LVwG-550012/2/SE/FE

Linz, 31.03.2014

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin
Maga. Sigrid Ellmer über die Beschwerde von x,
x, x, x, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf an der Krems vom 21. Oktober 2010, Zl. Wa10-8-2012, N10-86-2012-AK/Ru, den

 

                                                                                                                                 

B E S C H L U S S

 

gefasst:

 

 

I. Der Beschwerde wird stattgegeben. Der Spruchpunkt IV. (naturschutzbehördliche Feststellung) des Bescheides der Bezirks­haupt­mannschaft Kirchdorf an der Krems vom 21. Oktober 2013,
Zl. Wa10-8-2012, N10-86-2012-AK/Ru, wird aufgehoben und die Angele­genheit wird zur Erlassung eines neuen Bescheides gemäß § 28 Abs. 3
Satz 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG an die Bezirkshaupt­mannschaft Kirchdorf an der Krems zurückverwiesen.

 

II. Gegen diesen Beschluss ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 

 

 

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I. 1. Mit Schreiben vom 17. Jänner 2012 beantragten x, x, x, bei der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf an der Krems für das "x" die naturschutzrechtliche Bewilli­gung unter Vorlage von Projektsunterlagen. Die Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf an der Krems beauftragte mit Schreiben vom 29. März 2012 den Bezirksbeauftragten für x, "zum beiliegenden Einreichprojekt nach Notwendigkeit einen Lokalaugenschein durchzuführen und ehestmöglich Befund und Gutachten zu erstatten“.

 

I. 2. Die x gab mit Schreiben vom 11. Juli 2012 eine vorläufige negative Stellungnahme ab, weil durch das Vorhaben eine Vielzahl von schweren (näher beschriebenen) Beeinträchtigungen entsteht. Es wurde auch angemerkt, dass der Projektbereich im Geltungsbereich der Alpenkonvention zu liegen kommt und (sollte das Vorhaben weiter verfolgt werden) daher eine Prüfung hinsichtlich derer Protokolle zu erfolgen hat.

 

I. 3. Am 13. Mai 2013 führte die Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf an der Krems eine Besprechung mit einem Lokalaugenschein unter Teilnahme der Antragsteller, des Projektanten, der x und des Bezirksbeauftragten für x durch. Die darüber abge­fasste Niederschrift beinhaltet Befund und Gutachten des Bezirksbeauftragten für x:

 

"A) Befund:

 

Das geplante Kleinkraftwerk soll am x (ist ein Zubringer vom x) im Bereich des Anwesens vgl. x errichtet werden. Ca. 30 m oberhalb des Anwesens soll ein Tirolerwehr im unmittelbaren Anschluss an eine Brücke als Ausleitungsbauwerk dienen. Eine ca. 600 m lange (30 cm Durchmesser) in einem Traktorweg verlegte Rohrleitung versorgt das Krafthaus (mit Turbine) mit dem Triebwasser (80 l/sec. an 50 Tagen, Resttage verminderte Wassermenge entsprechend der Dauerlinie (Projekt), Restwasser mindestens 20 l/sec. (Projektsänderung!), bzw. mindestens 20 % des Wasserdargebotes).

 

Das Kraftwerk hat eine Ausbauleistung von 29 kW und eine durchschnittliche Jahresarbeit von 134.000 kW/h.

 

Der Bereich des Gewässers ist relativ natürlich, wurde jedoch früher durch Mühlen genutzt. Ein rechtsufriger Zubringer erhöht nach ca. 270 m die Restwassermenge und die ökologische Wassersituation positiv.

 

Der Bachbereich ist uferbegleitend vernässt, jedoch nicht als Sumpf im vegetationskundlichen Sinn zu definieren. Da die Leitung unter einem bestehenden Traktorweg verlegt wird, wird die bestehende Ufervegetation nur geringfügig beeinträchtigt. Eine biologische Bauaufsicht (x vom Büro x, x, x) ist vorgesehen.

 

Alle weiteren Details sind im vorgelegten Projekt vorhanden.

 

B) Gutachten:

 

Durch den Bau des Kraftwerkes wird das Gewässer ökologisch und landschaftsschutzmäßig beeinträchtigt, erfüllt jedoch die Baukriterien der Gewässerökologie. Das Projekt stellt naturschutzfachlich einen Grenzfall dar, der dann noch tolerierbar erscheint, wenn nachfolgende Auflagen eingehalten werden:

 

1.   Das Vorhaben ist projektsgemäß zu errichten; eine Erhöhung der Restwassermenge auf 20 l/sec. ist Änderungsbestandteil.

2.   Eine Neuanlage des bestehenden Traktorweges bzw. eine durchgehende Beschotterung hat zu unterbleiben. Fahrrinnen sind im Zuge des Rohrlei­tungs­­einbaues bzw. nach Projekterrichtung zurückzubauen.

3.   Alle übrigen für den Bau in Anspruch genommenen Flächen sind nach Fertigstellung zu rekultivieren bzw. zu renaturieren (mit standortgerechten, heimischen Baum- und Straucharten bzw. Saatgut).

4.   Die ökologische Bauaufsicht hat vor der Inbetriebnahme des Kraftwerkes einen Zwischenbericht und nach Fertigstellung aller Renaturierungsarbeiten einen Endbericht innerhalb von drei Monaten nach der Fertigstellungsfrist bei der Behörde abzuliefern.

5.   Die Fertigstellung des Vorhabens (inkl. den Renaturierungsarbeiten) hat bis 31. Dezember 2017 zu erfolgen.

6.   Die Befristung gilt wie im Wasserrecht vorgesehen (31. Dezember 2067)."

 

Die x sprach sich in ihrer Stellungnahme dazu abermals negativ gegenüber dem Vorhaben aus.

 

I. 4. Mit E-Mail vom 13. Juni 2013 stellte die x einen Antrag auf Einholung eines zusätzlichen naturschutzfachlichen Gutachtens. Dies wurde damit begründet, dass die Befundung als auch die gutachterlichen Aussagen nicht dem Stand der Technik und der Wissenschaft entsprächen und die Beurteilung der tatsächlichen Auswirkungen auf Natur, Landschaft etc. nicht im gebotenen Umfang und Detail erfolgt sei. Es sei offensichtlich nicht nachvollziehbar, aus welchen Gründen und Fakten das Kleinwasserkraftwerk einen Grenzfall darstelle und warum die vorgeschlagenen Auflagen eine naturschutzfachliche Tolerierbarkeit ermöglichen.

 

I. 5. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf an der Krems vom
21. Oktober 2013, Zl. Wa10-8-2012, N10-86-2012-AK/Ru, wurde festgestellt, dass durch die Errichtung und den Betrieb einer Kleinwasserkraftanlage auf den Grundstücken Nr. x, x und x, KG und Gemeinde x, in der Uferschutzzone des x sowie die Querung des x mit der Druckleitung im Bereich des Grundstückes Nr. x, KG und Gemeinde x, öffentliche Interessen an der Erhaltung des Landschaftsbildes, der Ökologie und des Naturhaushaltes unter den im Spruchpunkt IV./1. bis 7. vorgeschriebenen  Bedingungen, Auflagen und Fristen nicht verletzt werden.

 

Begründet wurde diese Entscheidung im Wesentlichen wie folgt:

 

Der Bezirksbeauftragte für x hat das geplante Vorhaben und die bestehende naturräumliche Situation beschrieben und dabei darauf hingewiesen, dass der Bereich des Gewässers relativ natürlich ist, jedoch bereits früher durch Mühlen genutzt wurde. Er beschäftigt sich auch mit dem Umstand, dass ein rechtsufriger Zubringer nach ca. 270 m abwärts der Tirolerwehranlage die Restwassermenge erhöht und damit die ökologische Wassersituation positiv beeinflusst. Der betroffene Bachbereich wird als uferbegleitend vernässt beschrieben, jedoch nicht als Sumpf im vegeta­tions­kundlichen Sinn definiert.

Nach Ansicht des Bezirksbeauftragten für x wird die bestehende Ufervegetation bei Projektrealisierung nur geringfügig beeinträchtigt, weil die Druckrohrleitung der Wasserkraftanlage unter einem bestehenden Traktorweg verlegt wird. Zudem wird darauf hingewiesen, dass eine biologische Bauaufsicht vorgesehen ist.

Der Bezirksbeauftragte für x hat das eingereichte Projekt aus naturschutzfachlicher Sicht zwar als einen Grenzfall dargestellt, durch die Einhaltung der aus dem Spruch ersichtlichen Auflagen kann das Vorhaben dennoch toleriert werden. Es wird davon ausgegangen, dass das gegenständliche Vorhaben die Baukriterien der Gewässerökologie erfüllt. Die Errichtung der geplanten Wasserkraftanlage wird zu einer Beeinträchtigung des Naturhaushaltes im Bereich des x führen, welche üblicherweise mit der Errichtung einer Wehranlage, einer Druckrohrleitung und einer Kraftanlage verbunden ist.

 

Die gegenständliche Wasserkraftanlage wird aufgrund ihrer Kleinheit keinen maßgeblichen Beitrag zur Stromversorgung leisten und somit besteht kein öffentliches Interesse an der Errichtung dieser Wasserkraftanlage. Es ist davon auszugehen, dass die Antragsteller an der Realisierung des Vorhabens ein privates Interesse verfolgen.

 

Dem Gutachten des Bezirksbeauftragten für x kann gefolgt werden, wenn er angesichts der im Projekt vorgesehenen guten Restwasserdotation und angesichts der Erhöhung der Wassermengen aus einem zusätzlich einmündenden Seitengraben die Wasserausleitung als tolerierbar erachtet. Auch die baulichen Einrichtungen der Wasserkraftanlage (vor allem das x) werden aufgrund ihrer Kleinheit nur einen verhältnismäßig gering­fügigen Eingriff in das Landschaftsbild und in den Naturhaushalt bewirken.

 

Die von der x befürchteten Veränderungen des vorhandenen Naturraumes sollten jedoch bei einer entsprechend sorgfältigen Bauausführung unter Einbeziehung einer ökologischen Bauaufsicht verhindert werden können. Es wird davon ausgegangen, dass der x auch bei Projektrealisierung seinen Wildbachcharakter nicht verlieren wird, wenn auch auf verhältnismäßig kurzer Strecke von ca. 270 m eine geringere Restwasserdotation erfolgt. Hinsichtlich des Verbleibes eines dauernd benutzbaren Weges zum Wasserkraftwerk und die möglicherweise eintretende Drainagierung der Feuchtbereiche neben dem x wird darauf hingewiesen, dass bereits ein bachbegleitender Weg besteht, welcher von den Grundeigentümern für Bringungszwecke genutzt wird.

 

Nach der Spruchpraxis des Verwaltungsgerichtshofes ist die vorgesehene Interessensabwägung schon dann für den Antragsteller begünstigend, wenn "alle anderen Interessen" dem öffentlichen Interesse an der Erhaltung des Landschaftsbildes zumindest gleichwertig sind, sie müssen jenes nicht über­wiegen. Es kann davon ausgegangen werden, dass das von den Antragstellern verfolgte Interesse an der Projektrealisierung den zu beachtenden naturschutz­rechtlichen Interessen als gleichwertig anzusehen ist. Durch die Vorschreibung von Auflagen werden die zu erwartenden Beeinträchtigungen auf ein Mindestmaß reduziert, um vor allem den bisher vorhandenen naturnahen Zustand des x und des daran anschließenden Uferbereiches beibehalten zu können.

 

I. 6. Dagegen richtet sich die fristgerecht eingebrachte Berufung des
x, worin ausgeführt wird, dass die Behörde von unrichtigen und unvollständig erhobenen Fakten ausgegangen sei. Befund und Gutachten entsprechen nicht dem Stand der Technik und der Wissenschaft. Der Naturschutzgutachter habe verabsäumt, die beweiserheblichen Tatsachen zu erheben und eine Bestandsanalyse vorzunehmen. Ebenso wurde in keiner Weise die Vegetation und der anzutreffende Bewuchs als Ist-Situation dokumentiert, um in weiterer Folge die Auswirkungen tatsächlich beurteilen zu können. Auch eine Erhebung und Beschreibung des vorliegenden Landschaftsbildes bzw. die Charakteristik des x selbst - und seiner unmittelbaren Umgebung - wurde nicht vorgenommen. Es ist nicht nachvollziehbar, aus welchen Gründen und Fakten die Wasserkraftanlage einen Grenzfall darstellt und weshalb die formulierten Auflagen zu einer naturschutzfachlichen Tolerierbarkeit führen könnten.

Die mit E-Mail vom 13. Juni 2013 erhobenen Einwendungen der x wurden dem Bezirksbeauftragten für x nicht vorgelegt. Hätte die Behörde ein fachgerechtes Gutachten eingeholt, so hätte der Gutachter zu einer anderen Schlussfolgerung gelangen können. Darüber hinaus sei das Argument der "Gleichwertigkeit" der Interessen in jedem Fall nichtig und schlichtweg abzulehnen.

 

I. 7. Der Verwaltungsakt ist gemeinsam mit der Beschwerde am 2. Jänner 2014 beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich eingelangt.

 

II. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Akten­ein­sichtnahme. Der unter I. dargelegte Sachverhalt ergibt sich widerspruchsfrei aus dem vorgelegten Akt der belangten Behörde. Da der entscheidungswesentliche Sachverhalt bereits nach der Aktenlage hinreichend geklärt war, konnte gemäß § 24 VwGVG von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

 

III. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat über die Beschwerde erwogen:

 

Gemäß § 3 Abs. 1 Verwaltungsgerichtbarkeits-Übergangsgesetz - VwGbk-ÜG gilt eine bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 erhobene Berufung gegen einen bis zu diesem Datum erlassenen Bescheid als rechtzeitig erhobene Beschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z. 1 B-VG. Demnach sind auch die Bestimmungen des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes - VwGVG anzuwenden. Gemäß § 28
Abs. 3 Satz 2 VwGVG kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen, wenn die Behörde die notwendigen Ermittlungen des Sachverhaltes unterlassen hat. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

 

§ 10 Abs. 2 Oö. Natur- und Landschaftsschutzgesetz (Oö. NSchG 2001) normiert,  dass in geschützten Bereichen gemäß Abs. 1 jeder Eingriff

 

1.   in das Landschaftsbild und

2.   im Grünland (§ 3 Z. 6) in den Naturhaushalt

 

verboten ist, solange die Behörde nicht bescheidmäßig festgestellt hat, dass solche öffentliche Interessen an der Erhaltung des Landschaftsbildes oder des Naturhaushaltes, die alle anderen Interessen überwiegen, nicht verletzt werden. Ausgenommen von diesem Verbot sind Eingriffe in geschlossenen Ortschaften oder in Gebieten, für die ein rechtswirksamer Bebauungsplan (§ 31
Oö. Raumordnungsgesetz 1994) vorhanden ist.

 

§ 10 Abs. 1 Z. 2 Oö. NSchG 2001 legt fest, dass der Natur- und Landschafts­schutz im Sinn dieser Bestimmung für sonstige Flüsse und Bäche (einschließlich ihrer gestauten Bereiche) und einen daran unmittelbar anschließenden 50 m breiten Geländestreifen, wenn sie in einer von der Landesregierung zu erlassen­den Verordnung angeführt sind, gilt.

 

Um eine Feststellung nach § 10 Abs. 2 Oö. NSchG 2001 treffen zu können, ist insbesondere zu ermitteln, ob das beantragte Vorhaben

 

1.   innerhalb eines geschützten Bereiches gemäß § 10 Abs. 1 Oö. NSchG 2001 ausgeführt werden soll;

2.   sich in einem Bereich innerhalb einer geschlossenen Ortschaft oder in einem Gebiet, für das ein rechtswirksamer Bebauungsplan vorhanden ist, befindet;

3.   einen Eingriff in das Landschaftsbild (gemäß § 3 Z. 2 Oö. NSchG 2001) darstellt;

4.   im Grünland ausgeführt werden soll und es einen Eingriff in den Natur­haushalt (gemäß § 9 Abs. 2 Oö. NSchG 2001) darstellt sowie

5.   inwieweit öffentliche Interessen an der Erhaltung des Landschaftsbildes oder des Naturhaushaltes verletzt werden sowie

6.   ob Auflagen, Befristungen oder Bedingungen im Sinne des § 9 Abs. 3
Oö. NSchG 2001 notwendig sind sowie

7.   ob und welche anderen Interessen im Sinne des § 10 Abs. 2 Z. 2
Oö. NSchG 2001 (öffentliche oder private Interessen) vorliegen.

 

Wenn zum Zweck der Ermittlung des beweisbedürftigen und maßgeblichen Sachverhaltes Fragen zu klären sind, deren Beantwortung nicht schon aufgrund der allgemeinen Lebenserfahrung, sondern nur aufgrund besonderer Fachkennt­nisse und Erfahrungen möglich ist oder wenn die Lösung der entscheidungs­erheblichen Tatfragen ein besonderes Fachwissen erfordert, über das die Verwaltungsorgane selbst nicht verfügen, ist die Aufnahme eines Sachver­ständigenbeweises erforderlich (vgl. VwGH vom 28.2.2012, Zl. 2011/09/0021). Das Mittel des Sachverständigen, dessen er sich bedient, um die an ihn gestellten Fragen zu beantworten, ist das Gutachten im weiteren Sinn (vgl. dazu Hengstschläger/Leeb, AVG § 52 Rz 56). Dieses Gutachten unterteilt sich in den Befund und das Gutachten im engeren Sinn. Im Befund sind die tatsächlichen Grundlagen, die für das Gutachten im engeren Sinn des Sachverständigen erforderlich sind, sowie die Art ihrer Beschaffung anzugeben. Damit soll erreicht werden, dass das Gutachten auch für Dritte nachvollziehbar ist (vgl. dazu Hengstschläger/Leeb, AVG § 52 Rz 59). Dem Sachverständigen obliegt es, aus den bereits ermittelten Tatsachen (Befund) auch noch aufgrund seiner beson­deren Sachkunde und Erfahrungen Schlussfolgerungen über das Vorliegen und Nichtvorliegen entscheidungsrelevanter Umstände in einem Gutachten im enge­ren Sinn zu ziehen (vgl. dazu Hengstschläger/Leeb, AVG § 52 Rz 58).

Bei dem Gutachten eines Sachverständigen im Sinn des § 52 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) handelt es sich um ein Beweismittel, das gemäß § 45 Abs. 2 AVG der freien Beweiswürdigung durch die Behörde unterliegt. Die Behörde hat das Gutachten daher auf seine Vollständigkeit, auf Freiheit von Widersprüchen sowie insbesondere auf seine Schlüssigkeit, d.h. darauf­hin zu überprüfen, ob es den Denkgesetzen und den Erfahrungen des täglichen Lebens entspricht (vgl. dazu VwGH vom 7.11.2013, Zl. 2010/06/0255).

 

Ungeachtet dessen, dass die belangte Behörde dem beigezogenen Bezirks­beauftragten für x nicht einmal konkrete Beweis­themen zur Beantwortung vorgegeben hat, hätte die belangte Behörde dennoch erkennen müssen, dass das erstattete Gutachten sowohl im Befund als auch im Gutachten im engeren Sinn mangelhaft und nicht schlüssig bzw. nachvollziehbar ist.

Dem Befund fehlt die genaue Beschreibung der Landschaft und des Natur­haushaltes sowohl vor als auch nach einer möglichen Realisierung des beantragten Vorhabens.

Im Gutachten im engeren Sinn muss der Sachverständige in einer Weise, die eine (Nach-)Prüfung auf seine Schlüssigkeit ermöglicht, darlegen, auf welchem Weg er zu seinem Urteil gekommen ist. In diesem Zusammenhang obliegt es ihm auch, die von ihm oder anderen gefundenen oder sonst innerhalb des Fach­gebietes allgemein anerkannten Erfahrungssätze in ihrer konkreten Anwendung im Einzelfall in einer für den Nichtfachkundigen einsichtigen Weise offenzulegen (vgl. dazu VwGH 18.2.1994, Zl. 93/07/0102). Das bloße Feststellen „Das Projekt stellt naturschutzfachlich einen Grenzfall dar, der dann noch tolerierbar erscheint, wenn nachfolgende Auflagen eingehalten werden …“, ist in keinster Weise schlüssig und nachvollziehbar.

 

Ein derart mangelhaftes Gutachten ist als Beweismittel unbrauchbar. Legt eine Behörde so ein Gutachten ihrer Entscheidung zugrunde, so wird sie ihrer Pflicht zur Erhebung und Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes nicht gerecht.

 

Darüber hinaus hielt die belangte Behörde lapidar fest „Es ist davon auszugehen, dass die Antragsteller an der Realisierung des Vorhabens ein privates Interesse verfolgen.“ Die belangte Behörde hat nicht erhoben, welche konkreten privaten Interessen die Antragsteller mit der Verwirklichung des beantragten Projektes verfolgen. Zur Interessensabwägung gemäß § 10 Abs. 2 Oö. NSchG 2001 sind einerseits die öffentlichen Interessen an der Erhaltung des Landschaftsbildes oder des Naturhaushaltes sowie andererseits alle anderen Interessen (öffentliche und private) zu erheben. Die belangte Behörde hat aber jene Tatsachen, von denen eine nachvollziehbare Feststellung der abzuwägenden Interessen - sowohl in qualitativer als auch in quantitativer Hinsicht - abhängig ist, nicht ausreichend ermittelt. Sie hat zwar richtigerweise festgestellt, dass es aufgrund der Größe des Projektes kein öffentliches Interesse an der Realisierung des Vorhabens gibt, aber das private Interesse der Antragsteller wurde ohne weitere Ermitt­lungsergebnisse einfach als gleichwertig  mit dem öffentlichen Interesse am Land­schaftsbild und dem Naturhaushalt bewertet.

 

Der von der belangten Behörde festgestellte Sachverhalt reicht daher nicht aus, um beurteilen zu können, ob solche öffentlichen Interessen an der Erhaltung des Landschaftsbildes oder des Naturhaushaltes, die alle anderen Interessen über­wiegen, nicht verletzt werden.

 

Bei ungeklärter Sachlage muss sich das Verwaltungsgericht mit der Frage der Verwaltungsökonomie beschäftigen und klären, ob die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Gericht "im Interesse der Raschheit gelegen" oder "mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist". Keine Verpflichtung zur Sachentscheidung besteht, wenn die Ermittlung und Ent­scheidung durch die Behörde gleich lange dauern würde und höchstens etwas höhere Kosten durch die Behördenentscheidung entstünden, als wenn das Verwal­tungsgericht das (sein) Ermittlungsverfahren (selbst) durchführt und ent­schei­det. Ob sich das Verwaltungsgericht im Falle einer Zurückverwei­sungs­möglichkeit für diese entscheidet oder eine Sachentscheidung trifft, steht grundsätzlich in seinem Ermessen (Arg. "kann" im § 28 Abs. 3 VwGVG). Dabei hat es sich jedoch von dem nach § 17 VwGVG auch im gerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der möglichsten Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2 AVG) leiten zu lassen (vgl. dazu Fischer im "Justizstaat: Chance oder Risiko? Verwaltungsgerichtsbarkeit neu", Seite 318).

 

Für eine Entscheidungsfindung durch das Landesverwaltungsgericht Oberöster­reich bedarf es im konkreten Fall der Ermittlung des beinahe gesamten entschei­dungsrelevanten Sachverhaltes. Diese grundlegende Sachverhaltsermittlung und Entscheidungsfindung kann durch das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich weder rascher noch deutlich kostengünstiger durchgeführt werden als von der belangten Behörde. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat daher beschlossen, nicht in der Sache selbst zu entscheiden, sondern den bekämpften Bescheid aufzuheben und die Angelegenheit an die belangte Behörde zurückzu­verweisen.

 

Zu der auf die - ohne durch konkret angeführte Entscheidungen nachgewiesene - Spruchpraxis des Verwaltungsgerichtshofes gestützte Rechtsansicht der belangten Behörde, dass die nach dem Oö. NSchG 2001 vorgesehene Interessenabwägung schon dann begünstigend für den Antragsteller ist, wenn „alle anderen Interessen“ dem öffentlichen Interesse an der Erhaltung des Landschaftsbildes zumindest gleichwertig sind, wird angemerkt, dass  schon nach dem Wortlaut des § 10 Abs. 2 Oö. NSchG 2001 ein überwiegendes Interesse vorliegen muss, um eine bescheidmäßige Feststellung zu erteilen oder zu versagen. Auch der Verwaltungsgerichtshof hat zu § 10 Abs. 2 Oö. NSchG 2001 ausgeführt, dass das vom Antragsteller eingereichte Projekt von der Behörde auf seine Vereinbarkeit mit den öffentlichen Interessen an der Erhaltung des Landschaftsbildes oder des Naturhaushaltes zu prüfen ist. Eine Verletzung dieser Interessen hat zu einer Abweisung des Antrages zu führen, wenn nicht an der Verwirklichung des Vorhabens ein überwiegendes anderes Interesse besteht (vgl. VwGH vom 29.1.2010, 2007/10/0025).

 

IV. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des
Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Recht­sprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Recht­sprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Recht­sprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g


Gegen diesen Beschluss besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsge­richtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsge­richtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landes­verwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechts­anwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240,- Euro zu entrichten.

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Maga. Sigrid Ellmer