LVwG-601302/3/MB/Bb

Linz, 02.12.2016

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter            Dr. Brandstetter über die Beschwerde des J K, vom 11. März 2016, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 29. Februar 2016, GZ VerkR96-8600-2015, wegen Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960 – StVO,   

 

zu Recht  e r k a n n t :

 

 

I.          Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde stattgegeben, das Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren hinsichtlich beider Tatvorwürfe gemäß § 38 VwGVG iVm § 45       Abs. 1 Z 1 VStG eingestellt.

 

 

II.         Gemäß § 52 VwGVG hat der Beschwerdeführer weder einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens noch einen Kostenbeitrag zum behördlichen Verfahren zu leisten (§ 66 Abs. 1 VStG).

 

 

III.        Gegen Tatvorwurf 1) ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 

 

 

 

IV.       Gegen Tatvorwurf 2) ist gemäß § 25a VwGG eine Revision des Beschwerdeführers an den Verwaltungs­gerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig; für die belangte Behörde und die revisionslegitimierte Formalpartei ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

 

 

I.

 

1. Die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck (im Folgenden: belangte Behörde) warf J K (Beschwerdeführer – im Folgenden: Bf) mit Straferkenntnis vom 29. Februar 2016, GZ VerkR96-8600-2015, unter Tatvorwurf 1) eine Verwaltungs­übertretung nach § 4 Abs. 1 lit. a StVO und unter Tatvorwurf 2) eine Übertretung nach § 4 Abs. 5 StVO vor und verhängte zu 1) gemäß § 99 Abs. 2 lit. a StVO eine Geldstrafe in Höhe von 250 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 122 Stunden) und zu 2) gemäß § 99 Abs. 3 lit. b StVO eine Geldstrafe im Ausmaß von 200 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 96 Stunden). Weiters wurde dem Bf von der belangten Behörde gemäß § 64 VStG ein Verfahrenskostenbeitrag in Höhe von insgesamt 45 Euro auferlegt. 

 

Im Einzelnen wurde ihm wie folgt vorgeworfen (auszugsweise Wiedergabe):

 

„1) Sie sind als Lenker/in des angeführten Fahrzeuges mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang gestanden und haben Ihr Fahrzeug nicht sofort angehalten.

2) Sie sind mit einem Verkehrsunfall mit Sachschaden in ursächlichem Zusammenhang gestanden und haben nicht ohne unnötigen Aufschub die nächste Polizeidienststelle verständigt, obwohl Sie und die Person(en) in deren Vermögen der Schaden eingetreten ist, einander ihre Namen und Anschriften nicht nachgewiesen haben.

 

Tatort: Gemeinde Schwanenstadt, Gemeindestraße Ortsgebiet, L Straße x.

Tatzeit: 14.04.2015, 11:35 Uhr.

Fahrzeug:

Kennzeichen x, PKW, Mercedes-Benz E 270 C, grau/silberfarbig. [Hervorhebungen nicht übernommen]“

 

Begründend hielt die belangte Behörde u.a. fest, dass die Verwaltungs­übertretungen aus der Privatanzeige von G S bei der Polizeiinspektion Schwanenstadt resultieren würden. Aus der Sachverhaltsdarstellung des Unfallberichtes gehe hervor, dass die Anzeigerin während eines Linksabbiegevorganges überholt worden sei, wodurch es zur Kollision der Fahrzeuge gekommen sei. Der zweitbeteiligte Lenker habe dann die Unfallstelle verlassen ohne Kontakt aufzunehmen. Aus der Anzeige gehe hervor, dass der Bf der Zweitbeteiligte an diesem Unfallgeschehen gewesen sei. Die Schäden am Fahrzeug des Bf sowie am Fahrzeug der Unfallgegnerin seien in Korrespondenz zueinander.

 

Die festgesetzte Geldstrafe wurde mit den persönlichen Verhältnissen des Bf und dem Nichtvorliegen von strafmildernden noch straferschwerenden Umständen begründet.

 

2. Gegen dieses Straferkenntnis, zugestellt am 2. März 2016, erhob der Bf mit Schriftsatz vom 11. März 2016 rechtzeitig das Rechtsmittel der Beschwerde, in welchem er vorbringt, dass beim Lokalaugenschein durch die Versicherung bestätigt wurde, dass er bei dem am rechten Fahrbahnrand stehenden Fahrzeug, das nicht angedeutet habe nach links abzubiegen (kein Blinker), langsam vorbeigefahren sei. Als er auf gleicher Höhe war, sei dieses Fahrzeug nach links los gefahren und habe ihn leicht berührt, was er nicht bemerkt habe, da er abrupt abgebremst habe und im Fahrzeug Lärm entstanden sei. Er sei dann auf die andere Seite gefahren und habe mit der Unfallgegnerin sprechen wollen. Diese habe aber nicht reagiert und sei davon gefahren. 

 

Der Bf beantragte die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens.

 

3. Die belangte Behörde hat die Beschwerde dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich mit Vorlageschreiben vom 14. März 2016 unter Anschluss des Verwaltungsstrafaktes mit der GZ VerkR96-8600-2015 zur Entscheidung vorgelegt, ohne eine Beschwerdevorentscheidung zu fällen.

 

Mit der Aktenvorlage wurde die Zuständigkeit des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich zur Entscheidungsfindung begründet (Art. 130 Abs. 1 Z 1 iVm Art. 131 Abs. 1 B-VG iVm § 3 VwGVG). Gemäß Art. 135 Abs. 1 erster Satz B-VG iVm § 2 VwGVG entscheidet das Landesverwaltungsgericht durch den nach der Geschäftsverteilung zuständigen Einzelrichter.

 

 

II.

 

1. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den von der belangten Behörde zur Entscheidung übermittelten Verfahrensakt und das Beschwerdevorbringen.

 

Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte abgesehen werden, da von keiner Partei weder ausdrücklich noch konkludent eine solche beantragt wurde und überdies aufgrund der Aktenlage fest steht, dass das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben ist (§ 44 Abs. 2 VwGVG). 

 

2. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich geht von folgendem entscheidungsrelevanten Sachverhalt aus:

 

Der Bf lenkte am 14. April 2015 um 11.35 Uhr den Pkw, Mercedes-Benz E 270 mit dem Kennzeichen x, in Schwanenstadt auf der L Straße in Richtung Stadtplatz Vöcklabruck.

Zur gleichen Zeit lenkte auch G S ihren Pkw, Peugeot 206, Kennzeichen x, auf der L Straße, wobei sie vor dem Fahrzeug des Bf fuhr. Auf Höhe L Straße x kam es zur Kollision der beiden Fahrzeuge.

 

Laut Anzeige entstand an beiden beteiligten Fahrzeugen Sachschaden. Der Peugeot 206 wurde im linken Frontbereich beschädigt, am Fahrzeug des Bf wurden anlässlich der polizeilichen Überprüfung Beschädigungen im Bereich der Beifahrerseite festgestellt und bildlich dokumentiert.

 

Der Kfz-technische Amtssachverständige stellte dazu fest, dass im Hinblick auf die vorliegenden Aktenunterlagen das Schadensbild beim unfallbeteiligten Peugeot gut dokumentiert sei. Das Schadensbild beim Mercedes gehe hingegen aus den Unterlagen und Fotos nicht hervor. Der beschriebene Schaden im Bereich der rechten Seite des Mercedes sei anhand der vorhandenen Lichtbilder nicht erkenn­­- bzw. nachvollziehbar. Aufgrund des nicht nachvollziehbaren Schadensbildes beim Pkw des Bf könne die Kollisionsstellung mit dem Peugeot nicht ermittelt werden. Daher könnten auch Fragen zu einer möglichen Wahrnehmbarkeit nicht nachweisbar beantwortet werden. Laut Sachverständigen kann aus technischer Sicht keine belegbare Aussage getroffen werden, wie sich der Unfallhergang abgespielt hat und, ob der Bf den möglicherweise verursachten Unfall in irgendeiner Weise wahrnehmen hätte können.

 

3. Dieser Sachverhalt ergibt sich aus dem Verwaltungsakt, insbesondere den Feststellungen des Kfz-technischen Amtssachverständigen Dipl.-HTL-Ing. R H der Abteilung Verkehr des Landes Oberösterreich. Der Sachverständige hat im Verfahren vor der belangten Behörde unmissverständlich dargelegt, dass aufgrund der vorliegenden Unterlagen das dargestellte Schadensbild am Pkw des Bf nicht nachvollziehbar ist und daher aus Kfz-technischer Sicht keine konkreten Aussagen zum Vorfall getroffen werden können. Davon ausgehend ist das Landesverwaltungsgericht, das die fachlichen Sachverständigen-Erläuterungen als schlüssig und plausibel erachtet, der überzeugenden Ansicht, dass nach Lage des Falles auch eine neuerliche Beweisaufnahme im Beschwerdeverfahren zur Entscheidungsfindung nicht mehr hätte beitragen können und eine bloße Beweiswiederholung dargestellt hätte. Die Äußerungen des Sachverständigen sind weder in sich widersprüchlich noch mit der Aktenlage in Widerspruch stehend.

 

 

 

 

 

III.

 

1. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat in rechtlicher Hinsicht erwogen:

 

Die im Anlassfall heranzuziehenden gesetzlichen Bestimmungen lauten (auszugsweise):

 

Gemäß § 4 Abs. 1 lit. a StVO haben alle Personen, deren Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhange steht, wenn sie ein Fahrzeug lenken, sofort anzuhalten.

 

Nach § 99 Abs. 2 lit. a StVO begeht eine Verwaltungsübertretung begeht und ist mit einer Geldstrafe von 36 Euro bis 2.180 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe von 24 Stunden bis sechs Wochen, zu bestrafen, der Lenker eines Fahrzeuges, dessen Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht, sofern er den Bestimmungen des § 4 Abs. 1 [...] zuwiderhandelt, insbesondere nicht anhält, [...].

       

Wenn bei einem Verkehrsunfall nur Sachschaden entstanden ist, haben gemäß   § 4 Abs. 5 StVO die im Abs. 1 genannten Personen die nächste Polizeidienststelle vom Verkehrsunfall ohne unnötigen Aufschub zu verständigen. Eine solche Verständigung darf jedoch unterbleiben, wenn die im Abs. 1 genannten Personen oder jene, in deren Vermögen der Schaden eingetreten ist, einander ihren Namen und ihre Anschrift nachgewiesen haben.

 

Gemäß § 99 Abs. 3 lit. b StVO begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 726 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen, zu bestrafen, wer in anderer als der in Abs. 2 lit. a bezeichneten Weise gegen die Bestimmungen des § 4 verstößt, insbesondere [...] den bei einem Verkehrsunfall entstandenen Sachschaden nicht meldet, [...].

 

Gemäß § 45 Abs. 1 Z 1 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn die dem Beschuldigten zur Last gelegene Tat nicht erwiesen werden kann oder keine Verwaltungsübertretung bildet.

 

2. Unter Zugrundelegung der schlüssigen Aussage des technischen Amtssachverständigen lässt sich im Hinblick auf den Umstand, dass das Schadensbild am Pkw des Bf nicht objektivierbar ist, letztlich weder der tatsächliche Unfallhergang, der von den beiden Beteiligten jeweils unterschiedlich geschildert wurde, feststellen, noch, ob der scheinbar vom Bf verursachte Verkehrsunfall für diesen wahrnehmbar war.

 

Es kann daher nicht mit einer zur Bestrafung notwendigen Sicherheit davon ausgegangen werden, dass der Bf die aus § 4 Abs. 1 und Abs. 5 StVO erfließenden Verpflichtungen verletzt hat. Das Verwaltungsverfahren war daher nach dem Grundsatz „in dubio pro reo“ gemäß § 38 VwGVG iVm § 45 Abs. 1 Z 1 VStG einzustellen. Weitere Feststellungen und Ausführungen konnten damit unterbleiben.

 

3. Aufgrund der Einstellung des Strafverfahrens entfällt für den Bf gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG die Verpflichtung zur Leistung eines Kostenbeitrages zum Beschwerdeverfahren als auch gemäß § 66 Abs. 1 VStG zur Bezahlung eines Beitrages zu den Kosten des behördlichen Verfahrens.

 

 

IV.

 

Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Tatvorwurf 1)

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des       Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

Tatvorwurf 2)

Die ordentliche Revision ist für die belangte Behörde und die revisionsberechtigte Formalpartei unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

Für den Bf ist die Möglichkeit zur Revisionserhebung gemäß § 25a Abs. 4 VwGG ex lege ausgeschlossen.

 

 

 

 

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

 

 

Tatvorwurf 1)

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

Tatvorwurf 2)

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde ist eine Eingabegebühr von 240.- Euro zu entrichten.

 

Da für den vorliegenden Fall gemäß § 25a Abs. 4 VwGG eine Revision nur wegen Verletzung in subjektiven Rechten (Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG) ausgeschlossen ist, steht der belangten Behörde/der revisionslegitimierten Formalpartei die außerordentliche Revision beim Verwaltungsgerichtshof offen, die beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich einzubringen ist.

 

 

H i n w e i s

 

Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen.

 

 

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

 

Dr.  B r a n d s t e t t e r