LVwG-601175/12/SE

Linz, 12.12.2016

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Mag. Ellmer über die Beschwerde von Herrn H H, vertreten durch Rechtsanwälte N & T, S, S, vom 21. Dezember 2015, gegen das Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Oberösterreich, PK Steyr, vom 3. Dezember 2015, GZ: VStV/915301745015/2015,

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

I.         Gemäß § 50 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG  wird festgestellt, dass der Schuldspruch des behördlichen Straferkenntnisses der Landespolizeidirektion Oberösterreich, PK Steyr, vom 3. Dezember 2015, GZ: VStV/915301745015/2015 mit der Einschränkung der Beschwerde auf die Strafhöhe am 2. Dezember 2016 in Rechtskraft erwachsen ist.

 

Der Beschwerde gegen die Strafhöhe wird stattgegeben und die Geldstrafe auf 120 Euro, im Fall der Uneinbringlichkeit eine Freiheitsstrafe von 50 Stunden, herabgesetzt.

 

 

II.      Nach § 38 VwGVG iVm § 64 Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG ermäßigt sich der Kostenbeitrag zum Verwaltungsstrafverfahren vor der belangten Behörde auf 12 Euro. Für das Beschwerdeverfahren vor dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich ist gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG kein Kostenbeitrag zu leisten.

 

III.   Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

 

I. 1. Die Landespolizeidirektion Oberösterreich – PK Steyr (kurz: belangte       Behörde) hat Herrn H H, vertreten durch N & T Rechtsanwälte, S, S (kurz: Beschwerdeführer) im angefochtenen Straferkenntnis vom 3. Dezember 2015,
GZ: VStV/915301745015/2015, die Begehung einer Verwaltungsübertretung nach § 18 Abs. 1 in Verbindung mit § 99 Abs. 2c StVO 1960 vorgeworfen und über ihn eine Geldstrafe in der Höhe von 250 Euro, im Falle der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe eine Ersatzfreiheitsstrafe im Ausmaß von 5 Tagen und 15 Stunden, verhängt. Weiters wurde der Beschwerdeführerin von der belangten Behörde zur Zahlung eines Verfahrenskostenbeitrages in der Höhe von 25 Euro verpflichtet.

Der Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses lautet wie folgt (auszugsweise Wiedergabe):

 

„Sie haben am 06.06.2015 um 09:36 Uhr in Vorchdorf, A1, Richtung Salzburg, Straßenkilometer 210.420 als Lenker des Fahrzeuges mit dem Kennzeichen x zu einem vor Ihnen am gleichen Fahrstreifen fahrenden Fahrzeug nicht einen solchen Abstand eingehalten, dass ein rechtzeitiges Anhalten möglich gewesen wäre, auch wenn das vordere Fahrzeug plötzlich abgebremst wurde. Es wurde mittels Videomessung ein zeitlicher Abstand von 0,33 Sekunden festgestellt.“

 

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass durch       Videomessung der zeitliche Abstand von 0,33 Sekunden als erwiesen gelte. Die Höhe der Geldstrafe bewege sich noch im unteren Bereich des Strafrahmens und sei tat- und schuldangemessen.

 

I. 2. Gegen dieses Straferkenntnis erhob der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 21. Dezember, eingelangt am 22. Dezember 2015 bei der belangten Behörde, innerhalb offener Frist Beschwerde.

 

Der Beschwerdeführer führte zusammenfassend aus, dass nicht bewiesen werden konnte, dass ein Verschulden vorliege. Er habe völlig rechtmäßig auf das Einreihen des Fahrzeuges reagiert und durch Gaswegnahme sein Tempo reduziert. Das vor dem Beschwerdeführer fahrende Fahrzeug habe vom rechten Fahrstreifen auf den linken Fahrstreifen gewechselt, weshalb der Sicherheitsabstand nicht mehr ausreichend war. Die verhängt Strafe sei zu hoch, weil der Beschwerdeführer verwaltungsstrafrechtlich völlig unbescholten sei, sodass mit einer Ermahnung oder der Mindeststrafe das Auslangen zu finden sei.

 

I. 3. Die belangte Behörde hat die Beschwerde samt dem bezughabenden Verwaltungsakt mit Schreiben vom 22. Dezember 2015, eingelangt am 28. Dezember 2015, dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich zur Entscheidung vorgelegt. Es ist somit die Zuständigkeit des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in Verbindung mit § 3 VwGVG gegeben. Gemäß Art. 135 Abs. 1 1. Satz B-VG in Verbindung mit § 2 VwGVG entscheidet das Landesverwaltungsgericht durch die nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelrichterin.

 

I. 4. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat für 11. November 2016 eine mündliche Verhandlung anberaumt. Aufgrund eines Vertagungsantrages des Beschwerdeführers wurde die mündliche Verhandlung am 2. Dezember 2016 durchgeführt.

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat einen verkehrstechnischen Amtssachverständigen beigezogen, der neben dem Beschwerdeführer bei der mündlichen Verhandlung anwesend war.

 

In der mündlichen Verhandlung wurde vom Amtssachverständigen das Video der gegenständlichen Abstandsmessung mehrmals vorgeführt.

Daraufhin schränkte der Beschwerdeführer seine Beschwerde auf die Strafhöhe ein. Seine Rechtsvertretung verwies darauf, dass der Beschwerdeführer verwaltungsstrafrechtlich unbescholten sei. Er habe als jahrelanger Fahrlehrer beim Bundesheer eine gesetzeskonforme Fahrweise verinnerlicht. Aufgrund des geringen Verschuldens sei eine Ermahnung bzw. die Verhängung der Mindeststrafe von 72 Euro tat- und schuldangemessen.

 

 

II. 1. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den von der belangten Behörde zur Entscheidung übermittelten Verwaltungsakt und Durchführung einer mündlichen Verhandlung unter Beiziehung eines verkehrstechnischen Amtssachverständigen.

 

II. 2. Folgender entscheidungsrelevanter Sachverhalt gilt als erwiesen:

 

Der Beschwerdeführer ist am 6. Juni 2015 um 09:36 Uhr in Vorchdorf, A1, Richtung Salzburg, Straßenkilometer 210.420 als Lenker des Fahrzeuges mit dem amtlichen Kennzeichen x zu einem vor ihm am gleichen Fahrstreifen fahrenden Fahrzeug mit einem zeitlichen Abstand von 0,33 Sekunden gefahren.

 

Der Beschwerdeführer fuhr mit einer Geschwindigkeit von 110 km/h und hat einen Abstand von 10 Metern eingehalten.

 

Der Beschwerdeführer ist verwaltungsstrafrechtlich unbescholten.

 

II. 3. Das Nichteinhalten des erforderlichen Sicherheitsabstandes blieb aufgrund der Einsichtnahme in die von der Landesverkehrsabteilung Oberösterreich durchgeführte Videomessung im Rahmen der mündlichen Verhandlung nunmehr unbestritten.

 

 

III. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat erwogen:

 

III. 1. Die maßgeblichen Bestimmungen der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO 1960), BGBl. Nr. 159/1960 in der im Tatzeitpunkt geltenden Fassung lauten:

 

㤠18. Hintereinanderfahren

 

(1) Der Lenker eines Fahrzeuges hat stets einen solchen Abstand vom nächsten vor ihm fahrenden Fahrzeug einzuhalten, daß ihm jederzeit das rechtzeitige Anhalten möglich ist, auch wenn das vordere Fahrzeug plötzlich abgebremst  wird.

[...]

 

§ 99. Strafbestimmungen

 

[...]

(2c) Eine Verwaltungsübertretung begeht und ist mit einer Geldstrafe von 72 Euro bis 2 180 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe von 24 Stunden bis sechs Wochen, zu bestrafen, wer als Lenker eines Fahrzeuges

[...]

4. den erforderlichen Sicherheitsabstand zum nächsten vor ihm fahrenden Fahrzeug gemäß § 18 Abs. 1 nicht einhält, sofern der zeitliche Sicherheitsabstand 0,2 Sekunden oder mehr, aber weniger als 0,4 Sekunden beträgt

[...]“

 

III. 2. Die gegenwärtige Beschwerde richtet sich nunmehr ihrem Inhalt nach ausschließlich gegen die Höhe der verhängten Strafe. Der Schuldspruch des Straferkenntnisses ist daher mit Einschränkung der Beschwerde am 2. Dezember 2016 in Rechtskraft erwachsen. Das Landesverwaltungsgericht hat damit lediglich über das Strafausmaß eine Beschwerdeentscheidung zu treffen und es ist ihm verwehrt, sich inhaltlich mit der Entscheidung der belangten Behörde auseinanderzusetzen. Es bleibt damit nur zu prüfen, ob die Strafe nach den Kriterien des § 19 Verwaltungsstrafgesetz – VStG rechtmäßig bemessen wurde und ob allenfalls eine Herabsetzung der Geldstrafe – wie beantragt – in Betracht kommt.

 

III. 3. Gemäß § 19 VStG iVm § 38 VwGVG sind Grundlage für die Bemessung der Strafe die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

 

Gemäß § 42 VwGVG darf aufgrund einer vom Beschuldigten oder auf Grund einer zu seinen Gunsten erhobenen Beschwerde in einem Erkenntnis oder in einer Beschwerdevorentscheidung keine höhere Strafe verhängt werden als im angefochtenen Bescheid.

 

III. 4. Im vorliegenden Fall hat der vor dem Beschwerdeführer fahrende Lenker in keiner Weise ein den Sicherheitsabstand des Beschwerdeführers verkürzendes Fahrmanöver gesetzt. Vielmehr hielt der Beschwerdeführer über mehrere Sekunden hinweg, wie auf dem verfahrensgegenständlichen Video erkennbar, einen nicht gesetzesgemäßen Sicherheitsabstand eingehalten.

 

In seiner Entscheidung vom 26. September 2008, 2008/02/0143 sprach der VwGH aus, dass der Kfz-Lenker jedenfalls einen Abstand einhalten muss, der etwa der Länge des Reaktionsweges (Sekundenweges) entspricht, das sind in Metern drei Zehntel der Höhe der eingehaltenen Geschwindigkeit in km/h (vgl auch VwGH 18. Dezember 1997, 96/11/0035; 23. Oktober 1986, 86/02/0081).

 

Der Beschwerdeführer hat bei einer Geschwindigkeit von ca. 110 km/h einen Sicherheitsabstand zum vorausfahrenden Fahrzeug von ca. 10 Metern bzw. 0,33 Sekunden anstatt ca. 30 m bzw. 1 Sekunde eingehalten.

 

Von einem geringfügigen Verschulden kann nicht ausgegangen werden, weil weder hervorgekommen noch anzunehmen ist, dass die Vermeidung der gegenständlichen Verwaltungsübertretung eine besondere Aufmerksamkeit erfordert hat oder dass die Verwirklichung des Tatbestandes nur schwer hätte vermieden werden können. Jeder nachfolgende Lenker muss damit rechnen, dass aus Gründen der Verkehrssicherheit das Vorderfahrzeug auch rasch abgebremst werden muss. Dies hätte insbesondere dem Beschwerdeführer als ehemaliger langjähriger Fahrlehrer bewusst sein müssen. Ein Absehen von der Bestrafung und Erteilung einer Ermahnung im Sinne des § 45 Abs. 1 Z 4 VStG kommt daher nicht in Betracht. Die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat und das Verschulden des Beschwerdeführers sind nicht als gering zu werten.

 

Jedoch ist aus Sicht des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich der Milderungsgrund der verwaltungsrechtlichen Unbescholtenheit des Beschwerdeführers höhere Beachtung zu schenken. Ferner war der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung über sein Fehlverhalten - nach Einsicht in die Videomessung - sehr betroffen.

 

Aus dem Umstand, dass darüberhinaus keine besonderen mildernden Umstände hervorgekommen sind und eine sehr häufige Ursache von Verkehrsunfällen auf Autobahnen auf dichtes Auffahren zurückzuführen ist und somit auch aus       generalpräventiven Gründen, kam die Herabsetzung auf die Mindeststrafe nicht in Betracht.

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich erachtet die Verhängung einer Geldstrafe von 120 Euro als tat- und schuldangemessen sowie ausreichend, um den Beschwerdeführer künftig von weiteren einschlägigen Tatbegehungen abzuhalten und entsprechend darauf hinzuweisen, dass die Einhaltung eines ausreichenden Sicherheitsabstandes von wesentlicher Bedeutung ist.

 

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

IV. Zu den Kosten:

 

Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf die im Spruch angeführten gesetzlichen Bestimmungen.

 

 

V. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

H i n w e i s

Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen.

 

H i n w e i s

Bitte erachten Sie den von der belangten Behörde mit der angefochtenen Entscheidung übermittelten Zahlschein als hinfällig. Sie erhalten von der genannten Behörde einen aktualisierten Zahlschein zugesandt.

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Mag.a Ellmer