LVwG-750172/2/BP/WU

Linz, 12.05.2014

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Mag. Dr. Bernhard Pree über die Beschwerde des Vereins R, vertreten durch Obmann T P, wiederum vertreten durch Rechtsanwalt Mag. S T, X, gegen den Bescheid der Landespolizeidirektion Oberösterreich vom 17. April 2014, GZ: A3/41.559/2014, mit dem eine angezeigte Versammlung gemäß § 6 Versammlungsgesetz untersagt wurde,

zu Recht   e r k a n n t :

 

I.         Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG iVm. § 6 VersG wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

 

II.       Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.               

 

1. Mit Bescheid der Landespolizeidirektion Oberösterreich vom 17. April 2014, GZ.: A3/41.559/2014, wurde unter Spruchpunkt 1. eine vom Verein R mit Eingabe vom 1. April 2014 angezeigte Versammlung zum Thema „Nein zu Fleisch/Ja zu Vegetarismus", die am 19. April 2014 von 13.00 - 16.00 Uhr in Linz, mit folgender Route:

Bahnhofsplatz, Auftakt Kundgebung ca. 10 Min. - Kärntnerstraße - durch den Volksgarten (Kundgebung ca. 5-10 Minuten - Goethekreuzung - Landstraße Richtung Hauptplatz -Zwischenhalt vor M, Landstraße X ca. 5-10 Min. - Halt vor N, Landstraße X, ca. 5 Min. - Rudigierstraße - Herrenstraße - Halt vor dem Neuen Dom (Vorplatz, ca. 10 Min.) - Halt vor dem Bischofshof, Herrenstraße 19 - Bischofstraße - Landstraße - Halt vor der Ursulinenkirche, Landstraße, ca. 5 Minuten - Spittelwiese - Halt vor M P, Spittelwiese X , 5 Minuten - Landstraße - Halt vor K, Landstraße X, ca. 10 Minuten - Promenade, N P, Promenade X, ca. 5 Minuten - Klosterstraße - Hauptplatz - Alter Dom, Domgasse 7, ca. 10 Minuten - Hauptplatz - Schmidtorstraße - Taubenmarkt mit Endkundgebung, ca. 10 Min.

stattfinden sollte, gemäß § 6 Versammlungsgesetz 1953, i.d.g.F. iVm Art. 11 Abs. 1 und Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte - EMRK untersagt.

 

Unter Spruchpunkt 2. wurde die aufschiebende Wirkung einer allfälligen, gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde gem. § 64 Abs. 2 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, i.d.g.F., aberkannt.

 

1.1.      Zunächst führt die Behörde nachstehenden Sachverhalt aus:

 

Mit Eingabe vom 01.04.2014 zeigten Sie - Verein „R S", Obmann T P, der Behörde eine für 19.04.2014 (Karsamstag) von 13.00 bis 16.00 Uhr in Linz geplante Versammlung zum Thema „Nein zu Fleisch/Ja zu Vegetarismus" an. Die geplante Kundgebungsroute sollte vom Bahnhofsplatz mit einer Auftaktkundgebung durch die Innenstadt bis zum Taubenmarkt mit einer Endkundgebung führen, wobei an zahlreichen vorgegebenen Örtlichkeiten - Volksgarten, M, N, Neuer Dom, Bischofshof, Ursulinenkirche, M P, K, N P, Alter Dom - Zwischenhalte durchgeführt werden sollten.

Bei der Kundgebung sollten Transparente, Flugblätter, Fototafeln, Tier- und Todesmasken, diverse Kostüme, kunstblutige Metzgerkleidung, Lendenschurze, Megafone, Trommeln und drei Holzkreuze, die von Aktivisten mit Tiermasken getragen und diverse mechanische Hilfsmittel verwendet werden.

 

Von der Landespolizeidirektion Oberösterreich - Sicherheits- und Verwaltungspolizeiliche Abteilung - konnte erhoben werden, dass die ggst. Versammlung schon über Internet unter dem Titel „8. R - Kreuzzug für Tierrechte" beworben wird. Unter anderem werden dabei Fotos einer Versammlung in Linz, die am 23.04.2011 unter dem gleichen Motto und mit einem identen Versammlungsablauf stattgefunden hat, veröffentlicht. Diese Fotos zeigen Aktivisten - offensichtlich als Christus-Darsteller - die blutverschmiert und an Kruzifixe gefesselt waren. Dabei trugen sie Tiermasken mit einer Dornenkrone. Offensichtlich sollten Szenen aus dem Kreuzzug Jesu Christi nachgestellt werden.

 

Bei einem Telefonat (geführt zwischen T P und ADir. W) am 14.04.2014 gegen 17.00 Uhr gaben Sie zunächst an, dass die Versammlung genau in derselben Art und Weise durchgeführt werden solle, wie sie unter anderem auch bereits im Jahr 2011 in Linz abgehalten worden ist. Ihnen wurde mitgeteilt, dass nach Ansicht der hiesigen Behörde ein derartiger „Kreuzzug für Tierrechte", bei dem Aktivisten (mit Tiermasken), die an Kreuze gefesselt sind durch die Linzer Innenstadt marschieren, wobei ganz offensichtlich Szenen des Kreuzzuges von Jesus Christus nachgestellt werden, gegen den § 188 des österreichischen Strafgesetzbuches verstoße. Dies insbesondere auch deshalb, weil vor verschiedenen Kirchen in der Linzer Innenstadt Zwischenkundgebungen, noch dazu an einem der höchsten Feiertage der römisch katholischen Kirche (Karsamstag), durchgeführt werden sollten. Es wurde Ihnen der Vorschlag unterbreitet, die Versammlungsanzeige dahingehend abzuändern, als dass auf die Holzkreuze, die von Aktivisten (mit Tierköpfen) getragen werden, verzichtet und die Demonstrationsroute so abgeändert wird, dass nicht an Kirchen vorbeimarschiert wird.

 

Zu der angeführten Alternative führten Sie aus, dass dieser Marsch gerade als Kritik an der Haltung der römisch katholischen Kirche zum Schutz der Tiere anzusehen ist. Aus diesem Grunde könne nicht auf wesentliche Bestandteile des Aktivismus verzichtet werden. Sie wären aber bereit, die Tiermasken vor den Kirchen abzunehmen und nicht unmittelbar vor den Kirchen, sondern in einem „Respektabstand" daran vorbei zu marschieren. Dazu wurde Ihnen mitgeteilt, dass dies nach ha. Ansicht nichts an der Strafbarkeit des Verhaltens ändern würde.

 

Am 15.04.2014 langte bei der Behörde ein Schreiben ein, in dem Sie - nunmehr rechtsfreundlich vertreten durch Dr. B H - bekannt gaben, dass Sie derartige Versammlungen schon öfter in anderen Landeshauptstädten durchgeführt hätten, unter anderem auch am 22.03.2008 in Innsbruck. Bei dieser Versammlung wäre unmittelbar nach Beginn die Polizei eingeschritten und hätte die Kreuze beschlagnahmt. Weiters wäre die Staatsanwaltschaft wegen Verdachtes der Übertretung des § 188 StGB informiert worden. Dieses Verfahren wäre aber nach Einvernahmen und Stellungnahmen der Beschuldigten eingestellt worden, weil keine strafrechtliche Relevanz vorlag. In den Folgejahren hätten dann gleiche Versammlungen wieder in Innsbruck und Salzburg stattgefunden. Bei diesen wären Flugblätter, in denen der Versammlungszweck erklärt und versichert worden wäre, dass diese Kritik keine Verächtlichmachung der Religion bedeuten würde, verteilt worden.

 

Mit Schreiben der Landespolizeidirektion Oberösterreich vom 15.04.2014 wurde Ihnen mitgeteilt, dass die von Ihnen angezeigte Versammlung, insbesondere auch unter dem Aspekt, dass Sie in der gleichen Art und Weise, wie die Versammlung am 23.04.2011 durchgeführt wurde, dem Zwecke nach den Strafgesetzen (§ 188 StGB) zuwiderlaufen würde bzw. die öffentliche Sicherheit und die öffentliche Ordnung gefährdet würde. Sie wurden auf die Möglichkeit einer Modifizierung der Versammlungsanzeige dahingehend aufmerksam gemacht, dass bei der Versammlung auf die Holzkreuze, die von Aktivisten (mit Tiermasken) getragen werden, verzichtet werden sollte und dass der Demonstrationszug nicht an Kirchen vorbeimarschieren solle.

Im Hinblick auf die gesamten oben angeführten Umstände wäre die für 19.04.2014 geplante angezeigte Versammlung nach Ansicht der Landespolizeidirektion Oberösterreich – Sicherheits- und Verwaltungspolizeiliche Abteilung - als zuständige Behörde zu untersagen. Gleichzeitig wurde Ihnen die Gelegenheit eingeräumt bis 16.04.2014, 15.30 Uhr (bei der Behörde einlangend) in den Akt Einsicht zu nehmen und zum vorliegenden Sachverhalt Stellung zu nehmen.

 

Eine diesbezügliche Stellungnahme ist fristgerecht mit folgendem Inhalt bei der zuständigen Behörde eingegangen:

 

„Ich bestätige den Erhalt Ihres Schreibens vom 15.04.2014 und erlaube mir, meinem Erstaunen Ausdruck zu verleihen. Es ist für mich nicht nachvollziehbar, dass für die Behörde, trotz gegenteiliger staatsanwaltschaftlicher Meinung, eine Übertretung bzw. Verletzung des § 188 StGB feststeht. Nach meinem Wissensstand ist es die Staatsanwaltschaft bzw. in weiterer Folge das Gericht, das gerichtlich strafbare Handlungen feststellt. Ebenso ist es mir nicht erklärlich, wieso eine solche Versammlung die öffentliche Sicherheit oder das öffentliche Wohl gefährden sollte. Auch darüber wird im Falle der Untersagung das Landesverwaltungsgericht, möglicherweise sogar der Verwaltungs- oder Verfassungsgerichtshof entscheiden. Immerhin wird es dann eine verbindliche, längere Zeit gültige, Richtlinie geben, an die wir uns alle halten müssen."

 

1.2. In rechtlicher Hinsicht führte die Behörde wie folgt aus:

 

Nach § 6 VersG sind Versammlungen, deren Zweck den Strafgesetzen zuwiderläuft oder deren Abhaltung die öffentliche Sicherheit oder das öffentliche Wohl gefährden, von der Behörde zu untersagen.

Die Behörde ist jedoch nur dann zur Untersagung einer Versammlung ermächtigt, wenn dies aus einem der in Art. 11 Abs. 2 EMRK genannten Gründe notwendig ist. Die Behörde hat, wenn sie eine Untersagung der Versammlung in Betracht zieht, die Interessen des Veranstalters an der Abhaltung der Versammlung in der geplanten Form gegen die im Art. 11 Abs.2 EMRK aufgezählten öffentlichen Interessen am Unterbleiben der Versammlung abzuwägen (vgl. VfSlg. 10443/85).

 

Diese Entscheidung ist eine Prognoseentscheidung, die die Behörde auf Grundlage der von ihr festzustellenden, objektiv erfassbaren Umstände in sorgfältiger Abwägung zwischen dem Schutz der Versammlungsfreiheit und den von der Behörde wahrzunehmenden öffentlichen Interessen zu treffen hat. Dabei hat die Behörde abzuwägen, ob die mit der Versammlung verbundenen Beeinträchtigungen im Interesse der Versammlungsfreiheit von der Öffentlichkeit hinzunehmen sind, oder nicht (vgl. zB VfGH 1.10.1988 B 1068/88). Die Behörde hat ihre (Prognose-) Entscheidung aufgrund konkret festgestellter, objektiv erfassbarer Umstände zu treffen (vgl. zB VfSlg. 5087/1965).

 

Bei der von der Behörde zu treffenden Prognoseentscheidung kommt es nicht nur auf die Absichten des Veranstalters, sondern auch auf die realistische und nachvollziehbare Einschätzung des zu erwartenden Geschehnisablaufes an.

 

Mit Eingabe vom 01.04.2014 haben Sie eine für 19.04.2014 (das ist der Karsamstag) von 13.00 -16.00 Uhr in Linz geplante Versammlung zum Thema „Nein zu Fleisch/Ja zu Vegetarismus angezeigt.

Wie aus der Versammlungsanzeige hervorgeht und wie aus früheren Versammlungen bekannt ist, werden bei dieser angezeigten Versammlung Aktivisten, die blutverschmiert sind, Tiermasken mit Dornenkronen tragen und an Kruzifixe gebunden sind, durch die Linzer Innenstadt ziehen und ganz offensichtlich den Kreuzgang von Jesus Christus nachstellen. Auf der angezeigten Route werden neben bestimmten einzelnen Geschäften, welche schon seit längerem Ziel derartiger Aktionen sind, wie z.B. M und K, sowie kleinere Pelz- und Bekleidungsgeschäfte, bewusst und gezielt auch bei kirchlichen Einrichtungen, wie dem Neuen Dom, dem Bischofshof, der Ursulinenkirche und dem Alten Dom Zwischenstopps für Zwischenkundgebungen abgehalten.

 

Die im Zuge des Parteiengehörs geforderte Stellungnahme, die Sie im Wege Ihrer rechtsfreundlichen Vertretung fristgerecht einbrachten, brachte zur Versammlungsanmeldung und zum Schreiben im Zuge der Vollmachtsbekanntgabe keine wesentlichen Neuerungen bzw. Änderungen.

 

Der § 188 des österreichischen Strafgesetzbuches stellt die Herabwürdigung religiöser Lehren unter Strafe. Demnach ist mit Strafe bedroht, wer öffentlich eine Person oder eine Sache, die den Gegenstand der Verehrung einer im Inland bestehenden Kirche oder Religionsgesellschaft bildet, oder eine Glaubenslehre, einen gesetzlich zulässigen Brauch oder eine gesetzlich zulässige Einrichtung einer solchen Kirche oder Religionsgesellschaft unter Umständen herabwürdigt oder verspottet, unter denen sein Verhalten geeignet ist, berechtigtes Ärgernis zu erregen, ist mit Freiheitsstrafe.

 

Unter diesen Straftatbestand fallen Verhaltensweisen, bei denen der Täter eine Person oder eine Sache, die den Gegenstand der Verehrung einer im Inland bestehenden Kirche oder Religionsgesellschaft bildet herabwürdigt oder verspottet und zwar unter Umständen, die geeignet sind berechtigtes Ärgernis zu erregen.

Zu diesen geschützten Sachen zählt neben Hostien und Reliquien auch das Kruzifix, wobei Verehrung in einem spezifisch religiösen Sinn zu verstehen ist und einen wesentlichen Bestandteil des Glaubens der betreffenden religiösen Gemeinschaft bildet:

 

Die Tathandlung muss im Herabwürdigen oder im Verspotten eines der Deliktsobjekte bestehen, wobei unter Herabwürdigung ein Verächtlichmachen und unter Verspotten ein Lächerlichmachen zu verstehen ist. Diese Tathandlungen müssen öffentlich sein und unter Umständen begangen werden, unter denen das Verhalten geeignet ist, berechtigtes Ärgernis zu erregen. Ein Ärgernis in diesem Zusammenhang ist eine tiefgreifende Empfindung, die durch die Verletzung des religiösen Wertgefühls hervorgerufen wird und sich gegen die verletzende Handlung oder ihren Urheber richtet. Berechtigt ist ein solches Ärgernis, wenn es nach allgemeiner, und nicht bloß extrem religiöser Auffassung das religiöse Wertgefühl jeden normal empfindenden Menschen verletzt. Dass tatsächlich Ärgernis erregt wurde, ist nicht erforderlich. Bei diesem Verhalten muss dem Täter bewusst sein, dass sein Verhalten geeignet ist, berechtigtes Ärgernis zu erregen (bedingter Vorsatz genügt).

 

Dass unter den Begriff Kruzifix das Kreuz als Sache anzusehen, und der Versammlungsort Straßen im Bereich des Stadtkerns von Linz als öffentlich anzusehen sind, muss als unstrittig angesehen werden.

Betrachtet man jetzt das Gesamtbild des von Ihnen angezeigten Versammlungsablaufes - Sie stellen offensichtlich durch Aktivisten, die blutverschmiert sind, Tiermasken mit Dornenkronen tragen und an Kruzifixe gebunden sind den Kreuzweg Jesu Christi nach, dies ausgerechnet zu Ostern (Karsamstag), also an einem der höchsten christlichen Feiertage der katholischen Kirche, und zudem noch vor zahlreichen kirchlichen Einrichtungen und Kirchen in Linz (im Neuen Dom findet zur ggst. Zeit sogar ein Gebet statt) - so ist dieses Verhalten nach Ansicht der Landespolizeidirektion Oberösterreich - Sicherheits- und Verwaltungspolizeiliche Abteilung - als zuständiger Behörde eindeutig unter den Tatbestand des § 188 zu subsumieren.

Zu eventuellen Verantwortungen in Richtung auf das Grundrecht der Freiheit der Kunst darf ausgeführt werden:

 

Ob die Freiheit der Kunst ein Rechtfertigungsgrund sei, ist umstritten. Bejahend Neisser (ÖJZ 1983,6) Berka (JBI 1983, 282) Mayerhofer (ÖJZ 1984, 198), der für eine Rechtfertigung voraussetzt, dass der tätig gewordene glaubt, als Künstler zu handeln und dass sein Werk „irgendetwas" mit Kunst zu tun hat und Platzgummer (JBI 1995, 141f) der in Berücksichtigung der Freiheit der Kunst geringfügige Fälle aber nicht schwer und massive Verletzungen des § 188 StGB aus der Strafbarkeit ausklammert sehen möchte, im Übrigen aber auch auf Rechtfertigung durch das Prinzip des überwiegenden Interesses verweist. Ablehnend Trifftner/Schmoller (ÖJZ 1993, 551ff) auch unter Hinweis auf die sonstige Unmöglichkeit, sich gegen Beeinträchtigungen durch den Künstler zivilrechtlich zur Wehr zu setzen und Kienapfel/Schmoller (BT III2 Vorbemerkungen §§ 188 ff, Rz. 24f StGB) mit gleichen Erwägungen. Diese Autoren verneinen dadurch auch, dass ein Irrtum über Inhalt und Reichweite dieser Freiheit die irrtümliche Annahme eines rechtfertigenden Sachverhaltes nach § 8 StGB sein könne, sie halten aber in Grenzbereichen das Vorliegen eines nicht vorwerfbaren Verbotsirrtums für möglich (Triffterer/Schmoller ÖJZ 1993, 581f, Kienapfel/Schmoller BTIII2 § 188 Rz. 11).

 

Es bedarf einer Konstruktion eines Rechtfertigungsgrundes tatsächlich nicht, weil die Abwägung ob etwa eine Überschreitung des Freiheitsraumes der Religionsfreiheit im Namen der Kunst stattgefunden hat, durch die Beurteilung des berechtigten Ärgernisses einerseits und der inneren Tatseite andererseits, etwa über den Begriff der Herabwürdigung durchaus möglich und sachgerecht ist.

 

Die Ankündigung einer einschlägig provokanten Darbietung kann ihrerseits eine Herabwürdigung i.S.d. § 188 StGB sein (Kienapfel/Schmoller, Vorbemerkungen § 188 Rz. 20 StGB). Die Ankündigung eines Films, über dessen Gegenstand und wesentlichen Inhalt die Öffentlichkeit informiert ist, stellt eine auszeichnende öffentliche Meinungsäußerung dar, um Ärgernis zu erzeugen.

Wenn sich der Anmelder auf zurückliegende Versammlungen beruft, so wird dazu von der Behörde bemerkt, dass es schon möglich sein kann, dass damals seitens der zuständigen Staatsanwaltschaft eingestellt wurde, jedoch muss davon ausgegangen werden, dass die objektiven Tatbestandsmerkmale des § 188 StGB erfüllt sind. Dies ist Ihnen jedenfalls seit dem ersten Telefonat nach Ihrer Anmeldung bei der Landespolizeidirektion Oberösterreich, wenn nicht schon aus damaligen Situationen und etwaigen Strafverfahren bekannt, woraus geschlossen werden muss, dass auch die subjektive Tatseite zumindest im Bereich des bedingten Vorsatzes erfüllt ist.

 

Auf Grund des vorliegenden, ausführlich erläuterten Sachverhaltes, steht für die zuständige Behörde als erwiesen fest, dass im gegenständlichen Fall, davon ausgegangen werden muss, dass der Zweck der Versammlung gegen Strafgesetze zuwiderläuft bzw. die öffentliche Sicherheit und das öffentliche Wohl gefährdet, weil gerade durch die Art dieser Versammlung - Nachstellung des Kreuzweges Jesu Christi unter Verwendung von Kreuzen, an denen blutverschmierte Aktivisten mit Tierköpfen auf denen sich Dornenkronen befinden, im öffentlichen Bereich, auch unmittelbar vor Kirchen am Karsamstag, jedenfalls geeignet ist Ärgernis zu erregen und damit eine massive und schwerwiegende Verletzung des § 188 StGB vorliegt. Auszugehen ist davon, dass der überwiegende Anteil der österreichischen Bevölkerung der römisch katholischen Glaubensgemeinschaft angehört und gerade an den Osterfeiertagen, insbesondere am Karsamstag, eine Abhaltung einer Versammlung in geschilderter Weise nicht toleriert bzw. diesbezüglich eine sensible Reaktion erwarten lässt, die Ausfluss des verursachten Ärgernisses darstellt.

 

Dazu wird festgehalten, dass das Versammlungsgesetz unter dem „Zweck" einer Versammlung zweierlei versteht, nämlich zum einen, was der Anzeiger mit ihr bezwecken (erreichen) will, und zum anderen ihren Ablauf, sozusagen das Programm oder die Tagesordnung. Jedenfalls sind nach § 6 Versammlungsgesetz Versammlungen zu untersagen, deren Abhaltung die öffentliche Rechtsordnung verletzen würde. Der Bruch der öffentlich-rechtlichen Rechtsordnung darf demnach nicht planmäßiger Bestandteil der Versammlung sein. Dem Spruch, „der Zweck heiligt die Mittel", kann so sicher nicht als rechtfertigende Grundlage für die Abhaltung derartiger Versammlungen dienen.

 

Auf Grund der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes, dass einer Behörde nicht das Recht eingeräumt ist, die Versammlungsanzeige von sich aus zu ändern oder zu modifizieren, wurden Sie telefonisch von dem Sachverhalt und den damit verbundenen Problemen, wie bereits eingangs angeführt, in Kenntnis gesetzt und Ihnen nahe gelegt, die Versammlung dahingehend abzuändern, dass auf die Holzkreuze und Tierköpfe verzichtet werden und die Demonstrationsroute so abgeändert werden sollte, dass nicht unmittelbar an Kirchen vorbeimarschiert wird. Zu dieser angebotenen Alternative führten Sie an, dass dieser Marsch gerade als Kritik an der Haltung der römisch katholischen Kirche anzusehen sei und aus diesem Grunde nicht auf wesentliche Bestandteile des Aktivismus verzichtet werden könne.

 

Gerade mit dieser Aussage untermauern Sie eigentlich auch die subjektive Tatseite des § 188 StGB.

 

Die Interessen im Sinne des § 6 VersG umfassen die gesamte öffentlich-rechtliche Rechtsordnung; aufgrund einer gebotenen verfassungskonformen Auslegung allerdings nur, wenn damit (zumindest) eine der im Art.11 Abs. 2 EMRK aufgezählten Interessen geschützt wird. Versammlungen dürfen es sich nicht „zum Zweck setzen, ein mit den Imperativen der Rechtsordnung im Widerspruch stehendes Verhalten, sei es der Versammelten, sei es außerhalb der Versammlung Stehenden, herbeizuführen" Die Rechtsprechung geht davon aus, dass an sich gesetzwidrige Verhaltensweisen (ausnahmsweise) von der Rechtsordnung erlaubt sind, wenn sie unbedingt notwendig sind, um die Versammlung in der beabsichtigten Weise durchzuführen. Allerdings darf das öffentliche Interesse an der Einhaltung der entsprechenden Vorschriften nicht höher sein, als das Interesse des Veranstalters, dass die Versammlung einschließlich dieses Details stattfindet.

Die Behörde verkennt im Zuge der Interessensabwägung in keiner Weise, dass Sie ein Interesse an der Kundgebung Ihrer Ansichten zum Thema Tierschutz, bzw. Tierleid haben.

 

Bei einer sorgfältigen Abwägung der Interessen kam die Landespolizeidirektion Oberösterreich -Sicherheits- und Verwaltungspolizeiliche Abteilung - als zuständige Behörde aber auf Grund des oben ausführlich angeführten Sachverhaltes zu der Auffassung, dass das Interesse der Allgemeinheit an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und der öffentlichen Ordnung, sowie am Schutz der Rechte und Freiheiten anderer schwerer wiegt, als Ihr Interesse an der Abhaltung dieser Versammlung. Durch Ihre Weigerung die Versammlungsanzeige entsprechend abzuändern und auf den oben beschriebenen massiven und schwerwiegenden Aktivismus zu verzichten, haben Sie außerdem manifestiert, dass es Ihnen nicht nur um die von Ihnen beabsichtigte Versammlung, bzw. um den beabsichtigten Versammlungszweck geht, sondern die Versammlungsfreiheit zu Lasten Dritter zu missbrauchen.

 

Das Interesse der Allgemeinheit an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung bzw. das öffentliche Wohl gründet sich im konkreten Fall in Zusammenschau bezogen auf den Karsamstag, als einen der höchsten kirchlichen Feiertage der römisch katholischen Kirche und der Verwirklichung des Tatbildes nach § 188 StGB durch die Abhaltung dieser Versammlung, wobei der Veranstalter selbst ausführt, dass dieser Marsch gerade als Kritik an der Haltung der römisch katholischen Kirche anzusehen sei.

 

Einer allfälligen Beschwerde gegen diesen Bescheid war die aufschiebende Wirkung abzuerkennen, da ansonsten die Gefahr der Vereitelung des durch die Untersagung beabsichtigten Zweckes besteht.

 

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, durch den rechtsfreundlichen Vertreter des betreffenden Vereins bzw. dessen Obmann rechtzeitig am 28. April 2014 eingebrachte Beschwerde.

 

Begründend wird Folgendes ausgeführt:

 

 

Grund für diese Rechtsmeinung der Behörde war die ursprünglich angezeigte Absicht des Versammlungsveranstalters, am Karsamstag durch drei Aktivisten mit aufgesetzten Tiermasken und mitgetragenen Holzkreuzen den Leidensweg der Nutztiere mit jenem des Jesus Christus zu vergleichen. Zu diesem Zwecke sollten vor verschiedenen Kirchen Zwischenkundgebungen stattfinden.

 

 

 

Selbst ein vom Veranstalter vorgeschlagener Kompromiss, dass die Tiermasken vor den Kirchen abgenommen werden würden und nicht unmittelbar vor den Kirchen, sondern in einem Respektabstand vorbeimarschiert werden sollte, änderte nichts an der Rechtsmeinung der Behörde. Diese verlangte vielmehr, dass gänzlich auf die Holzkreuze verzichtet und nicht an Kirchen vorbeimarschiert werde. Wenn das auch nicht Gegenstand der Beschwerde ist, zeigt es doch, dass der Untersagungswille der Behörde weit über den gegenständlichen Sachverhalt hinausgeht.

 

 

 

Nach § 6 des Versammlungsgesetzes hat die Behörde jene Versammlungen zu untersagen, deren Zweck den Strafgesetzen zuwiderläuft. Der in der Anzeige der Behörde wahrheitsgemäß bekanntgegebene Zweck, nämlich durch symbolische Kreuzigung von als Nutztiere maskierte Aktivisten, wird keinesfalls gegen den § 188 StGB verstoßen. Die Behörde war in Kenntnis der Verfahrenseinstellung durch die Staatsanwaltschaft Innsbruck, 52 BAZ 444 / 08w, hinsichtlich eines gleichen Vorganges in Innsbruck am 22.03.2008. Die Beischaffung dieses Aktes wird beantragt. Das ist umso bemerkenswerter, als die Geister- und Dämonenverehrung in Form der "Treue zu Gott" in der weltlichen Tiroler Landesverfassung für Gesetzgebung und Verwaltung verpflichtend festgeschrieben ist. Daher müsste in jenen Bundesländern, in denen solche bundesverfassungsgesetzwidrigen Passagen in den jeweiligen Landesverfassungen nicht vorkommen, ein erhöhtes Gewicht auf das Recht der freien Meinungsäußerung durch Kritik an der Kirche gelegt werden. Erstaunlicherweise ist das Gegenteil der Fall.

 

 

 

Ebenso wurde von der Staatsanwaltschaft beim Landesgericht Graz unter dem Aktenzeichen 635 65 BAZ 442/12w-l ein gleichartiges Verfahren als Folge einer gleichartigen Versammlung eingestellt. Die Beischaffung auch dieses Aktes wird beantragt.

 

 

 

In weiterer Folge hat dann wieder in Innsbruck am 11.04.2009 eine gleichartige Versammlung stattgefunden, wegen welcher wiederum von der Polizei Anzeige an die Staatsanwaltschaft erstattet wurde. Diese hat nicht einmal mehr ein Verfahren eingeleitet. Es haben dann weitere gleichartige Versammlungen in Linz und Salzburg ohne jede Untersagung oder Beanstandung stattgefunden. Wenn auch keine formelle Bindungswirkung besteht, muss doch im Interesse einer einheitlichen Rechtspflege diese staatsanwaltschaftliche Meinung als Richtschnur für die Verwaltungsbehörden gelten. Es ist auch richtig, dass ein vermeintliches Fehlverhalten einer Behörde keinen Anspruch auf ein weiteres Fehlverhalten verleiht. Wenn sich aber mehrere gleichartige Entscheidungen an die oben zitierte staatsanwaltschaftliche Meinung halten, kann wohl nicht mehr von einem Fehlverhalten ausgegangen werden.

 

 

 

Aus Anlass dieser Versammlungen haben freiheitliche Abgeordnete an die damalige Justizministerin Bandion-Ortner eine Anfrage gerichtet, warum sie die Staatsanwaltschaft nicht zur Fortsetzung des Strafverfahrens verhalten habe. Diese hat geantwortet, dass sie dazu keinen Anlass gesehen habe, da im dritten Jahrtausend eine solche Kritik an der Kirche erlaubt sein müsse. Auch das wurde der untersagenden Behörde mitgeteilt.

 

 

 

Am 07.06.2000 wurde von der damaligen Nationalratsabgeordneten Mag. Terezija Stoisits und Kollegen der Antrag 202/A betreffend die Abschaffung der §§ 188 und 248 StGB eingebracht und wie folgt begründet:

 

 

 

"Damit macht sich der Staat zum Hüter der Lehren der in Österreich anerkannten Religionsgemeinschaften. Derartige Überbleibsel des Sekulärstaates Österreichs sollten wir so rasch wie möglich beseitigen. Diese Bestimmung räumt anerkannten Kirchen und Religionsgemeinschaften einen höheren strafrechtlichen Schutz ein, als allen anderen Weltanschauungen. Davon abgesehen, müssen Strafbestimmungen auf Grund des Rechtsstaatsprinzips der Bundesverfassung in Verbindung mit der Europäischen Menschenrechtskonvention einen erhöhten Bestimmtheitsgrad aufweisen (Art. 18 B-VG in Verbindung mit Art. 7 EMRK). Eine Einschränkung der Meinungsäußerungsfreiheit wird z.B. vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte nur dann für notwendig gehalten, wenn sie einem dringenden sozialen Bedürfnis entspricht. Der Verfassungsgerichtshof fordert eine restriktive Handhabung von Einschränkungen der Meinungsäußerungsfreiheit und stellt fest, dass eine demokratische Gesellschaft oft bestimmte Handlungen hinnehmen kann, ohne dass die öffentliche Ordnung und Moral Schaden leidet. Es steht wohl außer Zweifel, dass die Streichung des § 188 StGB die demokratische Gesellschaft in Österreich ohne Schaden überleben würde."

 

 

 

Wenn auch die Trennung von Staat und Kirche nirgends ausdrücklich verfassungsmäßig verankert ist, bedeutet sie doch einen Grundsatz, der mit der zunehmenden Aufklärung immer mehr in den Fokus nicht nur von Verfassungsjuristen rückt. Von der Verwirklichung dieses Grundsatzes ist Österreich allerdings meilenweit entfernt. Österreich kann ohne Übertreibung als gemäßigter Religionsstaat bezeichnet werden. Diese Untersagung bedeutet allerdings einen Schritt zum absoluten Religionsstaat.

 

 

 

Gem. Art. 7(1) des Bundesverfassungsgesetzes sind Vorrechte der religiösen und weltlichen Bekenntnisse ausgeschlossen. Speziell durch die Untersagung dieser kirchenkritischen Manifestation wird den religiösen Bekenntnissen, diesfalls dem christlichen, ein unerhörtes Vorrecht gewährt. Während religiöse Kirchenorganisationen unverhohlen die Vernichtung von "nicht Auserwählten", also Un- oder Andersgläubigen in ihren Ideologiebüchern fordern dürfen, wird dem Untersagungsbescheidadressaten eine aktionistische Kritikmanifestation verboten, die nicht im Entferntesten die körperliche Integrität oder gar das Leben von Gläubigen bedroht.

 

So ist in dem christlichen Ideologiebuch, der Bibel, unter 2. Petrus 2:9-12 nachzulesen: "Menschen, die keine Auferstehung verdienen, sind wie vernunftlose Tiere, die von Natur aus dazu geboren sind, eingefangen und vernichtet zu werden." Dass das aktuellen Bezug hat, beweist die befürwortende Erwähnung dieser Bibelstelle in der Zeitschrift "Erwachet" der Zeugen Jehovas vom 22.02.2004, Seite 6, Diese Bekenntnisgemeinschaft wurde kurz darauf in den Kreis der gesetzlich anerkannten Religionsbekenntnisse aufgenommen.

 

 

 

Im "Bote von Fatima", vom Januar 2007, Seite 5, aufgelegt zur freien Entnahme im renommierten katholischen Stift Fiecht bei Schwaz ist mit Blick auf die Ungläubigen ein Beitrag des emeritierten Erzbischofes Dr. Karl Braun zu lesen: "Ihr Wirken ist gekennzeichnet vom Bösen: Abkehr von Gott, Erkalten der Liebe, Absinken in das rein Irdische, Versklavtsein an die Sünde, Gesetzlosigkeit, Absturz in die Abgründe des Untermenschentums, Verherrlichung der Gewalt, Chaos, Krieg und Terror."

 

 

 

Auf Nachfrage beim damaligen amtierenden Erzbischof von Bamberg verteidigte dieser insbesondere die Verwendung des Begriffes "Untermenschentum".

 

 

 

Das Ideologiebuch des Islam, der Koran, steht dem nichts nach. So liest man etwa in der { Sure Al-Baqara 2,191: "Tötet sie, wo ihr sie findet", in At-Tauba 9,29: "Kämpft mit Waffen gegen diejenigen, die nicht an Allah glauben...."

 

 

 

Man stelle sich vor, der Untersagungsbescheidadressat hätte in seinen Vereinsstatuten derartige Auslassungen enthalten, oder hätte gar in der Versammlungsanzeige solche Drohungen ausgestoßen. In Wirklichkeit sollte das eine vollkommen friedliche, wenn auch kritische, sehr wohl begründete, Versammlung sein. Die Untersagung unterstreicht die verfassungswidrige Wirklichkeit, nämlich dass religiöse Bekenntnisse unerhörte Vorrechte vor anderen Weltanschauungen genießen.

 

 

 

Die Untersagung verletzt auch die Art. 82(1) und 83(2) des Bundesverfassungsgesetzes.

 

 

 

Ersterer normiert, dass die ordentliche Gerichtsbarkeit, also auch die Strafgerichtsbarkeit, vom Bund ausgeht. Zweiterer, dass niemand seinem gesetzlichen Richter entzogen werden { darf. Dass eine Verwaltungsbehörde sich anmaßt, festzustellen, ob ein gerichtlich strafbarer Tatbestand vorliegt und daran Sanktionen knüpft, widerspricht diesen Verfassungsbestimmungen. Der § 6 des Versammlungsgesetzes ist auch nicht so zu verstehen. Der Zweck dieser angezeigten Versammlung war nicht die symbolische Kreuzigung von Nutztieren, sondern die dadurch zum Ausdruck zu bringende Kritik an der Kirche. Diese symbolische Kreuzigung war nur das Mittel dazu. Im Übrigen ist zu bezweifeln, ob das Kreuz eine Sache ist, die den Gegenstand der Verehrung einer im Inland bestehenden Kirche bildet. Wie in der Diskussion über die Anbringung von Kreuzen in Klassenzimmern immer wieder betont wurde, ist das Kreuz allgemeiner Ausdruck der in Europa vorherrschenden Kultur und habe nur in zweiter Linie mit dem religiösen Glauben zu tun.

 

 

 

Die untersagte Manifestation stellt keineswegs eine Herabwürdigung des Kreuzes dar. Im Gegenteil hat bereits im Jahre 1842 der von Papst Benedikt XVI. im Jahre 2010 selig gesprochene Kardinal Newman in einer Karfreitagspredigt das Leiden der von Menschen gequälten Tiere mit dem Leiden Jesu am Kreuz verglichen, ja sogar gleichgestellt.

 

Außerdem pönalisiert der § 188 StGB nicht die hier ohnehin nicht vorliegende! Herabwürdigung per se, sondern nur dann, wenn sie unter Umständen erfolgt, die geeignet sind, berechtigtes Ärgernis zu erregen. Dass die angezeigte und untersagte Versammlung bei bestimmten Personen Ärgernis erregt hätte, ist unbestritten. Ebenso muss unbestritten sein, dass die offensive Religionsausübung, beispielsweise durch Glockenlärm oder Straßensperren, bei einem weltanschaulich anders orientierten Personenkreis Ärgernis erregt.

 

 

 

Die Kernfrage muss daher lauten, ob im Lichte unserer Rechtsordnung mit ihrer Gewichtung der Grundrechte diese Ärgernisse berechtigt sind. Wenn schon die oben angeführten beispielhaft aufgeführten Ärgernisse, die doch in das Leben von Andersdenkenden eingreifen, in vielfachen Erkenntnissen als nicht berechtigt erkannt wurden, so muss umso mehr die gegenständliche untersagte Manifestation als nicht berechtigtes Ärgernis hervorrufend eingestuft werden, da sie die Religionsausübung in keiner Weise stört oder hindert und noch weniger in die Lebensqualität der Gläubigen eingreift.

 

 

 

Noch weniger stichhaltig ist der Untersagungsgrund der Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder des öffentlichen Wohles. Das, selbst für die abgeänderte Versammlung, aufgebotene Polizeichor wäre ohne Schwierigkeiten in der Lage gewesen, auch für die ursprünglich geplante Versammlung die Sicherheit zu gewährleisten, wozu die Polizei verpflichtet ist. Diese gesetzliche Bestimmung hat ganz andere Dimensionen im Auge, beispielsweise wenn zwei gegensätzliche Versammlungen zeit- und ortgleich angemeldet sind und die Gefahr nicht beherrschbarer Massenschlägereien besteht. Es ist sicher nicht auszuschließen, dass einzelne fanatische Fundamentalisten tätlich werden, doch hat diesfalls die Polizei für die Sicherheit der Versammlungsteilnehmer zu sorgen, wozu sie im Hinblick auf die ausgerückte Mannschaftsstärke leicht in der Lage gewesen wäre. Diese an den Haaren herbeigezogene Begründung meint wohl die Sicherheit der etablierten Religion vor noch so berechtigter Kritik.

 

 

 

Überhaupt nicht versammlungsgesetzeskonform, aber entlarvend ist die von der Untersagungsbehörde vermeinte Gefährdung der öffentlichen Ordnung. Im Versammlungsgesetz findet sich keine solche Bestimmung, vielmehr normiert es die Gefährdung des öffentlichen Wohles im § 6 als Untersagungsgrund. Das ist bei Weitem nicht das Selbe, ja nicht einmal das Gleiche. Es kann ohne Weiteres eine öffentliche Unordnung dem öffentlichen Wohle dienen, ja jedweder grundrechtliche Fortschritt wurde durch anfängliche öffentliche Unordnung erst begründet. Für die Untersagungsbehörde scheint die öffentliche Ordnung nur dann gegeben, wenn alle, womöglich im Gleichschritt, ihre Knie vor dem Kreuze beugen. Eine solche Einstellung ist nicht nur nicht zeitgemäß, sie ist schlicht rechtswidrig. Die ursprünglich geplante Versammlung hätte zweifellos dem öffentlichen Wohl gedient. Richtig verstanden besteht es diesfalls darin, die gläubige Bevölkerung aus dem engen, streng anthropozentrischen Kirchendogma zu einem erweiterten Glaubensbegriff hinzuführen, der die menschengleiche Leidensfähigkeit der Tiere mit umfasst und berücksichtigt. Es darf nicht vergessen werden, dass der kirchliche Glaubensbegriff starken Veränderungen unterworfen ist, die allesamt durch stellenweise dramatische öffentliche Unordnungen bewirkt wurden. Der von Menschen nach ihrem Ebenbild erschaffene Gott war selbstverständlich als Spiegelbild der damaligen Herrschaftsverhältnisse ein weißer Mann. Andersfarbige und Frauen wurden als Nutztiere bezeichnet und behandelt (Hl. Thomas v. Aquin und Augustinus). Heute gibt sich die katholische Kirche bis zu einem Gewissen Grade frauenfreundlich und als Priester werden selbst in unseren Breiten ohne Weiteres Andershautfarbige ausgebildet und eingesetzt.

 

 

 

Es wird daher das Begehren gestellt, die Untersagungsbehörde möge gem. § 14/2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz von der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung absehen und die Beschwerde unter Anschluss der Akten dieses Verwaltungsverfahrens dem Verwaltungsgericht für Oberösterreich vorlegen.

 

Dieses möge eine öffentliche mündliche Verhandlung anberaumen, zu der folgende Beweise angeboten werden:

 

Ao. Univ.-Prof.Mag.Dr. X, Institut für Ethik und Gesellschaftslehre an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Karl-Franzens-Universität, A-8010 Graz, Heinrichstr. 78 B/2 als sachverständiger Zeuge.

 

Vorlage der Zeitschrift "Erwachet" vom 22. Februar 2004

Vorlage der Zeitschrift "Bote von Fatima" Nr. 1 vom Januar 2007

Schreiben des Erzbischofs von Bamberg vom 31 Januar 2007

Die Beischaffung folgender Akten wird beantragt:

635 65 BAZ 442/12w-l der Staatsanwaltschaft beim Landesgericht Graz

52 BAZ 444/08w der Staatsanwaltschaft beim Landesgericht Innsbruck

 

Abschließend wird beantragt, den gegenständlichen Untersagungsbescheid als rechtswidrig aufzuheben.

 

3. Die Landespolizeidirektion legte den in Rede stehenden Verwaltungsakt dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich mit Schreiben vom 29. April 2014 zur Entscheidung vor.

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt und das Beschwerdevorbringen.

 

Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte entfallen, da der in Rede stehende Sachverhalt völlig unbestritten feststand, und im Verfahren lediglich Rechtsfragen zu klären waren. In der Beschwerde wird zwar die Durchführung einer öffentlichen Verhandlung begehrt, jedoch keinesfalls der Sachverhalt in Frage gestellt, sondern im Gegenteil bestätigt.

 

Die angebotenen Beweise - Vorlage der Zeitschrift "Erwachet" vom 22. Februar 2004; Vorlage der Zeitschrift "Bote von Fatima" Nr. 1 vom Januar 2007; Schreiben des Erzbischofs von Bamberg vom 31 Januar 2007 - werden per se nicht in Zweifel gezogen, weisen aber für den in Rede stehenden Fall keinerlei Entscheidungsrelevanz auf. Gleiches gilt für die allfällige zeugenschaftliche Einvernahme eines Universitätslehrers der theologischen Fakultät Graz, zumal im vorliegenden Fall eine theologische / gesellschaftsethische Expertise die juristische Kernfrage nicht berühren würde.

 

Schließlich konnte auch auf die Beischaffung von Akten der betreffenden Staatsanwaltschaften verzichtet werden, zumal die Tatsache, dass in diesen Fällen keine Anklage erhoben wurde, außer Frage steht und als völlig glaubhaft angesehen wird. 

 

4. Das Landesgericht Oberösterreich geht bei seiner Entscheidung von dem unter dem Punkt I 1.1. dieses Erkenntnisses dargestellten – unwidersprochenen - relevanten Sachverhalt aus.

 

II.             

 

Im vorliegenden Fall ist die Sach- und Beweislage keinesfalls in Frage gestellt, weshalb hier keine differenzierte Beweiswürdigung vorzunehmen war (vgl. Punkt I.3.)

 

 

 

 

III.            

 

1. Gemäß Art. 11 Abs. 1 EMRK haben alle Menschen das Recht, sich friedlich zu versammeln und sich frei mit anderen zusammenzuschließen.

 

Gemäß Art. 11 Abs. 2 EMRK darf die Ausübung dieser Rechte keinen anderen Einschränkungen unterworfen werden, als den vom Gesetz vorgesehenen, die in einer demokratischen Gesellschaft im Interesse der nationalen und öffentlichen Sicherheit, der Aufrechterhaltung der Ordnung und der Verbrechensverhütung, des Schutzes der Gesundheit und der Moral oder des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer notwendig sind. Dieser Artikel verbietet nicht, dass die Ausübung dieser Rechte durch Mitglieder der Streitkräfte, der Polizei oder der Staatsverwaltung gesetzlichen Einschränkungen unterworfen wird.

 

Gemäß § 6 Versammlungsgesetz - VersG sind Versammlungen, deren Zweck den Strafgesetzen zuwiderläuft oder deren Abhaltung die öffentliche Sicherheit oder das öffentliche Wohl gefährdet, von der Behörde zu untersagen.

 

2.1. In Art 11 Abs. 1 EMRK wird zunächst allen Menschen ein Versammlungsrecht eingeräumt. Dieses unterliegt nach Art. 11 Abs. 2 EMRK gewisser Schranken, die gesetzlich ausgestaltet sein müssen. Eine derartige Determinierung traf der einfachgesetzliche Legislator insbesondere in § 6 VersG.

 

§ 6 VersG erkennt nun 3 Alternativen, bei deren Vorliegen eine Versammlung zu untersagen ist, also in die verfassungsmäßige Grundfreiheit eingegriffen werden muss.

 

2.2. Zunächst betrifft dies Fälle, in denen eine Versammlung Strafgesetzen zuwiderlaufen würde. Die belangte Behörde bezog sich im angefochtenen Bescheid auf § 188 StGB.

 

Gemäß § 188 StGB ist mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen wer öffentlich eine Person oder eine Sache, die den Gegenstand der Verehrung einer im Inland bestehenden Kirche oder Religionsgesellschaft bildet, oder eine Glaubenslehre, einen gesetzlich zulässigen Brauch oder eine gesetzlich zulässige Einrichtung einer solchen Kirche oder Religionsgesellschaft unter Umständen herabwürdigt oder verspottet, unter denen sein Verhalten geeignet ist, berechtigtes Ärgernis zu erregen.

 

Vorweg kann als weithin bekannt vorausgesetzt werden, dass in christlichen Kirchen bzw. kirchlichen Gemeinschaften Jesus Christus als Gottessohn angesehen wird, der sich durch Selbstaufgabe (Kenosis) dem Tod am Kreuz überantwortete. Dieses – in der gesamten Christenheit anerkannte – Heilsereignisses, das durch die Auferstehung Jesu Christi vollendet wurde, wird in den Kartagen bzw. der österlichen Zeit gedacht. Damit einher geht aber auch, dass als Symbol dessen das Kreuz eine besondere Verehrung erfährt.

 

Eine Darstellung des gekreuzigten Gottessohnes, substituiert durch mit Dornen gekrönte Tierköpfe und Kreuze im Rahmen einer Demonstration, wird wohl dem Tatbestand des § 188 StGB sehr nahe kommen. Diese Bestimmung zielt jedoch nicht so sehr auf religiöse Gefühle des Einzelnen ab, sondern in einem objektivierten Maßstab auf die Verletzung des „religiösen Friedens“. Mit Blick auf die in der Folge zu treffenden Überlegungen kann an dieser Stelle jedoch darauf verzichtet werden eine Subsumtion vorzunehmen. Auch, wenn hier keine unmittelbare Bindungswirkung für das Oö. Landesverwaltungsgericht besteht, ist – dem Sachverhalt zufolge – festzuhalten, dass die Staatsanwaltschaften bislang keinen Grund erkannt haben, vergleichbare Fälle vor Gericht zur Anzeige zu bringen. Es wird daher auch hier davon ausgegangen, dass durch die geplante Demonstration das Tatbestandselement der Verletzung eines Strafgesetzes nicht erfüllt würde.

 

Allerdings ist im Sinn des angefochtenen Bescheides dennoch darauf zu verweisen, dass die ggst. Entscheidung aufgrund einer Prognose zu fällen war, in deren Rahmen die potentielle Erfüllung des objektiven Tatbestandes durch die geplante Versammlung keinesfalls a priori auszuschließen war. 

 

2.3. Die 2. Alternative, die Gefährdung der öffentlichen Sicherheit scheint – bei abstrakter Betrachtung – ebenfalls nicht einschlägig.

 

2.4. Die 3. Alternative bildet die Gefährdung des öffentlichen Wohls. Hiebei handelt es sich um einen unbestimmten Gesetzesbegriff, der einer differenzierten Betrachtung bedarf. Klar ist dabei zunächst, dass das hier angesprochene Wohl nicht individueller, sondern kollektivierter Natur sein muss, das öffentlich rechtlich geschützt ist. Dabei ist von einem verfassungsstaatlichen Gemeinwohlverständnis auszugehen, das sich an den Gemeinwohlwerten des Grundgesetzes / des Grundrechtskataloges wie Menschenwürde, Freiheit, Rechtssicherheit, Frieden und Wohlstand und damit an den Grundrechten, dem Rechtsstaat-, Sozialstaat- und Demokratieprinzip festmachen lässt. (vgl. Armin: Gemeinwohl und Gruppeninteressen 1977, S. 22 ff.).

 

Art. 11 Abs. 2 EMRK lässt Einschränkungen der Grundfreiheit dahingehend zu, als sie zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig sind. Dadurch scheint im Sinne des Gemeinwohls ebenfalls eine Determinierung getroffen, nämlich der Schutz verfassungsrechtlich und einfachgesetzlich normierter Rechte und Freiheiten öffentlich anerkannter Kollektive. Zur klareren Interpretation des unbestimmten Gesetzesbegriffs „öffentliches Wohl“ bietet sich daher eine verfassungskonforme Interpretation an.

 

3.1. Gemäß Art. 14 StGG ist die volle Glaubens- und Gewissensfreiheit Jedermann gewährleistet. Der Genuss der bürgerlichen und politischen Rechte ist von dem Religionsbekenntnisse unabhängig; doch darf den staatsbürgerlichen Pflichten durch das Religionsbekenntnis kein Abbruch geschehen. (...)

 

Gemäß Art. 63 des Staatsvertrages von St. Germain Österreich verpflichtet sich Österreich allen Einwohnern ohne Unterschied der Geburt, Staatsangehörigkeit, Sprache, Rasse oder Religion vollen und ganzen Schutz von Leben und Freiheit zu gewähren. Alle Einwohner Österreichs haben zudem das Recht, öffentlich oder privat jede Art Glauben, Religion oder Bekenntnis frei zu üben, sofern deren Übung nicht mit der öffentlichen Ordnung oder mit den guten Sitten unvereinbar ist.

 

Gemäß Art. 9 Abs. 1 EMRK (Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit) hat jedermann Anspruch auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit; dieses Recht umfasst die Freiheit des einzelnen zum Wechsel der Religion oder der Weltanschauung sowie die Freiheit, seine Religion oder Weltanschauung einzeln oder in Gemeinschaft mit anderen öffentlich oder privat, durch Gottesdienst, Unterricht, Andachten und Beachtung religiöser Gebräuche auszuüben.

 

Gemäß Art. 9 Abs. 2 EMRK darf die Religions- und Bekenntnisfreiheit nicht Gegenstand anderer als vom Gesetz vorgesehener Beschränkungen sein, die in einer demokratischen Gesellschaft notwendige Maßnahmen im Interesse der öffentlichen Sicherheit, der öffentlichen Ordnung, Gesundheit und Moral oder für den Schutz der Rechte und Freiheiten anderer sind.

 

3.2. Es sei vorweg angemerkt, dass auf die Problematik der Drittwirkung von Grundrechten hier nicht einzugehen ist, zumal es nicht primär um die Frage der Religionsfreiheit per se geht, sondern um eine verfassungskonforme Interpretation des § 6 VersG. Aus den obzitierten Bestimmungen geht eindeutig hervor, dass sich der Staat zum Schutz der Ausübung der Religionsfreiheit verpflichtet hat. Dies kommt auch dadurch zum Ausdruck, dass der 8. Abschnitt des StGB vor § 188 mit der Überschrift: „Strafbare Handlungen gegen den Religionsfrieden und die Totenruhe“ eingeleitet wird. Die Betonung liegt hier auf dem Schutz des religiösen Friedens, also nicht so sehr auf dem individuellen religiösen Gefühl, sondern auf einem kollektivierbaren Schutzgut. Im Sinne der obigen Bemerkungen ist also festzuhalten, dass die Ausübung der Religionsfreiheit und der Schutz des religiösen Friedens fraglos – nach verfassungskonformer Interpretation – unter den Begriff des öffentlichen Wohles zu subsumieren sind.

 

Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes kann die Abhaltung von Versammlungen, durch die Interessen Dritter an einer ungestörten Religionsausübung gefährdet werden, untersagt werden (vgl. VfGH vom 13. Dezember 2000, B 1613/99).

 

„Nun untersagt Art. 9 EMRK nicht bloß dem Staat selbst in die Religionsfreiheit ohne Rechtfertigung im Sinn des Art. 9 Abs. 2 EMRK einzugreifen, sondern verpflichtet ihn auch zum Schutze rechtmäßiger Religionsausübung gegen gezielte Störungen von dritter Seite (vgl. die zu Art 11 EMRK ergangene Entscheidung VfSlg 12.501/1990 sinngemäß). Art. 11 Abs. 2 EMRK lässt staatliche Eingriffe in die grundrechtlich gewährleistete Versammlungsfreiheit auf gesetzlicher Grundlage zu, wenn dies in einer demokratischen Gesellschaft ua zur Aufrechterhaltung der Ordnung oder zu Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist. Zu den Rechten und Freiheiten anderer iSd Art 11 Abs. 2 EMRK zählt zweifellos auch das Recht auf ungestörte Religionsausübung, wie es Art 9 EMRK grundrechtlich absichert und die einfachgesetzliche Rechtsordnung vielfach anerkennt.“

 

Es ist sohin in der Folge zu prüfen, ob im vorliegenden Fall die Ausübung der Religionsfreiheit oder der religiöse Friede unverhältnismäßig durch die geplante Versammlung gefährdet wurden.

 

4.1. Die hier zu treffende Entscheidung stellt sich als Prognoseentscheidung dar, die die Behörde auf Grundlage der von ihr festzustellenden, objektiv erfassbaren Umstände in sorgfältiger Abwägung zwischen dem Schutz der Versammlungsfreiheit und den von der Behörde wahrzunehmenden öffentlichen Interessen zu treffen hatte. Dabei hatte die Behörde abzuwägen, ob die mit der Versammlung verbundenen Beeinträchtigungen im Interesse der Versammlungsfreiheit von der Öffentlichkeit hinzunehmen gewesen wären (vgl. zB VfGH 1.10.1988 B 1068/88). Die Behörde hatte ihre (Prognose-) Entscheidung aufgrund konkret festgestellter, objektiv erfassbarer Umstände zu treffen (vgl. zB VfSlg. 5087/1965).

 

Bei der von der Behörde zu treffenden Prognoseentscheidung kommt es nicht nur auf die Absichten des Veranstalters, sondern auch auf die realistische und nachvollziehbare Einschätzung des zu erwartenden Geschehnisablaufes an.

 

4.2. Wie oben schon als allgemein bekannt vorausgesetzt, wird von sämtlichen christlichen Kirchen bzw. kirchlichen Gemeinschaften (wenn auch nicht generell von allen an den kalendarisch identen Zeitpunkten – vgl. etwa teils unterschiedliche zeitliche Zuordnung bei der orthodoxen Kirche, wobei gerade im Jahr 2014 hier keine Unterschiede bestanden) des unmittelbar mit dem Kreuzestod Jesu Christi verbundenen göttlichen Heilsereignisses gedacht und dieses durch die verschiedensten religiösen Riten und Feiern begangen, wobei die „Karliturgie“ primär beim gründonnerstäglichen Abendmahl verstärkt einsetzt und sich über den Karfreitag (höchster Feiertag etwa der evangelischen Kirche) bis zu den in der Osternacht stattfindenden Auferstehungsfeiern kumuliert. Nicht nur nach katholischem Verständnis ist der Karsamstag der „Grabesruhe“ und damit verbunden der inneren Sammlung gewidmet, wobei besonders an diesem Tag von den Kirchen Grabeswachen, Gebetsstunden (wie z. B. im Linzer Neuen Dom, was von der Behörde im Bescheid angeführt wurde) angeboten und auch regelmäßig frequentiert werden. Gleiches gilt für die traditionell an diesem Tag von den Kirchen verstärkt angebotene Osterbeichte, zu der die Gläubigen – in der Regel während des gesamten Tages – eingeladen sind. Zentrales Thema ist in dieser Zeit vor allem der Kreuzweg Jesu, dessen ebenfalls in mannigfältiger Weise gedacht wird.

 

Vom Verein R wurde als Versammlungszweck der zweifelsohne völlig unbedenkliche und zu fördernde Tierschutz genannt, was auch durch den Titel „Nein zu Fleisch! Ja zu Vegetarismus!“ verdeutlicht werden soll. Angesichts der Konzeption der Versammlung, der beabsichtigten Route und nicht zuletzt auch angesichts der in der Beschwerde geäußerten Intention und Stoßrichtung, tritt zu diesem „primär“ angegebenen Zweck ohne jeden Zweifel der Zweck einer intensiven Auseinandersetzung mit der Haltung und der rechtlichen Stellung der katholischen Kirche speziell (wie auch von Religionsgemeinschaften generell). Neben dem Bischofshof sollten beinahe sämtliche innenstädtische Kirchen für Kundgebungen berührt werden. Folgt man der Beschwerdeschrift, erhält man einen tieferen Einblick in Dokumente und Schriften von Kirche und Islam sowie in die explizit geäußerte Ablehnung des Vorrechtes von Religionen, gegenüber von Weltanschauungen mit der Forderung das Strafrecht diesbezüglich zu bereinigen.

 

Verbunden mit der geplanten Ausstattung der Demonstrationsteilnehmerinnen und Teilnehmer, die bewusst ua. mit Tierköpfen maskiert (blutverschmiert) an Holzkreuze gefesselt auftreten sollten, liegt für jedermann die Assoziation mit dem Kreuzweg Jesu Christi auf der Hand, was im Übrigen ja wohl auch „gezielt“ beabsichtigt ist, wenn man der im Internet lancierten Einladung zur Versammlung folgt. 

 

Die Assoziation des gegeißelten, dornengekrönten Gottessohnes mit Tiergestalten ist aber fraglos dazu geeignet kollektivierte religiöse Gefühle, also das öffentliche Wohl in Form des religiösen Friedens massiv zu beeinträchtigen. Es würde dabei wenig helfen, mit Flugblättern udgl. weitere Informationen anzubieten, da der visuell gewonnene Eindruck dadurch wohl nicht abgemildert werden könnte.

 

4.3. Nach § 6 VersG bedarf es aber nicht nur einer Beeinträchtigung des öffentlichen Wohls, sondern dessen Gefährdung, um einen Eingriff in das Grundrecht zu legitimieren. Es ist sohin zu erörtern, ob im hier zu beurteilenden Fall eine Gefährdung des religiösen Friedens gedroht haben würde. 

 

Eine derartige Gefährdung ist gegeben.

 

Diese Feststellung gründet sich zunächst auf die terminliche Festlegung der Versammlung am Karsamstag und damit verbunden auf die besondere Bedeutung des Kreuzes, des Kreuzweges und der inneren Sammlung an diesem Tag. Es kann davon ausgegangen werden, dass zahlreiche gläubige Katholiken beim Zu- und Weggehen von den diversen Kirchen mit dem Demonstrationszug konfrontiert und zutiefst verstört worden wären. Vergleichbar dazu hat, wie oben angeführt, der Verfassungsgerichtshof das traditionelle christliche Totengedenken zu Allerheiligen auf Friedhöfen insgesamt als religiösen Gebrauch durch Art. 9 EMRK grundrechtlich geschützt angesehen. Es ist auch anzunehmen, dass diese Konfrontation zu massiven Diskussionen geführt haben würde, wobei mitunter Situationen hätten provoziert werden können, die die öffentliche Sicherheit zu tangieren sehr wohl geeignet gewesen wären. Dabei würde dies nur eine unzureichende Abschwächung dargestellt haben, wenn die Tiermasken vor den Kirchen abgenommen worden wären oder ein gewisser Respektabstand eingehalten worden wäre. Anders würde es sich bei dem – von der belangten Behörde vorgeschlagenen, von den Veranstaltern abgelehnten Verzicht auf Holzkreuze udgl. verhalten haben. Es ist hier also das Maß der Gefährdung des öffentlichen Wohles voll erreicht.

 

Der Eingriff in die Versammlungsfreiheit war also unter dem Gebot der Verhältnismäßigkeit ebenfalls gerechtfertigt. Der Vollständigkeit halber sei angeführt, dass sich auch die Beschwerdeschrift nicht auf das Grundrecht der freien Kunstausübung beruft, weshalb hier nicht näher darauf einzugehen ist. Im Übrigen wurde auch die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung in der Beschwerde nicht thematisiert, weshalb dies auch hier unterbleiben kann.

 

5. Im Ergebnis war sohin die Beschwerde als unbegründet abzuweisen und spruchgemäß zu entscheiden.

 

IV.          Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

 

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

 

 

Bernhard Pree

Beachte:

Das Erkenntnis wurde aufgehoben.

VfGH vom 11. März 2015, Zl.: E 717/2014-16