LVwG-350047/2/KLi/TK

Linz, 15.04.2014

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Dr. Karin Lidauer über die Beschwerde der Beschwerdeführerin, Frau L N, geb. 1974, X gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes von Linz-Land, vom 3. März 2014, GZ: SH20-6852-2014/Fe, wegen Gewährung einer Hauptleistung Wohnen in einem Wohnheim gemäß § 12 Abs.2 Z 2 Oö. ChG

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

I.         Gemäß § 28 Abs.1 VwGVG wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und der Bescheid des Bezirkshauptmannes von Linz-Land vom 3. März 2014, GZ: SH20-6852-2014/Fe bestätigt.

 

II.       Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs.4 B-VG unzulässig.

 

 

 

 

 


E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

 

I.1. Mit Bescheid des Bezirkshauptmannes von Linz-Land vom 3. März 2014, GZ: SH20-6852-2014/Fe wurde ausgesprochen, dass die Beschwerdeführerin für die Dauer der mit Bescheid vom 6. Februar 2014 gewährten Hauptleistung Wohnen in einem Wohnheim gemäß § 12 Abs.2 Z 2 Oö. ChG einen Beitrag zu den diesbezüglichen Kosten zu leisten habe. Dieser setze sich aus 80% des Einkommens (exkl. Sonderzahlungen) und 80% des Pflegegeldes zusammen.

 

80% des Einkommens würden derzeit 587,02 Euro betragen. Dieser Betrag sei ab 1. April 2014 direkt zu überweisen. Für die Überweisung sei ein entsprechender Bankdauerauftrag einzurichten. Die bereits für Jänner 2014 bis März 2014 aufgelaufenen Beträge in Höhe von insgesamt 1.761,06 Euro seien bis zum 15. März 2014 nachzuzahlen.

 

80% des Pflegegeldes würden derzeit 960 Euro betragen. Eine Nachzahlung von 960 Euro für Jänner 2014 sei bis 15. März 2014 zu leisten. Ab 1. Februar 2014 werde dieser Betrag direkt von der PVA überwiesen.

 

I.2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde vom 31. März 2014. In ihrer Begründung führt die Beschwerdeführerin aus, dass in dieser Form der Gesetzesanwendung die ursprüngliche Ausrichtung des Oö. ChG, das selbstbestimmte Leben eines behinderten Menschen so weit als möglich zu gewährleisten, konterkariert werde. Die einheitliche Ausrichtung bewirke, dass die Individualität eines behinderten Menschen, die unterschiedliche Behinderungsart, das Lebensalter und damit unterschiedliche Bedürfnisse eines behinderten Menschen nicht berücksichtigt würden.

 

Mit der ChG-Beitrags-und Richtsatzverordnung LGBl. Nr.78/2008 idgF. werde die Beschwerdeführerin zu einer Taggeld-Bittstellerin auf „Einheits-Niveau“ degradiert und bewirke für sie eine massive Einschränkung ihrer Menschenrechte.

 

Abschließend beantragt die Beschwerdeführerin eine individuelle Ausnahmeregelung und die weitere Gewährung ihres monatlichen Einkommens von 752,30 Euro.

 

 

II.          Nachfolgender Sachverhalt steht fest:

 

II.1. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 6. Februar 2014, GZ: SH20-6852-2014/Fe wurde der Beschwerdeführerin aufgrund ihres Antrages vom 14. Oktober 2013 auf Gewährung einer Hauptleistung nach § 12 Oö. ChG unter Zugrundelegung des ermittelten Assistenzplanes vom 6. Februar 2014, der Hilfebedarf für die Hauptleistung Wohnen in einem Wohnheim gemäß § 12 Abs.2 Z 2 Oö. ChG folgendermaßen gewährt: Hilfebedarf: Stufe 10 ab 01.01.2014 im W E, X

 

II.2. Die Beschwerdeführerin hat für die auflaufenden Kosten der ihr gewährten Hilfeleistungen einen Beitrag entsprechend ihrer Einkommensverhältnisse zu leisten. Die Beschwerdeführerin bezieht ein eigenes Einkommen für ihre Tätigkeit als Bürogehilfin bei der M GmbH. Das monatliche Netto-Einkommen beläuft sich auf 733,78 Euro. Außerdem bezieht die Beschwerdeführerin Pflegegeld gemäß § 13 BPGG der Stufe VI in Höhe von monatlich 1.200 Euro.

 

II.3. Die Beitragspflicht der Beschwerdeführerin wurde von der belangten Behörde mit Bescheid vom 3. März 2014, GZ: SH20-6852-20014/Fe dergestalt berechnet, dass vom monatlichen Netto-Einkommen ohne Sonderzahlungen 80%, das sind 587,02 Euro, und vom monatlichen Pflegegeld 80%, das sind 960 Euro, zu leisten sind

 

 

III.        Beweiswürdigung:

III.1. Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich schlüssig und widerspruchsfrei aus dem Akt der belangten Behörde, GZ. SH20-6852-2014/Fe. Auch die Beschwerdeführerin selbst bestreitet die ihr gemäß § 12 Oö ChG gewährte Hauptleistung Wohnen in einem Wohnheim nicht; unbestritten ist auch das eigene Einkommen in Höhe von monatlich 733,78 Euro und das von der PVA gewährte Pflegegeld der Stufe VI in Höhe von monatlich 1.200 Euro.

 

Außerdem ergibt sich das Einkommen der Beschwerdeführerin auch aus der im Akt befindlichen Lohn/Gehaltsabrechnung der M GmbH für Jänner 2014. Die Höhe des Pflegegeldes geht aus dem Schreiben der Pensionsversicherungsanstalt Landesstelle Oberösterreich vom 28. Jänner 2014, GZ: OLA2 / 1231 27074-1 01 hervor. Weitere diesbezügliche Beweisaufnahmen konnten insofern unterbleiben.

 

III.2. Ferner richtet sich die Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerde gegen die Verpflichtung zur Beitragsleistung im Umfang von 80% des eigenen Einkommens, nicht jedoch auch gegen die Beitragsleistung im Umfang von 80% des Pflegegeldes. Insofern wirft die Beschwerde die Rechtsfrage auf, ob die Beschwerdeführerin zu Recht zu einer Beitragsleistung von 80% ihres monatlichen Netto-Einkommens verpflichtet wurde oder ob eine Ausnahmeentscheidung zu treffen gewesen wäre.

 

Nachdem außerdem weder die Beschwerdeführerin (trotz Belehrung im Bescheid vom 3. März 2014) noch die belangte Behörde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt haben, konnte eine solche unterbleiben.

 

 

 

IV.         Rechtslage:

 

Gemäß § 12 Abs.1 Oö. ChG ist Menschen mit Beeinträchtigung eine möglichst freie und selbstbestimmte Wahl der Wohnform zu gewähren, wobei gemäß Abs.2 Z 2 leg.cit. als Maßnahme die Einräumung einer Wohnmöglichkeit in einem Wohnheim mit der je nach Eigenart der Beeinträchtigung erforderlichen Betreuung und Hilfe in Betracht kommt, wenn eine andere Wohnform auf Grund der Beeinträchtigung nicht möglich ist.

 

§ 46 Oö ChG regelt die Kostentragung derartiger Leistungen dahingehend, dass die Kosten für Leistungen nach diesem Landesgesetz, die nicht nach §§ 20 und 39 bis 45 gedeckt sind oder die nicht von anderen Trägern zu übernehmen sind, unbeschadet des Abs.2 vom Land zu tragen sind.

 

Entsprechend § 20 Abs.1 Oö ChG haben der Mensch mit Beeinträchtigung und seine Ehegattin oder sein Ehegatte oder seine Lebensgefährtin oder sein Lebensgefährte bei der Gewährung von Hauptleistungen nach § 8 Abs.1 nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen beizutragen, es sei denn, dies würde im Einzelfall die wirtschaftliche Existenz oder Entwicklungsmöglichkeit gefährden und zu besonderen Härten führen. Gemäß Abs.2 leg.cit. können als Beitrag gemäß Abs.1 insbesondere herangezogen werden (1.) das Einkommen sowie das verwertbare Vermögen des Menschen mit Beeinträchtigungen nach Abs. 3 und 5. Abs.5 leg.cit. sieht vor, dass die Landesregierung durch Verordnung nähere Vorschriften über Beiträge nach Abs. 2 Z 1 und 3 zu erlassen hat. Diese Verordnung hat insbesondere zu regeln: (1.) welches Einkommen von Menschen mit Beeinträchtigung in welcher Höhe zu berücksichtigen ist; (2.) in welchem Ausmaß das Vermögen von Menschen mit Beeinträchtigungen zu berücksichtigen ist. Bei Erlassung der Verordnung ist auf die Ziele dieses Landesgesetzes Bedacht zu nehmen. In dieser Verordnung können nähere Bestimmungen über die Gefährdung der Existenz und Entwicklungsmöglichkeiten sowie besondere Härten erlassen werden.

 

Aus der entsprechenden Verordnung der Oö. Landesregierung LGBl. Nr. 41/2008 idgF. folgt, dass entsprechend § 1 der Mensch mit Beeinträchtigung bei der Gewährung von Hauptleistungen nach § 8 Abs.1 Oö. ChG mit seinem Einkommen und verwertbaren Vermögen zu den Leistungen beizutragen hat. Solange verwertbares Vermögen vorhanden ist, ist daraus – vorbehaltlich der in den folgenden Bestimmungen festgelegten Freibetragsgrenzen – der Beitrag zu leisten, höchstens jedoch bis zu den tatsächlich entstanden Kosten. Solange Einkommen vorhanden ist, ist daraus – vorbehaltlich der in den folgenden Bestimmungen festgelegten Freibetragsgrenzen – der Beitrag zu leisten, höchstens jedoch bis zu den tatsächlich entstandenen Kosten.

 

Gemäß § 11 Abs.2 dieser Verordnung errechnet sich – wenn einem Menschen mit Beeinträchtigung die Maßnahme des Wohnen in einem Wohnheim oder die Maßnahme Kurzzeitwohnen gewährt wird – wie folgt: 1. Einkommen des Menschen mit Beeinträchtigung gemäß § 2, wobei hievon 20% sowie die Sonderzahlungen (13. und 14. Monatsbezug) unberücksichtigt bleiben, sowie 2. pflegebezogene Geldleistungen, wobei 20% des Betrags der Stufe 3 des Pflegegeldes nach dem Oö. Pflegegeldgesetz oder bei Pflegegeld nach dem Bundespflegegeldgesetz – BPGG, der vom Anspruchsübergang gemäß § 13 BPGG nicht erfasste Betrag unberücksichtigt bleiben.

 

 

V.           Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat hiezu erwogen:

 

V.1. Mit ihrer Beschwerde macht die Beschwerdeführerin geltend, dass sie durch die angeordnete Beitragspflicht in ihren Menschenrechten beeinträchtigt würde, weil sie dadurch nicht mehr in der Lage sei, ihr Leben ihren Interessen entsprechend zu gestalten. Dadurch würden auch die Ziele des ChG, Menschen mit Beeinträchtigung ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen, konterkariert.

 

Als Beispiel führt die Beschwerdeführerin ins Treffen: „Es ist ja wohl ein Unterschied zwischen alten Menschen mit Pflegestufe VI in einem Pflegeheim und mir, mit meinen 40 Jahren, ebenfalls Pflegestufe VI, mit den altersgemäßen Ansprüchen und Bedürfnissen. Wie soll ich mir mit den mir verbleibenden 190 Euro den Friseurbesuch, Kosmetika, Kaffeehaus-, Konzert- oder Kinobesuch finanzieren? Wie „altersgemäße“ Bekleidung usw.? Wie die erforderlichen Taxikosten zu den Besuchen?“

 

V.2. Zunächst ist auf die oben dargestellten gesetzlichen Bestimmungen zu verweisen. § 20 Oö. ChG normiert die Beitragsleistung der hilfebedürftigen Person. Insbesondere wird in Abs.2 leg.cit. geregelt, welche Eigenmittel der hilfebedürftigen Person zur Beitragszahlung herangezogen werden können. Explizit wird in § 20 Abs.2 Z 1 Oö. ChG angeordnet, dass insbesondere das eigene Einkommen herangezogen werden kann.

 

Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid daher zu Recht das Einkommen der Beschwerdeführerin in die Berechnung der Beitragspflicht miteinbezogen. Aufgrund dieser gesetzlichen Bestimmung und weil eine gesetzliche Ausnahmeregelung nicht normiert ist, war es der belangten Behörde auch nicht möglich von der Berücksichtigung des Eigeneinkommens der Beschwerdeführerin abzusehen.

 

V.3. In der aufgrund des § 20 Abs. 5 Oö. ChG erlassenen Oö. ChG-Beitrags- und Richtsatzverordnung - § 11 Abs.2 der Verordnung – wurde festgelegt, dass das Einkommen des Menschen mit Beeinträchtigung zur Beitragsleistung heranzuziehen ist, wobei hievon 20% und die Sonderzahlungen unberücksichtigt bleiben.

Die belangte Behörde hat die sich aus dem Einkommen der Beschwerdeführerin ergebende Beitragspflicht gesetzeskonform und der Höhe nach richtig berechnet.

 

V.4. Gemäß § 11 Abs.2 Z 2 dieser Verordnung ist auch das der Beschwerdeführerin gewährte Pflegegeld der Beitragspflicht unterworfen. Abgesehen davon, dass auch diese Berechnung der belangten Behörde nicht zu beanstanden ist, richtet sich die Beschwerde ohnehin nur gegen die Heranziehung des eigenen Einkommens (und nicht auch des Pflegegeldes) zur Beitragspflicht.

 

V.5. Richtig ist, dass das Oö ChG und die darauf basierende Beitrags- und Richtsatzverordnung in Bezug auf das Lebensalter nicht zwischen Menschen mit Beeinträchtigung differenziert. Wenngleich der Beschwerdeführerin zuzugestehen ist, dass diese durchaus andere Interessen hat, als ältere Menschen, würde die von der Beschwerdeführerin beantragte „individuelle Ausnahmeregelung“ zu einer sachlich nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung gegenüber anderen Menschen mit Beeinträchtigung führen, denen eine derartige Ausnahmeregelung (nicht zuletzt wegen Fehlens einer entsprechenden gesetzlichen Bestimmung) nicht zugute kommt.

 

Offensichtlich übersieht die Beschwerdeführerin, dass auch „alte Menschen“ durchaus individuelle Bedürfnisse haben, wie Friseur-, Fußpflege- und/oder Kaffeehausbesuche, die von diesen finanziert werden müssen; ebenso besteht ein Anspruch auf altersgemäße Bekleidung und Körperpflege. Es wäre wohl verfehlt, nur aufgrund des Alters einer Person davon auszugehen, diese hätte bestimmte Bedürfnisse (nicht).

 

V.6. Die Beschwerdeführerin führt in ihrem „Beispiel“ außerdem nur einen Vergleich „zwischen einem alten Menschen mit Pflegestufe VI in einem Pflegeheim und mir, mit meinen 40 Jahren, ebenfalls Pflegestufe VI“ an. Zu ergänzen ist allerdings, dass auch die Beschwerdeführerin in einem Pflegeheim wohnt. Für die Unterkunft und Versorgung fallen Kosten für Menschen jeden Alters an, weshalb eine Differenzierung nicht gerechtfertigt ist.

 

V.7. Vor diesem Hintergrund und in Anbetracht der gesetzlichen Bestimmungen war daher spruchgemäß zu entscheiden und der Bescheid der belangten Behörde vollumfänglich zu bestätigen.

 

 

VI.         Unzulässigkeit der ordentlichen Revision

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

 

Dr. Lidauer