LVwG-000118/2/Wei

Linz, 27.10.2016

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Dr. Wolfgang Weiß über die Beschwerde des K N, geb. x 1956, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Perg vom 22. September 2015, Zl. SanRB96-4-10-2015, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem § 90 Abs 3 Z 1 Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetz – LMSVG iVm Art 5 und Anhang II der Verordnung (EG) Nr. 1333/2008

 

zu Recht   e r k a n n t :

I.         Gemäß § 50 VwGVG  wird der Beschwerde stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs 1 Z 1 VStG iVm § 38 VwGVG eingestellt.

 

II.      Der Beschwerdeführer hat weder einen Kostenbeitrag zum Verwaltungsstrafverfahren vor der belangten Behörde (§ 66 Abs 1 VStG) noch einen Kostenbeitrag für das Beschwerdeverfahren vor dem Oö. Landesverwaltungsgericht (§ 52 Abs 9 VwGVG) zu leisten. Auch die Verpflichtung zum Ersatz der Untersuchungskosten gemäß § 71 Abs 3 LMSVG entfällt.

 

III.   Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG zulässig.


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I. Mit dem bezeichneten Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Perg wurde über den Beschwerdeführer (Bf) wie folgt abgesprochen:

 

„Straferkenntnis

 

Sie haben am 03. Juni 2015 um 11:35 Uhr in H  Filiale  als verantwortlicher Beauftragter und somit gemäß § 9 Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl Nr. 52/1991 i.d.g.F. zur Vertretung der Firma G Fleisch-, Wurst- und Selchwarenerzeugung GmbH nach außen Berufener, einen Verstoß gegen die Verordnung EG Nr. 1333/2008 zu verantworten, weil das Produkt „B" den Lebensmittelzusatzstoff Mononatriumglutamat (E621) aufwies, dessen Verwendung nicht mit den Bestimmungen der Verordnung EG Nr. 1333/2008 in Einklang stand, weshalb das Produkt „B" nicht in Verkehr gebracht hätte werden dürfen.

 

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift(en) verletzt:

§ 4 Abs. 1 Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetz - LMSVG, BGBl. I Nr. 13/2006 in der Fassung BGBl. I Nr. 296/2013 iVm Art. 5 der Verordnung (EG) Nr. 1333/2008 vom 16. Dezember 2008 über Lebensmittelzusatzstoffe.“

 

 

Wegen dieser Verwaltungsübertretung verhängte die belangte Behörde über den Bf gemäß § 90 Abs 3 LMSVG eine Geldstrafe in Höhe von 100 Euro (2 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe im Fall der Uneinbringlichkeit) und schrieb 10 Euro als Kostenbeitrag zum Strafverfahren und 126,40 Euro als Ersatz der Barauslagen für Lebensmitteluntersuchungskosten vor.

 

 

I.2. Zur Begründung führt die belangte Behörde auszugsweise an :

„ [...]

 

Die Behörde geht von folgendem Sachverhalt aus:

 

Am 21.05.1993 wurden Sie von F G, handels- und gewerberechtlicher Geschäftsführer der Firma G Fleisch-, Wurst- und Selchwarenerzeugung GmbH, zum verantwort­lichen Beauftragten für die Belange des Lebensmittelrechts und Bazillenausscheidergesetz, Arbeitsrechtes u. Arbeitnehmerschutzvorschriften, des Sanitätsrechtes sowie der Lebensmittelkennzeichnung im gesamten Betrieb exklusive Filialen bestellt. Diese Bestellung wurde am 23.01.1995 unverändert auch auf den Betrieb in  M ausgeweitet.

 

Das Produkt „B" wurde von der G Fleisch-, Wurst- und Selchwa­renerzeugung GmbH in  M in einem mit farbloser, durchsichtiger Kunststofffolie verschweißten Kunststoffbehälter, Mindesthaltbarkeitsdatum: 06.06.2014 verpackt und am 30. Mai 2014 an die H KG in  S, geliefert. Am 31.Mai.2014 wurde das Produkt „B " an die H KG Filiale in W geliefert.

 

Am 03. Juni 2014 um 11:35 Uhr wurde gemäß § 36 Lebensmittelsicherheits- und Verbraucher­schutzgesetz - LMSVG von einem Aufsichtsorgan in Gegenwart der Filialleiterin Stellvertreterin H. F bei einer Kontrolle im Betrieb H KG Filiale in  W eine amtliche Probe von 1 Packung „B" mit einem Bruttogewicht von 480g als verpacktes Lebensmittel dem SB-Kühlregal (Temperatur: 3,50 Grad) entnommen und mit der Probenummer 14057008-001 versehen.

 

Die Probe mit der Nummer 14057008-001 langte am 03.06.2014 um 14:31 Uhr beim Institut für Lebensmittelsicherheit Wien ein und wurde einer Überprüfung unterzogen. Dabei wurde festgestellt, dass die Probe mit der Bezeichnung „B" die Le­bensmittelzusatzstoffe (Natriumnitrit, Mononatriumglutamat, Diphosphate) aufweisen, obwohl deren Verwendung nicht mit Art 5 der Verordnung EG Nr. 1333/2008 in Einklang stehen, weshalb das Produkt „B" nicht in Verkehr gebracht hätte werden dürfen.

 

Dieser Sachverhalt wurde mit Schreiben des Magistrates der Stadt Wien vom 15.01.2015 der Bezirkshauptmannschaft Perg zur Anzeige gebracht.

 

Mit Strafverfügung vom 02. Februar 2015 wurden Sie zur Bezahlung einer Geldstrafe in Höhe von 100,- Euro sowie zum Ersatz der Barauslagen in Höhe von 126,40 Euro verhalten, da Sie am 21.05.1993 für den Erzeugungsbetrieb der Firma G in Freistadt sowie am 23.01.1995 auch für den Erzeugerbetrieb in M als verantwortlicher Beauftragter für die Belange des Lebensmittelrechts bestellt wurden.

 

Gegen die Strafverfügung, nachweislich zugestellt am 12.02.2015, erhoben Sie am 20.02.2015 fristgerecht Einspruch den Sie wie folgt begründeten:

„Gegen die Strafverfügung SanRB96-4-4-2015 erhebe ich Einspruch. Die Begründung für den Einspruch schicke ich unverzüglich nach Akteneinsicht nach."

 

Am 06.03.2015 bezogen Sie zu Ihrem Einspruch vom 20.02.2015 Stellung wie folgt:

„Sehr geehrte Frau H, in der Strafverfügung wird mir zu Last gelegt, ich hätte zu verant­worten, das am 30. Mai 2014 das Produkt „B" an das Zentrallager der Firma H KG in S geliefert und somit in den Verkehr gebracht wurden. Bei der Untersuchung einer am 03. Juni 2014 in der H Filiale Z entnommenen Probe, wurde festgestellt, dass dieses Produkt (Natriumnitrit, Mononatriumglutamat, Diphosphate) enthalten hat und somit nicht den Vorgaben des Codex entsprach und aus diesem Grund nicht in den freien Verkehr gebracht hätte werden dürfen.

 

Dazu führe ich aus.

In Ihrem Vorhalt gehen Sie davon aus, das es sich bei diesem Produkt, um eine „Fleischzube­reitung" handelt, wo nicht vorgesehen ist, dass die oben genannten Stoffe als Zusatzstoffe ver­wendet werden.

 

 

Bei dem von der Firma G Fleisch-, Wurst- und Selchwarenerzeugung GmbH ausgelieferten Produkt, wurde und wird im Rahmen der Sachbezeichnung genau deklariert das es sich bei der Ware um ein gepökeltes Produkt handelt, und zwar mit der Aufschrift Frische Cevapcici brat- und grillfertig gepökelt. Auch in der Zutatenliste sind die Inhaltsstoffe angeführt. Die Schriftgrößen entsprechen den vorgegebenen Richtlinien und die gesamte Deklaration ist in einem Sichtfeld so angeführt, dass es für jeden normal sichtigen Bürger ohne Sehhilfe lesbar ist und somit eine Täuschung des Konsumenten ausgeschlossen werden kann.

 

Was die Sachbezeichnung des Produktes und die Zuordnung zum Codex betrifft, halte ich fest, dass es sich bei diesem Produkt nicht um die wie allgemein im Codex angeführten Cevapcici handelt, die in die Gruppe „Fleischzubereitung" eingestuft sind, und dementsprechend auch nur die dafür vorgesehenen Zutaten verwendet werden sollten.

 

Es ist so, dass die von der Firma G Fleisch-, Wurst- und Selchwarenerzeugung GmbH hergestellten Produkte „Frische Cevapcici gepökelt" in die Kategorie, nicht wärmebehandelte Fleischerzeugnisse einzustufen sind wofür auch die beanstandeten Zutaten (Natriumnitrit, Mo-nonatriumglutamat, Diphosphate) verwendet werden dürfen.

 

Zur Erläuterung gebe ich an, dass es sich bei „nicht wärmebehandelten Fleischerzeugnissen" auch um Brate handeln könnte wie zB Leberkäs zum Selberbacken. Wo auch gleiche oder ähn­liche Zusatzstoffe verwendet werden. Ob Brate nun wie Leberkäs als grundsätzliches feines Brät oder Brate grob, wie Cevapcici frisch gepökelt in den Verkehr gebracht werden, hat wohl auf die Zutaten keinen Einfluss.

 

Da es sich wie in der Begründung angeführt und erläutert, bei dem beanstandeten Produkt um ein „nicht wärmebehandeltes Fleischerzeugnis" handelt, und dieses aus diesem Grund durchaus den EU-Verordnungen entspricht, weiters auch keine Kundentäuschung vorliegt, ersuche ich von einer Strafe abzusehen und das Verfahren zur Einstellung zu bringen."

 

[...]

 

Aufgrund Ihrer Bestellung vom 23.01.1995 zum verantwortlichen Beauftragten für die Belange des Lebensmitteirechtes für den Betrieb der G Fleisch-, Wurst- und Selchwarenerzeugung GmbH in  M, haben Sie es als gemäß § 9 Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGB! Nr. 52/1991 i.d.g.F. zur Vertretung nach außen Berufener zu verantworten, dass das Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetz - LMSVG ein­gehalten wird.

 

Das Produkt „B" wurde von der G Fleisch-, Wurst- und Selchwa­renerzeugung GmbH in  M in einem mit farbloser, durchsichtiger Kunststofffolie verschweißten Kunststoffbehälter verpackt und mit dem Mindesthaltbarkeitsdatum: 06.06.2014 versehen und in weiterer Folge am 30. Mai 2014 an die H KG in  S, geliefert und somit i.S.d. § 3 Z. 9 LMSVG i.V.m. Art. 3 Z. 8 der Verordnung (EG) 178/2002 in Verkehr gebracht.

 

Örtlich zuständig für die Beurteilung, ob eine Übertretung nach dem Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetz (LMSVG) vorliegt, ist jene Bezirksverwaltungsbehörde, in deren Sprengel die erste „Tätigkeit" des Inverkehrbringens erfolgte. Mit Bereithalten des Produktes „B" in Kartons für den weiteren Transport am Betriebsstandort M der Firma G, wurde die Ware in Verkehr gebracht, weswegen die Bezirkshauptmann­schaft Perg für die Beurteilung ob eine Übertretung nach dem Lebensmittelsicherheits- und Ver­braucherschutzgesetz (LMSVG) vorliegt, zuständig ist.

 

Zu ihrem Einwand, das Produkt „B" würde nicht der Kategorie „Fleischzu­bereitung" entsprechen, da die von der Firma G Fleisch-, Wurst- und Selchwarenerzeu­gung GmbH in M produzierten Cevapcici der Kategorie nicht wärmebehandeltes, verarbeitetes Fleisch zuzuordnen seien, wird ausgeführt, dass mit Verordnung (EG) Nr. 301/2014 vom 04. Juni 2014 die Kategorisierung bei Fleisch grundlegend geändert wurde. Fleisch wird nunmehr kategorisiert in frisches Fleisch, Fleischzubereitungen und Fleischerzeugnisse mit den Untergruppen „Nicht wärmebehandelte Fleischerzeugnisse", „Wärmebehandelte Fleischerzeugnisse", „Därme und sonstige Produkte für die Umhüllung von Fleisch", „Traditionelle nassgepökelte Erzeugnisse" sowie „Traditionelle trockengepökelte Er­zeugnisse". Darüber hinaus wurde eine Reihe von Zusatzstoffen zugelassen wie die im Produkt „B " vorgefundenen Nitrite (E 249 - 250) als Konservierungsstoffe in be­stimmten traditionellen Erzeugnissen wie Kasseler, Brät und Surfleisch sowie Phosphorsäure, Phosphate sowie Di-, Tri- und Polyphosphate (E 338 -452) als Feuchtmittel in bestimmten Er­zeugnissen wie Kasseler, Brät, Surfleisch und Hamburgerfleisch mit einem Gemüse- und/oder Getreideanteil von mindestens 4 %.

Die Verwendung des Zusatzstoffes Mononatriumglutamat E 621 für frisches Fleisch, Fleischzu­bereitungen und Fleischerzeugnisse ist jedoch nicht zugelassen!

 

Bis zur Erlassung der Verordnung (EG) Nr. 301/2014 vom 04. Juni 2014 wurde Fleisch katego­risiert in „Nicht verarbeitetes Fleisch" mit den Unterkategorien „Nicht verarbeitetes Fleisch, ausgenommen Fleischzubereitungen gemäß der Verordnung (EU) Nr. 853/2004" sowie „Fleischzubereitungen gemäß der Verordnung (EG) Nr. 853/2004" und „Verarbeitetes Fleisch" mit den Unterkategorien „Nicht wärmebehandeltes verarbeitetes Fleisch", „Wärmebehandeltes verarbeitetes Fleisch", „Därme und sonstige Produkte für die Umhüllung von Fleisch" sowie „Auf traditionelle Weise gepökelte Fleischprodukte, für die besondere Bestimmungen über Nitrite und Nitrate gelten".

 

Entsprechend der am Kontrolltag (03. Juni 2014) geltenden Verordnung (EG) Nr. 853/2004 wur­de das Produkt „B" unter der Unterkategorie Fleischzubereitungen subsu­miert, da sich diese Unterkategorie explizit auf abgepackte Zubereitungen aus frischem Hack­fleisch/Faschiertem sowie auf breakfast sausages, salsicha fresca, longaniza fresca und butifa­rra fresca bezog. Die am Kontrolltag vorgefundenen Zusatzstoffe Mononatriumglutamat E 621, Phosphate sowie Di-, Tri- und Polyphosphate (E 338 - 452) sowie Nitrite (E 249 - 250) waren als Zusatzstoffe für nur abgepackte Zubereitungen aus frischem Hackfleisch/Faschiertem ent­sprechend der Verordnung (EG) Nr. 853/2004 nicht zugelassen.

Ergänzend dazu wird angeführt, dass entsprechend der Verordnung (EG) Nr. 853/2004 gültig am 03. Juni 2014 sich die Unterkategorie „Nicht wärmebehandeltes verarbeitetes Fleisch" auf Würste, getrocknete Fleischprodukte, gepökelte Fleischprodukte und haltbar gemachte Fleischprodukte, Trockenfleisch, getrocknete Würste bezog, welche die Zusatzstoffe Phosphate sowie Di-, Tri- und Polyphosphate (E 338 - 452) sowie Nitrite (E 249 - 250) zuließ.

 

Zusammenfassend kann daher gesagt werden, dass das Produkt „B" unter der Kategorie „Nicht verarbeitetes Fleisch - Fleischzubereitungen" gemäß der Verordnung (EG) Nr. 853/2004 zu Recht erfolgt, da wie allgemein bekannt, Cevapcici aus Hackfleisch/Faschiertes hergestellt werden.

Da jedoch das verwendete Fleisch darüber hinaus auch gepökelt war, um die Cevapcici haltbar zu machen, war die Verwendung der Zusatzstoffe Phosphate sowie Di-, Tri- und Polyphosphate (E 338 - 452) sowie Nitrite (E 249 - 250) zulässig.

Die Verwendung des Zusatzstoffes Mononatriumglutamat E 621 für die Kategorien frisches Fleisch, Fleischzubereitungen und Fleischerzeugnisse war bzw. ist jedoch nicht zulässig.

 

Somit steht objektiv fest, dass die Firma G Fleisch-, Wurst- und Selchwarenerzeugung GmbH in  M, das untersuchte Produkt „B" in Verkehr brachte, obwohl der Zusatzstoff Mononatriumglutamat E 621 nicht mit den Bestimmungen der Verordnung EG Nr. 1333/2008 in Einklang stand.

 

Hinsichtlich der Schuldfrage wird festgehalten, dass es einem Betrieb wie die Firma G Fleisch-, Wurst- und Selchwarenerzeugung GmbH in  M zumut­bar ist, geltende Verordnungen (EG) entsprechend zu studieren und einzuhalten. Da Sie in Ihrer Stellungnahme keine Rechtfertigungsgründe oder Entschuldigungsgründe für die Verwendung des Zusatzstoffes Mononatriumglutamat (E 621) vorbrachten, steht auch in subjektiver Hinsicht fest, dass Sie als verantwortlicher Beauftragter für die Belange des Lebensmittelrechtes im Betrieb der G Fleisch-, Wurst- und Selchwarenerzeugung GmbH in  M den Verstoß gegen § 4 Abs. 1 Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetz - LMSVG, BGBl. I Nr. 13/2006 in der Fassung BGBl. I Nr. 296/2013 iVm Art. 5 der Verordnung (EG) Nr. 1333/2008 vom 16. Dezember 2008 über Lebensmittelzusatzstoffe zu verantworten haben.

 

Zur Strafbemessung:

Die Strafbemessung erfolgte unter Berücksichtigung der Annahme, dass Sie über ein Monats­gehalt von € 2.400,- abzüglich € 800,-- Pfändung verfügen. Hinsichtlich der von Ihnen ins Tref­fen geführten Sorgepflicht für 2 Kinder wird angeführt, dass diese bereits großjährig sind. Anga­ben über finanzielle Unterstützung hinsichtiich der Ausbildung machten Sie jedenfalls nicht. Bei der Bemessung der Strafe war auf das Ausmaß des Verschuldens sowie den Unrechtsge­halt der Verwaltungsübertretung sowie auf die bereits bestehende Wiederholung der Verwal­tungsübertretung besonders Bedacht zu nehmen und darauf zu achten, dass die Festsetzung des Strafausmaßes innerhalb der Grenzen des gesetzlichen Strafrahmens erfolgt.

Strafmildernd war: die lange Verfahrensdauer.

Straferschwerungsgründe: wiederholte Verwaltungsübertretung

Die festgelegte Geldstrafe in der Höhe von 100,- Euro ist im untersten Bereich des Strafrah­mens angesiedelt. Die verhängte Geldstrafe ist sowohl schuld- wie auch tatangemessen. Es war daher wie im Spruch zu entscheiden. Die Entscheidung über die Kosten des Strafverfah­rens stützt sich auf die angeführten gesetzlichen Bestimmungen.

 

Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.“

 

 

II. Gegen dieses dem Bf am 28. September 2015 zugestellte Straferkenntnis wendet sich die am 23. Oktober 2015 rechtzeitig eingebrachte Beschwerde vom 21. Oktober 2015, mit der sinngemäß die Aufhebung des Straferkenntnisses und Einstellung des Strafverfahrens abgestrebt wird. Zur Begründung führt die Beschwerde aus:

 

„...

Beschwerde SanRB96-4-10-2015

 

 

Zur Strafkenntnis welche mir am 28. September zugestellt wurde erhebe ich in offener Schrift:

 

Beschwerde

 

 

Sehr geehrte Frau Mag. S,

 

in Ihrer Ausführung auf Seite 5 in Ihren Schreiben hinsichtlich der Schuldfrage halte ich fest, dass ich überzeugt bin, dass ich, beziehungsweise die Firma G sehr wohl in der Lage sind die für uns geltenden Verordnungen zu verstehen und diese werden von uns auch eingehalten. Des Weiteren können Sie bei der Beurteilung nicht davon ausgehen, dass ich in einer Stellungnahme Entschuldigungsgründe vorbringe wenn es die Sachlage nicht erfordert beziehungsweise nicht ergibt.

 

Zur Sache selbst gebe ich an, dass es sich wie schon in meiner Stellungnahme argumentiert, bei dem von der Firma G produzierten und in den Verkehr gebrachten Produkt „Cevapcici" um keine Fleischzubereitung handelt sondern dem Punkt 8.3.1 der EG VO 1333/2008 folgend um ein „nicht erwärmtes Fleischerzeugnis".

Die Begründung liegt darin, dass durch die Zugabe von Natrium Nitrit in Form von Nitritpökelsalz eine Pökelung erfolgt und diese die Merkmale von frischem Fleisch völlig, bis in den Kern verändert.

 

Der Verordnung 1333/2008 über Lebensmittelzusatzstoffe ist auch zu entnehmen, dass laut Punkt 8.3.1 in nicht wärmebehandelten Fleischerzeugnissen alle Zusatzstoffe der Gruppe 1, somit auch „Mononatriumglutamat" eingesetzt werden dürfen.

 

Nachdem laut meinen Ausführungen keine Gründe vorliegen die der Verordnung 1333/2008 widersprechen und somit das genannte Produkt ohne Abänderung in den freien Verkehr gebracht werden darf, ist die Beanstandung unbegründet und

 

ich ersuche Sie daher das Verfahren zur Einstellung zu bringen.

Freundliche Grüße

 

(Unterschrift)

K N

Lebensmittelberechtigter Beauftragter M, am 21.10.2015“

 

 

III. Das Landesverwaltungsgericht hat nach Einsicht in den vorgelegten Verwaltungsstrafakt unter Berücksichtigung der Beschwerde festgestellt, dass der von der belangten Behörde im Straferkenntnis auf Seite 3 dargestellte Sachverhalt im Wesentlichen unstrittig ist. Es kann daher zum Sachverhalt grundsätzlich auf die dort von der belangten Behörde angeführten tatsächlichen Umstände verwiesen werden.

 

Strittig ist aber die genaue Einstufung des von der Firma G gelieferten Produkts „B“ im Rahmen der Lebensmittelkategorien des Anhangs II der Verordnung (EG) Nr. 1333/2008 über Lebensmittelzusatzstoffe. In diesem Zusammenhang sind die folgenden Umstände des Falles aus der Aktenlage hervorzuheben und festzustellen:

 

Im Prüfbericht der AGES wird hinsichtlich der verwendeten Stoffe auf den Aufdruck verwiesen und der Inhalt der untersuchten Probepackung beschrieben:

„10 stäbchenförmige Gebilde aus roher, gewürzter, paprikafarbener faschierter Masse“.

 

Die Sinnenprüfung war unauffällig und die mikrobiologische Untersuchung blieb ohne Beanstandungen, obwohl das Lebensmittelaufsichtsorgan der MA 59 die Probepackung als eine Verdachtsprobe mit der Bemerkung Verfärbung (grau) eingereicht hatte. Die AGES hat dazu nicht Stellung genommen.

 

Im Gutachten werden die laut Zutatenliste der Probepackung verwendeten Zusatzstoffe Natriumnitrit (Konservierungsstoff), Mononatriumglutamat (Geschmacksverstärker) und Diphosphate (Stabilisator) als mit der Verordnung (EG) Nr. 1333/2008 über Lebensmittelzusatzstoffe nicht im Einklang stehend angesehen, weil für die Kategorie „Fleischzubereitungen gemäß der Verordnung (EG) Nr. 853/2004“ im Anhang II Teil E die Verwendung dieser Zusatzstoffe nicht vorgesehen sei.

 

Auf der dem Amtlichen Untersuchungszeugnis der AGES im Anhang angeschlossenen Kopie der Etikette ist in Blockschrift unter der Sachbezeichnung „Frische Cevapcici“ die Aufschrift „brat- und grillfertig gepöckelt“ angegeben. In der Zutatenliste findet man die Angabe „Nitritpökelsalz (Kochsalz, Konservierungsstoff Natriumnitrit)“. In der Liste der durchschnittlichen Nährwerte wird schließlich der Salzgehalt des Produkts mit 1,5g pro 100g (entspricht also 1,5 %) und pro Stück von durchschnittlich  45 g mit dem Wert 0,68 g (entspricht 1,511 %) angegeben. Diese Tatsachen wurden von der AGES nicht kommentiert.

 

 

IV. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat erwogen:

 

IV.1. Verweisungsnormen im LMSVG

 

Gemäß § 90 Abs 3 Z 1 LMSVG (BGBl I Nr. 13/2006, zuletzt geändert mit BGBl I Nr. 67/2014) begeht eine Verwaltungsübertretung, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet oder nach anderen Vorschriften einer strengeren Strafe unterliegt, und ist nach dem letzten Halbsatz mit Geldstrafe bis zu 50.000 Euro, im Wiederholungsfall bis zu 100.000 Euro, im Fall der Uneinbringlichkeit mit Ersatzfreiheitsstrafe bis zu sechs Wochen zu bestrafen,

 

wer den in der Anlage genannten unmittelbar anwendbaren Rechtsakten der Europäischen Union oder den näheren Vorschriften zur Durchführung dieser Rechtsakte gemäß § 4 Abs 3 oder § 15 zuwiderhandelt.

 

Gemäß § 4 Abs 1 LMSVG sind die in der Anlage genannten unmittelbar anwendbaren Rechtsakte der Europäischen Union samt Änderungsverordnungen und Durchführungsvorschriften im Rahmen des LMSVG zu vollziehen.

 

In der Anlage zum LMSVG, Teil 1, Z 23 wird die Verordnung (EG) Nr. 1333/2008 über Lebensmittelzusatzstoffe (ABl. Nr. L 354 vom 31. Dezember 2008, berichtigt durch ABl. Nr. L 105 vom 27. April 2010) genannt. Art 3 Abs 1 leg.cit verweist auf die Geltung der Begriffsbestimmungen in den Verordnungen (EG) Nr. 178/2002 (sog. EG-BasisVO) und Nr. 1829/2003 (über genetisch veränderte Lebens- und Futtermittel) und der Art 3 Abs 2 leg.cit. kennt noch weitere Begriffsbestimmungen (vgl unten).

 

Nach dem Art 3 Z 8 der EG-BasisVO bezeichnet der Ausdruck "Inverkehrbringen" das Bereithalten von Lebensmitteln oder Futtermitteln für Verkaufszwecke einschließlich des Anbietens zum Verkauf oder jede andere Form der Weitergabe, gleichgültig ob unentgeltlich oder nicht, sowie den Verkauf, den Vertrieb oder andere Formen der Weitergabe selbst. Auf die EG-BasisVO verweist auch die Begriffsbestimmung im § 3 Z 9 LMSVG.

 

IV.2. Einschlägige Rechtsvorschriften der Europäischen Union

 

IV.2.1. Bestimmungen der Verordnung über Lebensmittelzusatzstoffe (auszugsweise):

 

VERORDNUNG  (EG)  Nr.   1333/2008  DES  EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES

vom 16. Dezember 2008

über Lebensmittelzusatzstoffe

 

gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, insbesondere auf Artikel 95,

 

KAPITEL I

GEGENSTAND, ANWENDUNGSBEREICH UND BEGRIFFSBESTIMMUNGEN

 

Artikel 1

Gegenstand

 

Diese Verordnung enthält Bestimmungen über die in Lebensmitteln verwendeten Zusatzstoffe mit Blick auf die Gewährleistung des reibungslosen Funktionierens des Binnenmarkts bei gleichzeitiger Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus für die Gesundheit der Menschen und eines hohen Niveaus des Schutzes der Verbraucher einschließlich des Schutzes der Verbraucherinteressen und der lauteren Gepflogenheiten im Lebensmittelhandel unter angemessener Berücksichtigung des Umweltschutzes.

 

Zu diesem Zweck legt die Verordnung Folgendes fest:

 

a) Gemeinschaftslisten der in den Anhängen II und III aufgeführten Zusatzstoffe;

b)         Bedingungen für die Verwendung von Zusatzstoffen in Lebensmitteln, einschließlich in Lebensmittelzusatzstoffen und Lebensmittelenzymen, für die die Verordnung (EG) Nr. 1332/2008 gilt, und in Lebensmittelaromen, für die die Verordnung (EG) Nr. 1334/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über Aromen und bestimmte Lebensmittelzutaten mit Aromaeigenschaften zur Verwendung in und auf Lebensmitteln gilt

c)          Regeln für die Kennzeichnung der als solche verkauften Lebensmittelzusatzstoffe.

 

 

Artikel 2

 Anwendungsbereich

 

(1)          Diese Verordnung gilt für Lebensmittelzusatzstoffe.

(2)          Diese Verordnung gilt für die folgenden Stoffe nur, wenn sie als Lebensmittelzusatzstoffe verwendet werden:

 

a)          Verarbeitungshilfsstoffe;

b)         Stoffe, die gemäß den Gemeinschaftsbestimmungen über Pflanzen­gesundheit für den Schutz von Pflanzen oder Pflanzenerzeugnissen verwendet werden;

c)          Stoffe, die Lebensmitteln zu Ernährungszwecken zugefügt werden;

d)         Stoffe, mit denen Wasser für den menschlichen Gebrauch aufbereitet wird und die unter die Richtlinie 98/83/EG des Rates vom 3. No­vember 1998 über die Qualität von Wasser für den menschlichen Gebrauch (2) fallen;

e)          Aromen gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1334/2008.

 

(3)          Diese Verordnung gilt vom Zeitpunkt der Verabschiedung der Gemeinschaftsliste der Lebensmittelenzyme gemäß Artikel 17 der Ver­ordnung (EG) Nr. 1332/2008 nicht für Lebensmittelenzyme, die unter die genannte Verordnung fallen.

(4)          Diese Verordnung gilt unbeschadet besonderer Gemeinschaftsbestimmungen über die Verwendung von Lebensmittelzusatzstoffen

 

a)          in bestimmten Lebensmitteln;

b)         für nicht von dieser Verordnung abgedeckte Zwecke.

 

 

Artikel 3

 

Begriffsbestimmungen

 

(1) Für die Zwecke dieser Verordnung gelten die Begriffsbestimmungen der Verordnungen (EG) Nr. 178/2002 und 1829/2003.

 

(2) Für die Zwecke dieser Verordnung gelten ferner folgende Begriffsbestimmungen:

 

a) „Lebensmittelzusatzstoff“: ein Stoff mit oder ohne Nährwert, der in der Regel weder selbst als Lebensmittel verzehrt noch als charakteristische Lebensmittelzutat verwendet wird und einem Lebensmittel aus technologischen Gründen bei der Herstellung, Verarbeitung, Zubereitung, Behandlung, Verpackung, Beförderung oder Lagerung zugesetzt wird, wodurch er selbst oder seine Nebenprodukte mittelbar oder unmittelbar zu einem Bestandteil des Lebensmittels werden oder werden können;

 

Folgende Stoffe gelten nicht als Lebensmittelzusatzstoffe:

 

[...]

 

c)          „Funktionsklasse": eine der in Anhang I aufgeführten, nach der technologischen Funktion in Lebensmitteln geordneten Gruppen von Zusatzstoffen;

d)         „Unbehandelte Lebensmittel": Lebensmittel, die keiner Behandlung unterzogen worden sind, die zu einer substanziellen Änderung des ursprünglichen Zustands der Lebensmittel führt; eine substanzielle Änderung liegt insbesondere nicht vor, wenn die Lebensmittel ge­teilt, ausgelöst, getrennt, ausgebeint, fein zerkleinert, enthäutet, ge­schält, gemahlen, geschnitten, gesäubert, garniert, tiefgefroren, gefro­ren, gekühlt, geschliffen oder enthülst, verpackt oder ausgepackt worden sind;

 

[...]

 

 

KAPITEL II

 

GEMEINSCHAFTSLISTEN DER ZUGELASSENEN ZUSATZSTOFFE

 

Artikel 4

Gemeinschaftslisten der Zusatzstoffe

 

(1)          Nur die in der Gemeinschaftsliste in Anhang II aufgeführten Lebensmittelzusatzstoffe dürfen als solche in Verkehr gebracht und unter den darin festgelegten Bedingungen in Lebensmitteln verwendet werden.

(2)          Nur die in der Gemeinschaftsliste in Anhang III aufgeführten Lebensmittelzusatzstoffe dürfen unter den darin festgelegten Bedingun­gen in Lebensmittelzusatzstoffen, -enzymen und -aromen verwendet werden.

(3)          Die Liste der Lebensmittelzusatzstoffe in Anhang II wird nach Kategorien von Lebensmitteln, denen sie zugesetzt werden dürfen, er­stellt.

(4)          Die Liste der Lebensmittelzusatzstoffe in Anhang III wird nach Lebensmittelzusatzstoffen, -enzymen, -aromen und Nährstoffen bzw. nach deren jeweiligen Kategorien, denen sie zugesetzt werden dürfen, erstellt.

(5)          Die Lebensmittelzusatzstoffe müssen den in Artikel 14 genannten Spezifikationen entsprechen.

 

Artikel 5

 

Verbot von nicht mit dieser Verordnung in Einklang stehenden Lebensmittelzusatzstoffen und/oder Lebensmitteln

 

Niemand darf einen Lebensmittelzusatzstoff oder ein Lebensmittel, in dem ein Lebensmittelzusatzstoff vorhanden ist, in Verkehr bringen, wenn die Verwendung des Lebensmittelzusatzstoffs nicht mit dieser Verordnung in Einklang steht.

 

[...]

 

Artikel 9

 

Einteilung der Lebensmittelzusatzstoffe nach Funktionsklassen

 

(1) Die Lebensmittelzusatzstoffe werden in den Anhängen II und III den einzelnen Funktionsklassen von Anhang I je nach ihrer technischen Hauptfunktion zugeordnet.

Diese Zuordnung schließt nicht aus, dass sie auch für andere Zwecke verwendet werden können.

(2) Sofern es aufgrund des wissenschaftlichen Fortschritts oder der technischen Entwicklung erforderlich ist, sind Maßnahmen zur Änderung nicht wesentlicher Bestimmungen dieser Verordnung, die die Aufnahme weiterer Funktionsklassen in Anhang I betreffen, gemäß dem Regelungsverfahren mit Kontrolle nach Artikel 28 Absatz 3 zu erlassen.

 

 

Artikel 10

 

Inhalt der Gemeinschaftslisten von Lebensmittelzusatzstoffen

 

(1) Ein Lebensmittelzusatzstoff, der die in den Artikeln 6, 7 und 8 genannten Bedingungen erfüllt, kann nach dem in der Verordnung (EG) Nr. 1331/2008 festgelegten Verfahren aufgenommen werden in

 

a) die Gemeinschaftsliste in Anhang II der vorliegenden Verordnung und/oder

 

b) die Gemeinschaftsliste in Anhang III der vorliegenden Verordnung.

 

(2) Der Eintrag eines Lebensmittelzusatzstoffes in die Gemeinschaftslisten in den Anhängen II und III enthält folgende Einzelheiten:

 

a)          Bezeichnung des Lebensmittelzusatzstoffes und seine E-Nummer;

b)         Lebensmittel, denen der Lebensmittelzusatzstoff zugesetzt werden darf;

c)          Bedingungen, unter denen der Lebensmittelzusatzstoff verwendet werden darf;

d)         Gegebenenfalls Beschränkungen der direkten Abgabe des Lebensmittelzusatzstoffes an die Endverbraucher.

 

(3) Änderungen der Gemeinschaftslisten in den Anhängen II und III erfolgen nach dem in der Verordnung (EG) Nr. 1331/2008 vorgesehenen Verfahren.

 

 

Artikel 11

 

Festlegung der Verwendungsmengen

 

(1) Bei der Festlegung der in Artikel 10 Absatz 2 Buchstabe c genannten Bedingungen ist Folgendes zu berücksichtigen:

 

a)          die geringste Dosis, die notwendig ist, um die gewünschte Wirkung zu erzielen, wird als Verwendungsmenge festgelegt;

b)         dabei sind zu berücksichtigen:

 

[...].

 

IV.2.2. Änderung der Gemeinschaftsliste im Anhang II der Verordnung (EG) Nr. 1333/2008 über Lebensmittelzusatzstoffe

 

Mit der am 5. Juni 2014 im Amtsblatt der EU kundgemachten Verordnung (EU) Nr. 601/2014 der Kommission vom 4. Juni 2014, die gemäß ihrem Art 2 erst 20 Tage nach der Kundmachung in Kraft getreten ist (also nach der Tatzeit), wurde Anhang II der oben auszugsweise wiedergegebenen Verordnung (EG) Nr. 1333/2008 hinsichtlich der Lebensmittelkategorien von Fleisch und der Verwendung bestimmter Lebensmittelzusatzstoffe in Fleischzubereitungen geändert.

 

Der Erwägungsgrund 5 zur Verordnung (EU) Nr. 601/2014 der Kommission vom 4. Juni 2014 erläutert den Anlass für die Änderung mit dem Interesse auf Rechtsklarheit wie folgt:

 

In Anhang I Nummer 1.15 der Verordnung (EG) Nr. 853/2004 werden Fleischzubereitungen definiert als „frisches Fleisch, einschließlich Fleisch, das zerkleinert wurde, dem Lebensmittel, Würzstoffe oder Zusatzstoffe zugegeben wurden oder das einem Bearbeitungsverfahren unterzogen wurde, das nicht ausreicht, die innere Muskelfaserstruktur des Fleisches zu verändern und so die Merkmale frischen Fleisches zu beseitigen". Inzwischen wurde geklärt, dass Fleischzubereitungen verarbeitet oder nicht verarbeitet sein können (7).Sind jedoch nach einer Verarbeitung die Merkmale frischen Fleisches vollständig beseitigt, sollte das Erzeugnis nicht mehr als Fleischzubereitung betrachtet werden, sondern unter die Definition „Fleischerzeugnisse" gemäß Anhang I Nummer 7.1 der Verordnung (EG) Nr. 853/2004 fallen. Im Interesse der Rechtsklarheit ist es angezeigt, für die Zwecke der Kategorie 08 die Begriffe „frisches Fleisch", „Fleischzubereitungen" und „Fleischerzeugnisse" gemäß den Definitionen in der Verordnung (EG) Nr. 853/2004 zu verwenden. Daher sollten die Unterkategorien der Kategorie 08 in Teil D der EU-Liste entsprechend geändert werden.

 

(7) Von der Generaldirektion Gesundheit und Verbraucher verfasster Leitfaden für die Durchführung einzelner Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 853/2004 mit spezifischen Hygienevorschriften für Lebensmittel tierischen Ursprungs, abrufbar unter http://ec.europa.eu/food/food/biosafety/hygienelegislation/docs/ guidance_doc_853-2004_de.pdf

 

Der Anhang II der Verordnung (EG) Nr. 1333/2008 gliedert sich in die Teile A bis E. Der Teil A enthält allgemeine Bestimmungen und Tabellen über Lebensmittel, in denen Zusatzstoffe und Farbstoffe nach dem Migrationsgrundsatz des Art 18 Abs 1 lit a) der Verordnung nicht zugelassen werden dürfen. Teil B enthält eine Liste aller Zusatzstoffe mit E-Nummern. Diese dürfen nur in den Lebensmitteln und unter den Bedingungen des Teils E verwendet werden, der wiederum nach den Lebensmittelkategorien des Teils D gegliedert ist. In Gruppen zusammengefassten Zusatzstoffe werden im Teil C festgelegt.

 

In Teil D „Lebensmittelkategorien“ des Anhangs II erhalten die Einträge für die Kategorie 08 „Fleisch“ durch die Verordnung (EU) Nr. 601/2014 folgende Fassung:

 

„08.

Fleisch

08.1

Frisches Fleisch, ausgenommen Fleischzubereitungen gemäß der Verordnung (EG) Nr. 853/2004

08.2

Fleischzubereitungen gemäß der Verordnung (EG) Nr. 853/2004

08.3

Fleischerzeugnisse

08.3.1

Nicht wärmebehandelte Fleischerzeugnisse

08.3.2

Wärmebehandelte Fleischerzeugnisse

08.3.3

Därme und sonstige Produkte für die Umhüllung von Fleisch

08.3.4

Auf traditionelle Weise gepökelte Fleischerzeugnisse, für die besondere Bestimmungen über Nitrite und Nitrate gelten

08.3.4.1

Traditionelle nassgepökelte Erzeugnisse (in eine Pökellösung, die Nitrite und/oder Nitrate, Salz und andere Bestandteile enthält, eingelegte Fleischerzeugnisse)

08.3.4.2

Traditionelle trockengepökelte Erzeugnisse (Beim Trockenpökeln wird eine trockene Pökelmischung, die Nitrite und/oder Nitrate, Salz und andere Bestandteile enthält, auf die Oberfläche des Fleisches auf­gebracht; eine Stabilisierungs-/Reifezeit schließt sich an.)

08.3.4.3

Sonstige auf traditionelle Weise gepökelte Erzeugnisse (Kombination von Tauch- und Trockenpökelvorgängen oder Verwendung von Nitrit und/oder Nitrat in einem zusammengesetzten Erzeugnis oder Ein­spritzen der Pökellösung vor dem Kochen)"

 

Im Teil E des Anhangs II der Verordnung (EG) Nr. 1333/2008 sind die zugelassenen Lebensmittelzusatzstoffe und Verwendungsbedingungen entsprechend den Lebensmittelkategorien des Teils D in tabellarischer Form angeführt.

 

Daraus ergibt sich, dass für die Kategorie 08.2  „Fleischzubereitungen gemäß der Verordnung (EG) Nr. 853/2004“ keine Zusatzstoffe der Gruppe I (dazu Teil C), hingegen für die Kategorie 08.3 „Fleischerzeugnisse“ bzw die Unterkategorien 08.3.1. „Nicht wärmebehandelte Fleischerzeugnisse“ und 08.3.2. „Wärmebehandelte Fleischerzeugnisse“ die Zusatzstoffe der Gruppe I, die auch das beanstandete Mononatriumglutamat E 621 enthält, verwendet werden dürfen. Außerdem sind bei Fleischerzeugnissen unter den einzeln aufgelisteten Zusatzstoffen Nitrite (E 249 – E 250) und Phosphate (E 338 – E 452) als zulässige Stoffe ohne sachliche Beschränkung angeführt.

 

Bis zum Inkrafttreten der Verordnung (EU) Nr. 601/2014 der Kommission vom 4. Juni 2014 und damit auch noch zur Zeit der gegenständlichen Lebensmittelkontrolle am 3. Juni 2014 galt die Liste der Lebensmittelzusatzstoffe und ihrer Verwendungsbedingungen im Anhang II in der ab 1. Juni 2013 geltenden Fassung der Verordnung (EU) Nr. 1129/2011 der Kommission vom 11. November 2011. Im Teil D „Lebensmittelkategorien“ des Anhangs II hatten die Einträge für die Kategorie 08. „Fleisch“ noch die folgende Fassung:

 

08.

Fleisch

08.1

Nicht verarbeitetes Fleisch

08.1.1

Nicht verarbeitetes Fleisch, ausgenommen Fleischzubereitungen gemäß der Verordnung (EG) Nr. 853/2004

08.1.2

Fleischzubereitungen gemäß der Verordnung (EG) Nr. 853/2004

08.2

Verarbeitetes Fleisch

08.2.1

Nicht wärmebehandeltes verarbeitetes Fleisch

08.2.2

Wärmebehandeltes verarbeitetes Fleisch

08.2.3

Därme und sonstige Produkte für die Umhüllung von Fleisch

08.2.4

Auf traditionelle Weise gepökelte Fleischprodukte, für die besondere Bestimmungen über Nitrite und Nitrate gelten

08.2.4.1

Traditionelle nassgepökelte Produkte (in eine Pökellösung, die Nitrite und/oder Nitrate, Salz und andere Bestandteile enthält, eingelegte Fleischprodukte)

08.2.4.2

Traditionelle trockengepökelte Produkte (Beim Trockenpökeln wird eine trockene Pökelmischung, die Nitrite und/oder Nitrate, Salz und andere Bestandteile enthält, auf die Oberfläche des Fleisches aufgebracht; eine Stabilisierungs-/Reifezeit schließt sich an.)

08.2.4.3

Sonstige auf traditionelle Weise gepökelte Produkte (Kombination von Tauch- und Trockenpökelvorgängen oder Verwendung von Nitrit und/oder Nitrat in einem zusammengesetzten Erzeugnis oder Einspritzen der Pökellösung vor dem Kochen)

 

 

Im Wesentlichen wurde mit der Verordnung (EU) Nr. 601/2014 die im Verhältnis zu Fleischzubereitungen begrifflich zu Überschneidungen führende Kategorisierung „nicht verarbeitetes Fleisch“ (samt verfehlten Unterkategorien) und „verarbeitetes Fleisch“ aufgegeben und eine klarstellende, der Trennschärfe dienende Harmonisierung durch alleinige Verwendung der Begriffe und Definitionen in der Verordnung (EG) Nr. 853/2004 für „frisches Fleisch“, „Fleischzubereitungen“ und „Fleischerzeugnisse“ vorgenommen (vgl dazu Erwägungsgrund 5 zur VO Nr. 601/2014).

 

Die frühere Kategorie „verarbeitetes Fleisch“ entsprach hinsichtlich der Liste der zugelassenen Lebensmittelzusatzstoffe und der Bedingungen ihrer Verwendung der nunmehrigen Kategorie „Fleischerzeugnis“ mit vergleichbaren Unterkategorien (wärmebehandelt oder nicht wärmebehandelt). Insbesondere waren auch unter der Kategorie „verarbeitetes Fleisch“ im Teil E des Anhangs II (idFd Verordnung (EU) Nr. 1129/2011) neben der analogen Aufzählung einzelner Zusatzstoffe auch die Zusatzstoffe der Gruppe I (mit Mononatriumglutamat E 621) schlechthin ohne weitere Bedingungen zugelassen. Der Begriff „verarbeitetes Fleisch“ wurde mit gutem Grund für eine Abgrenzung zur „Fleischzubereitung“ als nicht ausreichend betrachtet. Dies kommt mittelbar durch den Hinweis zum Ausdruck, dass inzwischen geklärt worden sei, dass auch Fleischzubereitungen verarbeitet oder nicht verarbeitet sein können (vgl abermals Erwägungsgrund 5 unter Hinweis auf den Leitfaden der Kommission, Generaldirektion Gesundheit und Verbraucher, zur Durchführung der EG-VO Nr. 853/2004). Der vormals verwendete Begriff „verarbeitetes Fleisch“ ist auf der Basis des legal definierten Kriteriums der „Verarbeitung“ (iSd Begriffsbestimmung im Art 2 Abs 1 lit m der EG-VO Nr. 852/2004) von verarbeiteten „Fleischzubereitungen“ nicht abzugrenzen (dazu näher unter IV.5.4.)

 

Für die im geltenden Teil E des Anhangs II geführte Kategorie 08.2 „Fleischzubereitungen gemäß Verordnung (EG) Nr. 853/2004“ (früher 08.1.2.) sind gewisse Zusatzstoffe nur mit erheblichen Beschränkungen vorgesehen. Die von der belangten Behörde angesprochenen Nitrite (E 249 - E 250) und Phosphate (E 338 – E 452) sind auch nach der weitgehend vergleichbaren früheren Fassung des Teils E gemäß der Verordnung (EU) Nr. 1129/2011 nur sehr eingeschränkt für ganz bestimmte Produkte möglich gewesen, wobei Zubereitungen mit frischem Hackfleisch/Faschiertem nicht ausdrücklich genannt werden. So wurden noch in der früheren Fassung des Teils E unter 08.1.2 „Fleischzubereitungen gemäß der Verordnung (EG) Nr. 853/2004“ die Nitrite als Zusatzstoffe überhaupt nicht erwähnt und waren Phosphate (E 338 – E 452) nur für „breakfast sausages“ als Zusatzstoffe erlaubt. Die neue Fassung des Teils E nach der Verordnung (EU) Nr. 601/2014 lässt unter der Kategorie 08.2 „Fleischzubereitungen gemäß der Verordnung (EG) Nr. 853/2004“ etwas mehr zu. Danach sind Nitrite (E 249 – E 250) und Phosphate (E 338 – E 452) für bestimmte ausländische Produkte zulässig, neben denen auch allgemein Bräte und Surfleisch genannt werden.

 

IV.2.3. Begriffsbestimmungen

 

Die Verordnung (EG) Nr. 853/2004 enthält spezifische Hygienevorschriften für Lebensmittel tierischen Ursprungs, ergänzt die Verordnung (EG) 852/2004 über Lebensmittelhygiene und gilt für unverarbeitete Erzeugnisse und Verarbeitungserzeugnisse (vgl  Art 1 Abs 1). Im gegebenen Zusammenhang gelten (vgl Art 2 Z 2) auch die Begriffsbestimmungen nach Art 2 Abs 1 der Verordnung (EG) 852/2004, die im Folgenden auszugsweise (vgl insbesondere die Begriffe in lit m, n und o) wiedergegeben werden:

 

Artikel 2

 

Begriffsbestimmungen

(1)  Für die Zwecke dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck

 

a) „Lebensmittelhygiene“ (im Folgenden „Hygiene“ genannt) die Maßnahmen und Vorkehrungen, die notwendig sind, um Gefahren unter Kontrolle zu bringen und zu gewährleisten, dass ein Lebensmittel unter Berücksichtigung seines Verwendungszwecks für den menschlichen Verzehr tauglich ist;

 

[...]

 

m) „Verarbeitung“ eine wesentliche Veränderung des ursprünglichen Erzeugnisses, beispielsweise durch Erhitzen, Räuchern, Pökeln, Reifen, Trocknen, Marinieren, Extrahieren, Extrudieren oder durch eine Kombination dieser verschiedenen Verfahren;

 

n) „unverarbeitete Erzeugnisse“ Lebensmittel, die keiner Verarbeitung unterzogen wurden, einschließlich Erzeugnisse, die geteilt, ausgelöst, getrennt, in Scheiben geschnitten, ausgebeint, fein zerkleinert, enthäutet, gemahlen, geschnitten, gesäubert, garniert, enthülst, geschliffen, gekühlt, gefroren, tiefgefroren oder aufgetaut wurden;

 

o) „Verarbeitungserzeugnisse“ Lebensmittel, die aus der Verarbeitung unverarbeiteter Erzeugnisse hervorgegangen sind; diese Erzeugnisse können Zutaten enthalten, die zu ihrer Herstellung oder zur Verleihung besonderer Merkmale erforderlich sind.

 

(2) ...

[...]

 

Folgende weitere Begriffsbestimmungen im Anhang I der Verordnung (EG) Nr. 853/2004 sind wesentlich:

 

ANHANG I

BEGRIFFSBESTIMMUNGEN

 

Im Sinne dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck

 

1.   FLEISCH

1.1. „Fleisch“ alle genießbaren Teile der in den Nummern 1.2 bis 1.8 genannten Tiere, einschließlich Blut;

 

[...]

 

1.10. „frisches Fleisch“ Fleisch, das zur Haltbarmachung ausschließlich gekühlt, gefroren oder schnellgefroren wurde, einschließlich vakuumverpacktes oder in kontrollierter Atmosphäre umhülltes Fleisch;

 

[...]

1.13. „Hackfleisch/Faschiertes“ entbeintes Fleisch, das durch Hacken/Faschieren zerkleinert wurde und weniger als 1 % Salz enthält;

 

1.14. „Separatorenfleisch“ ein Erzeugnis, das durch Ablösung des an fleischtragenden Knochen nach dem Entbeinen bzw. an den Geflügelschlachtkörpern haftenden Fleisches auf maschinelle Weise so gewonnen wird, dass die Struktur der Muskelfasern sich auflöst oder verändert wird;

 

1.15. „Fleischzubereitungen“ frisches Fleisch, einschließlich Fleisch, das zerkleinert wurde, dem Lebensmittel, Würzstoffe oder Zusatzstoffe zugegeben wurden oder das einem Bearbeitungsverfahren unterzogen wurde, das nicht ausreicht, die innere Muskelfaserstruktur des Fleisches zu verändern und so die Merkmale frischen Fleisches zu beseitigen;

 

[...]

 

7.   VERARBEITUNGSERZEUGNISSE

 

7.1. „Fleischerzeugnisse“ verarbeitete Erzeugnisse, die aus der Verarbeitung von Fleisch oder der Weiterverarbeitung solcher verarbeiteter Erzeugnisse so gewonnen werden, dass bei einem Schnitt durch den Kern die Schnittfläche die Feststellung erlaubt, dass die Merkmale von frischem Fleisch nicht mehr vorhanden sind;

 

IV.3. Unterscheidungen im Leitfaden zur Verordnung (EG) Nr. 853/2004

 

IV.3.1. Unverarbeitete und verarbeitete Erzeugnisse

 

In dem von der Europäischen Kommission (Generaldirektion Gesundheit und Verbraucher zu Zl. SANCO/10098/2009 Rev.3) zu Informationszwecken veröffentlichten Leitfaden zur Durchführung einzelner Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 853/2004 (Stand 19.01.2016; im Folgenden auch nur Leitfaden), der ohne eine endgültige Fassung zu haben ständig aktualisiert wird, findet man eine nicht erschöpfende Liste der unverarbeiteten Erzeugnisse tierischen Ursprungs im Anhang I. Die erste Zeile dieser Liste lautet: Frisches Fleisch, Hackfleisch/Faschiertes, Separatorenfleisch“. Folgende Anmerkungen zu dieser Liste im Anhang I sind aufschlussreich:

 

Anmerkungen:

 

• Unverarbeitete Erzeugnisse können als „Rohstoffe“ eingestuft werden, d. h., sie wurden keiner Verarbeitung unterzogen (d. h. einer Maßnahme, die das ursprüngliche Erzeugnis wesentlich verändert, einschließlich Erhitzung, Räuchern, Pökeln, Reifen, Trocknen, Marinieren, Extrahieren, Extrudieren odereiner Kombination dieser Verfahren). Tiefgefrorene Erzeugnisse tierischen Ursprungs bleiben unverarbeitete Erzeugnisse.

 

• „Frisch“ in Bezug auf Fleisch bezeichnet Fleisch, das zur Haltbarmachung ausschließlich gekühlt, tiefgefroren oder schnellgefroren wurde, einschließlich in kontrollierter Atmosphäre vakuumverpacktem Fleisch.

 

Im Anhang II zum zitierten Leitfaden findet man eine nicht erschöpfende Liste verarbeiteter Erzeugnisse tierischen Ursprungs und eine durch die Begriffsbestimmungen der Hygieneverordnungen im systematischen Zusammenhang naheliegende Klarstellung zur Formulierung des Art 2 Abs 1 lit o) zum Begriff „Verarbeitungserzeugnisse“ (Lebensmittel aus der Verarbeitung unverarbeiteter Erzeugnisse) in der allgemeinen Verordnung (EG) Nr. 852/2004 über Lebensmittelhygiene, die auch den wesentlichen Begriff der „Verarbeitung“ im Art 2 Abs 1 lit m) dieser Verordnung berücksichtigt. Mit Betonung des Akzents der „Verarbeitung“ wird der Begriff dabei wie folgt umschrieben:

 

Verarbeitungserzeugnisse werden gewonnen, indem Rohstoffe einem Verfahren wie etwa Erhitzen, Räuchern, Pökeln, Reifen, Trocknen, Marinieren usw. unterzogen werden. Das Verfahren muss zu einer wesentlichen Veränderung des ursprünglichen Erzeugnisses führen.

 

Die offene Liste der verarbeiteten Erzeugnisse samt Anmerkung lautet:

...„...

– Fleischerzeugnisse (Schinken, Salami usw.)

– Verarbeitete Fischereierzeugnisse (geräucherter Fisch, marinierter

   Fisch usw.)

– Milcherzeugnisse (wärmebehandelte Milch, Käse, Joghurt usw.)

– Eiprodukte (Eipulver usw.)

– Ausgelassene tierische Fette

– Grieben

– Gelatine

– Collagen

– Behandelte Därme, Mägen und Blasen usw.

Zu den verarbeiteten Erzeugnissen zählen außerdem:

• Kombinationen von Verarbeitungserzeugnissen, z. B. Käse mit Schinken

• Erzeugnisse, die mehrere Verarbeitungsschritte durchlaufen haben, z. B. Käse aus pasteurisierter Milch

 

Es können Stoffe zugefügt werden, die spezielle Merkmale verleihen,

z. B.

– Wurst mit Knoblauch

– Joghurt mit Obst

– Käse mit Kräutern

 

Anmerkung:

• Zu den Verarbeitungserzeugnissen können auch bestimmte Fleischzubereitungen wie

mariniertes und gepökeltes Fleisch zählen.“

 

IV.3.2. Aus dem Leitfaden: „5.9. Fleischzubereitungen und Fleischerzeugnisse“

 

Nach Wiedergabe der Begriffsbestimmungen gemäß Anhang I der Verordnung (EG) Nr. 853/2004 betreffend die Ausdrücke Fleischzubereitungen (Nummer 1.15) und Fleischerzeugnisse (Nummer 7.1) führt der Leitfaden zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 853/2004 im Punkt „5.9. Fleischzubereitungen und Fleischerzeugnisse“ zur aktuellen Sach- und Rechtslage Folgendes aus:

 

„Die Ausdrücke „Verarbeitung“, „unverarbeitete Erzeugnisse“ und „Verarbeitungs-erzeugnisse“ sind in Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe m, n bzw. o der Verordnung (EG) Nr. 852/2004 definiert und gelten für alle Lebensmittel, einschließlich Fleisch.

 

Alle Fleischerzeugnisse fallen unter „Verarbeitungserzeugnisse“. Fleischzubereitungen können jedoch sowohl „unverarbeitete Erzeugnisse“ als auch „Verarbeitungserzeugnisse“ sein. So würde beispielsweise eine Fleischzubereitung als „Verarbeitungserzeugnis“ gelten, wenn die unter „Verarbeitung“ genannten Maßnahmen angewandt werden, aber nicht ausreichen, die innere Muskelfaserstruktur des Fleisches völlig zu verändern und der Blick auf die Schnittfläche die Feststellung erlaubt, dass die Merkmale von frischem Fleisch vorhanden sind.

 

Die Ausdrücke „Fleischzubereitungen“ und „Fleischerzeugnisse“ (wie auch andere in der Verordnung (EG) Nr. 852/2004 verwendeten Ausdrücke) werden bewusst allgemein definiert, weil die Fleischtechnologie innovativ ist. Die Erzeugnisse müssen jedoch zugeordnet und nach den entsprechenden Hygieneanforderungen hergestellt werden. Zudem beziehen sich die Vorschriften über Marktnormen, Zusatzstoffe und Kennzeichnung auf diese Begriffsbestimmungen, und eine Harmonisierung der Anwendung ist wesentlich.

 

Erzeugnisse dürfen in Verkehr gebracht werden, bevor durch die Verarbeitung das Fleisch/die innere Muskelfaserstruktur völlig verändert wurden. In diesen Fällen ist für die Zuordnung entscheidend, bis zu welchem Grad beim Inverkehrbringen eines Erzeugnisses die Merkmale von frischem Fleisch beseitigt wurden. Wenn die Merkmale von frischem Fleisch nicht vollständig beseitigt wurden, sollte das Erzeugnis als „Fleischzubereitung“ gelten. Wenn die Merkmale von frischem Fleisch vollständig beseitigt wurden, sollte es als „Fleischerzeugnis“ gelten.

 

Folgende Klarstellungen lassen sich daher ableiten:

 

• Frisches Fleisch, das zerkleinert wurde, umfasst auch Hackfleisch/Faschiertes. Daher gilt die Definition von Fleischzubereitungen auch für Hackfleisch/Faschiertes, dem andere Lebensmittel, Würzstoffe oder Zusatzstoffe zugegeben wurden.

 

• Vollständig durchmariniertes Frischfleisch zählt daher als Fleischerzeugnis, da Marinieren als Teil der „Verarbeitung“ definiert ist und dieser Vorgang zu einer Denaturierung der Eiweiße in den Muskelfasern führt, wodurch sich die interne Muskelfaserstruktur ändert und die Merkmale von frischem Fleisch beim Anschnitt nicht mehr zu erkennen sind.

 

• Für nicht vollständig durchmariniertes Frischfleisch gilt die Definition von „Fleischzubereitung“, da die Veränderung der internen Muskelfaserstruktur nicht abgeschlossen ist und beim Anschnitt die Merkmale von frischem Fleisch noch zu erkennen sind.

 

• Gesalzenes oder gepökeltes Fleisch, das zu Beginn des Reifungsprozesses in Verkehr gebracht wird und nicht weiterverarbeitet wurde, beispielsweise durch Kochen oder Trocknen, gilt als „Fleischzubereitung“, auch wenn das Fleisch zur Gänze durchdrungen ist, da die Merkmale von frischem Fleisch noch vorhanden sind. Wenn das Produkt weiterverarbeitet wird, beispielsweise durch Trocknen, und die Merkmale von frischem Fleisch dadurch verlorengehen, trifft die Definition von „Fleischerzeugnis“ zu.

 

• Kurzgebratenes Fleisch, das im Kern roh bleibt, zählt als „Fleischzubereitung“, da nicht genügend Hitze zugeführt wird, um die interne Muskelfaserstruktur zu verändern und die Merkmale von frischem Fleisch vollständig zu beseitigen. Beim Anschnitt sind die Merkmale von frischem Fleisch daher noch zu erkennen.

 

• Kurzgebratenes, durchmariniertes Fleisch oder Fleisch, das vor dem Anbraten durchgepökelt wurde, ist ein „Fleischerzeugnis“, weil durch das Marinieren/Durchpökeln die Merkmale von frischem Fleisch verlorengingen.

 

• Rundum gebratenes Fleisch, das vor dem Verzehr noch gekocht werden muss, ist ein „Fleischerzeugnis“, weil durch das Braten die interne Muskelfaserstruktur des Fleisches so weit verändert wurde, dass die Merkmale von frischen Fleisch nicht mehr vorhanden und beim Anschnitt nicht mehr zu erkennen sind.“

 

IV.4. Einschlägige Richtlinien im ÖLMB

 

Das österreichische Lebensmittelbuch in IV. Auflage, das online unter http://www.lebensmittelbuch.at/ aufgerufen werden kann, enthält im Bezug habenden Codexkapitel B 14/Fleisch- und Fleischerzeugnisse (veröffentlicht zu BMGF-75210/0010-IV/B/10/2005 vom 19.10.2005; letzter Stand BMGF-75210/0004-II/B/13/2016 vom 2.8.2016) folgende einschlägige Fachinformationen (Richtlinien, Leitsätze):

 

„A.6 Fleischzubereitungen und Faschiertes

 

A.6.1 Fleischzubereitungen

Entsprechend dem EU-Recht werden Fleischzubereitungen aus frischem Fleisch, dem Lebensmittel, Würzstoffe oder andere Zusatzstoffe zugegeben wurden oder das einer Erhitzung, Pökelung, Marinierung oder Trocknung, gegebenenfalls in Verbindung mit Räuchern und Reifen unterzogen worden ist, auf Grund derer die Zellstruktur des Fleisches im Kern jedoch nicht verändert wurde, sodass die Merkmale des frischen Fleisches im Kern nicht verloren gegangen sind, hergestellt.

 

So fallen z.B. geschnetzeltes Fleisch, Gulaschfleisch u. dgl. ohne weitere Zutaten nicht unter Fleischzubereitungen sondern unter „frisches Fleisch“

 

Bezüglich Fleischzubereitungen, die Formfleisch darstellen, siehe A.5; bezüglich Fleischzubereitungen aus rohem Faschiertem siehe A.6.3.

 

[...]

 

A.6.3 Fleischzubereitungen aus rohem Faschierten

Sofern Zubereitungen aus rohem Faschiertem nicht aus Fleisch von Rind und Schwein (gemischtes Faschiertes) hergestellt werden, ist (sind) die Tierart(en) zu deklarieren*).

 

Fleischlaibchen und Faschierter Braten, werden aus Faschiertem (siehe A.6.1.) herge-stellt, wobei weitere Zutaten, wie Semmeln (siehe Codexkapitel B 18, „Backerzeug-nisse“), Eier, Zwiebeln, Kochsalz, Gewürze beigegeben werden können. Die Semmeln können vorher eingeweicht werden, wie in Trinkwasser oder Milch. Der Semmelzusatz ist mit 4 Semmeln auf 1 kg rohes Faschiertes nach oben begrenzt. Bei Fleischlaibchen, die in Bröseln gewälzt werden, ist der Semmelzusatz entsprechend zu verringern.

 

Fleischlaibchen, die paniert sind, tragen in ihrer Bezeichnung einen Hinweis darauf (“panierte Fleischlaibchen”).

 

Bei der Herstellung von “Cevapcici” werden keine Semmeln oder Mahl- und Schäl-produkte oder Eier verwendet.

 

*) In Verkaufsstätten von Pferdefleisch gilt Analoges.

 

“Burger” (”Hamburger”) werden ausschließlich aus Rindfleisch ohne Zugabe anderer Lebensmittel ausgenommen Salz und Gewürze hergestellt. Alle anderen, als “......-burger” bezeichneten Produkte werden als gastronomische Zubereitungen aufgefasst, die Tierart von der das allenfalls verwendete Fleisch stammt, muss in der Bezeichnung nicht angeführt werden.

 

Faschierte Laibchen, Faschierter Braten, Cevapcici und Burger (Hamburger) werden nicht gepökelt.

 

[...]

 

B. FLEISCHERZEUGNISSE

 

B.1 Definitionen

 

Fleischerzeugnisse sind Produkte, die unter Verwendung von Fleisch hergestellt und einer über die Behandlung von frischem Fleisch hinausgehenden Be- oder Verarbeitung unterzogen worden sind, bei denen auf Grund eines Schnittes durch den Kern und durch die Beurteilung der Schnittflächen festgestellt werden kann, dass die Merkmale von frischem Fleisch nicht mehr gegeben sind (z. B. Pökelwaren, Würste, Fleisch-Konserven, Fleischgerichte und Gerichte mit Fleisch). Zerkleinertes Fleisch, dem mindestens 1,5 % Kochsalz zugefügt wurde, gilt als Fleischerzeugnis.

...“

 

IV.5. Einordnung des gegenständlichen Produktes in eine Lebensmittelkategorie

 

IV.5.1. Offene gebliebene Fragen im behördlichen Strafverfahren

 

Die belangte Behörde hat nach hg. Ansicht das Problem der kategorischen Einordung des gegenständlichen Produkts weder formal (falsche Zitate) noch inhaltlich ganz schlüssig behandelt. Die im Straferkenntnis auf Seite 5 gegebene Darstellung der Rechtslage über Lebensmittelzusatzstoffe erscheint dem erkennenden Richter nicht ausreichend nachvollziehbar (vgl oben unter IV.2.2.).

 

Der Bf hat im Verfahren vor der belangten Strafbehörde vorgebracht, dass das gegenständliche Produkt nicht wie die allgemein im Codex angeführten Cevapcici als Fleischzubereitung eingestuft werden dürfe, weil es sich um ein gepökeltes Produkt handle, was auch entsprechend deklariert worden sei. Es sei als ein nicht wärmebehandeltes Fleischerzeugnis anzusehen. Zur Erläuterung vergleicht der Bf die gepökelten Cevapcici (als grobes Brät) mit feiner Bräte (wie Leberkäse zum Selberbacken), bei der gleiche oder ähnliche Zusatzstoffe verwendet werden dürften. Ob grobes oder feines Brät habe wohl auf die Zutaten keinen Einfluss. In der Beschwerde wiederholt er diesen Standpunkt und verweist ausdrücklich auf eine solche Pökelung durch Zugabe von Nitritpökelsalz, die die Merkmale von frischem Fleisch völlig bis in den Kern verändert habe.

 

Die AGES hat im Prüfbericht zur Aufmachung des Produkts und den verwendeten Stoffen nur auf die Etikette bzw Aufschrift im Anhang zum Amtlichen Untersuchungszeugnis verwiesen. In der Beschreibung des Lebensmittels wird der aus der Produktdeklaration erkennbare Umstand der Trockenpökelung mit Nitritpökelsalz sowie der erhöhte Salzgehalt von 1,5 % laut Nährwertkennzeichnung nicht erwähnt. Offenkundig auch ohne diese Produkteigenschaften im Gutachten zu berücksichtigen und zu würdigen, wurde die Probe pauschal der Kategorie „Fleischzubereitungen gemäß der Verordnung (EG) Nr. 853/2004“ im Anhang II Teil E der Verordnung (EG) 1333/2008 zugeordnet.

 

Die belangte Behörde ist auf den Einwand eines gepökelten Produkts zwar in ihrer Begründung formal eingegangen, hat ihn aber inhaltlich nicht in rechtlich schlüssiger Weise behandelt. Sie kommt auf Seite 5 des Straferkenntnisses zu folgendem nicht überzeugenden Ergebnis:

 

„Zusammenfassend kann daher gesagt werden, dass das Produkt „B" unter der Kategorie „Nicht verarbeitetes Fleisch - Fleischzubereitungen" gemäß der Verordnung (EG) Nr. 853/2004 zu Recht erfolgt, da wie allgemein bekannt, Cevapcici aus Hackfleisch/Faschiertes hergestellt werden.

Da jedoch das verwendete Fleisch darüber hinaus auch gepökelt war, um die Cevapcici haltbar zu machen, war die Verwendung der Zusatzstoffe Phosphate sowie Di-, Tri- und Polyphosphate (E 338 - 452) sowie Nitrite (E 249 - 250) zulässig.

Die Verwendung des Zusatzstoffes Mononatriumglutamat E 621 für die Kategorien frisches Fleisch, Fleischzubereitungen und Fleischerzeugnisse war bzw. ist jedoch nicht zulässig.“

 

Mit der nicht korrekten Angabe „Nicht verarbeitetes Fleisch - Fleischzubereitungen" gemäß der Verordnung (EG) Nr. 853/2004 meinte die belangte Behörde möglicherweise die Kategorie „08.1 Nicht verarbeitetes Fleisch“ mit der Unterkategorie „08.1.2 Fleischzubereitungen gemäß der Verordnung (EG) Nr. 853/2004“ im Anhang II der Verordnung (EG) 1333/2008 in der früheren, auch zur Tatzeit noch geltenden Fassung der Verordnung (EU) Nr. 1129/2011 der Kommission vom 11. November 2011.

 

Die Aussage der belangten Behörde, dass das Produkt „B“ unter die zitierte Kategorie bzw Unterkategorie falle, weil Cevapcici bekanntlich aus Hackfleisch/Faschiertem hergestellt werden, erscheint mit Rücksicht auf die erfolgte Pökelung des Produkts unschlüssig. Gerade deshalb dürfe nach dem Einwand des Bf nicht von gewöhnlichen Cevapcici ausgegangen werden, sondern liege ein nicht wärmebehandeltes Fleischerzeugnis vor. Ein solches Erzeugnis kann auch durch Verarbeitung frischen (zerkleinerten) Fleisches, sohin auch mit Hackfleisch/Faschiertem, hergestellt werden (vgl auch den Leitfaden unter IV.3.2.).

 

Im nächsten Satz behauptet die belangte Behörde, dass wegen der Pökelung zur Haltbarmachung der Cevapcici die Verwendung der Zusatzstoffe Phosphate (E 338 – 452) und Nitrite (E 249 – 250) zulässig gewesen wäre, ohne dies - auch nicht durch vorangehende Ausführungen – irgendwie schlüssig zu begründen. Eher das Gegenteil wurde drei Sätze davor noch zum Ausdruck gebracht. Schließlich ist auch der dritte zitierte Satz insofern unrichtig, als entgegen der Darstellung der belangten Behörde der Zusatzstoff bzw Geschmacksverstärker Mononatriumglutamat E 621 für „Fleischerzeugnisse“ (vormals für „verarbeitetes Fleisch“) erlaubt ist, zumal er unter die für diese Kategorie zugelassenen Zusatzstoffe der Gruppe I (vgl Teil E iVm Teil C im Anhang II der Verordnung (EG) 1333/2008) fällt.

 

Im Ergebnis ist davon auszugehen, dass die belangte Behörde mit ihren Ausführungen die entscheidungswesentliche Problemstellung des Falles nicht richtig erfasst hat.

 

IV.5.2. Problemstellung und Lösungsansatz

 

Die entscheidungswesentliche Frage der kategorischen Einordnung des gegenständlichen Produkts im Anhang II Teil E der Verordnung (EG) 1333/2008 ist nach Ansicht des Gerichts zunächst vor dem Hintergrund der geltenden begrifflichen Unterscheidung von Fleischzubereitung und Fleischerzeugnis (früher „verarbeitetes Fleisch“) aufzuwerfen. Dabei ist das Produkt „B“ unter Berücksichtigung des Vorbringens des Bf auf Grundlage der legal definierten Begriffe zu beurteilen und zu hinterfragen, ob es als eine (verarbeitete) Fleischzubereitung anzusehen ist oder ob bereits ein Fleischerzeugnis vorliegen könnte. Dass es sich nicht mehr wie bei frischem Hackfleisch/Faschierten um ein unverarbeitetes Erzeugnis handeln kann, liegt von vornherein auf der Hand.

 

Zur Problemlösung sind sämtliche Begriffsbestimmungen für Lebensmittelunternehmer aus den sich ergänzenden Hygieneverordnungen (EG) Nr. 852/2004 und Nr. 853/2004 zu berücksichtigen. Außerdem kommt als Erkenntnisquelle für die richtige Auslegung und die begriffliche Einordnung der, wenn auch rechtlich unverbindliche, aber fachlich fundierte Leitfaden (Zl. SANCO/10098/2009) der Kommission (bzw Generaldirektion für Gesundheit und Verbraucher) betreffend die Durchführung einzelner Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 853/2004 mit spezifischen Hygienevorschriften für Lebensmittel tierischen Ursprungs in Betracht. Schließlich sind auch die einschlägigen Aussagen (Definitionen, Leitsätze, Richtlinien) im Österreichischen Lebensmittelbuch (ÖLMB) als Grundlage heranzuziehen.

 

Die Herausgabe des ÖLMB obliegt dem Gesundheitsminister. Es dient nach § 76 LMSVG (vormals § 51 LMG 1975) der Verlautbarung von Sachbezeichnungen, Begriffsbestimmungen, Untersuchungsmethoden und Beurteilungsgrundsätzen sowie von Richtlinien für das Herstellen und Inverkehrbringen von Waren. Nach hM kommt dem ÖLMB die Bedeutung eines objektivierten Sachverständigengutachtens zu (vgl etwa VwGH 26.09.2011, Zl. 2010/10/0145 = VwSlg 18217 A/2011). Wer sich an die Regeln des ÖLMB hält, ist qualifiziert sachverständig abgesichert. Wer sich nicht daran orientieren will, hat sich selbst fachlich umfassend abzusichern, dass sein Verhalten im Lebensmittelverkehr den gesetzlichen Anforderungen entspricht (vgl näher Blass ua, LMR3 [2007] § 76 LMSVG Rz 3 f).

 

IV.5.3. Die wesentlichen Begriffe nach der geltenden Rechtslage

 

Im Abschnitt V des Anhangs III zur Verordnung (EG) Nr. 853/2004 sind für Herstellungsbetriebe von Hackfleisch/Faschiertem, Fleischzubereitungen und Separatorenfleisch besondere Bedingungen und Herstellungsvorschriften vorgesehen, weil hier offenbar ein vergleichbares Risiko besteht. Hackfleisch/Faschiertes ist als „frisches Fleisch“ anzusehen, das zerkleinert wurde. Es wird daher im Leitfaden der Kommission zur Verordnung (EG) Nr. 853/2004 betreffend Hygienevorschriften für Lebensmittel tierischen Ursprungs in der Liste der unverarbeiteten Erzeugnisse geführt. Die Definition für Fleischzubereitungen gilt auch für Hackfleisch/Faschiertes (vgl Leitfaden unter IV.3.2.).

 

Aus der Begriffsbestimmung Nr. 1.15 im Anhang I der Verordnung (EG) Nr. 853/2004 ist abzuleiten, dass (auch zerkleinertes) frisches Fleisch, also auch Hackfleisch/Faschiertes, dem andere Lebensmittel, Würzstoffe oder Zusatzstoffe zugegeben wurden, unter den Begriff „Fleischzubereitungen“ fällt. Dies gilt ausdrücklich auch dann, wenn es einem Bearbeitungsverfahren unterzogen wurde, das die innere Muskelfaserstruktur des Fleisches noch nicht so verändert hat, dass die Merkmale frischen Fleisches beseitigt wurden.

 

In Ergänzung dazu sind dann „Fleischerzeugnisse“ (vgl Anh I Nr. 1.7. der EG-VO Nr. 853/2004 ) „verarbeitete Erzeugnisse, die aus der Verarbeitung von Fleisch oder der Weiterverarbeitung solcher verarbeiteten Erzeugnisse so gewonnen werden, dass bei einem Schnitt durch den Kern die Schnittfläche die Feststellung erlaubt, dass die Merkmale von frischem Fleisch nicht mehr vorhanden sind“.

 

Das entscheidende Abgrenzungskriterium zwischen den Begriffen Fleischzubereitungen und Fleischerzeugnisse, die als Lebensmittelkategorien nach der aktuellen Rechtslage der Verordnung (EG) Nr. 1333/2008 idFd Verordnung (EU) Nr. 601/2014 gelten, besteht in der fachlich zu klärenden Antwort auf die Frage, ob durch eine „erfolgsqualifizierte“dh. über die Grundbedingung der wesentlichen Änderung des ursprünglichen Erzeugnisses im Verarbeitungsbegriff nach Art 2 Abs 1 lit m) der Verordnung (EG) Nr. 852/2004 hinausgehende – Verarbeitung die innerer Muskelfaserstruktur des Fleisches so verändert wurde, dass die Merkmale frischen Fleisches nicht mehr vorhanden sind, oder ob dieser Zustand noch nicht eingetreten ist (vgl dazu auch die Klarstellungen im Leitfaden unter  IV.3.2.).

 

IV.5.4. Fallbezogene Anwendung unter Berücksichtigung des ÖLMB

 

Im gegenständlichen Fall kann nicht von gewöhnlichen Cevapcici ausgegangen werden, wie sie im ÖLMB Codexkapitel 14, Punkt A.6.3. „Fleischzubereitungen aus rohem Faschierten“ beschrieben werden. Das ist schon daraus abzuleiten, dass dort auch ausdrücklich betont wird:

 

„Faschierte Laibchen, Faschierter Braten, Cevapcici und Burger (Hamburger) werden nicht gepökelt.“

 

Ein gepökeltes Produkt, mag der Ausgangsrohstoff auch rohes Hackfleisch/Faschiertes sein, fällt nicht ohne weiteres unter Fleischzubereitungen. Es kommt vielmehr gemäß dem oben beschriebenen Abgrenzungskriterium für die inzwischen harmonisierten Lebensmittelkategorien im Anhang II der Verordnung (EG) Nr. 1333/2008 darauf an, ob durch eine „erfolgsqualifizierte“ Verarbeitung die Zellstruktur des Fleisches soweit verändert wurde, dass die Merkmale frischen Fleisches nicht mehr gegeben sind, oder ob die durch das Bearbeitungsverfahren bewirkten Veränderungen (noch) nicht so weit gehen, dass diese Merkmale verloren gegangen sind.

 

Mit dieser wesentlichen Fachfrage haben sich weder die belangte Behörde noch die AGES auseinandergesetzt. Sie ist im bisherigen Verfahren unbeantwortet geblieben. Eine Untersuchung des Produkts kann nicht nachgeholt werden, weil die amtliche Probe wohl längst entsorgt wurde. Für den erkennenden Richter ergeben sich aber weitere Anhaltspunkte für die Lösung des Falles aus den vorgegebenen Begriffsinhalten und den Hinweisen im ÖLMB.

 

Im Codexkapitel 14, Punkt B Fleischerzeugnisse werden unter B.1 Definitionen (analog zum Anh I Nr. 7.1. der EG-VO Nr. 853/2004) nach Angabe der Untersuchungsmethode zur Feststellung der Merkmale frischen Fleisches (Beurteilung der Schnittflächen nach Schnitt durch den Kern) als Beispiel auch „Pökelwaren“ genannt. Dabei darf nicht übersehen werden, dass eine Pökelung auch nur eine Fleischzubereitung ergeben kann, wenn diese Bearbeitung etwa mangels ausreichender Reifezeit noch nicht zur Beseitigung der Merkmale frischen Fleisches geführt hat (vgl dazu die Beispiele im Leitfaden unter IV.3.2.). Der Begriff „Verarbeitung“ nach Art 2 Abs 1 lit m) der Verordnung (EG) Nr. 852/2004 stellt zwar auf eine wesentliche Änderung des ursprünglichen Erzeugnisses durch ein (auch kombiniertes) Verfahren wie Erhitzen, Räuchern, Pökeln, Reifen, Trocknen, Marinieren, Extrahieren, Extrudieren ab. Dieses Verarbeitungsverfahren kann, muss aber nicht zur Folge haben, dass die innere Muskelfaserstruktur des Fleisches so verändert wird, dass die Merkmale frischen Fleisches beseitigt werden. Für den Begriff „Verarbeitung“ genügt schon eine wesentliche Änderung des frischen Fleisches. Es liegt dann bereits eine verarbeitete Fleischzubereitung bzw ein „Verarbeitungserzeugnis“ iSd Art 2 Abs 1 lit o) der Verordnung (EG) Nr. 852/2004, aber noch kein Fleischerzeugnis vor (vgl instruktiv auch die Bsp im Leitfaden unter IV.3.2.)

 

Im vorliegenden Fall behauptet der Bf begrifflich ein Fleischerzeugnis und gibt in der Beschwerde zur Begründung an, dass die Merkmale frischen Fleisches durch die Zugabe von Nitritpökelsalz bis in den Kern verändert wurden. Dies kann zwar heute nicht mehr definitiv festgestellt werden. Für das Vorliegen eines Fleischerzeugnisses sprechen aber die Umstände der rascheren Einwirkung des Pökelsalzes infolge einer relativ größeren Oberfläche bei Hackfleisch/Faschiertem als bei einem ganzen Stück Fleisch und der auf der Verpackung der Probe deklarierte relativ hohe Salzgehalt der Ware von 1,5 %.

 

Nach der Begriffsbestimmung Nr. 1.13 im Anhang I der Verordnung (EG) Nr. 853/2004 bezeichnet der Ausdruck „Hackfleisch/Faschiertes“ entbeintes Fleisch, das durch Hacken/Faschieren zerkleinert wurde und weniger als 1 % Salz enthält. Demnach kann schon begrifflich nicht mehr von Hackfleisch/Faschiertem im Sinne der zitierten Begriffsbestimmung, sondern nur von gepökeltem zerkleinertem Fleisch die Rede sein. Dazu kommt weiter, dass das ÖLMB im Kapitel 14 unter Punkt B 1 im Satz 2 ausdrücklich feststellt, dass zerkleinertes Fleisch, dem mindestens 1,5 % Kochsalz zugefügt wurde, als Fleischerzeugnis gilt. Aus dieser Regel kann wohl geschlossen werden, dass unter solchen Umständen nach der Fachmeinung der Codexkommission schon in relativ kurzer Zeit die Merkmale frischen Fleisches nicht mehr vorhanden sind, weshalb ein Fleischerzeugnis anzunehmen ist.

 

Nach den Feststellungen aus der Aktenlage liegt genau ein solcher Fall auch vor. Der erkennende Richter geht auf Grund der gegebenen Umstände in Verbindung mit der Richtlinie im ÖLMB, dass zerkleinertes Fleisch mit mindestens 1,5 % Kochsalz als ein Fleischerzeugnis gilt, im Ergebnis zugunsten des Bf von einem Fleischerzeugnis aus, bei dem die Zugabe sämtlicher beanstandeten Zusatzstoffe zulässig war. Es sprechen insgesamt die besseren Argumente für diese Annahme. Ob Merkmale frischen Fleisches noch vorlagen, kann nicht mehr überprüft werden. Im Gutachten der AGES wird das Problem offenbar nicht erkannt und über die aus der Produktdeklaration ersichtliche Bearbeitung des Produkts durch Trockenpökelung sowie den hohen Salzgehalt nicht ein einziges Wort verloren. Damit fehlt es aber an einem fachlich fundierten Beweis zur Einordnung des gegenständlichen Produkts als Fleischzubereitung. Die offensichtlich nur im Hinblick auf die verarbeitete faschierte Masse routinemäßig und substanzlos erfolgte Behauptung im Gutachten ist kein solcher Beweis. Wie oben schon näher ausgeführt, geht es gerade nicht einfach nur um den Normalfall von „Fleischzubereitungen aus rohem Faschiertem“ wie sie im ÖLMB Codexkapitel 14, Punkt A.6.3. näher behandelt werden. Da das in den wesentlichen Fragen nicht aussagekräftige Gutachten der AGES nach den Besonderheiten des vorliegenden Falles keinen tauglichen Belastungsbeweis darstellt und der Aktenlage in Verbindung mit dem ÖLMB vorwiegend Umstände zu entnehmen sind, die für die Darstellung des Bf sprechen, ist im Ergebnis - jedenfalls aber im Zweifel zugunsten des Bf - die Annahme eines Fleischerzeugnisses gerechtfertigt.

 

IV.5.4. Zur Anwendung von Tatzeitrecht

 

Gemäß § 1 Abs 2 VStG richtet sich die Strafe nach dem zur Zeit der Tat geltenden Recht, es sei denn das zur Zeit der Entscheidung geltende Recht wäre in seinen Gesamtauswirkungen für den Täter günstiger.

 

Demnach kommt es – unbeschadet der bisherigen Ausführungen zur geltenden Rechtslage, die für das Verständnis der Zusammenhänge wichtig waren - grundsätzlich auf das Tatzeitrecht an.

 

IV.5.4.1. Der Begriff „verarbeitetes Fleisch“ war günstiger

 

Selbst wenn man im gegenständlichen Fall der Ansicht wäre, keine „erfolgsqualifizierte“ Verarbeitung des Faschierten zu einem Fleischerzeugnis annehmen zu können, hätte der Bf keine Verwaltungsübertretung wegen der verwendeten Zusatzstoffe begangen. Er konnte nämlich beim gegenständlichen gepökelten Produkt gut vertretbar vom früheren Begriff „verarbeitetes Fleisch“ ausgehen, für den die im Anhang II vorgesehenen Zusatzstoffe und ihre Verwendungsbedingungen wie beim nunmehrigen Fleischerzeugnis erlaubt waren und damit keine unzulässigen Zusatzstoffe verwendet wurden .

 

Die im Anhang II der Verordnung (EG) Nr. 1333/2008 zur Tatzeit noch geltende begriffliche Unterscheidung zwischen „verarbeitetes Fleisch“ und „unverarbeitetes Fleisch“ mit der Unterkategorie „Fleischzubereitungen gemäß der Verordnung (EG) 853/2004“ war sachlich unzutreffend und im Verhältnis zur Definition der Unterkategorie in sich widersprüchlich und problematisch, weil im Wege zulässiger Auslegung nicht korrigierbar. Eine systematisch-logische Interpretation ist nicht möglich, wenn die Systematik im Anhang II, gemessen an den damit zusammenhängenden Rechtsvorschriften (Legaldefinitionen) unzutreffend ist, weil die vorgenommene Kategorisierung anderen legal definierten Begriffsinhalten widerspricht.

 

Die vom Verordnungsgeber der Europäischen Union erlassene Neufassung des Anhangs II bezüglich der Lebensmittelkategorien bei Fleisch (dazu bereits oben IV.2.2.) hat nicht einfach nur klargestellt (was ohnehin schon zuvor durch Auslegung klar erkennbar war), dass es auf die Begriffsbestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 853/2004 ankommen soll. Der eigentliche Regelungsgrund war die Schaffung von Klarheit und Rechtssicherheit dadurch, dass der weitere Begriff „verarbeitetes Fleisch“ durch den engeren Begriff „Fleischerzeugnis“ ersetzt wurde, um eine klare Abgrenzung zur Fleischzubereitung durch ein gemeinsames Kriterium erst zu ermöglichen.

 

Eine „Auslegung“ des Anhangs der Verordnung (EG) Nr. 1333/2008, die den allgemeinen Begriff „verarbeitetes Fleisch“ iSd spezielleren Definition von „Fleischerzeugnis“ im Anhang I Nr. 7.1. der Verordnung (EG) Nr. 853/2004 und damit ungeachtet des legal definierten Begriffs der „Verarbeitung“ einschränken will, erscheint methodisch unzulässig, weil dies auf eine Korrektur durch freie Rechtsfindung hinausläuft und auch die durch Legaldefinitionen festgelegten Begriffsinhalte ignoriert. Der Begriffsinhalt von „verarbeitetes Fleisch“ ergibt sich nämlich im Zusammenhang mit den legal definierten weiteren Begriffen „Verarbeitung“ bzw „Verarbeitungserzeugnisse“ in Art 2 Abs 1 lit m) und lit o) der Verordnung (EG) Nr. 852/2004. Die Begriffe dieser Verordnung gelten nach Art 2 Z 2 der Verordnung (EG) Nr. 853/2004 auch für deren Anwendungsbereich.

 

Die Einführung der neuen Lebensmittelkategorie „Fleischerzeugnisse“, zwecks Harmonisierung mit dem Begriff „Fleischzubereitungen“, war eine dem Verordnungsgeber der EU vorbehaltene Gestaltung der Rechtslage im Sinne einer Korrektur, die der Schaffung von Rechtssicherheit diente. Allein die früher (auch zur Tatzeit) noch vorgesehene Unterkategorie „Nicht verarbeitetes Fleisch, ausgenommen Fleischzubereitungen gemäß der Verordnung Nr. 853/2004“ zeigt, dass der damalige Verordnungsgeber (Kommission) der Verordnung (EU) Nr. 1129/2011 zur Änderung des Anhangs II der Verordnung (EG) Nr. 1333/2008 offenbar irrtümlich davon ausging, dass Fleischzubereitungen schlechthin unter die Kategorie „nicht verarbeitetes Fleisch“ fallen (vgl ausdrücklich idS den Erwägungsgrund 7 zur EU-VO Nr. 601/2014 für den Zeitpunkt der Festlegung der EU-Liste im Anhang II). Dieser der früheren Kategorisierung immanente Fehler kann nicht durch Missachtung anderer Begriffsbestimmungen ausgeräumt werden. Auf Basis zulässiger Methoden der Auslegung erscheint es geboten, den Begriff „verarbeitetes Fleisch“ anhand der Legaldefinition des Begriffs der „Verarbeitung“ im Art 2 Abs 1 lit m) der Verordnung (EG) Nr. 852/2004 auszulegen. Deshalb fällt „verarbeitetes Fleisch“ auch unter die Definition der Verarbeitungserzeugnisse tierischen Ursprungs nach Art 2 Abs 1 lit o) leg.cit., die im Anhang II des Leitfadens zur Verordnung (EG) Nr. 853/2004 wie folgt formuliert wurde (vgl oben unter IV.3.2.):

 

Verarbeitungserzeugnisse werden gewonnen, indem Rohstoffe einem Verfahren wie etwa Erhitzen, Räuchern, Pökeln, Reifen, Trocknen, Marinieren usw. unterzogen werden. Das Verfahren muss zu einer wesentlichen Veränderung des ursprünglichen Erzeugnisses führen.

 

Alle Fleischerzeugnisse, bei denen die Merkmale von frischem Fleisch definitionsgemäß nicht mehr vorhanden sind, fallen unter den weiten Begriff der „Verarbeitungserzeugnisse“. Dieser umfasst aber auch verarbeitete Fleischzubereitungen. Schließlich kann auch „verarbeitetes Fleisch“ je nach Intensität des angewandten Bearbeitungsverfahrens ein Fleischerzeugnis oder eine verarbeitete Fleischzubereitung sein. Es sind daher Überschneidungen zwischen den Begriffen „verarbeitetes Fleisch“ und „Fleischzubereitungen“ durch die angeführten Begriffsbestimmungen vorgegeben. Um eine klare Abgrenzung zu ermöglichen war eine begriffliche und systematische Änderung der Lebensmittelkategorien unter 08 Fleisch im Teil D des Anhangs II der Verordnung (EG) Nr. 1333/2008 erforderlich, wo auf gleicher Ebene zwischen „Fleischzubereitungen“ (08.02) und „Fleischerzeugnisse“ (08.03) unterschieden wird und sich nunmehr definitionsgemäß klar abgrenzbare (komplementäre) Begriffe gegenüberstehen.

 

IV.5.4.2. Verfassungsrechtliche Schranken bei Blankettstrafnormen

 

Die Harmonisierung der Lebensmittelkategorien wäre ohne die begrifflichen Änderungen im Anhang II der Verordnung (EG) Nr. 1333/2008 allein im Wege einer „interpretativen“ Angleichung des Begriffs „verarbeitetes Fleisch“ an „Fleischerzeugnis“ nicht möglich gewesen. Es liegt durch die Verordnung (EU) Nr. 601/2014 vom 4. Juni 2014 eine Änderung der Rechtslage und nicht eine bloße Klarstellung vor. Denn eine andere Sichtweise würde in Konflikt mit den verfassungsrechtlich gewährleisteten Garantien des Art 7 EMRK und mit dem Bestimmtheitsgebot des Art 18 Abs 1 B-VG bei Strafnormen geraten. Dieses verlangt unter dem Gesichtspunkt des Rechtsschutzbedürfnisses bei Strafbestimmungen eine besonders genaue gesetzliche Determinierung des strafbaren Verhaltens (VfSlg 13785/1994). Strafnormen müssen so klar und bestimmt sein, dass der Einzelne in der Lage ist, sein Verhalten danach auszurichten (vgl näher und mit Nachw zur VfGH-Judikatur Thienel in Korinek/Holoubek [Hrsg], Österreichisches Bundesverfassungsrecht, Band II/1, Rz 10 ff, 12 zu Art 7 EMRK). Besonders bei Blankettstrafnormen, eine solche liegt gegenständlich mit § 90 Abs 3 Z 1 LMSVG (generelles Verbot des Zuwiderhandelns gegen im Anhang zum LMSVG aufgelistete unmittelbar anwendbare Rechtsakte der EU) iVm Art 5 der Verordnung (EG) Nr. 1333/2008 (allgemeines Verbot des Inverkehrbringens von Lebensmitteln mit Lebensmittelzusatzstoffen, die nicht mit dieser Verordnung in Einklang stehen) vor, gilt ein strenger Maßstab. Nach der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofs (vgl aus jüngerer Zeit VfSlg 17349/2004; VfSlg 17479/2005) muss der Tatbestand mit genügender Klarheit als Verbotsnorm und damit als strafbarer Tatbestand so gekennzeichnet sein, dass jedermann ihn als solchen zu verstehen vermag (VfSlg 12947/1991). Ein unerlaubtes Verhalten darf nur dann und insoweit angenommen werden, als die Abgrenzung des erlaubten vom unerlaubten Verhalten so eindeutig eingesehen werden kann, dass jeder berechtigte Zweifel über den Inhalt des pflichtgemäßen Verhaltens ausgeschlossen ist (VfSlg 14319/1995).

 

Bei Strafbestimmungen ist nach Art 7 EMRK im Zusammenhalt mit § 1 Abs 1 VStG neben dem Klarheitsgebot auch das Rückwirkungsverbot und das Analogieverbot zu beachten (vgl VwGH 14.12.2007, Zl. 2007/02/0273 = VwSlg 17345 A/2007). Ein Tat muss vor ihrer Begehung gesetzlich mit Strafe bedroht gewesen sein und die Strafnormen müssen das strafbare Verhalten unmissverständlich und klar erkennbar lassen (vgl mwN VwGH 16.12.2004, Zl. 2002/07/0140 = VwSlg 16510 A/2004; VwGH 25.01.2005, Zl. 2004/02/0284, 0285).

 

Da nach der Judikatur des EuGH die allgemeinen Rechtsgrundsätze wie der Grundsatz der Rechtssicherheit und das Rückwirkungsverbot Teil des Gemeinschaftsrechts sind, begrenzt etwa Art 7 EMRK (nunmehr auch Art 49 Charta der Grundrechte der EU - GRC) mit dem Rückwirkungsverbot, Analogieverbot und dem Verbot der exzessiven Interpretation auch die Auslegung von Strafvorschriften mit europarechtlichem Bezug (vgl dazu mN VwGH 29.04.2002, Zl. 2002/03/0066 = VwSlg 15825 A/2002: keine zulässige Ausdehnung von Strafnormen durch richtlinienkonforme Interpretation). Die dem Rückwirkungsverbot immanenten materiellen Anforderungen betreffen die Vorhersehbarkeit und Bestimmtheit des mit Strafe bedrohten Verhaltens (Tat iSd § 1 Abs 1 VStG), von dem als Verwaltungsübertretung nur dann gesprochen werden kann, wenn der Betroffene vor der Begehung der Tat erkennen konnte, welches Verhalten strafrechtlich verantwortlich macht (vgl Wessely in Raschauer/Wessely (Hrsg) VStG2   Rz 12 zu § 1 VStG).

 

Eine besondere Bestimmtheitsproblematik kann sich bei Blankettstrafnormen ergeben, die allgemein (wie § 90 Abs 3 Z 1 LMSVG) an unmittelbar anwendbare Rechtsakte der Europäischen Union (Verordnungen) als Ausfüllungsnormen anknüpfen, wenn und soweit diese Normen unklar sind und keine bestimmten (genauen) Gebots- oder Verbotsvorschriften enthalten. Die durch das Prinzip „nulla poena sine lege“ gezogenen Grenzen des nationalen Strafrechts im Sinne der dargelegte Kriterien gelten auch für unionsrechtliche Verhaltensnormen, die durch Verweisung zum Inhalt einer Blankettstrafnorm geworden sind (vgl idS Höpfel, WK StGB § 1 Rz 38; C. Fuchs, in Raschauer/Wessely (Hrsg) VStG2, Grundrechte im Verwaltungsstrafverfahren Rz 33; Wessely in Raschauer/Wessely (Hrsg) VStG2 Rz 12 ff, 15 zu § 1 VStG). Gemäß Art 49 Abs 1 GRC handelt es sich dabei mittlerweile um ein in der Europäischen Union gewährleistetes Grundrecht (vgl näher Pabel, Justizgrundrechte § 19 Rz 96 ff, in Grabenwarter [Hrsg] Europäischer Grundrechtsschutz, 2014).

 

Die Anpassung des Begriffs „verarbeitetes Fleisch“ an die Definition von „Fleischerzeugnisse“ kommt einem rechtsschöpfenden Akt gleich, der über eine verbotene Analogie zum Nachteil des Täters noch hinausgeht (vgl auch oben IV.5.4.1.). Es handelte sich vor dem Hintergrund der rechtsstaatlichen Garantien des Art 7 EMRK iVm § 1 Abs 1 VStG um eine Ausdehnung der Strafbarkeit durch freie Rechtsfindung, die verfassungsrechtlich verboten ist. Bei einer solchen Vorgangsweise kann auch von einer eindeutigen Abgrenzung des erlaubten vom unerlaubten Verhalten und von einer klaren Erkennbarkeit des strafbaren Verhaltens, die jeden berechtigten Zweifel ausschließt, keine Rede sein.

 

IV.5.4.3. Schlussfolgerungen

 

Die zur Tatzeit noch geltende Fassung (vor der Änderung mit EU-VO Nr. 601/2014 v 4.06.2014) des Anhangs II der Verordnung (EG) Nr. 1333/2008 hatte für den Bf die Bedeutung einer günstigeren Rechtslage. Denn die zur Zeit der Tat geltende Kategorisierung war für den Bf insofern günstiger, als der im Vergleich zu „Fleischerzeugnisse“ weitere Begriff „verarbeitetes Fleisch“ das gegenständliche Produkt auch dann umfasste, wenn es nach der Pökelung noch Merkmale frischen Fleisches gehabt haben sollte.

 

Im gegebenen Fall von gepökelten Cevapcici darf selbst dann, wenn die Merkmale frischen Fleisches nicht völlig beseitigt worden sein sollten, noch kein verbotenes Verhalten durch Zugabe von Lebensmittelzusatzstoffen angenommen werden, weil die zur Tatzeit im Anhang II (Teile D und E) der Verordnung (EG) Nr. 1333/2008 geltende Systematik zur Kategorisierung von 08 Fleisch teilweise unzutreffende nicht trennscharfe Begriffe verwendete, die mit den Begriffsbestimmungen in den einschlägigen Verordnungen (EG) Nr. 852/2004 und Nr. 853/2004 nicht harmonierten. Sie berücksichtigte nicht, das „Fleischzubereitungen“ (Anh I Nr. 1.15. der EG-VO Nr. 853/2004) nicht nur unter den Begriff „nicht verarbeitetes Fleisch“ sondern auch unter den Begriff  „verarbeitetes Fleisch“ fallen konnten. Es gibt nämlich auch verarbeitete Fleischzubereitungen, die einem Verfahren unterzogen wurden, das zwar eine wesentlichen Änderung (bspw durch Erhitzen Räuchern, Pökeln, Reifen, Trocknen, Marinieren etc) des ursprünglichen Erzeugnisses herbeiführt, aber das Fleisch noch nicht so weit verändert hat, dass die Merkmale frischen Fleisches beseitigt wurden. Im letztgenannten Fall wäre der Begriff „Fleischerzeugnisse“ erfüllt (Anh I Nr. 7.1 der EG-VO Nr. 853/2004). Die sich daher nicht ausschließenden Begriffe „Fleischzubereitungen“ und „verarbeitetes Fleisch“ waren unter dem maßgeblichen Gesichtspunkt der legal definierten „Verarbeitung“ (Art 2 Abs 1 lit m EG-VO Nr. 852/2004) nicht abgrenzbar. Somit führt die Überschneidung der Begriffe zur Unklarheit über die richtige kategorische Einordnung des Lebensmittels und die dementsprechend zulässigen Zusatzstoffe.

 

Diese Rechtsunsicherheit widerspricht den dargestellten Anforderungen an die Bestimmtheit von Strafnormen und führt zu berechtigten Zweifeln des Normadressaten darüber, was verboten ist und was nicht. Eine korrigierende „Auslegung“ zur Angleichung des Begriffs „verarbeitetes Fleisch“ an den mit Verordnung (EU) Nr. 601/2014 schließlich nachträglich eingeführten Begriff „Fleischerzeugnis“ ist unzulässig, weil dies eine freie Rechtsfindung zum Nachteil des Täters wäre. Durch exzessive Auslegung iSv Rechtsschöpfung könnte man auch stets das Rückwirkungsverbot umgehen.

 

Die Blankettstrafnorm des § 90 Abs 3 Z 1 LMSVG iVm Art 5 der Verordnung (EG) Nr. 1333/2008 und ihrem Anhang II erfüllte zur Tatzeit angesichts der im gegenständlichen Fall beschriebenen Rechtsunsicherheit der Ausfüllungsnorm (arg. keine klare Grenzziehung zwischen verarbeiteter Fleischzubereitung und verarbeitetem Fleisch möglich) nicht die in der Judikatur des Verfassungsgerichtshofs formulierten Anforderungen an die Klarheit der Verbotsnorm für den Normadressaten. Sie darf nicht als Grundlage für die Annahme eines verbotenen Verhaltens dienen. Fehlt eine ausreichende Determinierung, so mangelt es bereits an einem objektiven Straftatbestand (vgl idS VfSlg 14319/1995 und mwN Wessely in Raschauer/Wessely (Hrsg) VStG2 Rz 12 zu § 1 VStG).

 

 

V. Ergebnis

 

Im Ergebnis war die im Wege des § 90 Abs 3 Z 1 LMSVG iVm Art 5 der Verordnung (EG) Nr. 1333/2008 angelastete Verwendung unerlaubter Lebensmittelzusatzstoffe aus den oben näher ausgeführten Gründen - das gepökelte Produkt konnte auch unter den im Tatzeitpunkt geltenden weiten Begriff „verarbeitetes Fleisch“ subsumiert werden und erfüllte wahrscheinlich (jedenfalls im Zweifel zugunsten des Bf) auch noch den engeren Begriff „Fleischerzeugnis“ – nicht gegeben und der Beschwerde stattzugeben, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Strafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG iVm § 38 VwGVG mangels einer strafbaren Verwaltungsübertretung einzustellen.

 

Auf die im Straferkenntnis vorhandenen Spruchmängel iSd § 44a Z 1 VStG  betreffend die bloße Angabe von Zeit und Ort der Lebensmittelkontrolle in einer H Filiale in Wien sowie die unschlüssige Formulierung der strafrechtlichen Verantwortung des Bf gemäß § 9 VStG „... als verantwortlicher Beauftragter und somit ... zur Vertretung der Firma G  ... nach außen Berufener“ sei der Vollständigkeit halber hingewiesen, braucht aber nicht mehr näher eingegangen zu werden.

 

Bei diesem Ergebnis entfällt sowohl die Verpflichtung zur Leistung eines Beitrags zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens vor der Behörde (§ 66 Abs 1 VStG) als auch zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens (§ 52 Abs 9 VwGVG) und weiter gemäß § 71 Abs 3 LMSVG die Verpflichtung zum Ersatz von Kosten der Lebensmitteluntersuchung, zumal insofern ein Straferkenntnis und damit eine Verurteilung vorausgesetzt wird.

 

 

VI. Zulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist zulässig, da im gegenständlichen Verfahren Rechtsfragen im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen waren, denen grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes noch fehlt. Soweit ersichtlich, liegt keine Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs zur Auslegung der Begriffe zur Kategorisierung von „08 Fleisch“ im Anhang II (Teil D) der Verordnung (EG) Nr. 1333/2008 idFd Verordnung (EU) Nr. 1129/2011 zur Tatzeit und danach idFd der Änderungen durch Verordnung (EU) Nr. 601/2014, zum diesbezüglichen Günstigkeitsvergleich nach § 1 Abs 2 VStG und zur Frage der Rechtsfolge einer Unbestimmtheit von Blankettstrafnormen durch unklare und/oder widersprüchliche Ausfüllungsnormen in unmittelbar anwendbaren Rechtsakten der EU vor.

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer ordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240 Euro zu entrichten.

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Dr. W e i ß

 

 

 

 

 

 

 

 

Rechtssätze zu LVwG-000118/2/Wei vom 27. Oktober 2016

 

Normen:

 

§ 90 Abs 3 Z 1 LMSVG

Art 5 iVm Anh II Teil D und E der Verordnung (EG) Nr. 1333/2008 idF Verordnung (EU) Nr. 1129/2011 und idF Verordnung (EU) Nr. 601/2014

Art 2 lit m), n), und o) der Verordnung (EG) Nr. 852/2004

Anh I Nr. 1.13, Nr. 1.15 und Nr. 7.1. zur Verordnung (EG) Nr. 853/2004

Art 18 Abs 1 B-VG

Art 7 EMRK

Art 49 GRC

§ 1 Abs 1 und 2 VStG

 

Änderung der Gemeinschaftsliste der Lebensmittelzusatzstoffe

 

Mit der am 5. Juni 2014 im Amtsblatt der EU kundgemachten Verordnung (EU) Nr. 601/2014 der Kommission vom 4. Juni 2014, die gemäß ihrem Art 2 erst 20 Tage nach der Kundmachung in Kraft getreten ist (also nach der Tatzeit), wurde Anhang II der Verordnung (EG) Nr. 1333/2008 hinsichtlich der Lebensmittelkategorien (Teil D) von 08 Fleisch und der Verwendung bestimmter Lebensmittelzusatzstoffe in Fleischzubereitungen geändert. Bis zum Inkrafttreten der Verordnung (EU) Nr. 601/2014 und damit auch zur Tatzeit galt die Liste der Lebensmittelzusatzstoffe und ihrer Verwendungsbedingungen im Anhang II in der ab 1. Juni 2013 geltenden Fassung der Verordnung (EU) Nr. 1129/2011 der Kommission vom 11. November 2011.

 

Im Wesentlichen wurde mit der Verordnung (EU) Nr. 601/2014 die im Verhältnis zu Fleischzubereitungen begrifflich zu Überschneidungen führende Kategorisierung „nicht verarbeitetes Fleisch“ (samt verfehlten Unterkategorien) und „verarbeitetes Fleisch“ aufgegeben und eine klarstellende, der Trennschärfe dienende Harmonisierung durch alleinige Verwendung der Begriffe und Definitionen in der Verordnung (EG) Nr. 853/2004 für „frisches Fleisch“, „Fleischzubereitungen“ und „Fleischerzeugnisse“ vorgenommen (vgl dazu Erwägungsgrund 5 zur VO Nr. 601/2014).

 

Einschlägige Begriffsbestimmungen

 

Aus der Begriffsbestimmung Nr. 1.15 im Anhang I der Verordnung (EG) Nr. 853/2004 ist abzuleiten, dass (auch zerkleinertes) frisches Fleisch, also auch Hackfleisch/Faschiertes, dem andere Lebensmittel, Würzstoffe oder Zusatzstoffe zugegeben wurden, unter den Begriff „Fleischzubereitungen“ fällt. Dies gilt ausdrücklich auch dann, wenn es einem Bearbeitungsverfahren unterzogen wurde, das die innere Muskelfaserstruktur des Fleisches noch nicht so verändert hat, dass die Merkmale frischen Fleisches beseitigt wurden.

 

In Ergänzung dazu sind dann „Fleischerzeugnisse“ (vgl Anh I Nr. 1.7. der EG-VO Nr. 853/2004 ) „verarbeitete Erzeugnisse, die aus der Verarbeitung von Fleisch oder der Weiterverarbeitung solcher verarbeiteten Erzeugnisse so gewonnen werden, dass bei einem Schnitt durch den Kern die Schnittfläche die Feststellung erlaubt, dass die Merkmale von frischem Fleisch nicht mehr vorhanden sind“.

 

Das entscheidende Abgrenzungskriterium zwischen den Begriffen Fleischzubereitungen und Fleischerzeugnisse, die als Lebensmittelkategorien nach der aktuellen Rechtslage der Verordnung (EG) Nr. 1333/2008 idFd Verordnung (EU) Nr. 601/2014 gelten, besteht in der fachlich zu klärenden Antwort auf die Frage, ob durch eine „erfolgsqualifizierte“dh. über die Grundbedingung der wesentlichen Änderung des ursprünglichen Erzeugnisses im Verarbeitungsbegriff nach Art 2 Abs 1 lit m) der Verordnung (EG) Nr. 852/2004 hinausgehende – Verarbeitung die innerer Muskelfaserstruktur des Fleisches so verändert wurde, dass die Merkmale frischen Fleisches nicht mehr vorhanden sind, oder ob dieser Zustand noch nicht eingetreten ist (vgl dazu auch die Klarstellungen im Leitfaden unter  IV.3.2.).

 

Der Begriff „Verarbeitung“ nach Art 2 Abs 1 lit m) der Verordnung (EG) Nr. 852/2004 stellt zwar auf eine wesentliche Änderung des ursprünglichen Erzeugnisses durch ein (auch kombiniertes) Verfahren wie Erhitzen, Räuchern, Pökeln, Reifen, Trocknen, Marinieren, Extrahieren, Extrudieren ab. Dieses Verarbeitungsverfahren kann, muss aber nicht zur Folge haben, dass die innere Muskelfaserstruktur des Fleisches so verändert wird, dass die Merkmale frischen Fleisches beseitigt werden. Für den Begriff „Verarbeitung“ genügt schlicht eine wesentliche Änderung des frischen Fleisches. Es liegt dann bereits eine verarbeitete Fleischzubereitung bzw ein „Verarbeitungserzeugnis“ iSd Art 2 Abs 1 lit o) der Verordnung (EG) Nr. 852/2004, aber noch kein Fleischerzeugnis vor (vgl instruktiv auch die Bsp im Leitfaden unter IV.3.2.)

 

Produkteinordnung unter Berücksichtigung der fachlichen Aussagen im ÖLMB

 

Beim gepökelten Produkt „BBQ Frische Cevapcici“ kann nicht ohne weiteres von „Fleischzubereitungen aus rohem Faschierten“ (dazu ÖLMB Codexkapitel 14, Punkt A.6.3.) ausgegangen werden. Es kommt gemäß dem beschriebenen Abgrenzungskriterium für die inzwischen harmonisierten Lebensmittelkategorien im Anhang II der Verordnung (EG) Nr. 1333/2008 darauf an, ob durch eine „erfolgsqualifizierte“ Verarbeitung die Zellstruktur des Fleisches soweit verändert wurde, dass die Merkmale frischen Fleisches nicht mehr gegeben sind, oder ob dies noch nicht der Fall ist.

 

Da die Begriffsbestimmung Nr. 1.13 im Anhang I der Verordnung (EG) Nr. 853/2004 für „Hackfleisch/Faschiertes“ (entbeintes Fleisch, das durch Hacken/Faschieren zerkleinert wurde) weniger als 1 % Salz vorsieht, kann begrifflich beim gegenständlichen Produkt, das laut Deklaration 1,5 % Kochsalz enthält, nicht mehr von Hackfleisch/Faschiertem im Sinne der zitierten Begriffsbestimmung, sondern nur von gepökeltem zerkleinertem Fleisch die Rede sein. Das ÖLMB kennt im Kapitel 14 unter Punkt B 1 im Satz 2 ausdrücklich die Richtlinie, dass zerkleinertes Fleisch, dem mindestens 1,5 % Kochsalz zugefügt wurde, als Fleischerzeugnis gilt. Da diese Fakten im Gutachten der AGES, das auf die aus der Produktdeklaration ersichtlichen Pökelung (Zugabe von Nitritpökelsalz) und auf den hohen Salzgehalt von 1,5 % mit keinem Wort eingeht, nicht berücksichtigt werden, fehlt eine fachlich fundierte Auseinandersetzung zur Einstufung als Fleischzubereitung, die offensichtlich nur routinemäßig und substanzlos erfolgte. Dem Gutachten kommt in dieser wesentlichen Frage keine Aussagekraft zu, weshalb es auch keinen Belastungsbeweis darstellt. Im Ergebnis sprechen die sonstigen aktenkundigen Umstände in Verbindung mit dem ÖLMB zugunsten der Darstellung des Bf, weshalb - jedenfalls im Zweifel zugunsten des Bf - von einem Fleischerzeugnis auszugehen war, bei dem die Zugabe sämtlicher beanstandeten Zusatzstoffe zulässig ist.

 

Günstigeres Tatzeitrecht

 

Im Übrigen war der zur Tatzeit anstelle der Kategorie „Fleischerzeugnisse“ noch verwendete (weitere) Begriff „verarbeitetes Fleisch“ günstiger, weil er im Auslegungszusammenhang mit den legal definierten Begriffen „Verarbeitung“ und „Verarbeitungserzeugnisse“ nur eine wesentliche Änderung des Fleisches durch das angewendete Bearbeitungsverfahren, aber nicht begriffsnotwendig eine „erfolgsqualifizierte“ Verarbeitung wie beim Fleischerzeugnis voraussetzte.

 

Die im Anhang II der Verordnung (EG) Nr. 1333/2008 zur Tatzeit noch geltende begriffliche Unterscheidung zwischen „verarbeitetes Fleisch“ und „unverarbeitetes Fleisch“ mit der Unterkategorie „Fleischzubereitungen gemäß der Verordnung (EG) 853/2004“ war sachlich unzutreffend und im Verhältnis zur Definition der Unterkategorie in sich widersprüchlich und problematisch, weil im Wege zulässiger Auslegung nicht korrigierbar. Eine systematisch-logische Interpretation ist nicht möglich, wenn die Systematik im Anhang II, gemessen an den damit zusammenhängenden Rechtsvorschriften (Legaldefinitionen) unzutreffend ist, weil die vorgenommene Kategorisierung anderen legal definierten Begriffsinhalten widerspricht.

 

Die vom Verordnungsgeber der Europäischen Union erlassene Neufassung des Anhangs II bezüglich der Lebensmittelkategorien bei Fleisch hat nicht einfach nur klargestellt (was ohnehin schon zuvor durch Auslegung klar erkennbar war), dass es auf die Begriffsbestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 853/2004 ankommen soll. Der eigentliche Regelungsgrund war die Schaffung von Klarheit und Rechtssicherheit dadurch, dass der weitere Begriff „verarbeitetes Fleisch“ durch den engeren Begriff „Fleischerzeugnis“ ersetzt wurde, um eine klare Abgrenzung zur Fleischzubereitung durch ein gemeinsames Kriterium erst zu ermöglichen.

 

Eine „Auslegung“ des Anhangs der Verordnung (EG) Nr. 1333/2008, die den allgemeinen Begriff „verarbeitetes Fleisch“ iSd spezielleren Definition von „Fleischerzeugnis“ im Anhang I Nr. 7.1. der Verordnung (EG) Nr. 853/2004 und damit ungeachtet des legal definierten Begriffs der „Verarbeitung“ einschränken will, erscheint methodisch unzulässig, weil dies auf eine Korrektur durch freie Rechtsfindung hinausläuft und auch die durch Legaldefinitionen festgelegten Begriffsinhalte ignoriert. Der Begriffsinhalt von „verarbeitetes Fleisch“ ergibt sich nämlich im Zusammenhang mit den legal definierten weiteren Begriffen „Verarbeitung“ bzw „Verarbeitungserzeugnisse“ in Art 2 Abs 1 lit m) und lit o) der Verordnung (EG) Nr. 852/2004. Die Begriffe dieser Verordnung gelten nach Art 2 Z 2 der Verordnung (EG) Nr. 853/2004 auch für deren Anwendungsbereich.

 

Alle Fleischerzeugnisse, bei denen die Merkmale von frischem Fleisch definitionsgemäß nicht mehr vorhanden sind, fallen unter den weiten Begriff der „Verarbeitungserzeugnisse“. Dieser umfasst aber auch verarbeitete Fleischzubereitungen. Schließlich kann auch „verarbeitetes Fleisch“ je nach Intensität des angewandten Bearbeitungsverfahrens ein Fleischerzeugnis oder eine verarbeitete Fleischzubereitung sein. Es sind daher Überschneidungen zwischen den Begriffen „verarbeitetes Fleisch“ und „Fleischzubereitungen“ durch die angeführten Begriffsbestimmungen vorgegeben. Um eine klare Abgrenzung zu ermöglichen war eine begriffliche und systematische Änderung der Lebensmittelkategorien unter 08 Fleisch im Teil D des Anhangs II der Verordnung (EG) Nr. 1333/2008 erforderlich, wo auf gleicher Ebene zwischen „Fleischzubereitungen“ (08.02) und „Fleischerzeugnisse“ (08.03) unterschieden wird und sich nunmehr definitionsgemäß klar abgrenzbare (komplementäre) Begriffe gegenüberstehen.

 

Klarheitsgebot bei Blankettstrafnormen

 

Die Blankettstrafnorm des § 90 Abs 3 Z 1 LMSVG enthält ein generelles Verbot des Zuwiderhandelns gegen im Anhang zum LMSVG aufgelistete unmittelbar anwendbare Rechtsakte der EU. Nach der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofs gilt unter dem Aspekt des Art 18 Abs 1 B-VG und Art 7 EMRK für Blankettstrafnormen ein strenger Maßstab (vgl aus jüngerer Zeit VfSlg 17349/2004; VfSlg 17479/2005). Dabei muss der Tatbestand mit genügender Klarheit als Verbotsnorm und damit als strafbarer Tatbestand so gekennzeichnet sein, dass jedermann ihn als solchen zu verstehen vermag (VfSlg 12947/1991). Ein unerlaubtes Verhalten darf nur dann und insoweit angenommen werden, als die Abgrenzung des erlaubten vom unerlaubten Verhalten so eindeutig eingesehen werden kann, dass jeder berechtigte Zweifel über den Inhalt des pflichtgemäßen Verhaltens ausgeschlossen ist (VfSlg 14319/1995).

Eine besondere Bestimmtheitsproblematik kann sich bei Blankettstrafnormen ergeben, die allgemein an unmittelbar anwendbare Rechtsakte der Europäischen Union (Verordnungen) als Ausfüllungsnormen anknüpfen, wenn und soweit diese Normen unklar sind und keine bestimmten (genauen) Gebots- oder Verbotsvorschriften enthalten. Die durch das Prinzip „nulla poena sine lege“ gezogenen Grenzen des nationalen Strafrechts im Sinne der dargelegte Kriterien gelten auch für unionsrechtliche Verhaltensnormen, die durch Verweisung zum Inhalt einer Blankettstrafnorm geworden sind (vgl idS Höpfel, WK StGB § 1 Rz 38; C. Fuchs, in Raschauer/Wessely (Hrsg) VStG2, Grundrechte im Verwaltungsstrafverfahren Rz 33; Wessely in Raschauer/Wessely (Hrsg) VStG2 Rz 12 ff, 15 zu § 1 VStG). Gemäß Art 49 Abs 1 GRC handelt es sich dabei mittlerweile um ein in der Europäischen Union gewährleistetes Grundrecht (vgl näher Pabel, Justizgrundrechte § 19 Rz 96 ff, in Grabenwarter [Hrsg] Europäischer Grundrechtsschutz, 2014).

 

Rechtsunsicherheit infolge Unklarheit der Ausfüllungsnorm

 

Die sich nicht ausschließenden Begriffe „Fleischzubereitungen“ und „verarbeitetes Fleisch“ waren unter dem maßgeblichen Gesichtspunkt der legal definierten „Verarbeitung“ (Art 2 Abs 1 lit m EG-VO Nr. 852/2004) nicht abgrenzbar. Somit führt die Überschneidung der Begriffe zur Unklarheit über die richtige kategorische Einordnung des Lebensmittels und die dementsprechend zulässigen Zusatzstoffe.

 

Diese Rechtsunsicherheit widerspricht den dargestellten Anforderungen an die Bestimmtheit von Strafnormen und führt zu berechtigten Zweifeln des Normadressaten darüber, was verboten ist und was nicht. Eine korrigierende „Auslegung“ zur Angleichung des Begriffs „verarbeitetes Fleisch“ an den mit Verordnung (EU) Nr. 601/2014 schließlich nachträglich eingeführten Begriff „Fleischerzeugnis“ ist unzulässig, weil dies eine freie Rechtsfindung zum Nachteil des Täters wäre. Durch exzessive Auslegung iSv Rechtsschöpfung könnte man auch stets das Rückwirkungsverbot umgehen.

 

Die Blankettstrafnorm des § 90 Abs 3 Z 1 LMSVG iVm Art 5 der Verordnung (EG) Nr. 1333/2008 und ihrem Anhang II erfüllte zur Tatzeit angesichts der im gegenständlichen Fall beschriebenen Rechtsunsicherheit der Ausfüllungsnorm nicht die in der Judikatur des Verfassungsgerichtshofs formulierten Anforderungen an die Klarheit der Verbotsnorm für den Normadressaten. Sie darf nicht als Grundlage für die Annahme eines verbotenen Verhaltens dienen. Fehlt eine ausreichende Determinierung, so mangelt es bereits an einem objektiven Straftatbestand (vgl idS VfSlg 14319/1995 und mwN Wessely in Raschauer/Wessely (Hrsg) VStG2 Rz 12 zu § 1 VStG).

 

 

 

Beschlagwortung:

 

Fleisch; Fleicherzeugnisse; Fleischzubereitungen; (nicht) verarbeitetes Fleisch; Faschiertes; anzuwendendes günstigeres Recht; Blankettstrafnormen