LVwG-550883/33/Wg

Linz, 15.12.2016

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Mag. Weigl über die Beschwerde des Mag. Dr. P U, X, X, gegen den Bescheid der Bezirks­haupt­mannschaft Vöcklabruck vom 16. Februar 2016,
GZ: WR10-388-2015, betreffend wasserpolizeilichen Auftrag im Sinne des § 138 Abs. 1 Wasserrechtsgesetz (WRG) den

B E S C H L U S S

gefasst:

 

 

I.            Der Beschwerde wird stattgegeben. Der Bescheid der Bezirks-hauptmannschaft Vöcklabruck vom 16. Februar 2016,
GZ: 
WR10-388-2015, wird aufgehoben und die Angele­genheit wird zur Erlassung eines neuen Bescheides gemäß § 28 Abs. 3 Satz 2 VwGVG an die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck zurückver-wiesen.

 

 

II.         Gegen diese Entscheidung ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

1.1.      Aus Anlass von „Überflutungen im X-graben“ leitete die Bezirkshaupt­mannschaft Vöcklabruck (im Folgenden: belangte Behörde) im Jahr 2015 gegen mehrere Grundeigentümer – u.a. den Beschwerdeführer (Bf) - von Amts wegen wasserpolizeiliche Verfahren ein. Nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens trug die belangte Behörde dem Bf im bekämpften Bescheid gemäß § 138 Abs. 1 lit. a iVm § 38 WRG auf,

-      die bestehende Verrohrung (DN 300) des X-grabens auf dem Grund­stück Nr. X, KG W, beginnend beim „Absetzbecken“ verlaufend hangabwärts in westlicher Richtung bis zur östlichen Grundgrenze des Grundstückes Nr. X bis spätestens 31. August 2016 zu entfernen,

-      die bestehende „Verrohrung“ durch Eisenfässer auf dem Grundstück
Nr. X, KG W, bis spätestens 31. August 2016 zu entfernen,

-      das Betonrohr zur Einleitung des X-grabens in den X-see auf Grund­stück Nr. X, KG W, bis spätestens 31. August 2016 zu entfernen,

-      den X-graben in den oben angeführten Bereichen auf den Grundstücken Nr. X und X, beide KG W, in seinem natürlichen, ursprüng­lichen Verlauf in Breite und Tiefe wieder herzustellen (Sohlbreite mind. 50 cm, Böschungsneigung max. 1:1),

-      den Einlaufbereich des X-grabens in den X-see auf Grundstück
Nr. X, KG W, fachgerecht vor Erosion zu schützen und

-      die Durchführung der Behörde schriftlich unter Beilage von aussage­kräftigen Lichtbildern zu melden.

Gegen die Eigentümer weiterer Grundstücke ergingen im Wesentlichen gleich­lautende, gesonderte Bescheide, die sich ebenfalls auf die Entfernung von Verrohrungen beziehen.

 

1.2.      Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich verband die gegen diese Bescheide von W K, Dkfm. Dr. W M, Mag. Dr. P U, G R-P, A B, C M erhobenen Beschwerden zur gemeinsamen mündlichen Verhandlung (mV) am
27. Oktober 2016. Bürgermeister K G vertrat die Gemeinde X. Die Landesstraßenverwaltung entsendete keinen Vertreter. Die Beschwerdeführer (Bf) erschienen persönlich bzw. ließen sich vertreten. Anwe­send waren des Weiteren ein Amtssachverständiger (ASV) für Wasserbautechnik, Vertreter der belangten Behörde, des Wasserwirtschaftlichen Planungsorgans (WPLO) und der Wildbach- und Lawinenverbauung (WLV).

 

1.3.      Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat wie folgt Beweis erhoben: Akteninhalt (LVWG-550878, 550879, 550880, 550881, 550882, 550883, WR10-383, 384, 385, 387, 388-2015), Anhörung der Erschienenen, insbesondere die Angaben des ASV und des Vertreters der WLV.  Nachdem der Verhandlungsleiter die beabsichtigte Entscheidung vorläufig zur Diskussion gestellt hatte, verzichteten die Verfahrensparteien auf eine weitere Beweisauf­nahme durch das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Daraufhin verfügte der Verhandlungsleiter den Schluss der Beweisaufnahme und hatten die Verfah­rensparteien die Gelegenheit, ein Schlussvorbringen zu erstatten.

 

2.           Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens steht folgender Sachverhalt fest:

 

Der „X-grabenbach“ liegt ca. 500 m südlich des Ortszentrums von W am X-see, mündet in den X-see und liegt in der Gebietsbetreuung der WLV X in B. Der X-graben wird auch als „X-graben“ bezeichnet und ist ein Privatgewässer. Der Unterlauf des X-grabenbaches liegt laut Gefahrenzonenplan der WLV auf einer Länge von rd. 250 m in der „gelben Gefahrenzone“. Dem Landesver­waltungsgericht Oberösterreich liegen Orthofotos mit der Überschrift „Lageplan X-graben obere Verrohrung“ und ein Orthofoto „X-grabenbach untere Verrohrung“ vor. Auf diesen Orthofotos wurden die gegenständlichen Verrohrungen des X-grabenbaches von einem Vertreter des WPLO nach einer Begehung mit roter Farbe markiert (Erörterung Tonband­protokoll, Niederschrift vom 27. Mai 2015,  Orthofotos Beilagen zu den Stellung­nahmen des WPLO vom 12. Juli 2016, Stellungnahmen des WPLO vom 4. August 2016).

 

2.1.      Zum ersten Verrohrungsabschnitt (Grundstücke Nr. X, X, X, X, X):

 

Verrohrungen auf Grundstücken, die sich oberhalb des Grundstückes Nr. X befinden, wurden von der belangten Behörde nicht behandelt und sind damit nicht Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens. Mag. Dr. U ließ die Verrohrung auf dem in seinem Eigentum stehenden Grundstück
Nr. X mittlerweile bis auf einen etwa 1 m langen Abschnitt entfernen. Dieser kurze Verrohrungsabschnitt DN 300 auf Grundstück Nr. X (ca. 1 m) geht in das Grundstück Nr. X (Eigentümer: Dkfm. Dr. M) über und verläuft von dort auf Grundstück Nr. X (Miteigentümer: M, B), geht von dort als Betonrohr DN 400 ins öffentliche Gut der Gemeinde W (X, Grundstück Nr. X) über und läuft anschließend auf Grundstück Nr. X (Eigentümer: P) aus. Unstrittig ist, dass sich die Verrohrung auf den erwähnten Grundstücken befindet. Zur genauen Lage der Verrohrung vertraten die in der mV anwesenden bzw. vertretenen Eigentümer aber unterschiedliche Ansichten. Der genaue Verlauf steht nicht fest. Anzumerken ist, dass die belangte Behörde (nur) gegen die Eigentümer
Mag. Dr. U, Dkfm. Dr. M, M und B wasserpolizeiliche Aufträge erließ (Niederschrift 27. Mai 2015 ON 2, Bescheide ON 8 WR10-384-2015, ON 5
WR10-385-2015, ON 5 WR10-388-2015, Angaben R, Mag. Dr. U, Dkfm. Dr. M, Mag. S, Mag. E Tonbandprotokoll Beilage zu ON 31 LVwG-550878).

 

Für den Verrohrungsabschnitt auf Grundstücke Nr. X, X und X liegt keine wasserrechtliche Bewilligung vor. Dieser Verrohrungsabschnitt wurde nicht von den derzeitigen Grund­eigentümern errichtet, sondern nach dem Jahr 1960 von deren Rechtsvor­gängern errichtet (unstrittig, Tonbandprotokoll Beilage zu ON 31 LVwG-550878).

 

Folgende Erhaltungsmaßnahmen wurden und werden durch Mag. Dr. U teilweise mit Rechtsvorgängern der übrigen Eigentümer vorgenommen: Mag. Dr. U entfernte auf Grund des gegen ihn erlassenen wasser­polizeilichen Auftrages die Verrohrung auf Grundstück Nr. X bis auf 1 m vor der Grundgrenze mit Grundstück Nr. X. In einigem Abstand vor der Ver­rohrung wurde ein Rechen als Verklausungsschutz angebracht. Die Erhaltungsmaßnahmen werden von Herrn B sen. durchgeführt. B W - der Vater von C M und A B - ist für die Wartung dieses Rechens zuständig. Er entfernt die dort verklausten Gegen­stände. Er ist kein Adressat eines wasserpolizeilichen Auftrages, er wird lediglich auf fremdem Grund tätig. Im Auftrag der Grundeigentümer U und B (Eigentümer oberliegender, nicht verfahrensgegenständlicher Grund­stücke) führt B sen. hier die Wartungsarbeiten durch. Es steht nicht fest, dass die Grundeigentümer
Dkfm. Dr. M oder M/B an diesen Erhaltungsarbeiten mitwirken oder diese in Auftrag geben bzw. gegeben haben (Beilage 9 zur Niederschrift ON 31
LVwG-550878, Vereinbarung Beilage der Beschwerde WR10-384-2015, unstrittig).

 

Festzuhalten ist, dass sich über der Verrohrung auf dem Grundstück Nr. X teilweise eine asphaltierte Zufahrt befindet. Die Verrohrung auf Grundstück
Nr. X befindet sich im unmittelbaren Nahbereich des dort errichteten Wohn­gebäudes. Bei der baubehördlichen Bewilligung im Jahr 1976 wurde auf das Vorhandensein von Verrohrungen hingewiesen. Die Gemeinde hat aber in keinem baurechtlichen Bescheid die Verrohrung auf Grundstück Nr. X bewilligt. Im Rahmen des Bauverfahrens wurde durch eine Planänderung sichergestellt, dass es zu keiner Überbauung der Verrohrung kommt. Mit Schreiben vom 5. Novem­ber 1997 teilte die belangte Behörde W B unter Hinweis auf eine am
30. Oktober 1997 durchgeführte Amtshandlung mit, dass für die „Errichtung einer Garage im Bereich des X-grabens“ keine wasserrechtliche Bewilligung erforderlich ist, da sich bei der Verhandlung herausgestellt habe, dass die Garage nicht im unmittelbaren Hochwasserabflussbereich des X-grabens liege (Angaben Bürgermeister G, Beilage 8 zur Niederschrift ON 31 LVwG-550878, Stellung­nahme WPLO ON 15 LVwG-550881).

 

Es steht nicht fest, dass die bloße Entfernung der Verrohrung eine taugliche Maßnahme zur Verbesserung der Abflussverhältnisse darstellt. Aus Sicht der WLV wäre es jedenfalls erforderlich, hier gleichzeitig eine Hochwasserschutzanlage insoweit zu errichten, dass jedenfalls eine Grobsteinschlichtung und ähnliches zur wasserrechtlichen Bewilligung einzureichen wäre. Die Kosten schätzte der Vertre­ter der WLV mit ca. 20.000 Euro. Die im wasserpolizeilichen Auftrag enthaltene Anordnung, den X-graben in seinem natürlichen, ursprünglichen Verlauf in Breite und Tiefe wieder herzustellen, hielt der Vertreter der WLV aus wasser­bautechnischer Sicht hier für wenig sinnvoll. Es würde hier, sollte dieser Punkt umgesetzt werden, sofort wieder zu Erosionserscheinungen kommen. Ein Auftrag, den natürlichen ursprünglichen Verlauf herzustellen, stellt keine taug­liche Anordnung dar. Grundsätzlich ist die Öffnung des Grabens sehr wohl sinn­voll und zielführend, jedoch müssten gleichzeitig erosionssichernde Maßnahmen hergestellt werden. Konkret würde der zum Zeitpunkt der mV bestehende Zustand, ohne Wartung des Rechens, keinesfalls einen hochwassersicheren Zustand gewährleisten, da es nach einer Verklausung zu einem oberflächigen Abfluss der Wässer kommt. Wichtig wäre hier insbesondere ein Gesamtkonzept, das auch die Verrohrung unter den öffentlichen Straßen (insbesondere Grundstück Nr. X) erfasst. Eine Situation, in der die Verrohrungen auf Privat­grund entfernt werden und anschließend ungesichert der öffentliche Straßen­körper der Erosion durch Wässer ausgesetzt ist, ist nicht zielführend (Angaben Dipl.-Ing. L, Tonbandprotokoll Beilage zu ON 31 LVwG-550878).

 

Würde man die auf Grundstück Nr. X (M, B) beste­hende Verrohung entfernen, müsste aus Sicht der Verkehrssicherheit das auf dem Grundstück Nr. X an der südwestlichen Grundstücksgrenze bestehende Schachtbauwerk erhalten bleiben. Dieses Bauwerk ist erforderlich, um eine ordnungsgemäße Ableitung der Wässer aus dem X-graben in die Rohrleitung im X, Grundstück Nr. X, zu gewährleisten (Stellungnahme Gemeinde W ON 26 LVwG-550878).

 

Im Ergebnis steht fest, dass punktuelle Maßnahmen aus wasserbautechnischer Sicht nicht sinnvoll sind. Es steht nicht fest, dass die den Grundeigentümern
Mag. Dr. U, Dkfm. Dr. M, M und B erteil­ten Aufträge, die auf ihren Grundstücken befindlichen Teile des ersten Verrohrungsabschnittes zu entfernen und den X-graben in seinem natürlichen, ursprünglichen Verlauf in Breite und Tiefe wieder herzustellen, zu einer Verbesserung der Hochwasserabflussverhältnisse führen werden. Es steht nicht fest, worin der Vorteil bzw. die Verbesserung der IST-Situation bestehen würde, wenn man diese Verrohrung entfernen würde. Es ist sogar möglich, dass es zu Erosionserscheinungen und einer Verschlechterung der Abflussverhältnisse für Dritte, insbesondere das öffentliche Straßengut, kommen wird. Weiters steht nicht fest, welche Auswirkungen die Entfernung der Verrohrung auf die Zufahrt und Erschließung des Grundstückes Nr. X sowie auf das Wohnobjekt (Grundstück Nr. X) hat (Akteninhalt). 

 

2.2.      Zu den zwei weiteren als rote Striche im Lageplan „X-graben obere Verrohrung“ eingezeichneten Verrohrungen:

 

Der erste kurze rote Strich befindet sich nicht auf Grundstück Nr. X und ist nicht Gegenstand eines wasserpolizeilichen Auftrages. Bezüglich dem zweiten roten Strich (Grundstück Nr. X, Eigentümer Mag. Dr. U) ist fest­zu­halten, dass sich dieser Verrohrungsabschnitt teilweise auf dem Grundstück des Herrn E auf Grundstück Nr. X befindet und daher teilweise als Miteigentum des Herrn E anzusehen ist. Diese Verrohrung wurde in den 50er- Jahren vom Vater des Herrn E verlegt. Es liegt keine wasserrechtliche Bewilligung vor. Seither hat sich an diesen Verrohrungen nichts geändert. Die Herren U und E bestreiten, hinsichtlich dieses Abschnittes Erhal­tungsmaßnahmen gesetzt zu haben. Es steht nicht fest, dass sie Erhaltungs­maßnahmen gesetzt haben. Es steht auch nicht fest, dass sie diese Verrohrung in irgendeiner Weise nutzen würden. Sie sind grundsätzlich mit der Entfernung dieser Verrohrung einverstanden. Im Ergebnis steht fest, dass punktuelle Maß­nah­men aus wasserbautechnischer Sicht nicht sinnvoll sind. Es steht nicht fest, welche positiven Auswirkungen auf den Hochwasserabfluss die Beseitigung dieses Verrohrungsabschnittes haben würde (Angaben E und U, Angaben Dipl.-Ing. L, Angaben ASV Ing. M, Tonbandprotokoll über die mV).

 

2.3.      Zum Verrohrungsabschnitt laut Orthofoto „X-grabenbach untere Ver­rohrung“:

 

Auf Grundstück Nr. X, KG W (R-P, K) beginnt der „untere Verrohrungsabschnitt“ (Betonverrohrung DN 500 mit Einlaufbauwerk). Die Verrohrung ist mit einer befestigten (Betonsteine) Zufahrt überbaut (Nieder­schrift ON 2 Behördenakt, Erörterung Tonbandprotokoll).

 

Gegen die Miteigentümer R-P und K wurden jeweils gesonderte wasserpolizeiliche Bescheide erlassen. Im an G R-P adressierten wasserpolizeilichen Auftrag (WR10-387-2015) ist insoweit eine unrichtige Angabe enthalten, als das dort genannte Grundstück Nr. X nicht betroffen ist. Dies wird auch so in einem Schreiben des WPLO festgehalten. Als Miteigentum ist nur das Grundstück Nr. X betroffen. Das im Bescheid WR10-387-2015 ange­führte Grundstück Nr. X ist nicht existent (Bescheide ON 6 WR10-387-2015, ON 5 WR10-383-2015).

 

Das auf Grundstück Nr. X befindliche Gebäude (R-P, K) wurde im Jahr 1890 errichtet. Die gegenständliche Verrohrung wurde in den 1920er-Jahren und nicht später errichtet. Die Überbauung mit Parkplatz und Zufahrt in der jetzt vorhandenen Form wurde vor ca. 8 Jahren errichtet. Nach Ansicht der Miteigentümer wurde dabei auf die Verrohrung kein Einfluss genom­men. Es steht nicht fest, dass die Miteigentümer an der Verrohrung Erhaltungs­maßnahmen durchgeführt haben (Angaben R, Tonbandprotokoll, Foto Beilage 10 zur Niederschrift).

 

Für die Verrohrung auf Grundstück Nr. X liegen keine wasserrechtlichen Bewilligungen vor (Akteninhalt).

 

Die Verrohrung DN 500 auf Grundstück Nr. X geht in eine Verrohrung
DN 400 auf Grundstück Nr. X (L O, B X) über. Die Landesstraßenverwaltung entsendete zwar keinen Vertreter zur mV, wies aber schriftlich darauf hin, dass bei Erlassung eines Beseitigungsauftrages für die Verrohrung auf dem Grundstück Nr. X Nachteile für die Landesstraße - speziell bei Starkregenereignissen - zu erwarten sind. Bei Starkregenereignissen wird dieses Gerinne auch Geschiebe mitführen und dieses Geschiebe wird dann den Rohreinlauf an der B X verlegen und die Landesstraße vermuren. Zur Minimierung der Nachteile müsste aus Sicht der Landesstraßenverwaltung ein Einlaufbauwerk neben der Landesstraße errichtet werden und wäre auf Grund der beengten Platzverhältnisse die Situierung eines solchen Einlaufbauwerkes nur auf dem privaten Grundstück Nr. X möglich (Stellungnahme Landesstraßenver­waltung ON 23 LVwG-550878).

 

Die Herstellung eines offenen Gerinnes auf Grundstück Nr. X ist aus wasserbautechnischer Sicht jedenfalls nur unter gleichzeitiger Herstellung einer entsprechenden Maßnahme im öffentlichen Straßengut, wie beispielsweise eine entsprechende Brücke oder ähnliches, sinnvoll (Angaben Dipl.-Ing. L und Ing. M, Tonbandprotokoll).

 

Unmittelbar anschließend an das öffentliche Straßengut geht die Verrohrung auf Grundstück Nr. X (Mag. Dr. U) über, wo sie einen Durch­messer DN 500 aufweist. Der Verrohrungsabschnitt auf Grundstück Nr. X ist nicht vom wasserpolizeilichen Auftrag WR10-388-2015 erfasst (Bescheid WR10-388-2015, Angaben U Tonbandprotokoll).

 

An diese Verrohrung schließt ein ca. 6 m langer offener Graben an. Anschließend befindet sich auf Grundstück Nr. X (Mag. Dr. U) eine Ver­rohrung DN 500. Diese Verrohrung wurde vom Voreigentümer in den Jahren 1965 bzw. 1966 errichtet. Es besteht hier ein Zusammenhang mit dem Badeplatz und den dort befindlichen Kabinen. Der Badeplatz befindet sich auf diesen beiden Grundstücken Nr. X und X. Wasserrechtliche Bewilligungen für diese Grundstücke des Mag. Dr. U liegen in den Verfahrensakten nicht auf. Mag. Dr. U geht davon aus, dass hier keine wasserrechtliche Bewilligung erforderlich war. Unter Umständen sind die Gemeinde und der damalige Eigentümer davon ausgegangen, dass für diese Verrohrung keine wasserrechtliche Bewilligung erforderlich war. Es steht nicht fest, dass Mag. Dr. U an dieser Verrohrung eine Veränderung durch­geführt hat. Er ist seit der Übergabe vor etwa 20 Jahren Eigentümer dieses bzw. dieser beiden Grundstücke. Über der Verrohrung befindet sich eine Wiese (Badeplatz). Diese Wiese wird als Badeplatz für die Gäste des Gästehauses des Mag. Dr. U genutzt. Sollte hier tatsächlich eine Öffnung des Grabens und eine Wiederherstellung des ursprünglichen Verlaufs angeordnet werden bzw. umgesetzt werden müssen, wäre die Entfernung des Kabinentraktes erforderlich. Mag. Dr. U sieht sein Grundeigentum und seine wirtschaftlichen Interessen am Betrieb des Badeplatzes dadurch massivst beeinträchtigt. Seit Errichtung dieser Verrohrung wird dieses Grundstück bzw. diese beiden Grund­stücke werden als Badeplatz genutzt. Es steht nicht fest, dass Mag. Dr. U Erhaltungsmaßnahmen an dieser Verrohrung durchgeführt hat bzw. durchführt (Angaben Mag. Dr. U Tonbandprotokoll).

 

Es steht nicht fest, worin der Vorteil bzw. die Verbesserung der IST-Situation bestehen würde, wenn man diese Verrohrung entfernen würde. Ohne Lokal­augen­schein und ohne anschließende gutachtliche Beurteilung kann dazu aus wasserbautechnischer Sicht keine Aussage getroffen werden (Angaben
Dipl.-Ing. L Tonbandprotokoll). 

 

2.4.      Zusammenfassend steht fest:

 

2.4.1. Aus wasserbautechnischer Sicht ist ein Gesamtkonzept für den gesamten X-graben zu fordern. Dies beginnt mit der Verrohrung auf Grundstück
Nr. X, übergehend Grundeigentum Dkfm. Dr. M etc. Dieses Gesamt­konzept sollte hier die einzelnen Verrohrungen, wie sie eben auf den beiden Orthofotos oberer X-grabenbach und untere Verrohrung eingezeichnet sind, erfassen. Punktuelle und singuläre Maßnahmen sind nicht zielführend (Akten­inhalt, Angaben ASV
Ing. M Tonbandprotokoll).

 

2.4.2. Zur Abgrenzung zwischen Schutz- und Regulierungswasserbau im Sinne des § 41 WRG und Anlage im Sinne des § 38 WRG: 

 

-      Das Hochwasserabflussgebiet 30-jährlicher Hochwässer des X-graben­baches steht nicht fest.

 

-      Es steht nicht fest, ob die Verrohrungen im Zeitpunkt ihrer Errichtung zumindest die jährliche Regelwasserführung aufnehmen konnten.

(Akteninhalt, Stellungnahmen WPLO vom 12. Juli 2016)

 

2.4.3. Zum Thema Hochwasser und Feststofftransport:

 

-      Es steht nicht fest, wie sich die Abflussverhältnisse vor Errichtung der gegenständlichen Verrohrungen gestalteten.

 

-      Es steht nicht fest, ob und inwieweit die gegenständlichen Verrohrungen das natürliche Abflussgeschehen und den Feststofftransport des X-grabenbaches, insbesondere bei 1-, 10-, 30- und 100-jährlichen Hoch­wasserereignissen, für Ober- und Unterlieger nachteilig beeinflussen.

 

-      Es steht nicht fest, ob bzw. ab welcher Wasserführung des X-grabenbaches bei den jeweiligen Verrohrungsabschnitten eine Verklau­sungsgefahr besteht und wie oft Verklausungen und Überflutungen von Gebäuden und sonstigen Anlagen und Grundstücken in den letzten 5-10 Jahren aufgetreten sind.

(Akteninhalt, Stellungnahmen WPLO vom 12. Juli 2016)

 

2.4.4. Zum Thema Gefahr für Leib und Leben, Schadenspotenzial:

 

-      Es steht nicht fest, ob durch die gegenständlichen Verrohrungen am X-grabenbach bei 1-, 10-, 30- oder 100-jährlichem Ereignis eine Ver­änderung der Abflussverhältnisse eintritt, die auch Gefahr für Leib und Leben oder für die Gesundheit von Personen darstellt.

 

-      Es steht nicht fest, ob und in welchem Ausmaß durch eine Veränderung der Abflussverhältnisse das Schadenspotenzial (in Euro) bei den Ober- und Unterliegern bei Hochwässern 1-, 10-, 30-, 100-jährliches Ereignis anzu­nehmen ist.

 

-      Es steht nicht fest, in welchem Verhältnis das Schadenspotenzial zu den Kosten der Entfernung der Verrohrung und Wiederherstellung eines offenen Gerinnes steht.

(Akteninhalt, Stellungnahmen WPLO vom 12. Juli 2016)

 

2.4.5. Zum Thema Gewässerökologie:

 

-      Es steht nicht fest, ob der X-grabenbach ein Gewässer im Sinne der Biologie ist.

 

-      Es steht nicht fest, ob die gegenständlichen Verrohrungen mit den Umweltzielen nach EU-WRRL (guter ökologischer Zustand) vereinbar bzw. dadurch eingetretene Veränderungen aus ökologischer Sicht wasser­rechtlich nachträglich bewilligungsfähig sind.

 

-      Es steht nicht fest, ob durch die gegenständlichen Verrohrungen am X-grabenbach ein schädlicher Einfluss auf den vorigen Lauf, Gefälle, Ufer und ökologische Durchgängigkeit des Gewässers (für Fische und Makro­zoobenthos) besteht.

(Akteninhalt, Stellungnahmen WPLO vom 12. Juli 2016)

 

2.4.6. Zum Thema Nutzung, Erhaltung, Wartung und Vorteile:

 

-      Es steht nicht fest, in welchem Umfang die Verrohrungen für die Nutzung der Grundstücke  (als Zufahrt, Parkplatz, zu Wohnzwecken, Bewirtschaf­tung, Hochwasserentlastung) erforderlich sind und die Grundstücks­eigen­tümer dadurch Vorteile haben.

 

-      Es steht nicht fest, ob - abgesehen von den oben beschriebenen Maßnahmen des Mag. Dr. U - die derzeitigen Grundstücks­eigen­tümer Erhaltungs- und Wartungsmaßnahmen an den Verrohrungen gesetzt haben.

 

-      Es steht nicht fest, ob und welche Erhaltungsmaßnahmen aus wasser­bautechnischer Sicht für die Wartung der Verrohrungen erforderlich sind.

(Akteninhalt, Stellungnahmen WPLO vom 12. Juli 2016)

 

3.       Beweiswürdigung:

 

In der Sache selbst (2.) stützen sich die Feststellungen auf die in Klammer angegebenen Beweismittel. Das maßgebliche Beweismittel im behördlichen Verfahren bildete die in der Niederschrift vom 27. Mai 2015 enthaltene Beschrei­bung des „Sachverhaltes“ durch ASV Ing. M. Im Beschwerdeverfahren holte das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich Stellungnahmen der Bf, der Gemeinde W, der Landesstraßenverwaltung und des WPLO (vom 3. Juni 2016,
12. Juli 2016, 4. August 2016, 4. Oktober 2016) ein.

 

3.1.      Zum ersten Verrohrungsabschnitt (2.1.):

 

Der zum Zeitpunkt der mV vorzufindende IST-Zustand war - abgesehen vom genauen Verlauf des ersten Verrohrungsabschnittes - unstrittig. Der erste Verrohrungsabschnitt (2.1.) wurde nach den unstrittigen und auch nicht weiter zu bezweifelnden Parteiangaben nach dem Jahr 1960 errichtet. Im Akt befinden sich keine wasserrechtlichen Bewilligungen für die hier maßgeblichen Grund­stücke Nr. X, X und X. Es wurde auch nicht konkret behaup­tet, dass wasserrechtliche Bewilligungen vorliegen würden. Die Grundeigentümer wiesen zurück, die Verrohrungen errichtet zu haben, diese seien von den Vor­eigentümern errichtet worden. Diese Angaben sind glaubwürdig und werden daher den Feststellungen zu Grunde gelegt. Die belangte Behörde hat Gegen­teiliges nicht behauptet.

 

Auch zu allfälligen Erhaltungsmaßnahmen fand eine Beweisaufnahme statt.
Mag. Dr. U räumte ein, die auf seinem Grundstück Nr. X befindliche Verrohrung bis auf 1 m vor der Grundgrenze mit dem Grundstück Dkfm. Dr. M entfernt zu haben, was durch ein Lichtbild und die Angaben des WPLO belegt ist. Darüber hinaus würde B sen. über seinen und den Auftrag des Herrn B (Oberlieger) einen Rechen warten. Der Rechen befindet sich in einem gewissen Abstand zum Beginn der Verrohrung (Lichtbild Beilage 9 der Niederschrift). Mag. Dr. U hielt fest, dass andere Grundeigentümer - so insbesondere Dkfm. Dr. M wie auch M/B - nicht in die Erhaltungsarbeiten (Wartung Verklausungs­schutz) eingebunden seien. Diesen Ausführungen wurde seitens der belangten Behörde nicht widersprochen. Es steht jedenfalls nicht fest, dass Dkfm. Dr. M und B/M konkrete Erhaltungsmaß­nahmen durchführen würden oder diese in Auftrag geben würden bzw. gegeben haben. Es besteht aber insoweit ein anlagenbezogener Konnex, soll der Rechen doch eine Verklausung der Verrohrung verhindern. Konkret würde der zum Zeitpunkt der mV bestehende Zustand, ohne Wartung des Rechens, keinesfalls einen hochwassersicheren Zustand gewährleisten, da es - wie
Dipl.-Ing. L (WLV) schlüssig und nachvollziehbar ausführte - nach einer Verklausung zu einem oberflächigen Abfluss der Wässer kommt.

 

Die Umsetzung der den Grundeigentümern Mag. Dr. U (verbliebener  Verrohrungsabschnitt von 1 m Länge), Dkfm. Dr. M und M/B  aufgetragenen Maßnahmen würde die Gemeindestraße X gefährden. Dies steht auf Grund der schlüssigen Angaben des Dipl.-Ing. L (WLV) fest. ASV Ing. M bestätigte, dass punktuelle Maßnah­men nicht sinnvoll sind, sondern aus wasserbautechnischer Sicht ein Gesamtkonzept zu fordern ist. Die Gemeinde forderte insoweit die Erhaltung eines bestehenden Schachtbauwerkes. Es ist nachvollziehbar und schlüssig, dass ein solches Schachtbauwerk zur Gewährleistung der Verkehrssicherheit erforderlich ist. Welche Verbesserung mit der bloßen Beseitigung einzelner Verrohrungsabschnitte verbunden wäre, ist nicht ersichtlich. Auch steht nicht fest, welche Auswirkungen die Entfernung auf das Grundstück Dkfm. Dr. M und M/B haben würde.

 

3.2.      Zu den weiteren „zwei roten“ Strichen im Lageplan „obere Verrohrung“ (2.2.):

 

Im Lageplan „obere Verrohrung“ sind noch zwei „kurze rote Striche“ eingetragen (2.2.). Es handelt sich dabei um zwei kurze Verrohrungsabschnitte, wobei aber nur der zweite von einem wasserpolizeilichen Auftrag (Mag. Dr. U) erfasst ist. In der mV ergab sich insoweit auf Grund der übereinstimmenden Angaben des Herrn E, dass diese Verrohrung auch sein Grundstück berührt, er mit der Entfernung aber grundsätzlich einverstanden ist. Die Verrohrung wurde unbestritten - wie auf Grund der glaubwürdigen Angaben der Grund­eigentümer E und U feststeht - von einem Rechtsvorgänger in den 50er-Jahren errichtet. Es steht nicht fest, dass die Grundeigentümer E oder U Erhaltungsmaßnahmen gesetzt hätten. Mag. Dr. U wäre mit einem eingeschränkten - auf diese Verrohrung beschränkten - wasserpolizeilichen Auftrag einverstanden, was nach Ansicht des Dipl.-Ing. L durchaus sinnvoll wäre. Anzumerken ist, dass laut Angaben des wasserbautechnischen ASV Ing. M punktuelle Maßnahmen wenig sinnvoll sind. Ob und welche positiven Auswirkungen die Beseitigung dieser Verrohrung auf den Abfluss von Hochwässern des X-grabenbaches hat, steht nicht fest.

 

3.3.      Zur „unteren Verrohrung“ (2.3.):

 

Zur unteren Verrohrung (2.3.) ist festzuhalten, dass das Gebäude R-P/K den glaubwürdigen Angaben des Parteivertreters zufolge im Jahr 1890 errichtet wurde. Die auf diesem Grundstück befindliche Verrohrung wurde in den 1920er-Jahren errichtet und geht in die öffentliche Straße (B X) über und läuft anschließend auf dem Grundstück Mag. Dr. U aus. Der Parteivertreter (K, R-P) bestritt, dass die Miteigentümer Erhaltungsmaßnahmen gesetzt haben. Mangels entsprechender Beweismittel steht jedenfalls nicht fest, dass sie Erhaltungsmaßnahmen gesetzt haben. In der Beschwerde des Walter K wird ausgeführt, es sei seit den 50er-Jahren des 20. Jahrhunderts für das Wohnhaus mit insgesamt drei Wohneinheiten ein PKW-Abstellplatz eingerichtet. Unbestritten blieb letztlich die Angabe des Partei­vertreters, dass der über der Verrohrung errichtete Parkplatz vor wenigen Jahren errichtet worden war. Im Akt befinden sich für die von den wasserpolizeilichen Aufträgen erfassten Grundstücke des Mag. Dr. U und der Miteigentümer R-P/K keine wasserrechtlichen Bewilli­gungen.

 

3.4.      Zusammenfassung (2.4.):

 

Ob die Verrohrungen zumindest die jährliche Regelwasserführung aufnehmen können, steht mangels entsprechender Beweismittel nicht fest. Laut den schlüssigen Angaben des ASV Ing. M sind punktuelle Maßnahmen nicht sinnvoll, sondern ist aus wasserbautechnischer Sicht ein Gesamtkonzept zu fordern. Zu den in der Stellungnahme des WPLO vom 12. Juli 2016 aufgezeigten Beweisthemen konnten mangels ausreichender Beweismittel keine Feststellungen getroffen werden. Das WPLO folgerte aus der im Behördenakt befindlichen Niederschrift vom 27. Mai 2015 und einer Stellungnahme der WLV vom
9. Mai 1997, dass die zahlreichen, diversen, angeblich in den 70er-Jahren errichteten Verrohrungen am X-grabenbach das Abflussgeschehen und den Feststofftransport (Geschiebe und Treibgut) für den bebauten Unterlauf am X-grabenbach negativ beeinflussen würden. So wird in der Beschwerde des W K bestritten, dass die gegenständliche Verrohrung auf seinem Grundstück Überflutungen verursachen würde. Es konnten nach den vorhan­denen Beweismitteln zu diesen Beweisthemen keine Feststellungen getroffen werden.

 

4.       Rechtliche Beurteilung:

 

4.1.      Zur Abgrenzung zwischen Schutz- und Regulierungswasserbauten im Sinne des § 41 WRG und Anlagen im Abflussbereich 30-jährlicher Hochwässer im Sinne des § 38 WRG:

 

Die belangte Behörde subsumierte die Verrohrungen unter den Tatbestand des
§ 38 WRG (Anlage im Abflussbereich 30-jährlicher Hochwässer). Das WPLO thematisierte in den Stellungnahmen vom 12. Juli 2016 die Abgrenzung zu § 41 WRG.

 

Der Bewilligungstatbestand des § 41 Abs. 1 WRG geht der subsidiär formulierten Bewilligungsvorschrift des § 38 Abs. 1 WRG vor. Anders als Schutz- und Regulierungswasserbauten dienen Anlagen nach § 38 WRG weder dem Schutz vor dem Wasser noch der Lenkung des Wassers. Der Zweck allein ist aber dafür bestimmend, ob eine Anlage als Schutzbau bzw. Regulierungsbau im Sinne des
§ 41 WRG oder nur als besondere Herstellung im Sinne des § 38 WRG zu beur­teilen ist (VwGH 16.11.1961, Slg 5663). Unter Schutz- und Regulierungsbauten sind alle wasserbaulichen Maßnahmen (Bauten und Vorrichtungen) zu verstehen, deren ausschließliche oder hauptsächliche Aufgabe es ist, das Gerinne eines Gewässers zur Abwehr seiner schädlichen Wirkungen zu beeinflussen, die Ufer zu festigen und das anliegende Gelände vor Überflutungen oder Vermurungen zu bewahren (z.B. HW-Dämme, Uferbauten, Durchstiche, Begradigungen, Verbreite­rungen, Einschränkungen, sowie alle Maßnahmen zur Sicherung der Sohle des Wasserlaufes; Oberleitner/Berger, WRG-ON 1.04 § 41 RZ 3). Daher ist eine Verrohrung, die ein fließendes Gewässer zur Gänze einschließlich des allfälligen Hochwassers aufnimmt und fortleitet, keine Anlage nach § 38 WRG, sondern ein Schutz- und Regulierungswasserbau gemäß § 41 WRG (VwGH 12.12.1989, 88/07/0010, vgl. Oberleitner/Berger, WRG-ON 1.04 § 38 RZ 19). Dies gilt aber nur, wenn die Verrohrung das gesamte Gewässer, zumindest aber die jährliche Regelwasserführung, aufnehmen kann; andernfalls handelt es sich um eine Anlage nach § 38 WRG. Auch die Verrohrung eines fließenden Gewässers nur auf einer Teilstrecke, wenn dabei das ganze Wasser in die Rohrleitung aufgenommen wird, unterfällt § 41 WRG (Oberleitner/Berger, WRG-ON 1.04 § 41 RZ 4).

 

Je nachdem, ob eine Anlage der Bestimmung des § 38 WRG oder des § 41 WRG unterliegt, ist zu unterscheiden,

-              nach welchen Kriterien die Bewilligungspflicht zu beurteilen ist:

o   Während die Bewilligungspflicht nach § 38 WRG auf den Abflussbereich 30-jährlicher Hochwässer abstellt, kommt es Regulierungswasser­bau­ten in Privatgewässern im Sinne des § 41 Abs. 2 WRG - sieht man von Maßnahmen des passiven Hochwasserschutzes ab - auf die Möglichkeit einer Einwirkung auf „fremde Rechte oder auf die Beschaffenheit, den Lauf oder die Höhe des Wassers in öffentlichen oder fremden privaten Gewässern“ an.

-              ob eine Bewilligungsfreistellung vorliegt:

o   Bei Altbeständen: Die im Zeitpunkt des Inkrafttretens des § 34
BWRG 1934 (1.11.1934) bereits bestandenen baulichen Anlagen der in § 38 bezeichneten Art bedürfen keiner nachträglichen wasser­recht­lichen Bewilligung nach § 38 WRG 1959. Ihre Beseitigung kann daher nicht unter dem Titel des § 138 Abs. 1 lit. a gefordert werden (VwGH
8.2.1974, 1353/73, Slg 8551; vgl. Oberleitner/Berger, WRG-ON 1.04
§ 38 RZ 22). Bis zum BWRG 1934 bedurften auch staatliche Schutz­wasser­bauten einschließlich jener der WLV keiner wasserrechtsbe­hördlichen Bewilligung (Oberleitner/Berger, WRG-ON 1.04 § 41 RZ 1).

o   Anwendung des § 41 Abs. 3 WRG: Aus der geschichtlichen Entwicklung (vgl. § 41 und 42 ReichswasserG 1869 und § 37 WRG 1934) des § 41 Abs. 3 WRG 1959 ergibt sich ihre enge Verknüpfung mit der Befugnis des Eigentümers nach § 413 ABGB. Geht es dort um das aus dem Eigentumsrecht erfließende Recht, Maßnahmen zu setzen, um das Ufer gegen das Ausreißen des Flusses zu befestigen, so findet dies im § 41 Abs. 3 erster Satz WRG 1959 in der dort normierten bewilligungsfreien Befugnis des Eigentümers zur Verkleidung des Ufers seine Ent­sprechung. Nur solche, nach § 413 ABGB dem Eigentümer zustehenden uferschützenden Tätigkeiten sollen in der Regel keiner Bewilligungs­pflicht nach dem WRG 1959 unterliegen. Maßnahmen hingegen („Werke und Pflanzungen“), die den ordentlichen Lauf des Flusses veränderten oder die der Schifffahrt, den Mühlen, der Fischerei oder anderen fremden Rechten nachteilig werden könnten, sind durch § 413 ABGB nicht gedeckt; die Bewilligungsfreiheit des § 41 Abs. 3 WRG 1959 soll ihnen demnach nicht zu Gute kommen. § 41 Abs. 3 WRG 1959 spricht von „Stein,- Holz- oder anderen Verkleidungen“ zum Schutz und zur Sicherung des Ufers. Dabei kann es - vor dem Hintergrund des historischen Verständnisses und des Bezugs zum ABGB - nur um eine Befestigung des Ufers in Form einer Verkleidung gegen das Ausreißen des Flusses, nicht aber um eine Maßnahme gehen, mit der auch darüber hinausgehende Effekte erreicht werden, wie zum Beispiel eine Veränderung des Flusslaufes oder eine relevante Erhöhung des Uferbords (vgl. VwGH 24.5.2016, Ro 2016/07/0003).

-              und nach welchen Kriterien die Bewilligungsfähigkeit einer bewilligungs­pflichtigen Maßnahme zu beurteilen ist:

o   ob (mögliche negative) Auswirkungen auf die Abflussverhältnisse bis zu 30-jährlicher (§ 38 WRG) oder darüber hinausgehender Hochwasser­ereignisse (§ 41 WRG) maßgeblich sein können

o   ob die Beeinträchtigung fremder Rechte die Versagung der Bewilligung (§ 38 WRG) nach sich zieht oder die Bewilligung unter Einräumung eines Zwangsrechts (§ 41 WRG iVm § 63 WRG) möglich ist.

 

4.2.      Zur Bestimmung des § 138 Abs. 1 WRG:

 

Für das Vorliegen einer eigenmächtigen Neuerung nach § 138 WRG 1959 kommt es lediglich darauf an, ob eine Maßnahme wasserrechtlich bewilligungspflichtig war und sie ohne Vorliegen einer solchen wasserrechtlichen Bewilligung gesetzt wurde (VwGH 25.6.2015, Ro 2015/07/0007). Ein wasserpolizeilicher Auftrag nach § 138 Abs. 1 lit. a WRG 1959 kann entweder aus öffentlichen Interessen von Amts wegen oder auf Verlangen eines Betroffenen nach § 138 Abs. 6
WRG 1959 erlassen werden (VwGH 26.5.2011, 2010/07/0068). Ein Auftrag nach § 138 Abs. 2 WRG 1959 darf dagegen nur dann er­gehen, wenn die Beseitigung, Nachholung oder Sicherung weder vom öffent­lichen Interesse geboten noch von einem in seinen Rechten Beeinträchtigten verlangt wird (VwGH 23.10.2014,
Ro 2014/07/0086).

 

Adressat eines Auftrages gemäß § 138 Abs. 1 WRG 1959 ist derjenige, der eigenmächtig eine Neuerung - also eine mit dem WRG 1959 unvereinbare oder eine wasserrechtlich bewilligungspflichtige, aber konsenslose oder konsensüber­schreitende Maßnahme oder Veränderung - vorgenommen (oder eine ihn treffende Leistung bzw. Arbeit) unterlassen hat. Hierbei kommt als Täter jeder in Betracht, der die Übertretung des Gesetzes verursacht oder mitverursacht hat, sodass ein wasserpolizeilicher Auftrag nach § 138 Abs. 1 WRG 1959 an den Verursacher bzw. Mitverursacher zu richten ist (VwGH 28.5.2014,
2011/07/0267).

 

Auch die Aufrechterhaltung und Nutzung eines konsenslos bestehenden Zustandes stellt eine Übertretung von Bestimmungen des WRG 1959 im Sinne des § 138 leg. cit. dar (VwGH 25.6.2015, Ro 2015/07/0007). Hierbei ist jedoch zu beachten, dass die WRG-Novelle 1990 dadurch, dass sie im § 138 Abs. 4 bestimmte Verhaltensweisen als Grundlage für eine lediglich subsidiäre Haftung des Grundeigentümers statuiert hat, eine Einschränkung des Spektrums jener Verhaltensweisen, die zu einer Heranziehung als Verursacher im Sinne des § 138 Abs. 1 (oder 2) WRG 1959 berechtigen, bewirkt hat. § 138 Abs. 4 leg. cit. schließt zwar nicht aus, dass der Grundeigentümer primär als Verursacher im Sinne des § 138 Abs. 1 (oder 2) leg. cit. herangezogen wird; wohl aber ist aus
§ 138 Abs. 4 leg. cit. zu folgern, dass der Grundeigentümer nicht (allein) wegen der in dieser Bestimmung genannten Verhaltensweisen (auch) als primär Verant­wortlicher herangezogen werden kann. Für eine Heranziehung als Verursacher im Sinne des § 138 Abs. 1 (oder 2) leg. cit. müssen daher andere oder zusätzliche Faktoren vorliegen (vgl. zum Ganzen etwa das hg. Erkenntnis vom 14. Mai 1997, Zl. 97/07/0027, mwN). Zur „Aufrechterhaltung und Nutzung“ eines konsenslos geschaffenen Zustandes genügt es jedenfalls nicht, dass der Liegenschafts­eigentümer den durch eine unzulässige Neuerung geschaffenen Zustand lediglich durch passives Verhalten bestehen lässt. Erhaltungs- und Wartungsarbeiten können daher eine Haftung nach dieser Bestimmung begründen. Gleiches wird wohl dann gelten, wenn der Inhaber ein Anlagenkonzept „nutzt“, das wasser­bautechnische Instandhaltungsarbeiten voraussetzt und mit einem passiven Verhalten unvereinbar ist. Könnte sich ein Grundeigentümer, der ein beste­hendes Anlagenkonzept faktisch nutzt, rechtlichen Verpflichtungen entziehen, indem er einwendet, er würde die zur Verhinderung von Schäden Dritter erfor­derlichen Instandhaltungsmaßnahmen (vgl. § 50 Abs. 6 WRG) unterlassen, würde dies wohl einen Wertungswiderspruch darstellen.

 

Ein wasserpolizeilicher Auftrag, der über die gesetzliche Verpflichtung zur bloßen Beseitigung einer eigenmächtigen Neuerung hinausgeht, ist durch § 138 Abs. 1 lit. a nicht gedeckt (VwGH 13.9.1979, 2611/78; 11.12.2003, 97/07/0054,
RdU-LSK 2004/5; stRsp). Insbesondere dürfen auf § 138 Abs. 1 lit. a gestützte Aufträge nach ständiger Rechtsprechung ausschließlich die Entfernung der konsenslosen Neuerung, nicht aber die Verpflichtung zur Setzung einer neuen Maßnahme beinhalten. Sofern aber z.B. die Räumung konsenslos gelagerter Materialien technisch zwangsläufig auch die Räumung konsensgemäß gelagerter Materialien nach sich zieht, macht dies die Anordnung der Räumung nach § 138 Abs. 1 lit. a nicht rechtswidrig (VwGH 23.5.1995, 91/07/0120; Oberleit­ner/Berger, WRG-ON 1.04 § 138 RZ 29).

 

Die nachträgliche Bewilligung einer eigenmächtigen Neuerung ist dann zulässig, wenn durch entsprechende Konsensbedingungen sowohl das öffentliche Interesse als auch der Umfang der wasserrechtlich geschützten Rechte Dritter sicher­gestellt erscheint (VwGH 13.1.1898, Slg 11.325), d.h. wenn der Verpflichtete die - im bescheidmäßig umschriebenen Zustand nicht bewilligungsfähige - Neuerung so umgestalten möchte, dass sie bewilligungsfähig - und damit zu einer „anderen Sache“ im Sinne des § 68 Abs. 1 AVG - wird. Dies würde aber in unver­hältnismäßiger Weise erschwert oder gar unmöglich gemacht, wenn ein Auftrag nach § 138 Abs. 1 lit. a sich auch auf jene Aspekte einer eigenmächtigen Neuerung bezöge, deren Beseitigung vom öffentlichen Interesse nicht gefordert wird. Der Bestimmung des § 138 Abs. 1 kann daher „nicht die Bedeutung zukommen, dass jede Neuerung zur Gänze beseitigt werden müsse, sofern sie nur in irgendeiner Beziehung ein fremdes Recht oder ein öffentliches Interesse benachteiligt. Vielmehr kann aus dieser Gesetzesstelle nur gefolgert werden, dass eine eigenmächtige Neuerung lediglich in dem Maße zu beseitigen ist, das die Klaglosstellung des Gefährdeten oder Verletzten (Betroffenen) oder das öffentliche Interesse erheischt, dass daher Beeinträchtigung und Wiederherstel­lungspflicht in genauer Wechselbeziehung zueinander stehen. Ein auf Antrag eines Betroffenen erlassener Beseitigungsauftrag gemäß § 138 Abs. 1 ist daher nur so weit gerechtfertigt, als dies zur Beseitigung der Verletzung seiner wasser­rechtlich geschützten Rechte erforderlich ist“ (VwGH 5.1.1898, Slg 11.299 zu Böhm WRG; 22.1.1985, 82/07/0093; stRsp). Gleiches muss auch für einen Auftrag zur Wahrung öffentlicher Interessen gelten. Liegt ein Zuwiderhandeln gegen wasserrechtliche Vorschriften vor, erfordert aber weder das öffentliche Interesse noch der Betroffene die Wiederherstellung des gesetzmäßigen Zustandes, dann ist die Erteilung eines Auftrages nach § 138 Abs. 1 nicht zulässig (VwGH 24.3.1886, Slg 2978; Oberleitner/Berger, WRG-ON 1.04 § 138 RZ 30).

 

4.3.      Zur Verhältnismäßigkeitsprüfung nach Art. 8 EMRK:

 

Zitat EGMR vom 21. April 2016, RS 46577/15: „Holds, by six votes to one, that there would be a violation of Article 8 of the Convention if the order for the demolition of the house in which the applicants live were to be enforced without a proper review of its proportionality in the light of the applicants’ personal circumstances;“ Wasserpolizeiliche Abrissverfügungen im Sinne des § 138 Abs. 1 WRG sind daher - soweit sie das Privat- und Familienleben des Verpflichteten berühren - einer Verhältnismäßigkeitsprüfung nach Art. 8 EMRK zu unterziehen. Der VfGH 30.06.2016, E812/2016, judiziert in diesem Zusammenhang im Anwendungsbereich des Fremdenrechts: „Auf Grund dieser Folgewirkung sind Aufenthaltsverbote in besonderem Maße geeignet, in das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Privat- und Familienleben von Betroffenen einzugreifen (vgl. auch VfSlg 19.475/2011 mwN). Der Gesetzgeber hat daher ausdrücklich angeordnet, dass die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes bei Eingriff in das Privat- oder Familienleben eines Fremden nur zulässig ist, wenn dieses zur Erreichung der im Art8 Abs2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist (vgl. §9 Abs1 und 2 BFA-VG). Mit dieser Anordnung verdeutlicht der Gesetzgeber die verfassungsrechtlich gebotene Interessenabwägung und zwingt zu einer Bewertung des Privat- und Familienlebens zum Zeitpunkt der Entscheidung.“  Bei dieser Interessenabwägung ist zu berücksichtigen, ob die wasserbauliche Maßnahme erwiesen unter vorsätzlicher Beeinträchtigung fremder Rechte erfolgte oder allgemein als bewilligungsfrei zulässig angesehen wurde. Auch die Dauer des illegalen Zustandes ist zu berücksichtigen (vgl. VwGH 14.4.2016,
Ra 2016/21/0029, stRsp). Der Verfassungsgerichtshof hat sich auch zur Bestimmung des § 46a FPG (Duldung) geäußert (VfGH 23.2.2015, G171/2014, u.a.).

 

Ermittlungsverfahren und Entscheidung unterliegen in diesem Sinne einer Verhältnismäßigkeitsprüfung.

 

4.4.      Zur Bestimmung des § 45 Abs. 2 AVG und zum Ermittlungsverfahren im Sinne des § 37 AVG:

 

4.4.1. Grundsatz der freien Beweiswürdigung (§ 45 Abs. 2 AVG):

 

Entscheidend ist die Frage, ob der relevante Sachverhalt nach den vorhandenen Beweismitteln als „erwiesen anzusehen ist“ und damit feststeht. Nach der Recht­sprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist für die Annahme einer Tatsache als erwiesen (vgl. § 45 Abs. 2 AVG) keine „absolute Sicherheit“ erforderlich, sondern es genügt, wenn eine Möglichkeit gegenüber allen anderen Möglichkeiten eine über­ragende Wahrscheinlichkeit (Thienel 3 168f: an Sicherheit grenzende Wahr­scheinlichkeit) oder gar die Gewissheit für sich hat und alle anderen Möglich­keiten absolut oder mit Wahrscheinlichkeit ausschließt oder zumindest weniger wahrscheinlich erscheinen lässt. Die erforderliche Überzeugung der Behörde kann sowohl durch unmittelbare als auch durch mittelbare Beweise herbeigeführt werden (§ 46 Rz 3f). Lässt sich eine Tatsache nicht feststellen („non liquet“ [Fasching Rz 878]; „Beweisnotstand“ [VwGH 20.4.1995, 93/09/0408]), dann hat die Behörde grundsätzlich von deren Nichtvorliegen auszugehen (VwGH
16.6.1992, 92/08/0062; 29.6.2000, 2000/07/0024; vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG2 § 45 Rz 2 (Stand 1.1.2014), siehe auch § 39 Rz 14).

 

Gerade bei der Beurteilung der Bewilligungsfähigkeit, die eine Ermittlung des Zustandes vor Errichtung voraussetzt, ist zu beachten: Eine Beeinträchtigung einer Liegenschaft durch vom Projekt verursachte größere Nachteile im Hoch­wasserfall als zuvor muss, um die Abweisung der beantragten wasserrechtlichen Bewilligung für das Projekt zu rechtfertigen, mit einem entsprechend hohen Kalkül der Eintrittswahrscheinlichkeit im Verfahren hervorkommen. Es handelt sich bei dieser Beurteilung um eine für das Projektsverfahren typische Prognoseentscheidung der geplanten Auswirkungen (zukünftige Entwicklung, vgl. VwGH 30.6.2016, 2013/07/0262). Im gegenständlichen verwaltungspoli­zeilichen Verfahren steht weniger die zukünftige Entwicklung, als die Bewertung einer bereits eingetretenen Veränderung im Vordergrund.

 

4.4.2. Grundsatz der Amtswegigkeit im Ermittlungsverfahren (§ 37 AVG):

 

Gemäß dem in § 39 Abs. 2 AVG vorgesehenen Grundsatz der Amtswegigkeit des Verfahrens hat die Behörde grundsätzlich von sich aus für die Durchführung aller zur Klarstellung des Sachverhaltes erforderlichen Beweise zu sorgen. Steht also der Sachverhalt nach den bereits vorhandenen Beweismitteln nicht fest, stellt sich die Frage, ob das Ermittlungsverfahren mit einer sogenannten „Nichtfest­stellung“ endet oder gemäß § 39 Abs. 2 AVG weitere Beweismittel aufzunehmen sind.

 

Folge einer „Nichtfeststellung“ ist jedenfalls nicht, dass - unbeschadet besonderer gesetzlicher Beweislastregeln - vom bloßen Misslingen eines Nachweises auf das Erwiesensein des Gegenteils geschlossen werden kann (vgl. VwGH 20.9.1995, 93/13/0006; ferner VwGH 26.2.1986, 84/03/0388).

 

Allerdings gilt nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes für den im AVG nicht geregelten Fall, dass eine Beweisführung nicht möglich ist, als allgemein aner­kannter Rechtsgrundsatz, dass aus einer unter Missachtung der Rechtsordnung geschaffenen Situation (z.B. der bewilligungs­losen Errichtung eines Brunnens) keine Vorteile gezogen werden dürfen (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG2 § 45
Rz 2 (Stand 1.1.2014, rdb.at)). Eine „Missachtung der Rechtsordnung“ setzt wohl voraus, dass allen Beteiligten bereits bei Errichtung die Rechtswidrigkeit ihres Handelns bewusst war (subjektives Element).

 

Die Verpflichtung zur amtswegigen Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes findet zudem jedenfalls dort ihre Grenze, wo es der Mitwirkung der Partei bedarf - was insbesondere dann der Fall ist, wenn der amtswegigen behördlichen Erhebung im Hinblick auf die nach den materiellrechtlichen Verwaltungsvor­schriften zu beach­tenden Tatbestandsmerkmale faktische Grenzen gesetzt sind - und die Partei eine solche Mitwirkung unterlässt. Kann die Behörde den Sach­verhalt ohne Mitwirkung der Partei nicht feststellen, ist es Aufgabe der Behörde, der Partei mitzuteilen, welche Angaben zur Beurteilung des geltend gemachten Anspruches noch benötigt werden, und sie aufzufordern, hierfür Beweise anzubieten (vgl. VwGH 17.10.2002, 2000/07/0042).

 

Es ist also durchaus denkbar, dass die - der wasserrechtlichen Beurteilung zu Grunde zu legenden - ursprünglichen Abflussverhältnisse im Detail nicht mehr ermittelt werden können. Soweit die ursprünglichen Abflussverhältnisse nach Durchführung eines gesetzmäßigen Ermittlungsverfahrens als erwiesen anzuse­hen sind, sind diese der Beurteilung zu Grunde zu legen. Behördliche Ermitt­lungen haben sich dabei auf eine verhältnismäßige (vgl. 4.3.), der Bedeutung angemessene, Beweisaufnahme gemäß § 37 iVm § 39 AVG zu beschränken. Ausgehend von den festgestellten ursprünglichen Abflussverhältnissen wird ermittelt, für welche Grundstücke eine nachteilige Veränderung als erwiesen anzusehen ist. Können die ursprünglichen Abflussverhältnisse in einem gesetz­mäßigen Ermittlungsverfahren nicht mehr ermittelt werden, wird in der Regel auch keine Veränderung der Abflussverhältnisse mehr festgestellt werden können.

 

Zu beachten ist: Ein verwaltungspolizeilicher Auftrag kann grundsätzlich nicht auf bloße Verdachtsmomente gestützt werden. Der Sachverhalt muss erwiesen sein (§ 45 Abs. 2 AVG). Sofern der maßgebliche Sachverhalt (§ 28 Abs. 2 Z 1 VwGVG) nicht feststeht und sich eine Ermittlungslücke ergeben hat, kann dies die Behebung und Zurückverweisung des Bescheides gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG nach sich ziehen (VwGH 21.8.2014, Ro 2014/11/0060).

 

4.5.      Zur Verantwortlichkeit eines Grundeigentümers, auf dessen Liegenschaft sich eine vom Rechtsvorgänger errichtete - nicht bewilligte - Anlage im Sinne des § 38 WRG oder § 41 WRG befindet:

 

Das amtswegige Vorgehen im Sinne des § 138 Abs. 1 lit. a und Abs. 2 WRG ist in folgender Hinsicht beschränkt:

-       War die Anlage im Zeitpunkt der Errichtung  gemäß § 38 WRG oder § 41 WRG bewilligungspflichtig und liegt keine Bewilligungsfreistellung vor, ist ein Rechts­nachfolger, der das bestehende Anlagenkonzept weiterhin nutzt oder Instandhaltungsarbeiten durchführt bzw. durchgeführt hat, in rechtlicher Hinsicht gemäß § 138 Abs. 1 und Abs. 2 WRG verantwortlich.

-       Mit einem wasserpolizeilichen Auftrag im Sinne des § 138 Abs. 1 WRG darf die Errichtung neuer Anlagen nicht angeordnet werden, insbesondere können keine neuen Erhaltungsverpflichtungen begründet werden. Die Herstellung eines Zustandes, der bewilligungspflichtige Schutz- und Regulierungswasser­bauten erforderlich macht, liegt grundsätzlich nicht in öffentlichem Interesse.

-       Der wasserpolizeiliche Auftrag kann nur soweit reichen, als ein öffentliches Interesse im Sinne des § 138 Abs. 1 WRG besteht. Soweit das Interesse des Verpflichteten an der ungestörten Fortsetzung seines Privat- und Familien­lebens nach Art. 8 EMRK überwiegt, „erfordert“ das „öffentliche Interesse“ gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK iVm § 138 Abs. 1 WRG kein Vorgehen von Amts wegen (vgl. 4.3.). Dies kann unter Umständen die Anwendung der Bestim­mung des § 138 Abs. 2 WRG nach sich ziehen, wenn die Beseitigung, Nachholung oder Sicherung also weder vom öffent­lichen Interesse geboten noch von einem in seinen Rechten Beeinträchtigten verlangt wird.

 

4.6.      Ergebnis:

 

Der bekämpfte wasserpolizeiliche Auftrag bezieht sich auf die Grundstücke
Nr. X, X und X (2.1., 2.2., 2.3.). Die belangte Behörde ging von der Anwendbarkeit des § 38 WRG aus. Es liegen keine wasserrechtlichen Bewilli­gungen vor.

 

Es steht nicht fest, ob die Verrohrung im Zeitpunkt ihrer Errichtung nach § 41 WRG bewilligungspflichtig war (vgl. 4.1., 2.4.). Sofern sich diese im Abfluss­bereich 30-jährlicher Hochwässer befindet, könnte gemäß § 38 WRG eine Bewilli­gungspflicht bestehen.

 

Der Bf wäre gemäß § 138 Abs. 1 WRG nur haftbar, wenn er Instandhaltungs­arbeiten gesetzt hat. Gleiches wird wohl dann gelten, wenn der Inhaber ein Anlagenkonzept „nutzt“, das wasserbautechnische Instandhaltungsarbeiten vor­aussetzt.

 

Die Behörde hat zu den in Pinkt 2.4. erwähnten Beweisthemen keine Feststellungen getroffen. Zusammengefasst steht nicht fest,

-    ob die Verrohrung im Zeitpunkt ihrer Errichtung als bewilligungspflichtiger Regulierungswasserbau im Sinne des § 41 WRG oder als Anlage im Sinne des § 38 WRG anzusehen war und daran anknüpfend,

-    ob der Bf - nicht nur hinsichtlich Grundstück Nr. X, sondern auch hinsichtlich der Grundstücke Nr. X und X - Instandhaltungsarbeiten verrichtet hat bzw. solche mit einem bestehenden und genutzten Anlagen­konzept verbunden sind

-    bzw. ob die bestehenden Verrohrungen als bewilligungsfähig anzusehen sind.

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich kann dazu mangels ausreichender Beweismittel keine Feststellungen treffen. Die Verfahrensparteien haben in der mV auf eine weitere Beweisaufnahme durch das Verwaltungsgericht verzichtet. Das Verwaltungsgericht ist bei solcher Sachlage gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG nicht verpflichtet, amtswegig weitere Beweise aufzu­nehmen (vgl. auch EGMR 20.9.2016, Rechtssache 926/08). Es hat sich eine Ermittlungslücke ergeben, die die Behebung und Zurückverweisung nach § 28 Abs. 3 VwGVG nach sich zieht. Die belangte Behörde wird im fortgesetzten Verfahren ein umfassendes wasser­bautechnisches und biologisches Gutachten zu den angeführten offenen Fragen einholen (2.4.). Zu beachten ist, dass ein verwaltungspolizeilicher Auftrag positive Feststellungen voraussetzt. Endet das gesetzmäßig geführte Ermittlungs­verfahren mit einer „Nichtfeststellung“, hat dies die Einstellung des wasser­polizeilichen Administrativverfahrens zur Folge.

 

5.       Zulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist zulässig, da im gegenständlichen Verfahren folgende Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grund­sätzliche Bedeutung zukommt:

-       Kommt auch in verwaltungspolizeilichen Verfahren, die bei Nichtvorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen an sich ohne Bescheid formlos eingestellt werden, die Behebung und Zurückverweisung zur Erlassung eines „neuen Bescheides“ gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG in Betracht, sofern einer Amtspartei, wie dem Wasserwirtschaftlichen Planungsorgan, gemäß § 55 Abs. 5 WRG gegen die Einstellung ein Beschwerderecht zustehen würde?

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diese Entscheidung besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungs­gerichtshof und/oder einer ordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwal­tungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsan­walt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240,- Euro zu entrichten.

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Mag. Weigl