LVwG-300884/5/Py/AKe

Linz, 07.11.2016

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Dr.in Andrea Panny über die Beschwerde der Finanzpolizei Team 43 für das Finanzamt Kirchdorf Perg Steyr, Handel-Mazzetti-Promenade 14, 4400 Steyr, gegen die im Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land vom 13. November 2015, GZ: SanRB96-1031/7-2015, über Herrn A.P., vertreten durch Mag. Dr. J. Rechtsanwalts KG, x, K., wegen Verwaltungsübertretungen nach dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz (ASVG) verhängten Strafhöhen,

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

I.         Gemäß § 50 VwGVG wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

 

 

II.      Gegen diese Entscheidung ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land (in der Folge: belangte Behörde) vom 13. November 2015, GZ: SanRB96-1031/7-2015, wurden über Herrn A.P. (in der Folge: Beschuldigter) wegen Verwaltungsübertretungen nach § 111 Abs. 1 iVm § 33 Abs. 1 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG) BGBl. Nr. 189/1955 idgF vier Geldstrafen in Höhe von je 730 Euro, für den Fall der Uneinbringlichkeit Ersatzfreiheitsstrafen von je 48 Stunden verhängt.

 

Zur Höhe der verhängten Strafe führt die belangte Behörde aus, dass von fahrlässiger Tatbegehung ausgegangen wird und die Anzahl der nicht gemeldeten Personen bei der Festsetzung der Strafhöhe insofern gewertet wurde, als gemäß Verwaltungsgerichtshof eine Verletzung der Meldepflicht hinsichtlich jedes Arbeit­nehmers gesondert zu bewerten ist. Als strafmildernd wurde die Einsicht, das kooperative Verhalten sowie das erstmalige ordnungswidrige Handeln (als Privatperson) und die Bereitschaft, sämtliche „Fehler“ zu „sanieren“, gewertet.

 

2. Gegen die Höhe dieser Strafen richtet sich die rechtzeitig eingebrachte Beschwerde der Finanzpolizei Team 43 für das Finanzamt Kirchdorf Perg Steyr vom 1. Dezember 2015.

 

In der Begründung der Beschwerde führt die Organpartei zusammengefasst aus, dass die Bestimmungen des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes bei Zuwiderhandeln der gesetzlichen Bestimmungen folgende Strafen vorsehen:

 

-        Geldstrafe von 730 Euro bis zu 2.180 Euro

-        im Wiederholungsfall von 2.180 Euro bis 5.000 Euro

 

Gemäß § 19 Abs. 2 VStG sind unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Gemäß § 33 Abs. 1 Z 2 StGB stellt es insbesondere einen Erschwerungsgrund dar, wenn der Täter schon wegen einer auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden Tat verurteilt worden ist. Im gegenständlichen Fall liege gegen den Beschuldigten eine rechtskräftige Bestrafung der Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land vom 6. Juni 2011, GZ: SV96-30/9-2010, vor. Auch wenn die Verhängung dieser Strafe gegen den Beschuldigten als zur Vertretung nach außen berufenes Organ der Firma P. I. GmbH verhängt wurde, so ist diese rechtskräftige Bestrafung, wenn schon nicht als Wiederholungsfall im Sinn des § 111 Abs. 2 ASVG, dann doch in der Strafbemessung als erschwerend zu berücksichtigen. Die Organpartei habe in ihrem Strafantrag eine Bestrafung in Höhe von insgesamt 8.720 Euro (2.180 Euro pro Arbeitnehmer) beantragt. Gemessen daran, dass es sich einerseits im gegenständlichen Fall um die Beschäftigung von vier Arbeitnehmern handelt und andererseits eine rechtskräftige Bestrafung gegen den Beschuldigten in einem ASVG-Verfahren vorliegt, ist die Verhängung jeweils der Mindeststrafe jedenfalls als zu gering anzusehen. Die Vorstrafe des Beschuldigten wurde von der Behörde nicht als erschwerend gewertet, die als strafmildernd angeführten Gründe würden nicht für die Verhängung lediglich der Mindeststrafe genügen.

 

3. Mit Schreiben vom 2. Dezember 2015 legte die belangte Behörde die Beschwerde samt Verwaltungsakt dem Oö. Landesverwaltungsgericht vor, das gemäß § 2 VwGVG zur Entscheidung durch seine nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelrichterin berufen ist.

 

4. Das Oö. Landesverwaltungsgericht hat Beweis erhoben durch Akten­einsicht. Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 44 Abs. 3 Z 2 VwGVG entfallen. Dem Beschuldigten wurde im Rahmen des Parteiengehörs Gelegenheit gegeben, eine Stellungnahme zum Beschwerde­vorbringen abzugeben.

 

5. Das Oö. Landesverwaltungsgericht hat erwogen:

 

5.1. Da der Schuldspruch in Rechtskraft erwachsen ist, ist es dem Oö. Landesverwaltungsgericht verwehrt, sich inhaltlich mit der Entscheidung der belangten Behörde auseinander zu setzen.

 

5.2. Gemäß § 19 Abs. 1 VStG sind Grundlage für die Bemessung der Strafe die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat.

 

Nach § 19 Abs. 2 VStG sind im ordentlichen Verfahren überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungs­strafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

 

Laut ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes handelt es sich bei der Strafzumessung innerhalb eines gesetzlichen Strafrahmens um eine Ermessensentscheidung, die nach den Kriterien des § 19 VStG vorzunehmen ist. Die maßgebenden Umstände und Erwägungen für diese Ermessensabwägung sind in der Begründung der Entscheidung so weit aufzuzeigen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien des Verwaltungsstrafverfahrens und für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes erforderlich ist. § 19 Abs. 1 VStG enthält somit jene objektiven Kriterien, die Grundlage für jede Strafbemessung sind. Darüber hinaus normiert Abs. 2 für das ordentliche Verfahren eine Reihe weiterer subjektiver Umstände.

 

5.3. Zunächst ist anzuführen, dass das VStG – anders als das Kriminalstrafrecht und das finanzstrafbehördlich zu vollziehende Finanzstrafgesetz – eine Strafbarkeit nur von natürlichen Personen kennt (vgl. Lewisch in Lewisch/Fister/Weilguni, VStG [2013] § 9 Rz 3). Der Umstand, dass die zurückliegende Bestrafung den Beschuldigten als zur Vertretung nach außen Berufener der Firma P. I. GmbH angelastet wurde, wogegen ihm die gegenständlichen Übertretungen „als Privatperson“ zur Last gelegt werden, ist daher für Beurteilung, ob vom Vorliegen einer einschlägigen Vorstrafe auszugehen ist oder nicht, nicht maßgeblich. Ergänzend dazu ist anzuführen, dass aufgrund des Doppelverwertungsverbotes Erschwerungs- und Milderungsgründe bei der Strafbemessung nur insoweit Berücksichtigung finden dürfen, als sie nicht schon die Strafbemessung bestimmen. Ein Umstand, der bereits eine Voraussetzung für die Anwendung einer qualifizierten Strafdrohung bildet, kann daher nicht zusätzlich als Erschwerungsgrund gewertet werden.

 

Die Organpartei weist in der Begründung ihrer Beschwerde gegen die verhängte Strafhöhe auf die bereits gegen den Beschuldigten vorliegende rechtskräftige Bestrafung der belangten Behörde vom 6. Juni 2011, GZ: SV96-30/9-2010, hin. Diesbezüglich ist jedoch zu beachten, dass gemäß § 55 Abs. 1 VStG ein wegen einer Verwaltungsübertretung verhängtes Straferkenntnis, mit Ablauf von fünf Jahren nach Eintritt der Rechtskraft als getilgt gilt. Gemäß § 55 Abs. 2 dürfen getilgte Verwaltungsstrafen in amtlichen Leumunds­zeugnissen oder Auskünften für Zweck eines Strafverfahrens nicht erwähnt und bei der Strafbemessung im Verwaltungsstrafverfahren nicht berücksichtigt werden.

 

Die von der belangten Behörde in ihrer Beschwerde angeführte einschlägige Vorstrafe ist aufgrund der Bestimmungen des § 55 VStG daher inzwischen getilgt. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH vom 5.11.1997, 97/03/0141) ist das Oö. Landesverwaltungsgericht gehalten, auch erst während des Beschwerdeverfahrens eingetretene Umstände bei der Strafbemessung wahrzunehmen. Dies gilt auch für den Ablauf der Tilgungsfrist hinsichtlich einer Vorstrafe. Die von der Organpartei in ihrer Beschwerde gegen die verhängte Strafhöhe angeführte Voraussetzung des Vorliegens einer rechtskräftigen Verurteilung nach dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz liegt beim Beschuldigten daher nicht (mehr) vor und kann diese getilgte Strafe somit weder strafsatzerhöhend noch straferschwerend gewertet werden.

 

Ergänzend ist anzuführen, dass hinsichtlich der Anzahl der betroffenen Dienstnehmer bereits die belangte Behörde darauf verwiesen hat, dass die Verletzung der Meldepflicht hinsichtlich jedes einzelnen Dienstnehmers eine gesondert zu verfolgende Verwaltungsübertretung des § 11 Abs. 1 Z 1 ASVG darstellt, zumal die Verletzung der Meldepflichten durch den Dienstnehmer leistungsrechtliche Konsequenzen für jeden der betroffenen Dienstnehmer haben kann (vgl. VwGH v. 6. Juli 2011, Zl. 2011/08/0066). Die Behörde hat daher zutreffend einen mehrfachen Verstoß gegen die Bestimmungen des ASVG durch den Beschuldigten angenommen. Zwar kann eine nicht den Strafsatz bestimmende besonders hohe Anzahl an nicht ordnungsgemäß gemeldeten Dienstnehmern als erschwerend gewertet werden, zumal darin ein besonders hohes Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, zum Ausdruck kommt (vgl. VwGH v. 10. April 2013, Zl. 2013/08/0041 bezüglich der Verletzung der Meldepflicht hinsichtlich sechzehn Dienstnehmer), den gegenständliche vier Fällen steht jedoch der als mildernd zu berücksichtigende Umstand gegenüber, dass  sich der Beschuldigte reumütig zeigt und sich im Verfahren einsichtig und kooperativ verhalten hat.

 

Im Hinblick auf die inzwischen eingetretene Tilgung der einschlägigen Verwaltungsübertretung und die angeführten Erschwerungs- und Milderungs­gründe kann die von der belangten Behörde verhängte gesetzliche Mindeststrafe somit nicht als rechtswidrig erachtet werden.

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

II. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Insbesondere weicht die gegenständliche Entscheidung von der als einheitlich zu beurteilen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht ab.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungs­gerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungs­gerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landes­verwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

H i n w e i s

Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen.

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Dr.in Andrea Panny