LVwG-601601/4/MZ

Linz, 07.12.2016

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Dr. Zeinhofer über die Beschwerde des W W, geb x 1951, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung vom 16.09.2016, GZ. VerkR96-3264-2016,

 

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

I.         Aus Anlass der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

 

II.      Der Beschwerdeführer hat keinen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten.

 

 

III.        Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine Revision des Beschwerdeführers an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig; für die belangte Behörde und die revisionslegitimierte Formalpartei ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG unzulässig.

 

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

 

I. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung vom 16.09.2016, GZ. VerkR96-3264-2016, wurde über den Beschwerdeführer (in Folge: Bf) wie folgt abgesprochen:

 

Sie haben das Fahrzeug gelenkt, obwohl Sie sich nicht in einer solchen körperlichen und geistigen Verfassung befunden haben, in der Sie vermochten, Ihr Fahrzeug zu beherrschen und die beim Lenken eines Fahrzeuges zu beachtenden Rechtsvorschriften zu befolgen. Aufgrund eines Sekundenschlafes kam es zu einem Verkehrsunfall.

 

Tatort: Gemeinde Alkoven, Landesstraße Ortsgebiet, […]

Tatzeit: 19.06.2015, 12:35 Uhr

Fahrzeug:

Kennzeichen x, […]

 

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift(en) verletzt:

§ 58 Abs. 1 StVO

 

Wegen der genannten Übertretung wurde über den Bf eine Geldstrafe in der Höhe von 100,- Euro, ersatzweise eine Freiheitsstrafe in der Dauer von 46 Stunden, verhängt.

 

 

II. Gegen das in Rede stehende Straferkenntnis erhob der Bf rechtzeitig das Rechtsmittel der Beschwerde.

 

Der Bf bringt vor, ein Sekundenschlaf sei nicht erwiesen und ein schuldhaftes Handeln liege nicht vor. Der Bf beantragt daher, das Straferkenntnis aufzuheben.

 

 

III.a) Die belangte Behörde hat die Beschwerde unter Anschluss des bezughabenden Verwaltungsstrafaktes, ohne eine Beschwerdevorentscheidung zu erlassen, dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich vorgelegt. Damit ergibt sich die Zuständigkeit des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich zur Entscheidungsfindung (Art 130 Abs 1 Z 1 iVm 131 Abs 1 B-VG iVm § 3 VwGVG). Gemäß Art 135 Abs 1 erster Satz B-VG iVm § 2 VwGVG entscheidet das Landesverwaltungsgericht durch den nach der Geschäftsverteilung zuständigen Einzelrichter.

 

b) Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den von der belangten Behörde zur Entscheidung übermittelten Verfahrensakt und die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung.

 

c) Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich geht von dem in Punkt I. dargestellten Sachverhalt aus.

 

Dem vorgelegten Behördenakt lässt sich zudem folgendes entnehmen:

 

Mit Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Eferding vom 01.06.2016, VerkR96-261-2016, wurde über den Bf unter Nennung von Tatort, Tatzeit und Fahrzeug wie folgt abgesprochen:

„Sie haben das Fahrzeug gelenkt, obwohl Sie sich nicht in einer solchen körperlichen und geistigen Verfassung befunden haben, in der Sie vermochten, Ihr Fahrzeug zu beherrschen und die beim Lenken eines Fahrzeuges zu beachtenden Rechtsvorschriften zu befolgen, es kam zu einem Verkehrsunfall.“

 

Aufgrund eines Einspruches gegen diese Strafverfügung kam es in Folge zu einer mit 5.9.2016 datierten Aufforderung zur Rechtfertigung, in welcher der Tatvorwurf wie im nunmehrigen Straferkenntnis lautet.

 

 

IV. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat erwogen:

 

a) Die einschlägige Bestimmung des Bundesgesetzes vom 6. Juli 1960, mit dem Vorschriften über die Straßenpolizei erlassen werden (Straßenverkehrsordnung 1960 - StVO. 1960), BGBl. Nr. 159/1960 in der im Tatzeitpunkt geltenden Fassung, lautet:

 

㤠58. Lenker von Fahrzeugen.

(1) Unbeschadet der Bestimmungen des § 5 Abs. 1 darf ein Fahrzeug nur lenken, wer sich in einer solchen körperlichen und geistigen Verfassung befindet, in der er ein Fahrzeug zu beherrschen und die beim Lenken eines Fahrzeuges zu beachtenden Rechtsvorschriften zu befolgen vermag. Sind diese Voraussetzungen offenbar nicht gegeben, so sind die Bestimmungen des § 5b sinngemäß anzuwenden.

(2) …“

 

b) Zur Erfüllung des dem Bf angelasteten objektiven Tatbestandes des § 58 Abs 1 StVO 1960 bedarf es sohin einer körperlichen und/oder geistigen Verfassung des Lenkers eines Kraftfahrzeuges, aufgrund derer das Fahrzeug nicht beherrscht zu werden vermag.

 

Gemäß (§ 38 VwGVG iVm) § 44a VStG ist die als erwiesen angenommene Tat der den Deliktstatbestand erfüllende Sachverhalt. Der Beschuldigte hat in diesem Sinne das Recht, dass ihm die Tat richtig und vollständig vorgehalten wird (VwgH 8.8.2008, 2008/09/0042). Die Umschreibung dieser Tat hat bereits im Spruch zu erfolgen und muss so präzise sein, dass der Beschuldigte nicht der Gefahr der Doppelbestrafung ausgesetzt ist und er sich entsprechend verteidigen kann (siehe statt vieler VfSlg 11.894 A/1985). Die Tat muss somit alle Tatbestandselemente umfassen und darf keinen Zweifel daran lassen, wofür der Täter bestraft worden ist (VwGH 23.4.2008, 2005/03/0243). Ungenauigkeiten haben nur dann keinen Einfluss auf die Rechtmäßigkeit des Strafbescheides, wenn dadurch keine Beeinträchtigung der Verteidigungsrechte des Beschuldigten und keine Gefahr der Doppelbestrafung bewirkt werden (VwSlg 15.745 A/2001).

 

Das Nachschärfen der Umschreibung der Tat ist vor dem Hintergrund des Schutzzweckes des (§ 38 VwGVG iVm) § 44a VStG begrenzt und darf die Tat einerseits nicht ausgetauscht werden (zB VwGH 27.2.2015, 2011/17/0131) und ist andererseits ein Ergänzen bzw Nachschärfen der Tat nur im Rahmen der Verfolgungsverjährung zulässig (zB VwGH 10.12.2008, 2004/17/0226).

 

Im vorliegenden Fall liegt eine derartige unzulässige Nachschärfung vor: Die einzige in Betracht kommende Verfolgungshandlung gemäß § 31 Abs 1 VStG innerhalb eines Jahres ab Tatbegehung stellt die Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Eferding vom 01.06.2016 dar. In dieser wird dem Bf allerdings keine Tathandlung vorgeworfen, sondern lediglich ein Ereignis („es kam zu einem Verkehrsunfall“) festgestellt. Der später in der Aufforderung zur Rechtfertigung bzw im Straferkenntnis gemachte Tatvorwurf (= Lebenssachverhalt), dass es aufgrund eines Sekundenschlafes zu einem Verkehrsunfall gekommen sei, kann der Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Eferding in keinster Art und Weise entnommen werden. Eine taugliche Verfolgungshandlung wurde somit von der Bezirkshauptmannschaft Eferding nicht gesetzt und das Nachschärfen der belangten Behörde in der Aufforderung zur Rechtfertigung bzw im angefochtenen Straferkenntnis war nicht mehr zulässig. Vor diesem Hintergrund ist das angefochtene Straferkenntnis vom Landesverwaltungsgericht Oberösterreich zu beheben und, aufgrund mittlerweile eingetretener Verfolgungsverjährung, das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

 

c) Gemäß § 52 Abs 8 VwGVG sind die Kosten des Beschwerdeverfahrens dem Beschwerdeführer nicht aufzuerlegen, wenn der Beschwerde auch nur teilweise Folge gegeben worden ist.

 

 

V. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision

 

Die ordentliche Revision ist für die belangte Behörde und die revisionslegitimierte Formalpartei unzulässig, da die Entscheidung im Hinblick auf die Frage des Vorliegens einer tauglichen Verfolgungshandlung der zitierten – soweit ersichtlich einheitlichen – Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vollinhaltlich entspricht.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde ist eine Eingabegebühr von 240.- Euro zu entrichten.

Da für den vorliegenden Fall gemäß § 25a Abs 4 VwGG eine Revision nur wegen Verletzung in subjektiven Rechten (Art 133 Abs 6 Z 1 B-VG) ausgeschlossen ist, steht der belangten Behörde und der revisionslegitimierten Formalpartei die außerordentliche Revision beim Verwaltungsgerichtshof offen, die beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich einzubringen ist.

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Dr. Z e in h o f e r