LVwG-600007/5/Sch/Bb/SA

Linz, 17.04.2014

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Dr. Schön über die Beschwerde (vormals Berufung) der X vertreten durch X vom 9. Dezember 2013, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung vom 2. Dezember 2013, GZ VerkR96-995-2012-OJ, betreffend Zurückweisung des Antrages auf Wiederaufnahme des mit Straferkenntnisses der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung vom 5. September 2013, GZ VerkR96-995-2012, rechtskräftig abgeschlossenen Verwaltungsstrafverfahrens gemäß § 69 AVG, aufgrund des Ergebnisses der am 11. Februar 2014 durchgeführten mündlichen Verhandlung,  

 

zu Recht  e r k a n n t :

 

 

I.          Gemäß § 69 Abs. 1 Z 2 AVG iVm §§ 24 VStG und 17 VwGVG wird die Beschwerde abgewiesen und der behördliche Bescheid mit der Maßgabe bestätigt, dass der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens vom 11. November 2013 abgewiesen wird.

 

II.         Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

 

 

I.1. Die Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung (im Folgenden: belangte Behörde) hat den Antrag der X (der nunmehrigen Beschwerdeführerin) vom 11. November 2013 auf Wiederaufnahme des mit rechtskräftigem Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung vom 5. September 2013, GZ VerkR96-995-2012, wegen Verwaltungsübertretungen nach 1) § 4 Abs. 1 lit. a iVm § 99 Abs. 2 lit. a StVO und 2) § 4 Abs. 5 iVm § 99 Abs. 3 lit. b StVO abgeschlossenen Verwaltungsstrafverfahrens mit Bescheid vom 2. Dezember 2013, GZ VerkR96-995-2012-OJ, gemäß §§ 69 Abs. 1 und 2 AVG iVm 24 VStG zurückgewiesen.

 

Ihre Entscheidung begründend führt die belangte Behörde nach Zitierung der einschlägigen Rechtsnormen und Wiedergabe des Verfahrensgeschehens im Wesentlichen an, dass die Beschwerdeführerin im Verwaltungsstrafverfahren ausreichend Gelegenheit gehabt hätte, relevante Tatsachen geltend zu machen. Dies habe sie aber unterlassen. Verabsäume es eine Partei, ein Sachverständigengutachten rechtzeitig im Verfahren zu erwirken und besorge sie sich ein solches nachträglich, so liege im neu vorgebrachten Gutachten nicht ein ohne Verschulden neu hervorgekommenes Beweismittel. Weder aus der Eingabe noch aus dem Gutachten seien Gründe ersichtlich, dass dieses Gutachten nicht ohne ihr Verschulden auch bereits im abgeführten Verwaltungsstrafverfahren erstellt und geltend gemacht hätte werden können. Da die Voraussetzungen für die Wiederaufnahme des Verfahrens nicht vorlagen, sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

 

I.2. Gegen diesen Bescheid - zugestellt am 4. Dezember 2013 - erhob die Beschwerdeführerin durch ihre ausgewiesenen Rechtsvertreter innerhalb offener Frist die Berufung vom 9. Dezember 2013, mit der beantragt wurde, eine mündliche Verhandlung anzuberaumen, der Berufung stattzugeben, in eventu den angefochtenen Bescheid aufzuheben und die Sache zur neuerlichen Erledigung an die belangte Behörde zurückzuverweisen.

 

Diese Berufung ist mit Wirksamkeit 1. Jänner 2014 gemäß § 3 Abs. 1 letzter Satz VwGbK-ÜG als Beschwerde im Sinne des Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG und die Berufungswerberin im Sinne des Art. 132 Abs. 1 Z 1 B-VG als Beschwerdeführerin anzusehen.

 

Begründend wurde verfahrensrelevant – auf das Wesentliche verkürzt - ausgeführt, dass die im nunmehr vorliegenden Sachverständigengutachten des Gerichtssachverständigen Ing. K.H. vom 25. Oktober 2013 getroffenen Feststellungen und die daraus resultierenden Befundergebnisse neue Tatsachen im Sinne des § 69 AVG seien, die im bisherigen Verfahren nicht vorgelegen haben und die mit hoher Wahrscheinlichkeit geeignet seien, zu einem anders lautenden Bescheid zukommen. Schließlich sei das Gutachten von einem langjährig tätigen erfahrenen Gerichtssachverständigen erstattet und auch schlüssig und nachvollziehbar begründet worden. Die zweiwöchige Frist ab Kenntnis des Wiederaufnahmegrundes sei gewahrt, zumal das Gutachten am 30. November 2013 (gemeint wohl: 30. Oktober 2013) zugegangen und der Wiederaufnahmeantrag am 11. November 2013 eingebracht worden sei.

 

Es könne auch kein Zweifel daran bestehen, dass die Gutachtensergebnisse und das darin beinhaltete Tatsachensubstrat ohne ihr Verschulden nicht schon im Verfahren vor der belangte Behörde vorgelegt haben werde können, da dieses erst am 25. Oktober 2013 erstellt worden sei und zuvor nicht bestanden habe. Es könne sie schon deswegen kein Verschulden treffen, dass die Gutachtensergebnisse nicht schon im behördlichen Verfahren Eingang gefunden haben, zumal sie als technischer Laie bis zum Vorliegen des Gerichtssachverständigengutachtens nicht davon ausgehen habe können und müssen, dass das Amtssachverständigengutachten unrichtig sei.

 

Des Weiteren wandte die Beschwerdeführerin ein, dass dem angefochtenen Bescheid nicht zu entnehmen sei, von welchen konkreten Feststellungen die Behörde bei ihrer Entscheidung ausgegangen sei und auf welchen Erwägungen ihre Beweiswürdigung beruhe. Es fehle gänzlich eine stichhaltige die Wiederaufnahme hindernde Bescheidbegründung. Dazu komme, dass die einfachgesetzliche Regelung, dass die Wiederaufnahme des Verfahrens bei verschuldeter Säumnis unzulässig sei, den zwingenden Bestimmungen der EMRK widerspräche, weil das Recht auf ein faires Verfahren nach Art. 6 EMRK dadurch verletzt werde. Es sei mit den Grundsätzen der MRK unvereinbar, dass die Verurteilung eines unschuldigen aufrechterhalten werde, nur weil ein relevantes bzw. entlastendes Beweisangebot verspätet vorgebracht wurde.

 

I.3. Die Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung hat die Berufung (Beschwerde) unter Anschluss des Bezug habenden Verwaltungsstrafaktes mit Vorlageschreiben vom 12. Dezember 2013, GZ VerkR96-995-2012-OJ/HL, ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vorgelegt. Damit ergab sich die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates (seit 1. Jänner 2014 des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich gemäß Art. 151 Abs. 51 Z 8 B-VG iVm § 3 VwGbk-ÜG) zur Entscheidungsfindung. Gemäß Art. 135 Abs. 1 erster Satz B-VG iVm § 3 VwGbk-ÜG entscheidet das Landesverwaltungsgericht durch den nach der Geschäftsverteilung zuständigen Einzelrichter.

I.4. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den von der belangten Behörde zur Entscheidung übermittelten Verfahrensakt und Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 11. Februar 2014, zu welcher die Verfahrensparteien geladen wurden und eine Rechtsvertreterin der Beschwerdeführerin sowie ein Vertreter der belangten Behörde erschienen sind und zum Sachverhalt gehört wurden. Die Beschwerdeführerin selbst hat an der Verhandlung entschuldigt nicht teilgenommen.

 

I.4.1. Aufgrund des durchgeführten Beweisverfahrens und der Aktenlage steht folgender Sachverhalt fest und wird der Entscheidung zugrunde gelegt:

 

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung vom 5. September 2013, GZ VerkR96-995-2012, wurde die Beschwerdeführerin wegen der Begehung von Verwaltungsübertretungen nach § 4 Abs. 1 lit. a iVm § 99 Abs. 2 lit. a StVO und § 4 Abs. 5 iVm § 99 Abs. 3 lit. b StVO schuldig erkannt und über sie Geldstrafen in Höhe von 250 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 60 Stunden) und 200 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 48 Stunden) verhängt. Dieses Straferkenntnis wurde der Beschwerdeführerin zuhanden ihrer Rechtsvertreter nachweislich am 10. September 2013 zugestellt und ist mangels Anfechtung in Rechtskraft erwachsen.

 

Die behördliche Entscheidung stützt sich im Wesentlichen auf den im Ermittlungsverfahren festgestellten Sachverhalt, wonach die Beschwerdeführerin am 19. Jänner 2012 um 21.00 Uhr in der Gemeinde Linz, am Parkplatz Unionsstraße X, einen Verkehrsunfall mit Sachschaden verursacht hat, indem sie mit ihrem Fahrzeug, Marke Mercedes, behördliches Kennzeichen X, beim Ausparken mit der Heckstoßstange gegen das rechte vordere Eck des geparkten Peugeot 206, Kennzeichen X, stieß und anschließend Fahrerflucht beging. Bei diesem Verkehrsunfall wurde der Pkw der Beschwerdeführerin an der Stoßstange im rechten hinteren Bereich beschädigt und am Zweitfahrzeug entstand rechts vorne am Stoßstangeneck und am Kotflügel Sachschaden.

 

Der Amtssachverständige für Verkehrstechnik Ing. J.L. vom Amt der Oö. Landesregierung, Direktion Straßenbau und Verkehr, Abteilung Verkehr, erläuterte dazu in seinem Gutachten vom 28. November 2012, GZ VerkR-210000/2897-2012/LJ, dass es aufgrund der Schadensbilder durchaus möglich sei, das die Schäden vom gegenständlichen Unfall resultieren. Die Schäden befänden sich etwa in gleicher Höhe und das Schadensbild sei typisch für derartige Berührungen von Fahrzeugen. Der Verkehrsunfall wäre für die Beschwerdeführerin bei gehöriger Aufmerksamkeit wahrnehmbar gewesen.

Mit Eingabe vom 11. November 2013 beantragte die Beschwerdeführerin nunmehr unter gleichzeitiger Vorlage eines Gutachtens des Sachverständigen für Kraftfahrzeugtechnik K.H., X vom 25. Oktober 2013 die Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 69 AVG. Unter Hinweis auf dieses Gutachten führt die Beschwerdeführerin an, dass mit damit nunmehr eindeutig bewiesen sei, dass sie die ihr im erwähnten Straferkenntnis vorgeworfenen Taten nicht begangen habe.

 

Resümierend wird in diesem Gutachten u.a. festgestellt, dass von der Deformierung sowie Abschürfung der Stoßstange am Mercedes davon auszugehen sei, dass der entstandene Schaden am Peugeot nicht im Zusammenhang stehe.

 

I.5. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat in rechtlicher Hinsicht hierüber erwogen:

 

I.5.1. § 32 VwGVG regelt die Wiederaufnahme des Verfahrens vor dem Landesverwaltungsgericht und § 52 Abs. 7 VwGVG die Kostenfrage bei einem verwaltungsgerichtlichen Strafverfahren. Die Wiederaufnahme eines verwaltungsbehördlichen, mit Bescheid abgeschlossenen Verfahrens richtet sich hingegen nach § 69 AVG. Gegenständlich erfolgte die Einbringung des Wiederaufnahmeantrages im rechtkräftig abgeschlossenen verwaltungsbehördlichen Strafverfahren, sodass auf das konkrete Verfahren die Bestimmungen des § 69 AVG (iVm § 24 VStG und 17 VwGVG) zur Anwendung zu ge­langen hatten.

 

Gemäß § 69 Abs. 1 AVG (in der zum Entscheidungszeitpunkt durch das Landesverwaltungsgerichtes geltenden Fassung), der aufgrund § 24 VStG auch im Verwaltungsstrafverfahren Anwendung findet, ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und:

1.   der Bescheid durch Fälschung einer Urkunde, falsches Zeugnis oder eine andere gerichtlich strafbare Handlung herbeigeführt oder sonst wie erschlichen worden ist oder

2.   neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich einen im Hauptinhalt des Spruches anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätten, oder

3.   der Bescheid gemäß § 38 von Vorfragen abhängig war und nachträglich über eine solche Vorfrage von der zuständigen Verwaltungsbehörde bzw. vom zuständigen Gericht in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde;

4.   nachträglich ein Bescheid oder eine gerichtliche Entscheidung bekannt wird, der bzw. die einer Aufhebung oder Abänderung auf Antrag einer Partei nicht unterliegt und die im Verfahren die Einwendung der entschiedenen Sache begründet hätte.

 

Der Antrag auf Wiederaufnahme ist gemäß § 69 Abs. 2 AVG (iVm § 24 VStG) binnen zwei Wochen bei der Behörde einzubringen, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antragsteller von dem Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt hat, wenn dies jedoch nach der Verkündung des mündlichen Bescheides und vor Zustellung der schriftlichen Ausfertigung geschehen ist, erst mit diesem Zeitpunkt. [...]

 

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

 

I.5.2. Zunächst ist zur Rechtzeitigkeit des Wiederaufnahmeantrages vom 11. November 2013 festzustellen, dass der Antrag aufgrund des Vorbringens der Beschwerdeführerin sowie mangels gegenteiliger Anhaltspunkte als rechtzeitig erhoben anzusehen ist.

 

Gründe, die für eine Anwendung der Voraussetzungen des § 69 Abs. 1 Z 1, Z 3 und Z 4 AVG sprechen würden, sind im konkreten Verfahren nicht hervorgekommen bzw. wurden auch nicht vorgebracht. Der gegenständliche Fall reduziert sich somit darauf, ob die in § 69 Abs. 1 Z 2 AVG genannten Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme des gegen die Beschwerdeführerin rechtkräftig abgeschlossenen Verwaltungsstrafverfahrens vorliegen.

 

Die Rechtsmittelwerberin legt nunmehr – nach Abschluss des behördlichen Verwaltungsstrafverfahrens und Eintritt der Rechtskraft des gegen sie gefällten Straferkenntnisses - ein Sachverständigengutachten, datiert vom 25. Oktober 2013 vor, welches den Beweis erbringen soll, sie habe zum fraglichen Tatzeitpunkt am 19. Jänner 2012 keinen Verkehrsunfall verursacht und damit die ihr zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen gemäß § 4 Abs. 1 lit. a StVO und § 4 Abs. 5 StVO, wegen der verwaltungsbehördlich rechtskräftig schuldig erkannt wurde, nicht begangen.

Die in § 69 Abs. 1 Z 2 AVG bezeichneten "Tatsachen und Beweismittel" können nach ständiger Judikatur nur dann einen Grund für die Wiederaufnahme eines rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens darstellen, wenn sie bei Abschluss des seinerzeitigen Verfahrens bereits bestanden haben, aber erst später nach rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens bekannt wurden und deren Verwertung deshalb der Partei ohne ihr Verschulden erst nachträglich möglich geworden ist (VwGH 20. November 2002, 2000/17/0013; 20. Juni 2001, 95/08/0036 uvm.). Bei diesen Tatsachen und Beweismitteln muss es sich um neu hervorgekommene, den Sachverhalt betreffende Tatsachen und Beweismittel handeln, die im durchgeführten Verfahren, wenn sie schon damals hätten berücksichtigt werden können, zu einer anderen Feststellung des Sachverhaltes und voraussichtlich zu einem anders lautenden Bescheid geführt hätten (VwGH 18. Mai 1994, 93/09/0226).

 

In einem Gutachten können daher immer nur neue Befundergebnisse (die konkreten sachverständigen Tatsachenfeststellungen) und nicht auch die sachverständigen Schlussfolgerungen (das Gutachten im engeren Sinn) einen Wiederaufnahmegrund bilden (siehe dazu z. B. das zuvor zitierte Erkenntnis vom 18. Mai 1994, 93/09/0226).

 

Gutachten von Sachverständigen, die erst nach Eintritt der Rechtskraft des Bescheides eingeholt wurden, sind nicht neu hervorgekommen, sondern neu entstanden und können damit auch nicht als neue Beweismittel Grund für eine Wiederaufnahme des Verfahrens sein. Nur wenn ein Sachverständigengutachten neue Befundtatsachen, die zur Zeit der Sachverhaltsverwirklichung bereits bestanden, erst nach Rechtskraft des Bescheides "feststellt" oder solche sonst wie hervorkommen neuen Tatsachen verwertet, können diese bzw. die daraus resultierenden neuen Befundergebnisse, die sich auf die zuvor bestandenen Tatsachen beziehen, bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen - insbesondere der Mangel eines Verschuldens der Partei - als neue Tatsachen einen Grund für eine Wiederaufnahme darstellen (VwGH 25. Juli 2013, 2012/07/0131). Bloß andere als im Hauptverfahren gezogene sachverständige Schlüsse sind kein Wiederaufnahmegrund (vgl. wiederum VwGH 18. Mai 1994, 93/09/0226). Selbst weder ein dem Sachverständigen in seinem Gutachten unterlaufener Irrtum noch neue Schlussfolgerungen eines dem Verwaltungsverfahren nicht beigezogenen Sachverständigen bilden einen Wiederaufnahmegrund (VwGH 19. April 1994, 90/07/0124).

 

Bezogen auf den Beschwerdefall bedeutet dies, dass lediglich neue Feststellungen im Befundbereich durch das von der Beschwerdeführerin beigebrachte Sachverständigengutachten vom 25. Oktober 2013 und mangelndes Verschulden der Beschwerdeführerin an der „verspäteten Vorlage“ dieses erst nach rechtskräftigem Abschluss des behördlichen Verwaltungsstrafverfahrens erstatteten Gutachtens eine Verfahrenswiederaufnahme nach § 69 Abs. 1 Z 2 AVG hätten rechtfertigen können. Vorauszuschicken ist dazu zunächst, dass das dargebotene Gutachten eine nachvollziehbare Trennung in "Befund" und "Gutachten" nicht aufweist und sich im entscheidungswesentlichen Sachverhalt nicht von den Angaben im Amtssachverständigengutachten vom 28. November 2012 unterscheidet. In beiden Gutachten wird beim Mercedes der Beschwerdeführerin vom Zustandsbild einer Abschürfung/Abriebspur auf der rechten Heckstoßstange und beim Peugeot 206 von einer Beschädigung des rechten vorderen Stoßstangeneckes als auch des Kotflügels ausgegangen. Nur die Richtung der Schlussfolgerungen ist eine jeweils verschiedene. Während der Amtssachverständige schlüssig und nachvollziehbar zum Ergebnis gelangt, dass sich die Schäden an den beiden Fahrzeugen etwa in gleicher Höhe befänden und das Schadensbild typisch für derartige Berührungen von Fahrzeugen sei, sodass davon auszugehen sei, dass die Schäden vom gegenständlichen Verkehrsunfall resultieren, gelangt der von der Beschwerdeführerin beigezogene Sachverständige dagegen zum Ergebnis, dass von der Deformierung sowie Abschürfung der Stoßstange am Mercedes anzunehmen sei, dass der Schaden am Peugeot nicht in Zusammenhang stehe. Damit enthält aber das Gutachten vom 25. Oktober 2013 keine neuen Befundergebnisse, sondern bloß neue Schlussfolgerungen aus unveränderten Befundtatsachen, sodass es schon deshalb keinen tauglichen Wiederaufnahmegrund zu bilden vermag.

 

Letztlich kann jedoch dahingestellt bleiben, ob das von der Beschwerdeführerin nach Abschluss des Verwaltungsstrafverfahrens beigeschaffte Gutachten neue Befundergebnisse geliefert hat, welche einen Wiederaufnahmegrund darzustellen vermöchten, zumal nicht davon ausgegangen werden kann, die Beschwerdeführerin habe ohne ihr Verschulden dies im abgeschlossenen Verfahren nicht geltend machen können. War die Beschwerdeführerin nämlich der Meinung, ihr wurde zu Unrecht die Begehung der Verwaltungsübertretungen nach §§ 4 Abs. 1 lit. a und 4 Abs. 5 StVO vorgeworfen und das Gutachten des Amtssachverständigen, auf das sich die Behörde dabei stützte, sei falsch, so lag es an ihr, diesem Gutachten bereits im Zuge des Verwaltungsstrafverfahrens auf geeignetem Wege entgegenzutreten  (z. B. VwGH 27. Februar 1995, 90/10/0137), was sie jedoch unterlassen hat. Auf eine unverschuldete Unkenntnis dieser Möglichkeit kann sie sich nicht mit Erfolg berufen, da sie allenfalls entsprechende Rechtsauskünfte einholen hätte müssen bzw. im behördlichen Verfahren ohnedies rechtskundig vertreten war. Das erst nach Abschluss des Verwaltungsstrafverfahrens eingeholte Gutachten stellt daher kein Beweismittel dar, das im Verfahren ohne Verschulden der Beschwerdeführerin nicht geltend gemacht werden konnte.

 

Es war die Beschwerde aus den dargestellten Gründen daher gemäß § 69 Abs. 1 Z 2 AVG iVm §§ 24 VStG und 17 VwGVG als unbegründet abzuweisen.

 

Lediglich der Vollständigkeit halber sei angemerkt, dass das Gutachten vom 25. Oktober 2013, selbst wenn es einen tauglichen Wiederaufnahmegrund dargestellt hätte, mangels ausreichender nachvollziehbarer Begründung im konkreten Fall wohl zu keinem anderen Ergebnis bzw. keiner anderen Entscheidung geführt hätte.

 

I.5.3. In formaler Hinsicht ist bemerken, dass die belangte Behörde im Spruch des angefochtenen Bescheides den Wiederaufnahmeantrag als unzulässig zurückgewiesen hat. Wenn nach Auffassung der Behörde jedoch kein Wiederaufnahmegrund an sich vorliegt, ist ein solcher Antrag nicht zurückzuweisen, sondern es ist, wenn der geltend gemachte Wiederaufnahmegrund nicht vorliegt, der Antrag abzuweisen (VwGH 4. September 2000, 98/10/0013).

 

Ein derartiges „Vergreifen im Ausdruck“ durch die belangte Behörde macht den in Beschwerde gezogenen behördlichen Bescheid zwar nicht rechtswidrig und wurde die Beschwerdeführerin dadurch nicht in ihren Rechten verletzt, jedoch war eine Richtigstellung des Spruch durch das Landesverwaltungsgericht dahingehend geboten, als der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens vom 11. November 2013 in Abänderung des Bescheidspruches der behördlichen Entscheidung abzuweisen war.

 

I.5.4. Im Hinblick auf nachfolgende Wiederaufnahmeverfahren nach § 69 AVG wird die belangte Behörde noch auf die Bestimmung des § 64 Abs. 6 VStG hingewiesen, die bestimmt, dass dann, wenn einem Antrag des Bestraften auf Wiederaufnahme des Strafverfahrens nicht stattgegeben wird, hinsichtlich der Verpflichtung zur Tragung der Verfahrenskosten sinngemäß die vorgehenden Bestimmungen (§ 64 Abs. 1 bis 5 VStG) gelten.

 

Dies hat - gemäß dieser Bestimmung - zur Folge, dass im behördlichen Verfahren im Fall der Nichtstattgabe eines Wiederaufnahmeantrages dem Antragsteller ein (weiterer) Kostenbeitrag in der in § 64 Abs. 2 VStG bestimmten Höhe und der Ersatz von allfällig entstehenden Barauslagen aufzuerlegen ist.

 

 

II. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

 

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

 

 

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

 

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

 

 

S c h ö n