LVwG-300213/2/Kl/TK

Linz, 24.03.2014

B E S C H L U S S

 

gefasst:

 

 

I. Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

II. Gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG hat der Beschwerdeführer keinen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten.

 

III. Gegen diesen Beschluss ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Wels vom 26. November 2013, BZ-Pol-09025-2012, wurde über den Berufungswerber (nunmehr Beschwerdeführer; kurz: BF) eine Geldstrafe von € 1.500, für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 69 Stunden, wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 35 Abs.1 Z.5 und § 130 Abs. 1 Z. 16 ASchG verhängt, weil er als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als im Sinn des § 9 Abs. 1 VStG zur Vertretung nach außen Berufener der Firma X GmbH, X, zu verantworten hat, dass anlässlich einer Unfallserhebung am 13.12.2011 von Arbeitsinspektor DI (FH) X, Arbeitsinspektorat Wels, in der Betriebsstätte X, festgestellt wurde, dass die neue ILAPAK-Schlauchbeutelmaschine von Arbeitnehmern oa. Firma (X, geboren 1992 und X, geboren 1966) benutzt wurde, ohne dass der Sicherheitsschalter, welcher das Öffnen der Schutzabdeckung bei laufender Maschine verhindert, funktionsfähig war, obwohl Arbeitgeber dafür zu sorgen haben, dass bei der Benutzung von Arbeitsmitteln der Grundsatz, dass Arbeitsmittel nicht benutzt werden dürfen, wenn Beschädigungen festzustellen sind, die die Sicherheit beeinträchtigen können oder die Schutz- und Sicherheitseinrichtungen nicht funktionsfähig sind, einzuhalten ist. Der Arbeitnehmer X erlitt einen Arbeitsunfall und eine Verletzung des linken Daumens.

 

 

2. Dagegen wurde fristgerecht Berufung (nunmehr Beschwerde) eingebracht und die Aufhebung des Straferkenntnisses und Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens beantragt. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass ein Verstoß gegen das Tatkonkretisierungsgebot vorliege, weil als Tatzeitpunkt jener Zeitpunkt anzuführen sei, zu dem die Maschine von Mitarbeitern unter Verletzung von sicherheitstechnischen Vorschriften in Betrieb genommen worden ist. Tatsächlich vorgeworfen sei, dass vom Arbeitsinspektor anlässlich der am 13.12.2011 erfolgten Unfallsaufnahme inkriminierte Feststellungen getroffen worden seien, nicht hingegen dass am genannten Tage oder an einem anderen datumsmäßig festgehaltenen Zeitpunkt die Maschine von Mitarbeitern des Unternehmens benutzt worden sei. Es sei erforderlich, im Straferkenntnis jenen Zeitpunkt festzustellen, an dem die Verpflichtungen vom Arbeitgeber verletzt worden seien. Der Zeitpunkt des Tätigwerdens eines Kontrollorgans ist nicht ausreichend (VwGH vom 9. April 2013,2011/04/0019). Weiters wurde das Verschulden und die Strafhöhe bekämpft.

 

 

3. Der Magistrat der Stadt Wels hat die Berufung (Beschwerde) samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt dem Oö. Verwaltungssenat, nunmehr Oö. Landesverwaltungsgericht, vorgelegt.

Gemäß § 3 Abs. 7 Z. 1 und 2 VwGbk-ÜG können mit Ablauf des 31. Dezember 2013 bei den unabhängigen Verwaltungsbehörden anhängige Verfahren von den Verwaltungsgerichten weitergeführt werden, wenn die Rechtssache in diesem Zeitpunkt zur Zuständigkeit eines Senates der unabhängigen Verwaltungsbehörde gehört hat, danach zur Zuständigkeit des Senates oder des Einzelrichters eines Verwaltungsgerichtes gehört und alle Mitglieder dieses Senates bzw. der Einzelrichter dem Senat der unabhängigen Verwaltungsbehörde angehört haben bzw. hat; zur Zuständigkeit eines einzelnen Mitglieds der unabhängigen Verwaltungsbehörde gehört hat, danach zur Zuständigkeit des Einzelrichters eines Verwaltungsgerichtes gehört und es sich um denselben Organwalter handelt.

Sowohl nach der für den Oö. Verwaltungssenat in Geltung gestandenen Geschäftsverteilung als auch nach der nunmehr geltenden Geschäftsverteilung des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich ist die eingangs genannte Einzelrichterin zur Entscheidung zuständig. Es war daher das Verfahren fortzuführen.

 

4. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme. Weil bereits aus der Aktenlage ersichtlich ist, dass der Bescheid aufzuheben und das Verfahren einzustellen ist, entfällt eine  öffentliche mündliche Verhandlung (§ 44 Abs.2 VwGVG).

 

 

5. Hierüber hat das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich erwogen:

 

5.1 Gemäß § 44a Z1 VStG hat der Spruch eines Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Danach ist es rechtlich geboten, die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau zu umschreiben, dass

1) die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird und

2) die Identität der Tat (z.B. nach Ort und Zeit) unverwechselbar feststeht. Was den vorstehenden Punkt 1) anlangt, sind entsprechende, das heißt, in Beziehung zum vorgeworfenen Straftatbestand stehende wörtliche Anführungen erforderlich, die nicht etwa durch bloße paragraphenmäßige Zitierung von Gebots- oder Verbotsnormen ersetzt werden können. Was den vorstehenden Punkt 2) anlangt (unverwechselbares Festhalten der Identität der Tat) muss im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat insoweit in konkretisierter Umschreibung zum Vorwurf gemacht werden, dass er in die Lage versetzt wird, im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren und gegebenenfalls im außerordentlichen Verfahren auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und es muss ferner der Spruch geeignet sein, den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden.

 

Gemäß  § 31 Abs.1 und 2 VStG ist die Verfolgung einer Person unzulässig, wenn gegen sie binnen der Verjährungsfrist von sechs Monaten, nunmehr einem Jahr, von der Behörde keine Verfolgungshandlung vorgenommen worden ist. Verfolgungshandlung iSd § 32 Abs.2 VStG ist jede von einer Behörde gegen eine bestimmte Person als Beschuldigten gerichtete Amtshandlung.

 

Es muss  daher die Tat unter Anführung aller wesentlichen Tatbestandsmerkmale dem Beschuldigten innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist vorgeworfen werden. Eine Umschreibung der Tatbestandsmerkmale lediglich in der Bescheidbegründung reicht im Bereich des Verwaltungsstrafrechtes nicht aus (vgl. Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, Seite 937 ff).

 

Diesen  Anforderungen  wird aus nachstehenden  Gründen  nicht entsprochen:

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger Judikatur ausgesprochen, dass“ die Angabe des Tages von getroffenen Feststellungen die Angabe der Tatzeit nicht zu ersetzen vermag“ (VwGH vom 17. Dezember 2002, 2002/04/0192). Auch im Erkenntnis vom 6.11.1995, 95/04/0005, bestätigt der VwGH, dass die Formulierung „anlässlich einer Kontrolle durch Beamte…. am 11. November 1991 wurde festgestellt“ keine Feststellung der Tatzeit darstellt. Die Angabe des Tages der von den Beamten des x getroffenen Feststellung vermag die Angaben der Tatzeit nicht zu ersetzen. Auch in seinem Erkenntnis vom 10.6.1992, 92/04/0062, bekräftigt der Verwaltungsgerichtshof, dass“ die Angabe des Tages der von den Gendarmerieorganen getroffenen Feststellung die Angabe der Tatzeit nicht zu ersetzen vermag“.

Im Sinne dieser Judikatur haftet dem Schuldspruch des angefochtenen Straferkenntnisses ebenfalls der Mangel an, dass als Tatzeitpunkt lediglich

“ anlässlich einer Unfallerhebung am 13.12.2011 von Arbeitsinspektor“ angeführt ist. Dabei handelt es sich um den Tag der getroffenen Feststellungen. Es kann aber daraus nicht von sich aus als selbstverständlich geschlossen werden, dass das inkriminierte Verhalten ebenfalls an diesem Tage gesetzt worden ist. Insbesondere bei Unfallserhebungen zeigt sich in der Praxis sehr oft, dass Unfallerhebungen nicht am Tag des Unfalles, sondern erst einige oder mehrere Tage danach stattfinden. Es fehlt daher dem angefochtenen Straferkenntnis die Angabe jenes Tages, an dem das als rechtswidrig vorgeworfene Verhalten vom Beschuldigten gesetzt wurde.

Weder in der Aufforderung zur Rechtfertigung vom 8.5.2012 noch zu einem späteren Zeitpunkt während des Strafverfahrens noch im Straferkenntnis selbst wird der Tag des rechtswidrigen Verhaltens genannt. Weil aber bereits Verfolgungsverjährung eingetreten ist, konnte dieser Mangel auch nicht im Rechtsmittelverfahren beseitigt werden. Es war daher das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen

(§ 45 Abs. 1 Z. 3 VStG).

Das in der Beschwerde zitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes hingegen betrifft eine Verwaltungsübertretung gemäß § 367 Z. 54 GewO und kann nicht herangezogen werden, weil es sich nicht um einen gleichgelagerten Sachverhalt handelt.

 

 

6. Weil die Beschwerde Erfolg hatte, entfällt ein Kostenbeitrag zum Beschwerdeverfahren (§ 52 Abs. 8 VwGVG).

 

 

7. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diesen Beschluss besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

 

 

 

Dr. Ilse Klempt