LVwG-650732/2/ZO

Linz, 24.10.2016

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Mag. Gottfried Zöbl über die Beschwerde des Herrn W M, geb. x, vertreten durch W Rechtsanwälte GmbH, R gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes des Bezirkes Braunau am Inn vom 23.8.2016, GZ. VerkR21-118-2016 betreffend Entziehung der Lenkberechtigung

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

I.         Der Beschwerde wird teilweise stattgegeben und der angefochtene Bescheid dahingehend abgeändert, dass die Lenkberechtigung des Beschwerdeführers wie folgt eingeschränkt wird:

 

Befristung bis 13.7.2018

 

Vorlage von Bestätigungen eines Facharztes für Psychiatrie betreffend die Überwachung des Zustandsbildes alle 6 Monate (bis spätestens 13.1.2017, 13.7.2017, 13.1.2018 sowie 13.7.2018) an die Behörde im Original.

 

 

II.      Gegen diese Entscheidung ist keine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof zulässig.

 

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.1. Die Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn (im Folgenden: belangte Behörde), hat mit dem angefochtenen Bescheid dem Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf) die Lenkberechtigung für die Klassen AM, A, und B mangels gesundheitlicher Eignung entzogen. Einer allfälligen Beschwerde wurde die aufschiebende Wirkung aberkannt.

Dies wurde zusammengefasst damit begründet, dass der Bf laut amtsärztlichem Gutachten wegen einer psychischen Erkrankung nicht zum Lenken von Kfz geeignet sei.

 

2. In der dagegen rechtzeitig eingebrachten Beschwerde führte der Bf zusammengefasst aus, dass psychische Erkrankungen und geistige Störungen die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kfz nicht schlechthin ausschließen würden. Die von ihm beigebrachte fachärztliche Stellungnahme habe ergeben, dass er prinzipiell geeignet sei, wenn eine Probefahrt durchgeführt würde und er halbjährliche Kontakte zu einem Psychiater seiner Wahl nachweise. Der Amtssachverständige habe hingegen wegen der fehlenden Krankheitseinsicht die gesundheitliche Eignung verneint. Er habe der Behörde gegenüber erklärt, dass er den Vorschlägen des Facharztes nachkommen werde, dennoch habe die Behörde eine abschlägige Entscheidung gefällt.

 

Weiters machte er geltend, dass über seine Beschwerde gegen die Aufforderung zur amtsärztlichen Untersuchung noch nicht entschieden worden sei. Würde dieser Beschwerde stattgegeben, so würde die Rechtsgrundlage für das amtsärztliche Gutachten entfallen und sich das gegenständliche Verfahren erübrigen.

 

3. Die belangte Behörde hat den Verwaltungsakt mit Schreiben vom 5.10.2016 dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich ohne Beschwerdevorentscheidung vorgelegt. Damit ergibt sich die Zuständigkeit des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich, welches durch den nach der Geschäftsverteilung zuständigen Einzelrichter entscheidet.

 

4. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt. Daraus ergibt sich der für die Entscheidung wesentliche Sachverhalt zur Gänze, weshalb eine öffentliche mündliche Verhandlung nicht erforderlich war. Der diesbezügliche Antrag wurde vom Vertreter des Bf telefonisch zurückgezogen.

 

4.1. Folgender Sachverhalt steht fest:

 

Der Bf war zuletzt vor dem nunmehr angefochtenen Bescheid im Besitz einer auf 2 Jahre befristeten Lenkberechtigung. Er erstattete mehrmals, zuletzt im Februar 2016 Anzeige bei der PI Mattighofen, wonach es durch Dauerbeschallung zu Gehirnmanipulationen komme, welche sich auf Körperfunktionen auswirken können, die auch für die Verkehrssicherheit von Bedeutung sind. Diese Störungen hätten sich teilweise bei ihm gezeigt, er beobachte sie auch bei anderen Personen. Diese Anzeigen nahm die belangte Behörde zum Anlass, die gesundheitliche Eignung des Bf zum Lenken von Kfz zu untersuchen.

 

Der Bf hat gegen diesen Bescheid zwar ein Rechtsmittel eingebracht, den Untersuchungstermin beim Amtsarzt am 12.4.2016 jedoch wahrgenommen. Er legte eine fachärztliche psychiatrische Stellungnahme Dr. S vom 8.6.2016 vor. Der Facharzt kam zusammengefasst zu dem Schluss, dass beim Bf eine paranoide Schizophrenie mit chronifizierten Wahnwahrnehmungen, einem Wahnsystem und diskreten akustischen Halluzinationen und Beeinflussungs-erlebnissen bestehe. Es handle sich um kein akutes psychotisches Geschehen und der Bf sei imstande, rational zu agieren. Bisher sei es unter der seit Jahren bestehenden psychotischen Symptomatik zu keinen Verkehrsauffälligkeiten gekommen, es könne aber auch nicht ausgeschlossen werden, dass es zu verkehrsbeeinflussenden paranoid-halluzinatorischen Erlebnisweisen komme.

 

Aus psychiatrischer Sicht bestehe eine bedingte Eignung für das Lenken von Kfz der Gruppe I. Folgende Bedingungen wurden vorgeschlagen:

-      Durchführung einer Probefahrt, um zu sehen, ob der Bf normal Auto fahre;

-      halbjährliche Kontakte zu einem Psychiater zur Überwachung des Zustandsbildes für zwei Jahre um sicher zu gehen, dass die Psychose nicht weiter exazerbiere. Dies wegen der fehlenden Krankheitseinsicht und der Weigerung zur Einnahme entsprechender Medikamente.

 

Auf Basis dieser Stellungnahme und seiner Untersuchung kam der Amtsarzt in seinem Gutachten vom 20.6.2016 zu dem Schluss, dass der Bf wegen seiner fehlenden Krankheitseinsicht und der Verweigerung jeglicher Behandlung nicht zum Lenken von Kfz geeignet sei. Darauf entzog die belangte Behörde dem Bf die Lenkberechtigung mit Mandatsbescheid vom 22.6.2016. Auf Grund der dagegen eingebrachten Vorstellung wurde ein weiteres amtsärztliches Gutachten vom 13.7.2016 eingeholt. Darin führte der Amtsarzt aus, dass die von Dr. S vorgeschlagene Beobachtungsfahrt nach Rücksprache mit dem technischen Sachverständigen nicht sinnvoll sei, weil es sich bei „paranoider Schizophrenie“ um eine rein medizinische Frage handle. Unter der Voraussetzung, dass der Bf einer halbjährlichen fachärztlichen psychiatrischen Überwachung des Zustandsbildes zustimme, könne für zwei Jahre eine befristete gesundheitliche Eignung angenommen werden. Der Bf stimmte daraufhin vorerst den regelmäßigen fachärztlichen Kontrollen zu, ersuchte jedoch am 12.8.2016 um „Rückgabe seines Führerscheines“ ohne ärztliche Auflagen. In der Zwischenzeit verlegte er seinen Wohnsitz ins Ausland, ist aber jetzt wieder im Bereich der belangten Behörde wohnhaft. Mit dem nunmehr bekämpften Bescheid vom 23.8.2016 hat die belangte Behörde die Vorstellung des Bf abgewiesen.

 

5. Darüber hat das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich in rechtlicher Hinsicht Folgendes erwogen:

 

5.1. Gemäß § 24 Abs.1 FSG ist Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung nicht mehr gegeben sind, von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit

1.    die Lenkberechtigung zu entziehen oder

2.    die Gültigkeit der Lenkberechtigung durch Auflagen, Befristungen oder zeitliche, örtliche oder sachliche Beschränkungen einzuschränken.

Diesfalls ist gemäß § 13 Abs. 5 ein neuer Führerschein auszustellen. Für den Zeitraum einer Entziehung der Lenkberechtigung für die Klassen A, B oder F ist auch das Lenken von vierrädrigen Leichtkraftfahrzeugen unzulässig, es sei denn es handelt sich

1. um eine Entziehung gemäß § 24 Abs. 3 achter Satz oder

2. um eine Entziehung der Klasse A wegen mangelnder gesundheitlicher Eignung, die ausschließlich mit dem Lenken von einspurigen Kraftfahrzeugen zusammenhängt.

 

Gemäß § 8 Abs.3 FSG hat das ärztliche Gutachten abschließend auszusprechen:

„geeignet“, „bedingt geeignet“, „beschränkt geeignet“ oder „nicht geeignet“. Ist der Begutachtete nach ärztlichem Befund

1.    gesundheitlich zum Lenken von Kraftfahrzeugen einer oder mehrerer Klassen ohne Einschränkung geeignet, so hat das Gutachten „geeignet“ für diese Klassen zu lauten;

2.    zum Lenken von Kraftfahrzeugen einer oder mehrerer Klassen nur unter der Voraussetzung geeignet, dass er Körperersatzstücke oder Behelfe oder dass er nur Fahrzeuge mit bestimmten Merkmalen verwendet oder dass er sich ärztlichen Kontrolluntersuchungen unterzieht, so hat das Gutachten „bedingt geeignet“ für die entsprechenden Klassen zu lauten und Befristungen, Auflagen oder zeitliche, örtliche oder sachliche Beschränkungen der Gültigkeit anzuführen, unter denen eine Lenkberechtigung ohne Gefährdung der Verkehrssicherheit erteilt werden kann; dies gilt auch für Personen, deren Eignung nur für eine bestimmte Zeit angenommen werden kann und bei denen amtsärztliche Nachuntersuchungen erforderlich sind;

3.    zum Lenken nur eines bestimmten Fahrzeuges nach § 2 Z24 KFG 1967 geeignet, so hat das Gutachten „beschränkt geeignet“ zu lauten und anzugeben, durch welche körperlichen Mängel die Eignung beschränkt ist und in welcher Form diese körperlichen Mängel ausgeglichen werden können;

4.    zum Lenken von Kraftfahrzeugen einer oder mehrerer Klassen nicht geeignet, so hat das Gutachten „nicht geeignet“ für die entsprechende Klasse zu lauten.

 

Gemäß § 13 Abs.1 FSG-GV gelten Personen als ausreichend frei von psychischen Krankheiten iSd § 3 Abs.1 Z1, bei denen keine Erscheinungsformen von solchen Krankheiten vorliegen, die eine Beeinträchtigung des Fahrverhaltens erwarten lassen. Wenn sich aus der Vorgeschichte oder bei der Untersuchung der Verdacht einer psychischen Erkrankung ergibt, der die psychische Eignung zum Lenken eines Kraftfahrzeuges einschränken oder ausschließen würde, ist eine psychiatrische fachärztliche Stellungnahme beizubringen, die die kraftfahrspezifischen Leistungsfunktionen mitbeurteilt.

 

5.2. Der Bf leidet seit längerer Zeit an einer psychischen Erkrankung, wobei nach den Ausführungen des Facharztes weder Krankheitseinsicht noch die Bereitschaft zur Medikamenteneinnahme besteht. Unter diesen Voraussetzungen ist der Schluss des Facharztes, dass es einer regelmäßigen Überwachung des Zustandsbildes bedarf, um ein weiteres Exabieren der Psychose zu verhindern (bzw. zumindest rasch zu erkennen und dann behandeln zu können) gut nachvollziehbar. Diese Einschränkung erscheint notwendig, um ein durch die Erkrankung bedingtes verkehrsgefährdendes Verhalten des Bf nach Möglichkeit zu vermeiden. Der Amtsarzt hat in seiner ergänzenden Beurteilung diese schlüssige Forderung des Facharztes übernommen. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass eine ausdrückliche Zustimmung des Bf zu diesen Einschränkungen zwar zweckmäßig, aus rechtlicher Sicht aber nicht zwingend erforderlich ist. Die Einschränkungen können mittels Auflagen vorgeschrieben werden und der Bf hat sie (nach Eintritt der Rechtskraft) zu befolgen. Sollte dies nicht der Fall sein, so hat die Führerscheinbehörde mit den für die Nichtbefolgung von Auflagen vorgesehenen Maßnahmen darauf zu reagieren. Die vom Facharzt vorgeschlagene Beobachtungsfahrt war hingegen nicht durchzuführen, weil beim konkreten Krankheitsbild nicht von körperlichen Mängeln auszugehen ist, welche durch Übung ausgeglichen werden könnten.

 

Da ärztliche Kontrolluntersuchungen (Bestätigungen hinsichtlich der Überwachung des Zustandsbildes) erforderlich sind, war die Lenkberechtigung gemäß § 2 Abs.1 letzter Satz FSG-GV entsprechend zu befristen. Die Dauer der Befristung auf 2 Jahre erscheint grundsätzlich nachvollziehbar, sie ist gemäß § 8 Abs. 3a FSG vom Zeitpunkt der Ausfertigung des amtsärztlichen Gutachtens zu berechnen. Der Beginn der Frist war daher mit 13.7.2016 festzulegen. Diese Befristung ist gemäß § 13 Abs.5 FSG in den Führerschein einzutragen. Der Bf hat sich zwecks Ausstellung eines neuen Führerscheines mit der Behörde in Verbindung zu setzen.

 

II. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Einschränkung von Lenkberechtigungen ab, noch fehlt es an einer solchen. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Mag. Gottfried Zöbl