LVwG-650748/2/ZO/CG

Linz, 22.12.2016

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Mag. Zöbl über die Beschwerde des Herrn MMag. Dr. W L, geb. 1957, vom 24.10.2016, gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes des Bezirkes Gmunden vom 11.10.2016, GZ. BHGMVerk-2016-227202/9, wegen Entziehung der Lenkberechtigung,

zu Recht   e r k a n n t :

I.         Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos aufgehoben.

 

 

II.      Der Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung wird als unzulässig zurückgewiesen.

 

 

III. Der Antrag auf Kostenersatz wird als unzulässig zurückgewiesen.

 

 

IV. Gegen dieses Erkenntnis ist keine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof zulässig.

 

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

 

Zu I.:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Gmunden hat mit dem angefochtenen Bescheid dem Beschwerdeführer die Lenkberechtigung für die Klasse B für die Dauer von zwei Wochen, gerechnet ab Rechtskraft des Bescheides, entzogen. Der Beschwerdeführer wurde verpflichtet, den Führerschein unverzüglich nach Eintritt der Rechtskraft bei der Bezirkshauptmannschaft Gmunden abzuliefern.

 

Dieser Bescheid wurde zusammengefasst damit begründet, dass der Beschwerdeführer am 10.04.2016 um 14.48 Uhr einen näher genannten PKW auf einer deutschen Autobahn bei einer erlaubten Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h mit 121 km/h gelenkt hatte. Die Geschwindigkeitsüberschreitung sei mit einem technischen Hilfsmittel festgestellt worden und er sei wegen dieser rechtskräftig bestraft worden.

 

2. In der dagegen rechtzeitig eingebrachten Beschwerde führte der Beschwerdeführer zusammengefasst aus, dass ihm eine Frist zur Stellungnahme bis 19.10.2016 eingeräumt worden sei, die Behörde den Bescheid jedoch bereits vor Ablauf der Frist, nämlich am 11.10.2016, erlassen habe.

 

Der Beschwerdeführer verwies auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach § 26 FSG eine Spezialnorm zu dem in §§ 7, 24 und 25 geregelten System der Entziehung der Lenkberechtigung darstelle und zwar nicht nur hinsichtlich der Bemessung der Entziehungsdauer sondern auch durch die Anordnung, dass eine Entziehung erst ausgesprochen werden darf, wenn das Strafverfahren in erster Instanz durch Strafbescheid abgeschlossen ist. Mit der Formulierung „durch Strafbescheid“ habe der Gesetzgeber ganz offensichtlich an ein von österreichischen Behörden geführtes Strafverfahren angeknüpft (VwGH 23.05.2003, 2003/11/0128). Der Beschwerdeführer zitierte auch zwei gleichlautende Entscheidungen des UVS Oberösterreich sowie des UVS Steiermark.

 

Er habe in Österreich keine Geschwindigkeitsüberschreitung begangen und es liege kein von österreichischen Behörden geführtes Strafverfahren wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung in Österreich vor, weshalb der angefochtene Bescheid rechtswidrig und ersatzlos aufzuheben sei.

 

Der Beschwerdeführer beantragte weiters die Zuerkennung der (allenfalls erforderlichen) aufschiebenden Wirkung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über seine Beschwerde und den Ersatz aller ihm entstandenen Kosten und Gebühren.

 

3. Die belangte Behörde hat den Verwaltungsakt mit Schreiben vom 25.10.2016 dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich ohne Beschwerdevorentscheidung vorgelegt. Damit ergibt sich die Zuständigkeit des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich, welches durch den nach der Geschäftsverteilung zuständigen Einzelrichter entscheidet.

 

4. Das LVwG OÖ. hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt. Bereits aus diesem ergibt sich, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben ist, weshalb gemäß § 24 Abs. 2 Z. 1 VwGVG die Verhandlung entfällt.

 

4.1. Folgender Sachverhalt steht fest:

 

Der Beschwerdeführer hat am 10.04.2016 um 14.48 Uhr in Deutschland auf der A8 Ost in Fahrtrichtung Salzburg bei km 1,193 die zulässige Geschwindigkeit von 60 km/h um 61 km/h überschritten. Diese Geschwindigkeitsüberschreitung wurde durch ein nachfahrendes Polizeifahrzeug mittels Videoaufzeichnung festgestellt. Über den Beschwerdeführer wurde wegen dieses Vorfalles vom Bayerischen Polizeiverwaltungsamt eine Geldstrafe in Höhe von 465 Euro rechtskräftig verhängt. Weiters wurde ein Fahrverbot für die Dauer von 2 Monaten in Deutschland erlassen.

 

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde ihm die Lenkberechtigung für die Dauer von 2 Wochen, gerechnet ab Rechtskraft des Bescheides entzogen. Einer allfälligen Beschwerde gegen diesen Bescheid wurde die aufschiebende Wirkung nicht aberkannt.

 

5. Darüber hat das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich in rechtlicher Hinsicht Folgendes erwogen:

 

5.1. Gemäß § 26 Abs. 3 FSG hat im Fall der erstmaligen Begehung einer in § 7 Abs. 3 Z 4 genannten Übertretung, sofern die Übertretung nicht geeignet war, besonders gefährliche Verhältnisse herbeizuführen oder nicht mit besonderer Rücksichtslosigkeit gegenüber anderen Straßenbenützern begangen wurde (§ 7 Abs. 3 Z 3) oder auch eine Übertretung gemäß Abs. 1 oder 2 vorliegt, die Entziehungsdauer

1. zwei Wochen,

2. wenn die jeweils zulässige Höchstgeschwindigkeit im Ortsgebiet um mehr als 60 km/h oder außerhalb des Ortsgebietes um mehr als 70 km/h überschritten worden ist, sechs Wochen,

3. wenn die jeweils zulässige Höchstgeschwindigkeit im Ortsgebiet um mehr als 80 km/h oder außerhalb des Ortsgebietes um mehr als 90 km/h überschritten worden ist, drei Monate

zu betragen. Bei wiederholter Begehung einer derartigen Übertretung innerhalb von zwei Jahren hat die Entziehungsdauer, sofern in keinem Fall eine Qualifizierung im Sinne der Z. 2 oder 3 gegeben ist, sechs Wochen, sonst mindestens sechs Monate zu betragen. Eine nach Ablauf von zwei Jahren seit der letzten Übertretung begangene derartige Übertretung gilt als erstmalig begangen.

 

Gemäß § 7 Abs. 3 Z. 4 FSG hat als bestimmte Tatsache iSd Abs. 1 insbesondere zu gelten, wenn jemand die zulässige Höchstgeschwindigkeit im Ortsgebiet um mehr als 40 km/h oder außerhalb des Ortsgebietes um mehr als 50 km/h überschritten hat und diese Überschreitung mit einem technischen Hilfsmittel festgestellt wurde.

 

Gemäß § 26 Abs. 4 FSG darf eine Entziehung gemäß Abs. 3 erst ausgesprochen werden, wenn das Strafverfahren in erster Instanz durch Strafbescheid abgeschlossen ist. Bei erstmaligen Entziehungen gemäß Abs. 3 darf die Behörde keine begleitenden Maßnahmen anordnen, es sei denn, die Übertretung erfolgte durch einen Probeführerscheinbesitzer.

 

5.2. Der Beschwerdeführer hat zutreffend auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 23.05.2003, 2003/11/0128 hingewiesen, wonach die Formulierung „durch Strafbescheid“ in § 26 Abs. 4 FSG so zu verstehen ist, dass es sich dabei um einen Strafbescheid einer österreichischen Behörde handeln muss. Nach der Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtshofes bedeutet dies, dass die Entziehung der Lenkberechtigung wegen einer massiven Geschwindigkeitsüberschreitung (sofern es sich nicht um besonders gefährliche Verhältnisse handelt) nur dann zulässig ist, wenn diese in Österreich stattgefunden hat.

 

Entgegen der Ansicht der belangten Behörde kommt es nicht darauf an, ob für diese Geschwindigkeitsüberschreitung entsprechende Beweismittel oder eine rechtskräftige Bestrafung vorliegen, sondern der Verwaltungsgerichtshof stellt darauf ab, dass das Verwaltungsstrafverfahren von österreichischen Behörden geführt werden musste. Dies bedeutet im Ergebnis, dass eine Entziehung der Lenkberechtigung nur bei Geschwindigkeitsüberschreitungen in Österreich in Frage kommt.

 

Da der Beschwerdeführer die gegenständliche Geschwindigkeitsüberschreitung im Ausland begangen hat, war seiner Beschwerde stattzugeben und der angefochtene Bescheid aufzuheben.

 

Zu II.:

Gemäß § 13 Abs. 1 VwGVG haben rechtzeitig eingebrachte und zulässige Beschwerde aufschiebende Wirkung. Die Behörde hat einer Beschwerde gegen ihren Bescheid die aufschiebende Wirkung nicht aberkannt, weshalb dieser ex lege aufschiebende Wirkung zukam. Der Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung war daher als unzulässig zurückzuweisen.

 

Zu III.:

Das Verwaltungsverfahren ist vom Grundsatz getragen, dass jede Partei die ihr erwachsenden Kosten selbst zu tragen hat. Dies gilt gemäß § 17 VwGVG iVm § 74 Abs. 1 AVG auch für die Beschwerdegebühr. Der Antrag auf Zuerkennung dieser Kosten war daher ebenfalls als unzulässig zurückzuweisen.

 

 

Zu IV.:

Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des       Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der dargestellten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Entziehung der Lenkberechtigung bei Geschwindigkeitsüberschreitungen im Ausland ab, noch fehlt es an einer solchen. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

H i n w e i s

Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen.

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Mag.  Zöbl