LVwG-301187/4/Kl/PP

Linz, 21.10.2016

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Dr. Ilse Klempt über die Beschwerde der Frau Y.B., M., vertreten durch T. Rechtsanwälte, x, W., gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 21. Juni 2016, SanRB96-310-2015/Gr, wegen Verwaltungsübertretungen nach dem Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz – AVRAG folgenden

B E S C H L U S S

gefasst:

 

I. Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das diesbezügliche Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

 

II. Gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG entfällt ein Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens.

 

 

III. Gegen diesen Beschluss ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 21. Juni 2016, SanRB96-310-2015/Gr, wurden über die Beschwerdeführerin sechs Geld­strafen von jeweils 500 Euro, für den Fall der Uneinbringlichkeit sechs Ersatz­freiheitsstrafen von je 33 Stunden, wegen jeweils einer Verwaltungsübertretung gemäß § 7b Abs. 5 iVm Abs. 8 Z 3 Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz (AVRAG) verhängt, weil sie es als zur Vertretung nach außen berufene verantwortliche Beauftragte der V. L. GmbH & Co. KG mit Sitz in M., x, gemäß § 9 VStG verwaltungsstrafrechtlich zu verantworten hat, dass diese Firma als Arbeit­geberin und Auftraggeberin mit Sitz in einem EWR-Mitgliedstaat

1.   den s. Staatsbürger R.B., geb. x,

2.   den d. Staatsbürger S.B., geb. x,

3.   den d. Staatsbürger S.K., geb. x,

4.   den d. Staatsbürger I.J.K., geb. x,

5.   den d. Staatsbürger A.P., geb. x,

6.   den s. Staatsbürger M.S., geb. x,

zumindest von 17.11.2015 bis 4.12.2015 als Arbeitnehmer in Österreich, im O. in L., x, beschäftigt hat, ohne dass Unterlagen über die Anmeldung zur Sozialversicherung (E101 bzw. A1) gemäß § 7 b Abs. 5 AVRAG am Arbeits(Einsatz)ort bereitgehalten wurden, obwohl Arbeitgeber im Sinne des § 7 b Abs. 1 oder in Abs. 1 Z, 4 bezeichnete Beauftragte oder der Arbeitnehmer verpflichtet sind, diese Unterlagen am Arbeitsort im Inland bereit­zuhalten. Die Bereithaltung der Unterlagen an der Adresse in L., x, wäre zumutbar gewesen.

 

Dieser Sachverhalt wurde von Organen des Finanzamtes Linz bei einer Kontrolle am 17.11.2015 um 9.00 Uhr im oa. Baumarkt, indem die ao. Personen bei Regalaufbau- und Dekorationsarbeiten betreten wurden und durch Abfragen im Hauptverband, festgestellt.

 

2. Dagegen wurde fristgerecht Beschwerde eingebracht und die Behebung des Straferkenntnisses und Einstellung des Strafverfahrens beantragt. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die entsprechende Meldung der Entsendung nach Österreich sowie die A1-Bescheinigungen vom zuständigen Kollegen von Frau B., Herrn B., in Folge sofort, noch am Tag der Kontrolle durch die Finanzpolizei nachgereicht worden seien und für die zwei s. Arbeiter die Einreichung von deren Arbeitgeber vorgenommen worden sei. Es liege kein Verschulden der Beschwerdeführerin vor, weil die Beschwerdeführerin mit dem Auftrag in L., zu dem die Arbeiter nach Österreich entsandt worden seien, nicht betraut gewesen sei, sondern sei der Auftrag allein vom zuständigen Kollegen B. bearbeitet worden und sämtliche Veranlassungen diesbezüglich von ihm vorgenommen worden. Auch sei Komplementärin der V. L. GmbH & Co. KG die V. L. V.-GmbH, nicht direkt die Beschuldigte. Auch liege eine unzulässige mehrfache Bestrafung vor. Der Wortlaut des § 7b Abs. 5 AVRAG zwinge nicht dazu, diese Bestimmung dahin zu verstehen, dass im Fall des Nichtbereithaltens der genannten Unterlagen pro Arbeitnehmer eine eigene Übertretung begangen werde. Auch handle es sich bei den beiden s. Staatsbürgern, R.B. und M.S. um Arbeitnehmer der Firma M. J. P., welche ein s. Subunternehmen der V. L. GmbH & Co. KG sei. Die s. Staatsbürger hätten auch keinen Arbeitsvertrag mit der V. L. GmbH & Co. KG und sei daher die Meldung an die ZKO von der Firma M. J. P. vorgenommen worden. Es bestehe keine persönliche Abhängigkeit und seien die S. nicht den betrieblichen Ordnungs­vorschriften der V. L. GmbH & Co. KG unterworfen. Auch liegen keine Kontrollen und keine disziplinäre Verantwortung vor. Es liegen außerordentliche Strafmilderungsgründe vor, da erstmalig ein Auftrag im Ausland durchgeführt wurde und hiezu Arbeiter ins Ausland entsandt wurden, der Auftrag äußerst kurzfristig zustande kam, man sich sofort kooperativ gegenüber der einschreiten­den Behörde zeigte sowie bisherige Unbescholtenheit vorliege.

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land als belangte Behörde hat die Beschwerde samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt dem Landesver­waltungsgericht Oberösterreich vorgelegt.

Das Finanzamt Linz wurde am verwaltungsgerichtlichen Verfahren beteiligt. In einer Stellungnahme vom 11. August 2016 wurde darauf hingewiesen, dass aus der getätigten Abfrage der internationalen Wirtschaftsdaten und der vorgelegten Handelsregisterauszüge hervorgehe, dass der persönlich haftende Gesellschafter die V. L. V.-GmbH sei und daher gegen die Geschäftsführer Y.B. und P.V. ein gesonderter Strafantrag gestellt werde. Die s. Staatsbürger M.S. und R.B. seien gemeinsam mit den Arbeitern der Firma V. L. GmbH & Co. KG bei Ladenaufbau- bzw. Regalaufbauarbeiten angetroffen worden und seien diese Leiharbeiter der Firma P. – M.J. und gemeinsam mit den vier d. Arbeitern der Firma V. L. GmbH & Co. KG von dieser zur grenzüberschreitenden Arbeitsleistung nach Österreich entsandt worden. Spätestens eine Woche vor der Arbeitsaufnahme sei gemäß § 7b Abs. 3 AVRAG die Beschäftigung von Arbeitnehmern, die nach Österreich entsandt werden, der Zentralen Koordinationsstelle des BMF zu melden. Die Meldung der Firma V. L. GmbH & Co. KG sei erst am Kontrolltag und nach der Amtshandlung elektronisch übermittelt worden und sei daher die Meldung verspätet abgegeben worden. Eine unzulässige mehrfache Bestrafung liege nicht vor da gemäß § 7b Abs. 8 Z 1 AVRAG für jede/n Arbeitnehmer/in mit Geldstrafe von 500 Euro bis 5.000 Euro zu bestrafen ist. Gemäß § 7b Abs. 1 AVRAG gilt ein/e Beschäftiger/in mit Sitz in einem anderen Mitgliedsstaat der Europäischen Union oder des Europäischen Wirtschaftsraumes als Österreich hinsichtlich der an ihn/sie überlassenen Arbeitskräfte, die zu einer Arbeitsleistung nach Österreich entsandt werden, in Bezug auf die Abs. 3 – 5 und 8, § 7d Abs. 1, § 7f Abs. 1 Z 3 sowie § 7i Abs. 1 und Abs. 4 Z 1 als Arbeitgeber/in.

 

4. Das Oö. Landesverwaltungsgericht hat Beweis erhoben durch Aktenein­sichtnahme. Weil bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist, entfällt eine mündliche Verhandlung gemäß § 44 Abs. 2 VwGVG.

 

Folgender Sachverhalt wird als erwiesen zugrunde gelegt:

 

Laut Auszug des Handelsregisters A des Amtsgerichtes M. ist persönlich haftende Gesellschafterin der V. L. GmbH & Co. KG die V. L. V.-GmbH, M., als Kommanditisten sind R.B. und Y.B. eingetragen. Im Auszug des Handelsregisters B des Amtsgerichtes M. ist für die V. L. V.-GmbH die Beschuldigte sowie P.V. als Geschäftsführer eingetragen.

Eine Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten gemäß § 9 Abs. 2 und 3 VStG iVm § 7j Abs. 1 AVRAG wurde weder der Zentralen Koordinationsstelle im BMF noch dem zuständigen Träger der Krankenversicherung mitgeteilt (Strafantrag vom 10.12.2015). Mit Strafantrag des Finanzamtes Linz vom 10. Dezember 2015 wurde die Einleitung des Strafverfahrens gegen die Beschwerdeführerin gemäß § 7d Abs. 1 1. + 2. Satz AVRAG iVm § 7i Abs. 4 Z 1 AVRAG in zwei Fällen betreffend die zwei s. Staatsbürger M.S. und R.B. beantragt und die Verhängung einer Geldstrafe von jeweils 1.000 Euro beantragt, weil für die beiden s. Staatsbürger, welche Leiharbeiter für die Firma V. L. GmbH & Co. KG sind und gemeinsam mit vier d. Arbeitern der Firma V. L. GmbH & Co. KG zur grenzüberschreitenden Arbeitsleistung nach Österreich entsandt wurden, keine Lohnunterlagen (z.B. Arbeitsverträge, Lohn­zettel, Überweisungsbelege, Lohnaufzeichnungen) vorgelegt werden konnten. Ausdrücklich wurde im Sachverhalt ausgeführt, dass zur Feststellung der Identität Personalausweise vorgelegt und fotografiert wurden.

„Es wurden auch Sozialversicherungsbestätigungen bzw. A1-Formuare vorgelegt bzw. elektronisch bereitgestellt.“

Auch im erstbehördlichen Verwaltungsstrafverfahren wurde die Finanzpolizei beteiligt und führte in einer Stellungnahme vom 17. März 2016 aus:

„Zur Feststellung der Identitäten wurden Personalausweise vorgelegt und fotografiert. Es wurden auch Sozialversicherungsbestätigungen bzw. A1-Formulare vorgelegt bzw. elektronisch bereitgestellt ..... Es konnten jedoch keine Lohnunterlagen (z.B. Arbeitsverträge, Lohnzettel, Überweisungsbelege, Lohnauf­zeichnungen) für die beiden s. Arbeiter, Herr M.S. und Herr R.B., vorgelegt werden. Die Finanzpolizei Linz Team 40 beantragt, das Verwaltungsstrafverfahren im Sinn des Strafantrages vom 10.12.2015 fortzu­führen.“

Es ist daher erwiesen, dass für alle sechs angetroffenen entsandten Arbeit­nehmer Sozialversicherungsdokumente A1 elektronisch zugänglich gemacht wurden. Lohnunterlagen in deutscher Sprache wurden für die beiden s. Staatsbürger am Arbeits(Einsatz)ort nicht bereitgehalten.

 

 

5. Hierüber hat das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich erwogen:

 

5.1. Gemäß § 7b Abs. 1 vorletzter Satz Arbeitsvertragsrechts-Anpassungs­gesetz – AVRAG, BGBl. Nr. 459/1993 idF BGBl. I Nr. 113/2015 (zum Tatzeitpunkt geltende Fassung) gilt ein/e Beschäftiger/in mit Sitz in einem anderen Mitgliedsstaat der Europäischen Union oder des Europäischen Wirtschaftsraumes als Österreich hinsichtlich der an ihn/sie überlassenen Arbeitskräfte, die zu einer Arbeitsleistung nach Österreich entsandt werden, in Bezug auf die Abs. 3 – 5 und 8, § 7d Abs. 1, § 7f Abs. 1 Z 3 sowie § 7i Abs. 1 und Abs. 4 Z 1 als Arbeitgeber/in.

Gemäß § 7b Abs. 5 AVRAG haben Arbeitgeber/innen iSd Abs. 1, sofern für den/die entsandten Arbeitnehmer/innen in Österreich keine Sozialver­sicherungspflicht besteht, Unterlagen über die Anmeldung des Arbeitnehmers oder der Arbeitnehmerin zur Sozialversicherung (Sozialversicherungsdokument E101 nach der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71, Sozialversicherungsdokument A1 nach der Verordnung (EG) Nr. 883/04) sowie eine Abschrift der Meldung gemäß den Abs. 3 und 4 am Arbeits(Einsatz)ort im Inland bereitzuhalten oder diese den Organen der Abgabenbehörden oder der Bauarbeiter- Urlaubs- und Abfertigungskasse unmittelbar vor Ort in elektronischer Form zugänglich zu machen.

Gemäß § 7b Abs. 8 Z 3 AVRAG begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde für jede/n Arbeitnehmer/in mit Geldstrafe von 500 Euro bis 5.000 Euro, im Wiederholungsfall von 1.000 Euro bis 10.000 Euro zu bestrafen, wer als Arbeitgeber/in iSd Abs. 1 die erforderlichen Unterlagen entgegen Abs. 5 nicht bereithält oder den Organen der Abgabenbehörden oder der Bauarbeiter- Urlaubs- und Abfertigungskasse vor Ort nicht unmittelbar zugänglich macht.

Gemäß § 45 Abs. 1 Z 2 VStG, welcher gemäß § 38 VwGVG auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren anzuwenden ist, hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn der Beschuldigte die ihm zur Last gelegt Verwaltungs­übertretung nicht begangen hat oder Umstände vorliegen, die die Strafbarkeit aufheben oder ausschließen.

 

5.2.  Dem gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahren liegt eine Anzeige des Finanzamtes Linz wegen Nichtbereithaltung von Lohnunterlagen in deutscher Sprache hinsichtlich der s. Staatsbürger R.B. und M.S. am 17.11.2015 am Arbeits(Einsatz)ort sowie ein diesbezüglicher Strafantrag zugrunde. Dieser Strafantrag wurde im erstbehördlichen Verfahren vom Finanzamt Linz im Hinblick auf § 7d iVm § 7i AVRAG hinsichtlich der beiden genannten s. Staatsbürger bekräftigt. Sozialversicherungsdokumente A1 wurden laut Anzeige und weiterer Stellungnahme des Finanzamtes Linz hinsichtlich der beiden s. Staatsbürger elektronisch bereitgestellt. Gleiches gilt auch für die vier entsandten d. Staatangehörigen. Auch für diese wurden die Sozialversicherungsdokumente bereitgestellt.

Es hat daher die Beschwerdeführerin die mit dem angefochtenen Straferkenntnis vom 21. Juni 2016 vorgeworfenen Verwaltungsübertretungen nicht begangen. Es war daher das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungs­strafverfahren hinsichtlich der Verwaltungsübertretungen zu § 7b Abs. 5 iVm § 7b Abs. 8 Z 3 AVRAG einzustellen.

 

6. Weil die Beschwerde Erfolg hatte, entfällt ein Kostenbeitrag zum Beschwerdeverfahren gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG.

 

7. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.

Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Es liegen auch keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diesen Beschluss besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungs­gerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungs­gerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landes­verwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechts­anwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240 Euro zu entrichten.

 

H i n w e i s e

1. Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzu­bringen.

2. Erachten Sie den von der belangten Behörde mit der angefochtenen Entscheidung übermittelten Zahlschein als hinfällig.

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Dr. Ilse Klempt