LVwG-350003/3/Wim/Bu

Linz, 24.03.2014

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Dr. Leopold Wimmer über die Beschwerde von Frau X, gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 03. Juli 2013, GZ: 301-12-2/1ASJF, betreffend Ablehnung einer Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhalts und des Wohnbedarfs nach dem Oö. Mindestsicherungsgesetz zu Recht   e r k a n n t :

 

I.         Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG wird der Beschwerde stattgegeben und der angefochtene Bescheid behoben.

 

II.       Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.

 

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

zu I.:

 

1. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde dem Antrag der Beschwerdeführerin auf Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhaltes und Wohnbedarfs nach dem Oö. Mindestsicherungsgesetz (Oö. BMSG) keine Folge gegeben.

 

Begründend wurde dazu ausgeführt, dass aufgrund der der Beschwerdeführerin gewährten Erziehungshilfe gemäß § 43 Abs. 2 Oö. JWG im Sinne des § 6 Abs. 5 Oö. BMSG auf Basis anderer gesetzlicher Grundlagen ausreichend Vorsorge getroffen worden sei und ihre Situation nicht als soziale Notlage gelte.

 

2. Dagegen wurde von der Beschwerdeführerin rechtzeitig eine Berufung (gilt nunmehr als Beschwerde) eingebracht und darin zusammengefasst im Wesentlichen ausgeführt, dass sie sämtliche Voraussetzungen für die Leistung bedarfsorientierter Mindestsicherung erfülle.

 

Insbesondere die Verlängerung der Erziehungshilfe nach Vollendung des 18. Lebensjahres diene ausschließlich der Sicherung des bisherigen Betreuungs­erfolges der beruflichen Wiedereingliederung und der persönlichen Verselb­ständigung, was strikt von der Deckung des Lebensunterhaltes zu trennen sei. Die finanzielle Unterstützung durch die Jugendwohlfahrt (Verpflegsgeld sowie Monatsmiete für die Wohnung) erfolge ohne jegliche Verpflichtung und sei als rein kompensatorische Leistung anzusehen, die ihr mangels der Möglichkeit ihren Lebensunterhalt selbst zu bestreiten, freiwillig von der Jugendwohlfahrt gewährt werde.

 

 

3.1. Mit 1.1.2014 ist die Zuständigkeit zur Bearbeitung dieser Berufung an das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich (LVwG) übergegangen. Das LVwG entscheidet gemäß § 2 VwGVG durch Einzelrichter. Die Berufung gilt gemäß § 3 Abs.1 letzter Satz Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz - VwGbk-ÜG als Beschwerde iSd Art 130 Abs.1 B-VG.

 

3.2. Das LVwG hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den erstinstanzlichen Verfahrensakt. Daraus ergibt sich, dass die Beschwerdeführerin, geb. 15.3.1995, grundsätzlich die persönlichen Voraussetzungen für die Leistung bedarfsorientierter Mindestsicherung nach § 4 Oö. BMSG erfüllt.

 

Ihr wird die Wohnungsmiete sowie ein monatliches Verpflegsgeld von der Jugendwohlfahrt bezahlt. Diese Beträge liegen gesamt unterhalb des für Sie geltenden Richtsatzes nach der Oö. Mindestsicherungsverordnung.

 

3.3. Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem erstinstanzlichen Verfahrensakt und wird auch von keiner Seite bestritten. Da eine öffentliche mündliche Verhandlung weder beantragt wurde und darüberhinaus die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, da eine reine Rechtsfrage zu klären ist, war im Sinne des § 24 VwGVG von einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abzusehen.

 


 

4. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat erwogen:

 

4.1. Gemäß § 5 Oö. BMSG sind sachliche Voraussetzungen für die Leistung bedarfsorientierter Mindestsicherung, dass eine Person im Sinn des § 4

1. von einer sozialen Notlage (§ 6) betroffen ist und

2. bereit ist, sich um die Abwendung, Milderung bzw. Überwindung der sozialen Notlagelage zu bemühen (§ 7).

 

Gemäß § 6 Abs. 5 Oö. BMSG gelten nicht als soziale Notlage, Situationen für die bereits auf der Basis anderer gesetzlicher Grundlagen ausreichend Vorsorge getroffen wurde oder durch andere Gesetze zur Sicherung von Interessen Dritter Zugriffe unter das Mindestsicherungsniveau zugelassen sind.

 

Gemäß § 29 Abs. 1 Bundes-Kinder- und Jugendhilfegesetz 2013 - B-KJHG 2013 können jungen Erwachsenen ambulante Hilfen und Hilfen durch Betreuung bei nahen Angehörigen, bei Pflegepersonen oder in sozialpädagogischen Einrichtungen gewährt werden, wenn zum Zeitpunkt der Vollendung des 18. Lebensjahres bereits Erziehungshilfen gewährt wurden und dies zur Erreichung der im Hilfeplan definierten Ziele dringend notwendig ist. Nach Abs. 2 dieser Bestimmung kann die Hilfe nur mit Zustimmung des jungen Erwachsenen und nur so lange gewährt werden, als dies aufgrund der individuellen Lebenssituation notwendig ist. Die Hilfen enden jedenfalls mit der Vollendung des 21. Lebensjahres.

 

Gemäß § 43 Abs. 2 Oö. Kinder- und Jugendhilfegesetz können Erziehungshilfen nach Erreichung der Volljährigkeit mit Zustimmung des(r) Jugendlichen längstens bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres fortgesetzt werden, wenn dies zur Sicherung des Erfolges bisheriger Erziehungshilfen notwendig ist; darüber ist eine schriftliche Vereinbarung zwischen dem(r) Jugendlichen und der die Maßnahme durchführen Bezirksverwaltungsbehörde oder Landesregierung abzuschließen. Ansonsten enden Erziehungshilfen spätestens mit dem Eintritt der Volljährigkeit des(r) Minderjährigen.

 

4.2. Kernfrage im gegenständlichen Verfahren ist der Umstand, ob die zweifellos gewährten Leistungen des Jugendwohlfahrtsträgers im Sinne der Legaldefinition des § 6 Abs. 5 Oö. BMSG eine soziale Notlage ausschließen. Dass die Beschwerdeführerin nicht bereit wäre sich um die Abwendung, Milderung bzw. Überwindung der sozialen Notlage zu bemühen, ist aus dem Akt nicht evident.

 

Aus dem Ausschussbericht 434/2011 im Gesetzwerdungsverfahren wird zu dieser Bestimmung angeführt, dass damit eine grundsätzliche Abgrenzung zu verwandten Rechtsbereichen mit einem Leistungsangebot, das eine ähnliche Zielrichtung hat, aber mitunter geringere Leistungshöhen als die bedarfsorientierte Mindestsicherung vorsieht, ermöglicht wird. So verfolgen z.B.  auch das subsidiären Mindesteinkommen nach dem Oö. Chancengleichheits­gesetz, die Leistungen nach dem Oö. Grundversorungsgesetz 2006 und das Kinderbetreuungsgeld das erkennbare Ziel, den Lebensunterhalt bzw. Wohnbedarf zu decken. Der Subsidiaritätsgedanke alleine hilft hier nicht, um die Frage beantworten zu können, ob neben diesen Leistungen zusätzlich bedarfsorientierte Mindestsicherung zu erbringen ist oder nicht. Nach der nunmehrigen Regelung ist zur Beantwortung dieser Frage zu prüfen, ob durch die „andere gesetzliche Grundlage ausreichend Vorsorge getroffen wurde“. Hier zeigt sich, dass in den oben angeführten Bereichen der Gesetzgeber eine ausreichende Bedarfsdeckung durch die Leistungen des jeweiligen Gesetzes angenommen hat.

 

Schon in den Erläuterungen der Regierungsvorlage zum § 29 B-KJHG 2013 als Grundsatzgesetz (2191 der Beilagen XXIV. GP, Seite 24) wird ausgeführt: „Das Ziel der Hilfen für junge Erwachsene ist in erster Linie die Unterstützung des Verselbständigungsprozesses, welche auch die Beendigung einer Berufsaus­bildung miteinschließt.“ Auch der § 43 Abs. 2 Oö. Kinder- und Jugendhilfegesetz laute in seinem 2. Halbsatz: „ ..., wenn dies zur Sicherung des Erfolges bisheriger Erziehungshilfen notwendig ist;“.

 

Aus einer Zusammenschau dieser Bestimmungen erschließt sich für das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich eindeutig, dass die gegenständlichen Regelungen keinen primären Versorgungscharakter aufweisen sondern auf die Erreichung bzw. Absicherung des Erfolgs der Erziehungshilfen zielen. Es kann somit nicht angenommen werden, dass der Gesetzgeber die Bedarfsdeckung im Auge hatte. Daraus ergibt sich, dass prinzipiell eine Aufzahlung aus der bedarfsorientierten Mindestsicherung bis zur Erreichung des gesetzlichen Mindeststandards zu erfolgen hat.

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

4.3. Durch die nunmehrige Aufhebung des angefochtenen Bescheides tritt das Verfahren wieder in das Antragstadium zurück. Die Erstinstanz wird daher unter Berücksichtigung der obigen Rechtsauffassung das Mindestsicherungsverfahren entsprechend fortzusetzen haben und, sofern die sonstigen Voraussetzungen im Antragszeitpunkt gegeben waren, die entsprechende Mindestsicherung zu berechnen und zu gewähren haben.

 

Zu II.: Zulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist zulässig, da im gegenständlichen Verfahren eine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil eine Rechtsprechung des Verwaltungs­gerichtshofes zur gegenständlichen Frage fehlt.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungs­gerichtshof und/oder einer ordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landes­verwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

 

 

 

Dr. Wimmer

 

 

LVwG-350003/3/Wim/Bu/TK vom 24. März 2014

 

Erkenntnis

 

Rechtssatz

 

Normen:

§ 29 Abs. 1 Bundes-Kinder- und Jugendhilfegesetz 2013

§ 43 Abs. 2 Oö. Kinder- und Jugendhilfegesetz

§ 6 Abs. 5 Oö. BMSG

 

Erziehungshilfen nach Erreichung der Volljährigkeit gemäß § 29 Abs. 1 Bundes-Kinder- und Jugendhilfegesetz 2013 iVm § 43 Abs. 2 Oö. Kinder- und Jugendhilfegesetz weisen keinen primären Versorgungscharakter auf, sondern zielen auf die Erreichung bzw. Absicherung des Erfolgs der bisherigen Erziehungshilfen. Es kann somit nicht angenommen werden, dass der Gesetzgeber die Bedarfsdeckung im Auge hatte. Sie schließen eine soziale Notlage im Sinne des § 6 Abs. 5 Oö. BMSG nicht aus. Daraus ergibt sich, dass prinzipiell eine Aufzahlung aus der bedarfsorientierten Mindestsicherung bis zur Erreichung des gesetzlichen Mindeststandards zu erfolgen hat.

 

 

Beschlagwortung

 

Erziehungshilfe; Volljährigkeit; Versorgungscharakter; Erfolgssicherung; Bedarfsdeckung; Notlage; Aufzahlung