Hinweise von GI S könne er sich nicht anders erklären als als Manipulation des Verwaltungs­verfahrens.

Der Beschwerde beigelegt waren zahlreiche konkret auf den Bf bezogene Abrechnungen bzw Zahlungsbelege für Steuern, Betriebskosten für die Adresse J in P – vom Bf als „Landhaus“ bezeichnet – für 2014 samt Mietvertrag, eine Hauptwohnsitz­bestätigung für die Adresse J in P von 19.1.2015, eine Zahnarztrechnung, eine Kopie des Zulassungsscheins für den Pkw x vom 4.4.2013, die Geburtsurkunde des Bf, ein Versicherungsdatenauszug der Österreichischen Pensionsversicherung per 10.8.2016, eine „Zeugenaussage“ von Frau V K vom 10.8.2016 sowie ein Schreiben des Bf vom 16.6.2015 an die BH Urfahr-Umgebung  betreffend seine Aktivitäten im Sportverein G.

Beantragt wird die Aufhebung des Straferkenntnisses und Verfahrenseinstellung.

 

4. Das Landesverwaltungsgericht hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der belangten Behörde.

 

Folgender Sachverhalt ist entscheidungswesentlich:

Laut Anzeige des Meldungslegers GI S (Ml), PI Gallneukirchen, vom 11. März 2015 wurde der Pkw mit dem tschechischen Kennzeichen x am 21. Juli 2014 gegen 18.30 Uhr im Ortsgebiet Gallneukirchen, Parkplatz Rammesberg, zu einer Kontrolle angehalten, wobei der Bf, auf den dieser Pkw in Prag zugelassen ist, den Pkw lenkte. Der Bf ist seit 2009 an der Adresse T in Gallneukirchen mit Hauptwohnsitz gemeldet und war bis 2013 Zulassungsbesitzer eines Pkw mit den Kennzeichen x. Laut Anzeige hat der Ml den Pkw seit 21. März 2014 51mal vor dem Haus T stehen gesehen – er hat dazu eine Liste mit Daten vom 21. März 2014 bis 6. März 2015 vorgelegt, laut denen er den Pkw des Bf im Jahr 2014 von zunächst zweimal im April bis achtmal im Oktober 2014 (davon an 3 aufeinanderfolgenden Tagen) vor dem Haus stehen gesehen hat. Vorgelegt wurde weiters ein „Spielerportrait“ des Bf vom SV G, aus denen zwar für Sommer 2012, nicht aber für Sommer 2013 und 2014 Spielergebnisse vorliegen, aber laut OÖ. T ein aktiver Lizenzstatus des Bf bis 30.4.2015 hervorgeht.

Laut Meldung des Ml vom 27. Oktober 2014 wies der Pkw beim ersten Ansichtig­werden auf dem Parkplatz vor dem Haus T in Gallneukirchen am    21. März 2014 eine Jahresvignette 2014 auf; laut Grundbuchsauszug war der Bf als Hälfteeigentümer der Liegenschaft (mit seiner Hauptwohnsitzadresse von 1997 bis 2003 G, E) eingetragen. Aus diesen Beweis­ergebnissen schloss der Ml auf einen Lebensmittelpunkt in Österreich. 

 

Die Zustellung der Strafverfügung der belangten Behörde vom 13. März 2015 wegen Übertretung gemäß §§ 82 Abs.8 iVm 134 Abs.1 KFG 1967 misslang zunächst wegen Ortsabwesenheit des Bf, gelang aber im Juni 2015. Im persönlich eingebrachten Einspruch vom 9. Juni 2015 erklärte der Bf, er habe keine Angehörigen in Österreich, das Fahrzeug habe er ausschließlich für Fahrten von seinem Hauptwohnsitz in Tschechien nach Österreich verwendet, er sei in diesem Zeitraum weder in Österreich beschäftigt noch beruflich tätig gewesen, sondern habe seinen (laut vorgelegtem Geburtsschein 1917 geborenen) Vater in Tschechien gepflegt. Nach seiner früheren OÖ. Meisterschaftsteilnahme habe er seine Aktivitäten im T zurückgestellt und den Verein im Jahr 2014 nur wahlweise bei seinen Reisen nach Österreich besucht. Der Ml habe das Fahrzeug ausschließlich auf Privatgrund gesichtet. Dessen dauernder Standort sei nicht in Österreich, sondern werde ausschließlich für Fahrten zwischen Tschechien und Gallneukirchen verwendet. Man bekomme ohne Hauptwohnsitz in Tschechien keine Zulassung. Der Bf bot zur Vermeidung von Unklarheiten an, ein Fahrtenbuch zu führen und betonte, dass er, sollte der Fall eintreten, dass sich sein Lebensmittelpunkt in Österreich befinde, das Fahrzeug fristgerecht in Österreich anmelden werde. Vom Bf samt Aufzeichnungen nachgereicht wurde zu seinen Aktivitäten im SV G die Mitteilung, dass er diese wegen der Pflege seines Vaters voll eingestellt habe und er 2013 und 2014 keine Spiele absolviert habe, für Anfragen hat er den Sektionsleiter K S, SVG T, namhaft gemacht.

 

Der Zeuge K S gab bei seiner Einvernahme am 10. Juli 2015 vor der belangten Behörde an, er habe 2005 die Sektion T in G übernommen und kenne seither den Bf, der in seiner Anfangszeit regelmäßig gespielt und am Meisterschaftsbetrieb teilgenommen habe. Der Bf habe 2014 nicht am Meisterschaftsbetrieb teilgenommen – dazu hat er die Mannschaftsliste vorgelegt, in der der Bf nicht angeführt ist. Der Bf habe in den letzten beiden Jahren nicht am Vereinsleben teilgenommen und nur hin und wieder im Verein Tennis gespielt. Wo der Bf wohne oder sich vermehrt aufhalte, wisse er nicht und könne auch nicht sagen, welcher Beschäftigung er aktuell nachgehe; er wisse nur, dass der Bf als „Berater“ tätig (gewesen) sei, aber nicht, in welcher Sparte; zu Familienverhältnissen oder Lebensumständen konnte der Zeuge nichts sagen.

 

Der Ml gab zeugenschaftlich vernommen am 11. August 2015 unter Hinweis auf die Anzeige an, der Pkw stehe meist auf dem Parkplatz vor dem Haus T in G, was er seit 21. März 2014 mehr als 70mal festgestellt habe. Der Bf habe laut Homepage des OÖ. T die LizenzNr. 971xx mit dem Status aktiv bis 30.4.2015 beim SV G. Er habe ihn am 2. Juli 2015, 10.35 Uhr, beim Haus T zu einer Lenker- und Fahrzeug­kontrolle angehalten, wobei sich diese auf einen Erlass des Verkehrsministeriums bezogen habe, wonach jede Fahrt ins Ausland die Monatsfrist unterbreche.

Es sei nicht richtig, dass der Bf in Österreich keine Angehörigen habe, im Tennis­verein habe ein J P. gespielt, der 1992 in Wien geboren, österreichischer Staatsbürger und in F am F, B, mit Hauptwohnsitz bei E P. gemeldet sei; er nehme an, das sei der Sohn des Bf. Am 7. August 2015 seien um 8.00 Uhr drei Fenster beim Haus in G offen gewesen und der Pkw sei nicht dort gestanden, sein Kollege habe aber eine männliche Person im Garten gesehen. Er habe selbst am selben Tag um 20.23 Uhr einen jungen Mann mit dunklen Haaren vor dem Haus gesehen, möglicherweise J.P. Vorgelegt wurde eine ergänzte Liste für den Standort des Pkw bis 11. August 2015. 

 

Laut Mitteilung des Finanzamtes Freistadt-Rohrbach-Urfahr vom 12. August 2015 sei dem Bf die Normverbrauchsabgabe mit Bescheid vom 17. Juni 2015 vorgeschrieben worden, die Beschwerde habe einen Antrag auf Aussetzung enthalten und sei weitergeleitet worden.

 

Eine seitens der belangten Behörde beabsichtigte Zeugeneinvernahme von J P. bei der BH Villach-Land scheiterte. Laut Auskunft von E P. studiere der Sohn des Bf seit 2012 in München, wo er in einem Studentenheim wohne, und halte sich nicht in Kärnten auf.

 

Nach Wahrung des Parteiengehörs und Vorlage weiterer umfangreicher Unter­lagen (ua Betriebskostenabrechnungen für 2014 für die Adresse J, Prag, Hauptwohnsitzbestätigung an der Adresse J, Prag) durch den Bf erging das nunmehr in Beschwerde gezogene Straferkenntnis.

 

Der Bf erklärte bei einem Gespräch mit der zuständigen Richterin am              30. September 2016, er habe nach dem Tod seines Vaters dessen Wohnung in Prag aufgelöst und verkauft und lebe derzeit vom Erlös und vom Einkommen aus einer – eher geringfügigen – selbständigen Tätigkeit als EDV-Berater. Er besitzt seit 25. März 2013 eine Gewerbeberechtigung für Aktivitäten auf dem Gebiet der Informationstechnologie in Prag. Seinen 50%igen Anteil am Eigentum an der Liegenschaft T in Gallneukirchen hat er zu Weihnachten 2015 seinem Sohn überschrieben. Er ist zwar – mit Einverständnis seiner früheren Ehegattin – immer noch dort mit Hauptwohnsitz gemeldet, führt aber, wie schon vorher, nur mehr Arbeiten zur Erhaltung bzw Pflege des unbewohnten Hauses aus. Da das Haus während der Zeit der Pflege seines Vaters reparaturbedürftig geworden sei, habe er im Sommer 2014 Arbeiten nachzuholen gehabt und sich deshalb öfter dort aufgehalten. Eine neuerliche berufliche Tätigkeit in Österreich in Zukunft sei mangels der dafür erforderlichen Voraussetzungen unwahrscheinlich, er erhalte aus Altersgründen derzeit auch keine Pensionszahlungen in Österreich.

Frau V K, Budweis, hat für den Zeitraum Jänner 2014 bis Sommer 2015 eine enge Freundschaft mit dem Bf und eine darauf basierende permanente Lebensbasis in Tschechien schriftlich bestätigt.

 

Das Landesverwaltungsgericht hat in rechtlicher Hinsicht erwogen:

Gemäß § 82 Abs.8 KFG in der Fassung vor BGBl.I Nr.26/2014, der am 24. April 2014 in Kraft getreten ist, sind Fahrzeuge mit ausländischem Kennzeichen, die von Personen mit dem Hauptwohnsitz oder Sitz im Inland in das Bundesgebiet eingebracht oder in diesem verwendet werden, bis zum Gegenbeweis als Fahrzeug mit dem dauernden Standort im Inland anzusehen. Die Verwendung solcher Fahrzeuge ohne Zulassung gemäß § 37 ist nur während eines Monats ab der Einbringung in das Bundesgebiet zulässig. … 

 

Mit BGBl.I Nr.26/2014 vom 23. April 2014 wurde § 82 Abs.8 KFG – gemäß § 135 Abs.27 KFG rückwirkend bis 14. August 2002 – insofern abgeändert, als die Verwendung solcher Fahrzeuge ohne Zulassung gemäß § 37 nur während eines Monats ab der erstmaligen Einbringung in das Bundesgebiet zulässig ist und eine vorübergehende Verbringung aus dem Bundesgebiet diese Frist nicht unterbricht.

 

Abgesehen davon, dass im Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 1 Abs.1 VStG („Als Verwaltungsübertretung kann eine Tat (Handlung oder Unterlassung) nur bestraft werden, wenn sie vor ihrer Begehung mit Strafe bedroht war“) die Anwendung einer rückwirkend geänderten gesetzlichen Bestimmung, die, wenn auch im Wege einer darin formulierten anderen Auslegung einer bestehenden Gesetzesbestimmung, eine nachträgliche Benachteiligung des Beschuldigten darstellen würde, unzulässig ist, wurde § 135 Abs.27 KFG „§ 82 Abs.8 idF BGBl.I Nr.26/2014 (neue Fassung) tritt mit 14.8.2002 in Kraft“ mit Erkenntnis des VfGH vom 2. Dezember 2014, G 72/14, als verfassungswidrig aufgehoben.

 

Damit ist BGBl.I Nr.26/2014 am 24. April 2014 in Kraft getreten und bis dahin galt die alte Fassung des § 82 Abs.8 KFG, wonach  der Bf darauf vertrauen konnte, dass jede Einreise nach einem wenn auch nur kurzzeitigen Verlassen des Bundesgebietes eine neuerliche Einbringung darstellt – mit der Konsequenz, dass eine Verwendung des Fahrzeuges im Bundesgebiet für einen Monat ohne Zulassung nach § 37 KFG zulässig war.

 

Dem Bf wird vorgeworfen, er habe den angeführten Pkw mit tschechischem Kennzeichen am 21. März 2014 in das Bundesgebiet der Republik Österreich eingebracht und bis zum 6. März 2015 weder die Kennzeichentafeln noch den Fahrzeugschein abgeliefert.

Vor dem 24. April 2014 konnte der Bf darauf vertrauen, dass mit jeder neuen Einbringung, dh jedem Grenzübertritt nach Österreich, die Monatsfrist neu zu laufen begann. Ausgehend vom 24. April 2014 konnte der Pkw innerhalb eines Monats – dh bis 24. Mai 2014 – in Österreich verwendet werden, ohne die Rechtsvermutung des § 82 Abs.8 KFG auszulösen. Ab diesem Tag wäre das Kraftfahrzeug in Österreich anzumelden gewesen, zumal eventuelle Grenz­übertritte die Frist nicht mehr zu unterbrechen geeignet waren. Damit wäre bei der Kontrolle am 21. Juli 2014, 18.30 Uhr, im Ortsgebiet Gallneukirchen, Parkplatz Rammesberg, unter Bedacht auf die gesetzliche Vermutung des dauernden Standortes des Pkw in Österreich der zur Last gelegte Tatbestand erfüllt worden.

 

Allerdings lässt § 82 Abs.8 KFG einen Gegenbeweis betreffend den dauernden Standortes des Fahrzeuges durch die Person, die das Fahrzeug in das Bundesgebiet eingebracht hat oder im Bundesgebiet verwendet und die einen Hauptwohnsitz oder Sitz im Inland hat, zu. Beim Tatbestandsmerkmal der “Verwendung“ des Fahrzeuges ist zu bedenken, dass unter diesem Begriff nicht nur die aktive Teilnahme am Straßenverkehr in Form des Lenkens des Kraftfahrzeuges zu verstehen ist, sondern auch jedes Abstellen auf einer Straße mit öffentlichem Verkehr im Sinne des § 1 Abs.1 KFG 1967, der auf § 1 Abs.1 StVO 1960 verweist.

Ob das Fahrzeug auf Privatgrund steht, wie der Bf geltend macht, ist dabei rechtlich irrelevant. Straßen mit öffentlichem Verkehr sind gemäß § 1 Abs.1 2. Satz StVO 1960 solche, die von jedermann unter den gleichen Bedingungen benützt werden, wenn sie nach dem äußeren Anschein zur allgemeinen Benützung freistehen. Maßgeblich sind somit nicht die Besitz- und Eigentumsverhältnisse am Straßengrund, sondern die tatsächliche Benutzbarkeit der Verkehrsfläche (vgl VwGH 22.2.2013, 2009/02/0054; 6.7.2015, 2013/02/0263; uva).

Damit erübrigen sich die Berechnungen des Bf über die Entfernung zwischen Gallneukirchen und dem Grenzübergang anteilig zum Gesamtkilometerstand.

 

Die belangte Behörde vertritt im in Beschwerde gezogenen Straferkenntnis die Rechtsansicht, der dauernde Standort des Pkw des Bf befinde sich auf der Grundlage der Beobachtungen des Ml an der Adresse T in Gallneukirchen und damit sei dort auch der österreichische Hauptwohnsitz des Bf und auch sein Lebensmittelpunkt.

 

Zur Frage, inwieweit dem Bf im Form seines umfangreichen und mit zahlreichen schriftlichen Unterlagen untermauerten Vorbringens sowie der im Verfahren vor der belangten Behörde aufgenommenen Beweise der Gegenbeweis zur gesetzlichen Vermutung des dauernden Standortes des Fahrzeuges im Inland gelungen ist, ist folgendes auszuführen:

Als dauernder Standort eines Fahrzeuges gilt der Ort, von dem aus der Zulassungsbesitzer über das Fahrzeug hauptsächlich verfügt, das ist in der Regel dessen Hauptwohnsitz.

Der Bf ist an der genannten österreichischen Adresse mit Hauptwohnsitz gemeldet; laut der von ihm vorgelegten Hauptwohn­sitz-Bestätigung (M u C K vom 19.1.2015) ist er aber auch an der Adresse J, 14700 Prag, mit Hauptwohnsitz gemeldet.

 

Gemäß § 1 Abs.7 Meldegesetz 1991 ist der Hauptwohnsitz eines Menschen an jener Unterkunft begründet, an der er sich in der erweislichen oder aus den Umständen hervorgehenden Absicht niedergelassen hat, diese zum Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen zu machen. Sohin sind die beruflichen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebensbeziehungen eines Menschen einer Gesamtbetrachtung zu unterziehen, wobei im Rahmen dieser Gesamtschau nach § 1 Abs.8 leg cit insbesondere die Aufenthaltsdauer, die Lage des Arbeitsplatzes, der Ausgangspunkt des Weges zum Arbeitsplatz sowie allfällige Funktionen in öffentlichen und privaten Körperschaften als maßgebliche Kriterien für die Beurteilung des Lebensmittelpunktes heranzuziehen sind.

 

Da es – trotz der beiden Hauptwohnsitzmeldungen in Prag und Gallneukirchen, die aber nur als Indiz zu sehen sind – nur einen Mittelpunkt der Lebensinteressen geben kann (vgl VwGH 16.5.1974, 0946/73), war zu klären, ob im Sinne des Beschwerdevorbringens der tatsächliche Mittelpunkt der Lebensbeziehungen des Bf in Tschechien oder in Österreich anzunehmen ist.

 

Der in Tschechien geborene Bf ist österreichischer Staatsbürger und war laut den vorgelegten Aufzeichnungen der PVA von 1989 bis 2008 in Österreich beruflich tätig bzw sozialversichert. Laut Zentralem Melderegister ist er seit 1991 in Österreich mit Hauptwohnsitz gemeldet, zuletzt seit 2003 in Gallneukirchen. Sein seit 2005 auf das Kennzeichen x zugelassener Pkw wurde am 2.4.2013 abgemeldet.

Der 1955 geborene und damit 61jährige Bf gibt an, er sei 2003 geschieden worden und habe keine Angehörigen in Österreich. Sein Sohn hat zwar in F am S/Kärnten an der Adresse der Mutter gewohnt, studiert aber nach übereinstimmenden Angaben des Bf und seiner früheren Ehegattin seit 2012 in München und war auch für eine Zeugenaussage im Jahr 2015 nicht erreichbar.     

Der Vater des Bf wohnte in Prag und ist im Mai 2014 verstorben, wobei der Bf als Grund für seinen Umzug nach Prag die Pflegebedürftigkeit des Vaters glaubhaft angab. Er hat danach die Wohnung des Vaters verkauft und lebt nach unwiderlegbaren eigenen Angaben vom Erlös sowie von einer selbständigen Tätigkeit als EDV-Berater in Prag. In Österreich besteht keine berufliche Tätigkeit, der Bf hat kein Vermögen und bezieht derzeit auch keine Einkünfte.

Die Beendigung der Tennisaktivitäten des Bf in G hat auch der Zeuge S bestätigt und die dazu vorgelegten Unterlagen dokumentieren auch die Beendigung der Teilnahme des Bf an Meisterschaften vor dem Sommer 2014.

 

Damit fallen sowohl familiäre als auch soziale bzw gesellschaftliche Lebens­beziehungen in Österreich weg, berufliche Beziehungen in Österreich bestehen auf der Grundlage der Auflistung der Pensionsversicherungsanstalt vom           10. August 2016 glaubhaft seit 2008 nicht mehr.

Die vom Bf angeführten und dokumentierten wirtschaftlichen bzw finanziellen Lebensinteressen liegen zweifelsohne in Tschechien. Dabei ist aber zu bedenken, dass die Pflege des Vaters sicher ein Grund war, den tatsächlichen Lebens­mittelpunkt (auf unbestimmte Zeit) nach Tschechien zu verlegen, wofür auch die Abmeldung des Pkw mit dem österreichischen Kennzeichen spricht. Für einen Lebensmittelpunkt in Tschechien spricht außer den Betriebskostenabrechnungen die selbständige Tätigkeit des Bf in Prag und die Beziehung zur Zeugin K in Budweis. Diese Beweise sind zumindest nicht widerlegbar, wobei der Bf seiner Mitwirkungspflicht entsprechend aus eigenem sämtliche Unterlagen beigebracht hat.

 

Die Instandhaltung und Pflege einer (bis Ende 2015 zur Hälfte dem Bf gehörenden) Liegenschaft allein stellt keinen Mittelpunkt seiner Lebens­beziehungen dar, auch wenn der Bf von seiner früheren Zeit in Gallneukirchen nachvollziehbar viele Leute – Nachbarn, Mitglieder im Sportverein, ua – kennt. Mangels Einkommen, Beruf und Familie in Österreich ergibt sich kein Anhaltspunkt für eine Annahme des Lebensmittelpunktes in Österreich. Auch wenn der Bf offen gelassen hat, bei einem eventuellen (aber tatsächlich eher unwahrscheinlichen) beruflichen Angebot wieder nach Österreich zu ziehen – und in diesem Fall ein Kraftfahrzeug in Österreich anzumelden – sind für den im Straferkenntnis genannten Zeitraum, ausgehend von 24. April 2014, keine eindeutigen Anhaltspunkte für einen dauernden Standort des in Tschechien auf ihn zugelassenen Pkw in Österreich zu finden, weshalb nach sorgfältiger Abwägung aller Umstände in freier Beweiswürdigung davon auszugehen ist, dass dem Bf der Gegenbeweis im Sinne des § 82 Abs.8 KFG 1967 gerade noch gelungen ist.

 

Damit war das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs.1 Z1 VStG – naturgemäß unter Entfall von Verfahrenskostenbeiträgen – einzustellen, da die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann. Allerdings ist zu betonen, dass der vom Bf erbrachte Gegenbeweis für den im Straferkenntnis genannten Zeitraum 24. April 2014 bis 6. März 2015 (das ist der Zeitraum der Aufzeichnungen des Ml) gilt und für die Gegenwart und Zukunft des Bf in Österreich daraus keine Aussage getroffen werden kann. 

 

 

Zu II.:

 

Gemäß § 52 Abs.8 VwGVG entfällt die Vorschreibung eines Kostenbeitrages zum Beschwerdeverfahren.

 

 

Zu III.:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs.4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungs­gerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungs­gerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

 

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

 

 

Mag. Bissenberger