LVwG-700164/2/ER/HG

Linz, 04.10.2016

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Dr. Elisabeth Reitter über die Beschwerde von G S, geb. x, S. 56, S, gegen das Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Oberösterreich, Polizeikommissariat Steyr vom 26. April 2016, GZ: VStV/915301085241/2015,

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

I.         Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde stattgegeben, der bekämpfte Bescheid behoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG eingestellt.

 

II.      Der Beschwerdeführer hat gemäß § 52 Abs 8 und 9 VwGVG keinen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten.

 

III.   Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG unzulässig.

 

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.1. Mit Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Oberösterreich, Polizeikommissariat Steyr (in der Folge: belangte Behörde) vom 26. April 2016, GZ: VStV/915301085241/2015, wurde über den Beschwerdeführer (in der Folge: Bf) eine Geldstrafe iHv 100,-- Euro und eine Ersatzfreiheitsstrafe von 2 Tagen und 2 Stunden wegen ungerechtfertigte Störung der öffentlichen Ordnung in besonders rücksichtsloser Weise durch ein näher bezeichnetes Verhalten am 24. Juli 2015 gemäß § 81 Abs 1 Sicherheitspolizeigesetz verhängt.

 

Dem Straferkenntnis liegt folgender Tatvorwurf zugrunde:

 

"Sie haben am 24.07.2015, von 18:55 Uhr bis 19:00 Uhr in S, S. 56 durch das unten beschriebene Verhalten in besonders rücksichts­loser Weise die öffentliche Ordnung ungerechtfertigt gestört.

 

Sie haben vor und im Stiegenhaus des Hauses S, S. 56, den Anzeiger angeschrien, misshandelt und gegen die Wand gestoßen.

 

Der Beschuldigte hat dadurch folgende Rechtsvorschrift(en) verletzt:

§ 81 Abs. 1 Sicherheitspolizeigesetz, BGBl. 566/91

 

Wegen dieser Verwaltungsübertretung(en) wird (werden) über Sie folgende Strafe(n) verhängt:

Geldstrafe von

falls diese uneinbringlich
ist, Ersatzfreiheitsstrafe von

Freiheitsstrafe von

Gemäß

€100,00

2 Tage(n) 2 Stunde(n)
0 Minute(n)

 

§ 81 Abs. 1 Sicherheitspolizeigesetz

[…]"

 

Begründend führte die belangte Behörde wie folgt aus:

 

"Das Straferkenntnis stützt sich auf die über Aufforderung erstattete Anzeige vom 24.07.2015. Der Anzeiger gibt an, dass er in seine Wohnung gehen wollte. Als Sie Ihm mit seinen Hunden entgegen kamen, klatschte der Anzeiger mehrmals in die Hand, um die Hunde zu verscheuchen. Dies gefiel Ihnen nicht, woraufhin Sie den Anzeiger auf das Gröbste beschimpften und ihn umherstießen. Auch auf Aufforderungen von anderen Hausparteien, Ihr Verhalten einzustellen, zeigten Sie keinerlei Reaktion.

 

In Ihrem Einspruch vom 05.08.2015 haben Sie die Ihnen zur Last gelegte Verwaltungsübertretung bestritten. Die Einvernahme des Zeugen B wurde Ihnen mittels Aufforderung zur Rechtfertigung zur Kenntnis gebracht.

 

In Ihrer niederschriftlichen Einvernahme am 26.04.2016 haben Sie folgendes angegeben: ‘Ich bin nicht verpflichtet mit der ‘Idioten Kiberei’ zu kommunizieren. Dieser B ist im gesamten Haus als ‘Watschnbaum’ bekannt und bekommt des öfteren Watschn - nicht nur von mir. An dem besagten Tag war die Kiberei auch bei mir und ich habe ihnen wörtlich gesagt sie sollen sich schleichen. Die können eh nichts machen, die sind anscheinend zu blöd dazu. Weitere Angaben mache ich bei der Staatsanwaltschaft. Schicken Sie meine Angaben dem Rechtsanwalt. Ich mache dazu keine weiteren Angaben. Dieser B interessiert mich überhaupt nicht. Ich rede seit Jahren nichts mehr mit ihm. Er ist eh bei Gericht bekannt.’

 

Bei der Beweiswürdigung kann davon ausgegangen werden, dass die Angaben des Zeugen allgemein nachvollziehbar sind. Überdies musste berücksichtigt werden, dass der Zeuge bei der Zeugenaussage zur Wahrheit verpflichtet ist und Sie sich als Beschuldigter sich so äußern können, wie es für Sie am günstigsten ist. Aus diesem Grund muss davon ausgegangen werden, dass die Darstellung des Sachverhaltes den Tatsachen entspricht. Es ist davon auszugehen, dass es sich bei Ihrer Rechtfertigung um eine Schutzbehauptung handelt."

 

I.2. Mit Schreiben vom 12. Mai 2016 erhob der Bf fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde und führte darin wörtlich wie folgt aus:

 

"Einspruch

Ich erhebe Massiven Einspruch gegen die von ihnen verhängte Geld Strafe den aus ihren Schreiben geht nicht hervor welche öffentliche Ordnung ich begangen haben sol.

Weiteres geht nicht hervor welche Straftat ich begangen haben soll.

Den am besagten Tag des 24.07.2015 war die Möchte gern Polizei bei mir und hat mich gefragt was ich und der B schon wieder haben. Penn die Polizei weis das wir nur Probleme mit im Haben.

Ich habe denen gesagt sie sollen mich mit dem Idioten in Ruhe lassen. Die Polizei meinte dann wen ich keine Angaben mache werden sie die Aussage vom dem Idioten zum Landesgericht Steyr schicken. Meine Antwort war ich bitte darum. Die Möchte gern Polizei ist dann zum B gegangen und hat in gefragt ob es zeugen gebe was er verneinte.

Komisch ist jetzt das er bei Ihnen Zeugen hat die sie mir noch immer nicht vorlegen können.

Weiteres habe ich schon mal mit ihm eine Verhandlung mit Lokal Augenschein gehabt und der gute Mann war beim Landesgericht Steyr nicht Glaubwürdig denn er hat eine Falschaussage gemacht.

Und wen sie glauben meine Angaben sind eine Schutzbehauptung dann beweisen sie mir das Gegenteil.

ALSO ONE BEWEISE KEINE STRAFE UND AUSERDEN IST DAS EINE Landesgericht Steyr SACHE UND GEHT IHNEN NICHTS AN.

Ich bitte sie mir Hieb und Stich feste Beweise zu Bringen so lange sie die nicht bringen werde ich Einsprüche Erheben."

 

I.3. Die belangte Behörde legte den in Rede stehenden Verwaltungsakt dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich mit Schreiben vom 30. Mai 2016 zur Entscheidung vor. Eine Beschwerdevorentscheidung wurde nicht erlassen.

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt und das Beschwerde­vorbringen. Da bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist, entfiel die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhanldung gemäß § 44 Abs 2 VwGVG.

 

I.4. Das Oö. Landesverwaltungsgericht geht bei seiner Entscheidung von folgendem entscheidungsrelevanten  S a c h v e r h a l t  aus:

 

Am 24. Juli 2015 erstattete ein Nachbar des Bf Anzeige bei der belangten Behörde, weil ihn der Bf vor seinem Wohnhaus in der S. 56, S, auf das Gröbste beschimpft und ihn gestoßen habe, was von Bewohnern des Hauses aus deren Wohnungsfenstern beobachtet worden sei. Die Nennung von Namen der Zeugen verweigerte der Bf.

Die belangte Behörde erließ daraufhin auf Grundlage des § 81 Abs 1 SPG eine Strafverfügung mit folgendem Spruch:

"Sie haben am 24.07.2015, von 18:55 Uhr bis 19:00 Uhr in S, S. 56 durch das unten beschriebene Verhalten in besonders rücksichtsloser Weise die öffentliche Ordnung ungerechtfertigt gestört.

Sie haben vor und im Stiegenhaus des Hauses S, S. 56, den Anzeiger angeschrien, misshandelt und gegen die Wand gestoßen.“

 

Gegen diese Strafverfügung erhob der Bf Einspruch, worauf die belangte Behörde den Anzeigenleger zur Einvernahme lud und den Bf zur Rechtfertigung betreffend den wörtlich aus der Strafverfügung übernommenen Tatvorwurf aufforderte.

Der Anzeigenleger schilderte der belangten Behörde den Vorfall erneut, ohne jedoch Zeugen zu benennen. Der Bf rechtfertigte sich vor der belangten Behörde in einem der verfahrensgegenständlichen Beschwerde ähnlichen Wortlaut.

In Folge dessen erging das angefochtene Straferkenntnis.

 

 

II. Der unter Punkt I. dargestellte Verfahrensgang und Sachverhalt ergibt sich widerspruchsfrei aus dem vorgelegten Akt.

 

 

III. Gemäß § 81 Abs 1 Sicherheitspolizeigesetz (SPG), BGBl Nr 566/1991, in der zum Tatzeitpunkt geltenden Fassung BGBl I Nr 13/2012, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu 350 Euro zu bestrafen, wer durch besonders rücksichtsloses Verhalten die öffentliche Ordnung ungerechtfertigt stört. Anstelle einer Geldstrafe kann bei Vorliegen erschwerender Umstände eine Freiheitsstrafe bis zu einer Woche, im Wiederholungsfall bis zu zwei Wochen verhängt werden.

 

 

IV. Das Oö. Landesverwaltungsgericht hat erwogen:

 

IV.1.1. § 81 Abs 1 SPG enthält mehrere Tatbestandsmerkmale, die kumulativ vorliegen müssen, um die Voraussetzungen für eine Bestrafung nach dieser Bestimmung zu ermöglichen. Der Verwaltungsübertretung der Störung der öffentlichen Ordnung gemäß § 81 Abs 1 SPG macht sich strafbar, wer ein Verhalten setzt, das

- besonders rücksichtslos ist, und

- wer dadurch die öffentliche Ordnung

- ungerechtfertigt

- stört.

 

Besonders rücksichtsloses Verhalten alleine ist demnach noch nicht nach § 81 Abs 1 SPG strafbar (vgl Hauer/Keplinger, Sicherheitspolizeigesetz4, 775). Das Verhalten muss zusätzlich zum „Erfolg“ führen, die öffentliche Ordnung zu stören. Dieser Erfolgseintritt muss dem Bf auf der Schuldebene nachweislich zugerechnet werden – die Beweislastumkehr nach § 5 Abs 1 zweiter Satz VStG ist daher nicht anwendbar.

 

Mit öffentlicher Ordnung meint § 81 Abs 1 SPG die Ordnung an öffentlichen Orten. Mit Ordnung ist in diesem Zusammenhang ein Zustand gemeint, nicht aber etwa die „rechtliche Ordnung“, sondern die „äußerliche Ordnung“ (vgl Hauer/Keplinger, Sicherheitspolizeigesetz4, 775f mHa VfSlg 4813/1964, 9114/1981).

 

Zum Wesen einer Ordnungsstörung gehört, dass am konkreten Zustand der öffentlichen Ordnung durch das Verhalten des Beschuldigten eine Änderung eingetreten ist (vgl VwGH 6.9.2007, 2005/09/0168, uHa VwGH 26.2.1990, 89/10/0215).

 

IV.1.2. Gemäß § 44a Z 1 VStG die Tat so weit zu konkretisieren, dass diese erstens nach Tatort und Tatzeit unverwechselbar feststeht sowie zweitens eine eindeutige Zuordnung zu den Tatbestandsmerkmalen ermöglicht wird und damit auch die Identität der Tat unverwechselbar feststeht (stRsp seit verst. Senaten VwSlg 11.466 A/1984 und VwSlg 11.894 A/1985); im Spruch sind daher alle wesentlichen Tatbestandsmerkmale anzuführen, die zur Individualisierung und Konkretisierung des inkriminierten Verhaltens notwendig sind.

 

Der Vorschrift des § 44a Z 1 VStG ist dann entsprochen, wenn im Spruch die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorgeworfen ist, dass der Beschuldigte in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen und der Spruch geeignet ist, den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhalten nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden. Eine Umschreibung der Tat bloß in der Begründung reicht im Verwaltungsstrafrecht nicht aus (vgl Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens6 [2004] 1522, Anm 2 zu § 44a VStG).

 

IV.2. Der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zufolge hat der Spruch eines Bescheids in Ansehung des Tatbestandselements der tatsächlichen Störung der öffentlichen Ordnung eine Aussage darüber zu enthalten, ob das Verhalten des Täters von anderen Personen als der unmittelbar betroffenen wahrgenommen werden konnte und ob bzw in welcher Weise allenfalls diese Personen darauf reagierten (vgl VwGH 25.11.1991, 91/10/0207 uHa VwGH 20.6.1988, 87/10/0179).

 

Dem Bf wurde im Straferkenntnis durch die belangte Behörde vorgeworfen, dass er in besonders rücksichtsloser Weise die öffentliche Ordnung ungerechtfertigt gestört hat, indem er vor und im Stiegenhaus des gegenständlichen Wohnhauses den Anzeigenleger angeschrien, misshandelt und gegen die Wand gestoßen habe.

 

Zwar enthält der Spruch Aussagen über ein besonders rücksichtsloses Verhalten an einem öffentlich zugänglichen Ort, er enthält aber keine Aussage darüber, ob die öffentliche Ordnung durch dieses Verhalten gestört wurde, da Ausführungen darüber, ob am konkreten Zustand der öffentlichen Ordnung durch das Verhalten des Beschuldigten eine Änderung eingetreten ist bzw ob es von anderen Personen als den unmittelbar Beteiligten wahrgenommen werden konnte und wie diese darauf reagierten, gänzlich fehlen.

 

Da dem Bf während der offenen Verfolgungsverjährungsfrist die Tat niemals in der der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs entsprechenden Weise vorgeworfen wurde, liegt somit unter Berücksichtigung der oben genannten Judikatur ein erheblicher, nicht verbesserungsfähiger Spruchmangel im Straferkenntnis der belangten Behörde vor.

 

 

V. Im Ergebnis war der Beschwerde gemäß § 50 VwGVG stattzugeben, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG einzustellen.

 

Bei diesem Ergebnis waren dem Bf weder die Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens noch jene des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens vorzuschreiben.

 

 

VI. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

H i n w e i s

Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen.

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

 

Dr. R e i t t e r