LVwG-300903/6/Bm/AKe

Linz, 05.10.2016

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Mag.a Michaela Bismaier über die Beschwerde des Herrn M.J.S., vertreten durch Rechtsanwalt Mag. W.B., x, M., gegen das Straferkenntnis der Bezirkshaupt­mannschaft Wels-Land vom 29. September 2015, Ge96-60-2014, Ge96-60-2-2014, idF der Beschwerdevorentscheidung vom 10. November 2015, Ge96-60-2014, Ge96-60-2-2014, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 6. April 2016

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

I.         Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde insofern Folge gegeben, als die verhängte Geldstrafe auf 2.000 Euro herabgesetzt wird; die Ersatzfreiheitsstrafe bleibt unverändert bestehen. Im Übrigen wird die Beschwerdevorentscheidung mit der Maßgabe bestätigt, dass die im Spruch zitierte Verwaltungsstrafnorm „§ 130 Abs. 5 Einleitung ASchG“ zu lauten hat.  

 

II.      Gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG entfällt die Verpflichtung zur Leistung eines Kostenbeitrages zum Beschwerdeverfahren. Der Kosten­beitrag zum behördlichen Verwaltungsstrafverfahren wird gemäß § 64 Abs. 2 VStG mit 200 Euro (10 % der nunmehr festgesetzten Geldstrafe) bestimmt.

 

III.   Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I. 1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 29. September 2015, Ge96-60-2014, Ge96-60-2-2014, wurde über den Beschwerdeführer (in der Folge: Bf) eine Geldstrafe von 13.320 Euro, für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 12 Stunden, wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 90 Abs. 1 und § 87 Abs. 1 iVm Abs. 2 bis 7 Bauarbeiterschutzverordnung (BauV) iVm § 130 Abs. 5 Z 1 und § 118 Abs. 3 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG) verhängt.

 

Diesem Schuldspruch wurde folgender Tatvorwurf zugrunde gelegt:

 

Sie haben folgende Verwaltungsübertretung zu verantworten:

Taten (einschließlich Ort, Datum und Zeit der Begehung):

 

Aufgrund der Anzeige des Arbeitsinspektorates Wels, vom 04. August 2014, GZ: 041-37/1-19/14, konnte folgender Sachverhalt festgestellt werden:

 

Am 14.07.2014 waren 2 Arbeitnehmer der Firma L. GmbH mit Sitz in X, M.,

 

Herr T.W. (Lehrling) und

Herr P.K.,

 

auf der Baustelle der Fa. B. in M., x, auf der ca. 10° geneigten, nicht durchbruchsicheren Dachfläche bei einer Absturzhöhe von ca. 7 Meter in das Innere der Dachfläche mit Dachdeckungsarbeiten (im Speziellen: mit dem Tragen von Trapezblöcken) beschäftigt, wobei keine geeigneten Sicherungsmaß­nahmen gegen Durchbrechen getroffen worden sind.

 

Das Dach besteht aus älteren Welleternitplatten und fallweise einzeln vorhandenen Belichtungselementen, welche nicht durchbruchsicher sind. Durch ein solches Belichtungselement brach der Lehrling (Herr W.) durch und stürzte ca. 7 Meter zu Boden.

 

Sie sind als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als nach außen zur Vertretung Berufener der Firma L. GmbH mit Sitz in M., X, für diese Verwaltungsübertretung verantwortlich.“

 

2. Gegen dieses Straferkenntnis hat der Bf innerhalb offener Frist durch seine anwaltliche Vertretung Beschwerde eingebracht und darin im Wesentlichen ausgeführt, die Behörde gehe ausschließlich von der handelsrechtlichen Geschäftsführungsposition der beiden Beschuldigten aus, dies könne aber nicht isoliert betrachtet werden. Es seien beide Beschuldigten (H.L. und M.J.S.) zweifelsohne für die L. GmbH die nach außen hin vertretungsbefugten Organe, jedoch müsse es Sinn machen, gerade angesichts des gesetzlichen Postulats, wenn eine bestimmte Person dieser Geschäftsführer im Sinne des § 39 GewO als gewerberechtlicher Geschäftsführer bestellt sei und gerade auch im Sinne des § 9 Abs. 2 VStG gegenüber der Gewerbebehörde als solche verantwortliche Person benannt sei. Für die Einhaltung der gewerberechtlichen Normen sei ausschließlich H.L. zuständig. Wenn es eine derartige konkrete Zuständigkeitsregelung gebe, dann sei auch eine Behörde angehalten, eine derartige interne Regelung zu berücksichtigen. Wie komme M.S. dazu, der mit all diesen Dingen nicht befasst sei und auch nicht befasst sein solle, dass derselbe dann für Unzulänglichkeiten, die unter Umständen der in Wahrheit damit beauftragte handelsrechtliche Geschäftsführer zu vertreten habe, einzustehen hätte. Dies sei eine Schlussfolgerung und eine Konsequenz, die nicht im Sinne des Gesetzes sei. Wenn die Behörde einen konkreten Geschäftsführer habe, der für die Einhaltung der verwaltungsrechtlichen Normen einzustehen habe, dann sei dieser und eben nur dieser im Sinn des § 9 VStG heranzuziehen. Wenn es darum gehe, dass allenfalls die Bauarbeiterschutzverordnung bzw. das ArbeitnehmerInnen­schutzgesetz nicht gehörig berücksichtigt worden sei, so sei hiefür H.L. zur Verantwortung zu ziehen. Aber auch hier würden die Vorhalte der Behörde zu weit greifen. Es gebe vor Ort einen Vorarbeiter, der die Verpflichtung habe, dafür Sorge zu tragen, dass den diesbezüglichen Normen gerecht werde. Weder T.W. noch P.K. sollten auf der Baustelle der Firma B. an der besagten Stelle irgendwelche Arbeiten durchführen. Ganz konkret habe H.L. für dieses Bauvorhaben angeordnet, dass die zu tragenden Trapezblöcke nicht auf dem Dach, dort wo später der Unfall passierte, gelagert werden dürfen. Auch habe er die Anweisung erteilt, dass gerade diese Dachflächen mangels entsprechender Sicherheitsstandards nicht begangen werden dürfen, zumal es ja das Ansinnen des Geschäftsführers sein müsse, jegliche Gefährdung so weit als möglich zu verhindern.

Wenn die mit der Arbeit beschäftigten Personen weisungswidrig handeln würden, diesen Anordnungen der Geschäftsführung nicht Folge leisten würden, dann könne nicht bei derartigem Zuwiderhandeln eine Verantwortung der Beschuldigten einhergehen. Es müsse ja letztendlich von einem Verschuldens­strafrecht ausgegangen werden. Es sei einem Geschäftsführer unmöglich, immerwährend auf der Baustelle anwesend zu sein. Gerade aber weil man nicht ohne Unterbrechung auf einer Baustelle sein könne, gebe es hierzu Personen, an die diese Aufsichtspflichten delegiert würden. Man kenne dies alles aus der Baubranche in Form von Vorarbeiter, Poliere, etc. Diese würden dafür Sorge zu tragen haben, dass den Anweisungen, die die Geschäftsführung mitgegeben habe, auch nachgekommen werde. Es sei sohin für den Geschäftsführer nicht ersichtlich gewesen, dass Sicherungsmaßnahmen nach § 90 Abs. 1 Bauarbeiter­schutzverordnung nötig seien. Er habe nicht damit gerechnet, dass an diesen besagten Stellen irgendwelche Tätigkeiten verrichtet würden.

In dieses Bild und diese Argumentation gliedere sich zwanglos die Einstellung des Verfahrens der Staatsanwaltschaft Wels zu 44 BAZ 848/14f ein, wonach weder gegen H.L., noch gegenüber M.S. mangels einer direkt vor Ort Anwesenheit eine entsprechende Sanktion gerechtfertigt sei. Dass auch die Mitarbeiter keinen Schutzhelm, keine Sicherheitsgurte etc. getragen hätten, sei vom Geschäftsführer weder gewollt worden noch habe dies seinen Anweisungen entsprochen. Die Deponierung des Materials wurde im Nachhinein offensichtlich von Herrn W. so festgelegt nach eigenen Kriterien, die den seinerzeitigen Festlegungen und Vereinbarungen mit dem Chef, H.L., nicht übereingestimmt hätten. Die Begehung der umliegenden Dach­konstruktion sei von H.L. untersagt worden. Des Weiteren sei anzugeben, dass der Lehrling T.W., welcher bedauerlicherweise die Verletzungen davongetragen hat, nicht bei der Firma L. GmbH beschäftigt gewesen sei.

 

Im Übrigen werde auch eventualiter die Strafhöhe bekämpft. Die Geldstrafe sei angesichts fehlender Erschwerungsgründe viel zu hoch angesetzt.

 

3. Über diese Beschwerde fällte die belangte Behörde die Beschwerdevorent­scheidung vom 10. November 2015. Mit dieser Beschwerdevorentscheidung wurde der Beschwerde teilweise Folge gegeben, der Vorwurf auf den Arbeitnehmer P.K. eingeschränkt sowie die Geldstrafe auf 6.660 Euro und die Ersatzfreiheitsstrafe auf 6 Stunden herabgesetzt.

 

4. Gegen diese Beschwerdevorentscheidung richtet sich der Vorlageantrag des Bf vom 26. November 2015, in welchem ausgeführt wird, eine Beschwerde des Beschuldigten sei trotz der teilweisen Stattgabe im Rahmen der Beschwerde­vorentscheidung noch gegeben, weil die Beschwerde gegen das Straferkenntnis noch andere inhaltliche Aspekte in den Raum stelle, wodurch es geboten sei, hiezu auch eine Prüfung der nunmehrigen Beschwerdevorentscheidung durch das zuständige Verwaltungsgericht vorzunehmen. Letztendlich sei auch Gegenstand der Beschwerde das Strafausmaß, sollte tatsächlich das Verwaltungsgericht eine Verantwortlichkeit des Beschuldigten ersehen. Das Strafausmaß sei in der Beschwerdevorentscheidung insoweit nicht berücksichtigt worden, als lediglich die verhängte Geldstrafe in Folge Wegfalls eines Arbeitnehmers halbiert worden sei.

 

5. Die Bezirkshauptmannschaft Wels-Land hat den Vorlageantrag samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt dem Oö. Landesverwaltungsgericht vor­gelegt.

 

6. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme und Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 6. April 2016, bei der der Bf und sein Rechtsvertreter sowie ein Vertreter des Arbeitsinspektorates anwesend waren und gehört wurden.

 

6.1. Folgender Sachverhalt steht fest:

Der Bf war zum Tatzeitpunkt gemeinsam mit Herrn H.L. handelsrechtlicher Geschäftsführer der L. GmbH mit Sitz in M., X.

Im Unternehmen herrscht eine Zuständigkeitsaufteilung dergestalt, dass der Bf ausschließlich manipulative Tätigkeiten zur Ausführung der Dachdeckerarbeiten vornimmt. Im Innenverhältnis ist ausschließlich Herr H.L. für Anweisungen, Schulungsmaßnahmen und Kontrolltätigkeiten betreffend die  Einhaltung der Arbeitnehmerschutzvorschriften zuständig.

Herr P.K. war zum Tatzeitpunkt Arbeitnehmer bei der L. GmbH.

 

Am 14. Juli 2014 wurden von der L. GmbH bei der Baustelle der Firma B. in M., x, Dachdeckerarbeiten ausgeführt. Vom Auftrag umfasst waren die Beseitigung des alten Daches und die Aufbringung eines Trapezdaches. Vorerst sollten von Arbeit­nehmern der L. GmbH Trapezblöcke auf das Dach verbracht werden, um in weiterer Folge das Trapezblech zwischen den Schalen zu verlegen.

Das Material hierfür wurde vom Bf mit dem LKW angeliefert.

Am 14. Juli 2014 besichtigte Herr H.L. gemeinsam mit dem Vorarbeiter W. die Baustelle und wurden von Herrn L. konkrete Anweisungen erteilt, wo das aufzubringende Material zu lagern sei und im Anschluss daran die Dachdecker­arbeiten durchzuführen seien. Diesen Anweisungen wurde nicht Folge geleistet und wurde das Material an anderer Stelle auf das Dach verbracht und an anderer Stelle gelagert. Im Zuge der Verbringung des Arbeitsmaterials ist ein Arbeit­nehmer im Bereich einer nicht durchbruchsicheren Dachfläche ca. 7 m durch eine Dachglasfläche abgestürzt. Entsprechende Sicherungsmaßnahmen waren nicht vorhanden; die Arbeitnehmer trugen keine persönliche Schutzausrüstung trotz entsprechender Anordnung.

Im Allgemeinen werden Bau­stellen vor Beginn der Dachdeckerarbeiten von Herrn L. gemeinsam mit dem Baustellenleiter besichtigt und geprüft. Ebenso wird vor Beginn der Baustellenarbeiten vom Vorarbeiter bzw. Baustellenleiter schriftlich festgehalten, welche Sicherheitsmaßnahmen von den jeweiligen Arbeitnehmern auf der jeweiligen Baustelle vorzunehmen sind.

Weiters findet jährlich eine Schulung durch die AUVA statt, bei der die Arbeit­nehmer betreffend Sicherheitsvorschriften unterwiesen und geschult werden. Ebenso wird jährlich die Sicherheitsausrüstung überprüft und werden stichprobenartig von Herrn L. auch die Arbeitnehmer auf den Baustellen dahingehend überprüft, ob die angewiesenen Sicherheitsvorkehrungen auch eingehalten werden.

 

Diese Feststellungen gründen sich auf den Akteninhalt sowie den Aussagen des Bf in der mündlichen Verhandlung. Vom Bf wird nicht bestritten, dass im Bereich der Absturzstelle die Dachfläche nicht durchbruchsicher gestaltet war und die Arbeitnehmer keine geeigneten Sicherungsmaßnahmen gesetzt haben bzw. keine persönliche Schutzausrüstungen getragen haben.

 

7. Hierüber hat das LVwG erwogen:

 

7.1. Gemäß § 9 Abs. 1 VStG ist für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen oder eingetragene Personengesellschaften, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen und soweit nicht verant­wortliche Beauftragte bestellt sind, strafrechtlich verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen ist.

 

Gemäß § 87 Abs. 2 Bauarbeiterschutzverordnung müssen bei Arbeiten auf Dächern mit einer Neigung bis zu 20° und einer Absturzhöhe von mehr als 3 m Absturzsicherungen oder Schutzeinrichtungen gemäß §§ 7 – 10 vorhanden sein.

 

Gemäß § 90 Abs. 1 BauV dürfen nicht durchbruchsichere Dachflächen nur betreten werden, wenn Sicherungsmaßnahmen nach Abs. 2 – 7 getroffen sind.

 

Nach § 118 Abs. 3 ASchG gilt die Bauarbeiterschutzverordnung nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen als Verordnung nach diesem Bundesgesetz. [...].

 

Gemäß § 130 Abs. 5 Z 1 ASchG begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von 166 Euro bis 8.324 Euro, im Wiederholungsfall mit Geldstrafe von 333 Euro bis 16.659 Euro zu bestrafen ist, wer als Arbeitgeber den nach dem neunten Abschnitt weiter geltenden Bestimmungen zuwiderhandelt.

 

7.2. Im Grunde des durchgeführten Beweisverfahrens steht fest, dass ein Arbeitnehmer der L. GmbH auf der Baustelle der Firma B. in M., x, auf einer Dachfläche bei einer Absturzhöhe von jedenfalls mehr als 3 m mit Dachdeckungsarbeiten beschäftigt war, obwohl diese Dachfläche nicht durchbruchsicher war und keine geeigneten Sicherungs­maßnahmen gegen das Durchbrechen getroffen worden sind. Ebenso wenig wurde eine persönliche Schutzausrüstung vom Arbeitnehmer getragen.

Dass die Dachfläche nicht durchbruchsicher war, hat leider auch der Arbeitsunfall bestätigt.

 

Damit ist der objektive Tatbestand der zur Last gelegten Verwaltungsübertretung erfüllt und hat dies der Bf auch gemäß § 9 Abs. 1 VStG als handelsrechtlicher Geschäftsführer zu verantworten.

 

7.3. Zum Verschulden ist auszuführen, dass die dem Beschuldigten angelastete Tat ein sogenanntes Ungehorsamsdelikt iSd § 5 Abs. 1 VStG darstellt, zu dessen Strafbarkeit, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen, Fahrlässigkeit genügt. Fahrlässigkeit ist nach der zitierten Gesetzesstelle bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihm an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

Nach der Judikatur des VwGH hat der Bf dabei initiativ alles darzulegen, was für seine Entlastung spricht; dies hat in erster Linie durch ein geeignetes Tatsachen­vorbringen oder durch Beibringen von Beweismitteln zu geschehen. Bloßes Leugnen oder allgemein gehaltene Behauptungen reichen für die Glaubhaft­machung nicht aus.

 

Die vom Bf angestrebte Entlastung ist iSd § 5 Abs. 1 letzter Satz VStG nicht gelungen.

Vom Bf wurde im Zuge der mündlichen Verhandlung das im Unternehmen installierte Kontrollsystem dargelegt. Diese Darlegungen sind dahin zu bewerten, ob damit ein ausreichendes und dem Bf exkulpierendes Kontrollsystem vorgelegen ist. Dazu wird auf die einschlägige Judikatur des VwGH hingewiesen, an welcher diese Maßnahmen zu messen sind.

Demgemäß besteht ein Kontrollsystem aus systematisch gestalteten organisatorischen Maßnahmen und Kontrollen im Unternehmen zur Einhaltung der Rechtsvorschriften und zur Abwehr von Schäden durch das eigene Personal sowie dem Ergreifen geeigneter organisatorischer Maßnahmen zur Verhinderung von Übertretungen des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes. Ein wirksames Kontrollsystem bedarf insbesondere der Überwachung der erteilten Weisungen auf ihre Befolgung (vgl. VwGH vom 28.05.2008, 2008/09/0117 uva.).

 

Vom Bf wurde das im Unternehmen installierte Kontrollsystem im Wesentlichen so dargestellt, dass die Arbeitnehmer zum einen schriftlich unterwiesen werden, die vorgesehene Schutzkleidung zu tragen und entsprechende nötige Schutz­vorrichtungen anzubringen und zu beachten. Zum anderen werden vor Beginn der Baustellenarbeiten von Herrn L. und dem Baustellenleiter die Baustellen überprüft und besichtigt. Vom Vorarbeiter bzw. Baustellenleiter wird schriftlich niedergehalten, welche Sicherheitsmaßnahmen von den Arbeitnehmern auf den jeweiligen Baustellen vorzunehmen sind. Ebenso findet jährlich hinsichtlich einzuhaltender Sicherheitsvorkehrungen eine Schulung durch die AUVA statt. Stichprobenartig werden die Arbeitnehmer bei ihren Tätigkeiten auf den Bau­stellen auf die Einhaltung der angewiesenen Sicherheitsvorkehrungen von Herrn L. überprüft. Der Bf ist nicht in die Kontrolltätigkeiten eingebunden.

 

Nach der Judikatur des VwGH hat ein hierarchisch aufgebautes Kontrollsystem zu enthalten, welche Maßnahmen im Einzelnen der unmittelbar Übergeordnete im Rahmen des Kontrollsystems zu ergreifen verpflichtet war, um durchzusetzen, dass jeder in das Kontrollsystem eingebundene Mitarbeiter die einschlägigen Vorschriften auch tatsächlich befolgt. Weiters welche Maßnahmen der an der Spitze der Unternehmenshierarchie stehende Anordnungsbefugte vorgesehen hat, um das Funktionieren des Kontrollsystems insgesamt zu gewährleisten, das heißt sicherzustellen, dass auf der jeweils übergeordneten Ebene erteilte Anordnungen (Weisungen) zur Einhaltung der einschlägigen Vorschriften auch an die jeweils untergeordnete zuletzt also an die unterste Hierarchieebene gelangen und dort auch tatsächlich befolgt werden (vgl. VwGH vom 05.08.2009, 2008/02/0128; 05.08.2009, 2008/02/0127; 25.01.2005, 2004/02/0294 uvm. zum Thema „Kontrollkette“). Es bedarf daher des weiteren Beweises, dass auch für eine geeignete Kontrolle der mit der Wahrnehmung dieser Aufgaben beauftragten Person Vorsorge getroffen worden ist. Entscheidend ist, ob auch eine wirksame Kontrolle über die Einhaltung der vom Verantwortlichen erteilten Weisungen erfolgte (VwGH vom 05.09.2008, 2008/02/0129, mit Vorjudikatur).

 

Im Lichte dieser VwGH-Judikatur genügt das vom Bf vorgebrachte Kontroll­system nicht den geforderten Anforderungen. Vom Bf wird zwar auf durchge­führte Schulungen und Unterweisungen der Arbeitnehmer verwiesen, allerdings beziehen sich diese im Grunde auf einmal jährlich stattfindende allgemeine Schulungen. Die bei den konkreten Baustellenarbeiten durchzuführenden Sicherheitsvorkehrungen werden zwar vorweg von Herrn L. und dem Baustellenleiter besprochen und auch dokumentiert im Unternehmen für die Arbeitnehmer bereit gestellt, eine durchgängige Kontrolle, ob diese Sicherheitsvorkehrungen auch eingehalten werden, erfolgt jedoch nicht. Die Einhaltung der Anweisungen (auch durch den Baustellenleiter) wird von Herrn L. nur stichprobenartig vor Ort überprüft.

 

Nach der Judikatur des VwGH reichen aber Anweisungen und Belehrungen sowie stichprobenartige Überprüfungen für ein effizientes und effektives Kontrollsystem nicht aus.

Darüber hinaus hat das entsprechende Kontrollsystem auch für den Fall eigenmächtiger Handlungen von Arbeitnehmern Platz zu greifen. Es kann kein Vertrauen darauf geben, dass die eingewiesenen, laufend geschulten und ordnungsgemäß ausgerüsteten Arbeitnehmer die Arbeitnehmerschutzvorschriften einhalten. Das eigenmächtige Verhalten des Arbeitnehmers zeigt nach der Judikatur des VwGH gerade, dass kein wirksames Kontrollsystem vorhanden war (dazu VwGH 23.05.2006, 2005/02/0248).

Nach den Aussagen des Bf erfolgte auch im gegenständlichen Fall ein eigenmächtiges Verhalten der Arbeitnehmer in Hinblick auf die Aufbringung und Lagerung des Arbeitsmaterials. Genau für diesen Fall hätte aber, wie oben ausgeführt, das Kontrollsystem greifen müssen.

Zum Vorbringen des Bf betreffend Verantwortlichkeit wird darauf hingewiesen, dass nach § 9 VStG jeden der zur Vertretung nach außen Berufenen von juristischen Personen die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit trifft.

Eine bloß interne Aufgaben- und Verantwortungsaufteilung ist irrelevant (vgl. VwGH 14.9.2001, 2000/02/0181). Nicht zutreffend ist somit die Annahme des Bf, er könne darauf vertrauen, dass der handelsrechtliche Geschäftsführer, Herr L., seine sich nach der internen Aufteilung ergebenden Pflichten ordnungsgemäß wahrnimmt. 

 

Der vom Bf vorgebrachte Entlastungsbeweis war daher nicht geeignet, ihn von seinem schuldhaften Verhalten zu befreien, weshalb ihm ein Verschulden zumindest in Form von Fahrlässigkeit vorzuhalten ist.

 

8. Zur Strafhöhe ist auszuführen:

 

8.1. Gemäß § 19 Abs. 1 VStG sind Grundlage für die Bemessung der Strafe die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat.

 

Gemäß § 19 Abs. 2 VStG sind im ordentlichen Verfahren überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungs­gründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorge­pflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

 

Laut ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes handelt es sich bei der Strafzumessung innerhalb eines gesetzlichen Strafrahmens um eine Ermessensentscheidung, die nach den Kriterien des § 19 VStG vorzunehmen ist. Die maßgebenden Umstände und Erwägungen für diese Ermessensabwägung sind in der Begründung des Bescheides soweit aufzuzeigen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien des Verwaltungsstrafverfahrens und für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes erforderlich ist.

 

8.2. Von der belangten Behörde wurde eine Geldstrafe in Höhe von 6.660 Euro verhängt. Bei der Strafbemessung wurden die von der belangten Behörde geschätzten persönlichen Verhältnisse, nämlich ein monatliches Nettoeinkommen von 3.000 Euro sowie Betriebsvermögen und keine Sorgepflichten herangezogen. Als erschwerend wurde gewertet, dass die zur Last gelegte Verwaltungs­übertretung die Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer im hohen Ausmaß gefährdet hat. Heranzuziehen war bei der Festsetzung der Geldstrafe die Wiederholungsqualifikation des § 130 Abs. 5 ASchG, da nach der Aktenlage einschlägige Vorstrafen gegen den Bf vorliegen.

 

Grundsätzlich ist festzuhalten, dass die Bestimmungen des ASchG bzw. der auf ihrer Grundlage erlassenen Verordnungen den Schutz des Lebens und der Gesundheit der Arbeitnehmer zum Ziel haben und daher entsprechende Verstöße mit einem besonderen Unrechtsgehalt der Tat behaftet sind, weil hierdurch genau jene Gefährdungen herbeigeführt werden, denen die genannten Bestimmungen entgegenwirken sollen. Das Rechtsgut war im gegenständlichen Fall dadurch, dass keine Absturzsicherungen oder Schutzeinrichtungen vorhanden waren, intensiv beeinträchtigt. Demgemäß bedürfen Verwaltungs­übertretungen nach dem ASchG, bei welchen es wie gegenständlich zu einem Arbeitsunfall mit Folgen gekommen ist, im Hinblick auf den general- und spezialpräventiven Aspekt einer strengen Ahndung.

 

Nach der Bestimmung des § 19 Abs. 2 VStG ist bei der Bemessung der Geldstrafe auch auf das Ausmaß des Verschuldens Bedacht zu nehmen. Wenn auch in der Frage der Schuld dem Grunde nach die interne Aufteilung der Geschäftsführer hinsichtlich der Verantwortlichkeit nicht berücksichtigt werden kann, so ist diese jedoch bei der Beurteilung des Ausmaßes der Schuld in die Überlegungen miteinzubeziehen.  

Davon ausgehend sieht es das LVwG als gerechtfertigt, die Geldstrafe auf das nunmehr festgesetzte Ausmaß herabzusetzen. Die nunmehr verhängte Geldstrafe ist jedenfalls erforderlich, um den Bf anzuhalten, in Hinkunft seinen Pflichten als Geschäftsführer entsprechend nachzukommen. 

 

9. Weil die Beschwerde teilweise Erfolg hatte, entfällt die Verpflichtung zur Leistung eines Kostenbeitrages zum Beschwerdeverfahren.

 

 

II. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Recht­sprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Recht­sprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Recht­sprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungs­gerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungs­gerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landes­verwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240 Euro zu entrichten.

 

H i n w e i s

 

Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzu­bringen.

 

H i n w e i s

 

Bitte erachten Sie den von der belangten Behörde mit der angefochtenen Entscheidung übermittelten Zahlschein als hinfällig. Sie erhalten von der genannten Behörde einen aktualisierten Zahlschein zugesandt.

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Mag.a Michaela Bismaier