LVwG-840023/3/HW/Rd

Linz, 13.05.2014

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Dr. Harald Wiesinger über den Antrag der x, vom 7. Mai 2014 auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung im Vergabeverfahren des Landes Oberösterreich betreffend das Vorhaben "Neubau B 124, Königswiesener Straße von km 27,24 bis km 28,66; Baulos Umfahrung Pierbach",

zu Recht    e r k a n n t :

I.         Dem Antrag wird gemäß §§ 1, 2, 8 und 11 Oö. Vergaberechtsschutzgesetz 2006 – Oö. VergRSG 2006, LGBl. Nr. 130/2006 idF LGBl. Nr. 90/2013, statt­gegeben und dem Auftraggeber Land Oberösterreich die Bekanntgabe einer Zuschlagsentscheidung und die Erteilung des Zuschlags bis zur Entscheidung in diesem Nachprüfungsverfahren, längstens aber bis 7. Juli 2014, untersagt.

 

II.       Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I. 1. Mit Eingabe vom 7. Mai 2014 hat die x (im Folgenden: Antragstellerin) einen Antrag auf Nichtigerklärung der Ausscheidensentscheidung sowie auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, dem Auftraggeber bis zur Entscheidung im Nachprüfungsverfahren die Mitteilung der Zuschlagsentschei­dung und die Erteilung des Zuschlags, zu untersagen, gestellt. Im Übrigen wurde die Zuerkennung der entrichteten Pauschalgebühren beantragt.

 

Begründend führte die Antragstellerin eingangs hiezu aus, dass laut Beschrei­bung des Auftraggebers in Pkt. F.03 Ausschreibungsunterlagen (kurz: AU) "Angebot" der Ausbau der B 124 Königswiesener Straße km 27,24 bis km 28,66, Baulos Umfahrung Pierbach mit einer Bauloslänge von 880 m ausgeschrieben worden sei, die Bekanntmachung sei  am 8. April 2014 unter www.auftrag.at er­folgt. Gegenständlich handle es sich um einen Bauauftrag im Unterschwellen­bereich und erfolge der Zuschlag nach dem Billigstbieterprinzip. Von der Antrag­stellerin sei fristgerecht die AU beim Auftraggeber angefordert worden und habe sie diese am 8. April 2014 erhalten.

Von der Antragstellerin wurden im Antrag auszugsweise die Pkt. A.16. und B.04. zitiert und darauf hingewiesen, dass fristgerecht ein ausschreibungskonformes Angebot gelegt worden sei. Am 30. April 2014 habe die Angebotsöffnung stattgefunden, wobei das Angebot der Antragstellerin von insgesamt fünf ein­gelangten Angeboten jenes mit dem niedrigsten Preis, und zwar in Höhe von 2,178.909,29 Euro (Gesamtpreis ohne USt) gewesen sei. In der Niederschrift der Angebotsöffnung habe der Auftraggeber festgehalten, dass bei der Antrag­stellerin die Beilagenblätter (Teil H) gefehlt haben.

 

Der Auftraggeber habe – ohne zuvor eine Möglichkeit zur Stellungnahme oder Auf­klärung zu geben – am 30. April 2014 mitgeteilt, dass bei der Ange­botsprüfung festgestellt worden sei, dass das Angebot unvollständig sei. Der Ab­schnitt H (Beilageblätter zum LV) sei Bestandteil der Angebotsunterlagen (siehe Seite 7 – Unterlagen des Angebotes, Pkt.1 – Angebot bestehend aus ...) und fehle. Da die fehlenden Seiten Bestandteil des Angebots seien, handle es sich um ein unvollständiges Angebot. Es werde bedauert, mitteilen zu müssen, dass das Angebot gemäß § 129 Abs.1 Pkt.7 BVergG 2006 nicht weiter berücksichtigt und vom weiteren Vergabeverfahren ausgeschieden werde.

Nach Kenntnis der Antragstellerin sei bislang weder eine Zuschlagsentscheidung bekannt gegeben noch der Zuschlag erteilt worden.

 

Nach Darstellung des Interesses am Vertragsabschluss wurde weiters dargelegt, dass bei Auftragsentgang der Antragstellerin die Möglichkeit der Auslastung an Personal und Gerät sowie ein Referenzprojekt entgehen würde und auch Folgekosten für die notwendige Akquisition anderer Aufträge auflaufen würde. Die frustrierten Kosten für die bisherige Teilnahme am Vergabeverfahren würden zumindest 11.140 Euro (sh Beilage 7) betragen.

 

Die Antragstellerin erachtet sich in ihrem Recht auf

- BVergG-konforme Teilnahme am Vergabeverfahren,

- Nicht-Ausscheiden und Berücksichtigung ihres Angebots,

- gesetzmäßige Durchführung des Vergabeverfahrens unter Beachtung der Grundsätze der Gleichbehandlung, des freien und lauteren Wettbewerbs und der Transparenz sowie

- Mitteilung der Zuschlagsentscheidung und Zuschlagserteilung zu ihren Gunsten,

verletzt.

 

Von der Antragstellerin wurde die Rechtswidrigkeit der Ausscheidens­ent­scheidung dahingehend begründet, als es zwar richtig sei, dass gemäß Pkt 1 AU das Angebot ua aus den Beilageblättern zum LV bestehe. Bei den Beilageblättern zum LV, welche im Übrigen in den AU nicht als "Abschnitt H" betitelt werde, handle es sich um Regelpläne (Beilageblätter 01, 02, 03, 06, 07, 08, 10 und 12). Diese Beilageblätter seien vom Auftraggeber vorgegeben worden und hätten vom Bieter weder ergänzt noch abgeändert werden können, überdies seien diese auch nicht bewertungsrelevant.

 

Die Beilageblätter zum LV seien dem Angebot nicht beigelegen, jedoch habe die Antragstellerin durch ihr unterfertigtes und eingebrachtes Angebot ausdrücklich erklärt, dass die AU – und somit auch die Beilageblätter zum LV – als verbindlich anerkannt werden. Damit sei deutlich und unmissverständlich bestätigt und erklärt worden, dass auch die Beilageblätter zum LV gelten. Eine Vorlage der Beilageblätter zum LV mit Angebot sei daher nicht eigens notwendig für eine BVergG- und ausschreibungskonforme Angebotsabgabe gewesen.

 

Diese Sichtweise sei in sich schlüssig: In Pkt 1 AU "Angebot" seien die Bestand­teile der AU und die im Fall eines Zuschlags geltenden Vertragsbestandteile ver­mengt aufgelistet, nicht aber die zwingend mit dem Angebot vorzulegenden Unterlagen. So fehlen in der Aufzählung in Pkt.1 zB die in F.01. AU "Angebot" genannten und mit dem Angebot vorzulegenden Eignungsnachweise. Aber auch die Aufzählung in Pkt 1. AU "Angebot" selbst sei aufgrund ihres Sinns und Zwecks zu interpretieren: Denn würde man nur am Wortlaut haften, so hätte der Bieter zwar (bei Datenträgeraustausch) ein ausgepreistes Kurz-LV (Pkt 1.I.) nicht aber ein ausgepreistes LV (Pkt.1.G), sondern das vom Auftraggeber vorgege­bene, nicht ausgepreiste LV vorlegen müssen. Dies könne vom Auftraggeber sicherlich so nicht gewollt sein. Dass nicht am Wortlaut gehaftet werden dürfe, zeige sich auch darin, dass die AU vom Auftraggeber selbst nicht als "Aus­schreibungsunterlage", sondern als "Angebot" betitelt werde (vgl. Deckblatt), sodass schon aus diesem Grund Pkt 1 AU "Angebot" nicht als Auflistung zu verstehen sei, welche Unterlagen dem Angebot beizulegen seien, sondern als Auflistung, aus welchen Bestandteilen die AU bestehe und welche Vertrags­bestandteile im Fall eines Zuschlags gelten würden.

 

In Zusammenschau mit der gesamten Ausschreibung sei diese Bestimmung daher so zu lesen, dass die darin angeführten Dokumente – und somit auch die Beilageblätter zum LV – aufgrund der Unterschrift des Bieters gelten würden. Damit habe die Antragstellerin ein ausschreibungskonformes Angebot gelegt. Es bräuchte daher im vorliegenden Fall aufgrund der gesetzlich normierten Fiktion des § 108 Abs.2 BVergG 2006 weder die in den AU enthaltene Erklärung noch Pkt. 1 AU "Angebot", da die Antragstellerin allein schon durch die Angebotsab­gabe erklärt habe, um ein ausschreibungskonformes Angebot zu den Ausschrei­bungs­be­stim­mungen zu legen.

 

Darüber hinaus wurde vorgebracht, dass das Angebot der Antragstellerin nur dann vollständig sei, wenn auch die Beilageblätter zum LV dem Angebot beiliegen, so stelle das Nichtbeilegen der Beilageblätter zum LV einen beheb­baren Mangel dar.

 

§ 129 Abs.1 Z7 BVergG 2006 bestimme nämlich, dass unvollständige Angebote dann auszuscheiden seien, wenn deren Mängel nicht behoben wurden oder nicht behebbar seien. Nach ständiger Rechtsprechung des VwGH seien, unter Bezugnahme auf die sogenannte Aicher-Formel, Mängel dann als unbehebbar zu qualifizieren, wenn durch eine Behebung die Wettbewerbsstellung des Bieters materiell verbessert würde.

 

Durch das Nachreichen der Beilageblätter zum LV entstehe der Antragstellerin kein Wettbewerbsvorteil, da die Beilageblätter vom Auftraggeber vorgegeben und unabänderbar seien und durch die Angebotsabgabe sowie § 108 Abs.2 BVergG 2006 ohnehin bereits erklärt worden sei, die AU (und somit auch die Beilageblätter zum LV) als verbindlich anzuerkennen. Überdies habe der Auftraggeber in den AU nicht bestimmt, dass das Fehlen der Beilageblätter zum LV als unbehebbarer Mangel zu werten sei. Vielmehr sei bestimmt worden, dass bei bestimmten Abweichungen zwischen den AU und dem Kurz-LV das Angebot ausgeschieden werde. Damit bestimme der Auftraggeber unter gewissen Vor­aussetzungen das sofortige Ausscheiden des Angebots, der Fall der Nichtvorlage von Beilageblättern zum LV falle aber nicht darunter. Daher gelte der Umkehrschluss, dass die Nichtvorlage von Beilageblättern zum LV kein sofortiges Ausscheiden nach sich ziehe, sondern einer Behebung zugänglich sei. Der Antragstellerin sei  vom Auftraggeber nicht die Möglichkeit zur Stellung­nahme oder Aufklärung gegeben worden. Der Auftraggeber sei bei sonstiger Rechtswidrigkeit gemäß § 126 Abs.1 BVergG 2006 verpflichtet, eine Aufklärung iSe Aufforderung zur Mängelbehebung durchzuführen. Gegenständlich sei der Antragstellerin diese Möglichkeit zur Mängelbehebung genommen worden, wes­halb die Ausscheidensentscheidung somit rechtswidrig sei.

 

Zum Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung verweist die Antrag­stellerin zunächst auf die Ausführungen zum Hauptantrag. Da der Nachprüfungs­antrag nach § 3 Abs.3 Oö. VergRSG 2006 keine aufschiebende Wirkung habe, könne der Auftraggeber das Vergabeverfahren fortsetzen, insbesondere die Zuschlagsentscheidung mitteilen und den Zuschlag erteilen. Der Antragstellerin würde somit nicht nur der Auftrag unwiederbringlich verloren gehen, sondern auch die Chance auf eine Teilnahme an einem gesetzeskonformen Vergabever­fahren und am Zuschlag genommen werden. Der Schaden könne nur durch vor­läufige Untersagung der Mitteilung der Zuschlagsentscheidung und der Erteilung des Zuschlags wirksam abgewendet werden. Dagegen würden sich in der Ausschreibung bzw den Ausschreibungsunterlagen keine Anhaltspunkte dafür finden, dass der Auftraggeber oder die Öffentlichkeit ein besonderes Interesse daran haben könnten, dass die Vergabe nicht bis zum Ende des Nachprüfungs­ver­fahrens aufgeschoben werden könne. Zudem habe der Auftraggeber mit einer Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens zu rechnen und dies entsprechend zu berücksichtigen.

 

2. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat das Land Oberösterreich als Auftraggeber am Nachprüfungs­verfahren beteiligt. Von diesem wurde zum An­trag auf Erlassung der einstweiligen Verfügung keine Stellungname abgegeben.

 

3.  Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat erwogen:

 

3.1. Gemäß § 1 Abs.1 Oö. Vergaberechtsschutzgesetz 2006 (Oö. VergRSG 2006) regelt dieses Landesgesetz den Rechtsschutz gegen Entscheidungen der Auftraggeber in Verfahren nach den bundesrechtlichen Vorschriften auf dem Gebiet des öffentlichen Auftragswesen (Vergabeverfahren), die gemäß Art.14b Abs.2 Z2 B-VG in den Vollzugsbereich des Landes fallen.

 

Gemäß Art.14b Abs.2 Z2 lit.a B-VG ist die Vollziehung Landessache hinsichtlich der Vergabe von Aufträgen durch das Land. Das gegenständliche Nachprüfungs­ver­fahren unterliegt daher den Bestimmungen des Oö. VergRSG 2006.

 

Gemäß § 2 Abs.1 Oö. VergRSG 2006 obliegt dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich die Gewährung von Rechtsschutz gemäß § 1 Abs.1 leg.cit.

 

3.2. Gemäß § 2 Abs.3 Oö. VergRSG 2006 ist das Landesverwaltungsgericht Ober­österreich bis zur Zuschlagsentscheidung bzw. bis zum Widerruf eines Vergabeverfahrens zum Zweck der Beseitigung von Verstößen gegen die bundesgesetzlichen Vorschriften auf dem Gebiet des öffentlichen Auftragswesens und die dazu ergangenen Verordnungen oder von Verstößen gegen unmittelbar anwendbares Gemeinschaftsrecht zuständig zur Erlassung einstweiliger Ver­fügun­gen sowie zur Nichtigerklärung gesondert anfechtbarer Entscheidungen (§ 2 Z16 lit.a BVergG 2006) des Auftraggebers bzw. der Auftraggeberin im Rahmen der vom Antragsteller bzw. der Antragstellerin geltend gemachten Beschwerdepunkte.

 

Der gegenständliche Antrag ist rechtzeitig und zulässig. Aufgrund der Höhe des Auftragswertes des ausgeschriebenen Bauauftrages sind die Bestimmungen für den Unterschwellenbereich anzuwenden.

 

3.3. Gemäß § 8 Abs.1 Oö. VergRSG 2006 hat das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich auf Antrag durch einstweilige Verfügung unverzüglich vorläufige Maßnahmen anzuordnen, die nötig und geeignet scheinen, um eine durch die behauptete Rechtswidrigkeit einer gesondert anfechtbaren Entscheidung ent­standene oder unmittelbar drohende Schädigung von Interessen des Antrag­stellers bzw. der Antragstellerin zu beseitigen oder zu verhindern.

 

Gemäß § 11 Abs.1 leg.cit. hat das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich vor Erlassung einer einstweiligen Verfügung die voraussehbaren Folgen der zu treffenden Maßnahme für alle möglicherweise geschädigten Interessen des Antragstellers bzw. der Antragstellerin, der sonstigen Bewerber oder Bieter bzw. Bewerberinnen oder Bieterinnen und des Auftraggebers bzw. der Auftraggeberin sowie ein allfälliges besonderes öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens gegeneinander abzuwägen. Ergibt diese Abwägung ein Überwiegen der nachteiligen Folgen einer einstweiligen Verfügung, ist der Antrag auf ihre Erlassung abzuweisen.

 

Gemäß § 11 Abs.3 leg.cit. ist in einer einstweiligen Verfügung die Zeit, für welche diese Verfügung getroffen wird, zu bestimmen. Die einstweilige Verfügung tritt nach Ablauf der bestimmten Zeit, spätestens jedoch mit der Entscheidung über den Antrag auf Nichtigerklärung, in dem die betreffende Rechtswidrigkeit geltend gemacht wird, außer Kraft.

 

3.4. Bereits zu der vorausgegangenen sinngemäßen Regelung des Bundes­vergabe­gesetzes 1997 führte Elsner, Vergaberecht (1999), auf Seite 86 aus: Die Entscheidung hängt von einer Abwägung der möglicherweise geschädigten Interessen des Antragstellers und einem allfälligen besonderen öffentlichen Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens ab. Dabei muss es sich um ein "besonderes" öffentliches Interesse handeln. Es wird nämlich (hoffentlich) bei jeder öffentlichen Auftragsvergabe ein öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens und Vergabe eines Auftrages bestehen. Aber auch daran, dass Vergabeverfahren fehlerfrei ablaufen, besteht öffentliches Interesse. Eine Nichterlassung einstweiliger Verfügungen wird daher nur bei sonstiger Gefahr für Leib und Leben und besonderer Dringlichkeit zulässig sein. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn besondere Interessen der Daseinsvorsorge gefährdet würden.

 

Art.2 Abs.4 Satz 1 (entspricht nunmehr Art.2 Abs.5) der Rechtsmittelrichtlinie darf nicht fälschlicherweise so ausgelegt werden, dass der vorläufige Rechts­schutz regelmäßig leerläuft. Mit diesem Interesse ist nicht das bei jeder Auftragsvergabe bestehende öffentliche Interesse an der zügigen Abwicklung gemeint. Nach der Beschlusspraxis des EuGH kommt es in der Interessens­abwägung maßgeblich darauf an, wer durch sein Verhalten die besondere Dring­lich­keit der Auftragsvergabe verursacht hat. Für die öffentlichen Auftraggeber ergibt sich daraus eine echte Obliegenheit zu rechtzeitig geplanten und durch­geführten Beschaffungsvorgängen. Das Rechtsschutzinteresse des diskriminier­ten Bieters kann insoweit nur vom vorrangigen Schutz überragend wichtiger Rechtsgüter der Allgemeinheit zurückgedrängt werden (vgl. Schenk, Das neue Vergaberecht, 1. Auflage 2001, S. 172f).

 

Auch der Verfassungsgerichtshof hat insbesondere in seiner Entscheidung zu Zl. B 1369/01 vom 15.10.2001 ein öffentliches Interesse im Hinblick auf das Postulat effizienten Einsatzes öffentlicher Mittel in der Sicherstellung einer Auftragserteilung an den tatsächlichen Bestbieter gesehen, dem die Nachprüfung des Vergabe­verfahrens letztlich dienen soll.

 

3.5. In Anbetracht der Tatsache, dass es sich beim gegenständlichen Vorhaben nicht um eine vordringliche Leistungserbringung handelt, kann daraus ge­schlossen werden, dass eine Gefährdung von Leib und Leben nicht aktuell ist. Auch trifft den Auftraggeber im Hinblick auf die Rechtsnatur des Provisorial­verfahrens und auf die allgemeine Mitwirkungspflicht der Parteien im Verwal­tungs­verfahren die Behauptungslast betreffend die gegen die Erlassung einer einstweiligen Verfügung sprechenden Interessen. Der Auftraggeber hat im Verfahren konkrete, mit der Erlassung der beantragten einstweiligen Verfügung drohende Nachteile nicht dargelegt, sodass davon auszugehen ist, dass die nachteiligen Folgen des vorläufigen Zuschlagsverbotes nicht überwiegen und daher dem Antrag stattzugeben ist (vgl. BVA 1.12.2000, N-56/00-9).

 

Die Antragstellerin hat denkmöglich ausgeführt, dass ihr durch die behauptete Rechtswidrigkeit der Entgang des Auftrages droht, sohin ein Schaden, der nur durch die vorläufige Untersagung der Zuschlagserteilung abgewendet werden kann. Abgesehen von dem vorausgesetzten öffentlichen Interesse an der Ver­gabe des gegenständlichen Auftrages ist aber ein darüber hinausgehendes besonderes öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens weder durch die Auftraggeberin vorgebracht worden noch dem Landesverwal­tungs­gericht Oberösterreich zur Kenntnis gelangt. Vielmehr ist bei der Interessens­abwägung iSd Judikatur des Verfassungsgerichtshofes zu berück­sichtigen, dass der Auftraggeber ein Interesse an einem rechtmäßigen Ver­gabeverfahren haben muss. Darüber hinaus ist auf die Rechtsprechung der Vergabe­kontroll­instanzen, dass ein öffentlicher Auftraggeber bei der Erstellung des Zeitplanes für eine Auftragsvergabe die Möglichkeit von Nachprüfungsver­fahren und die damit einhergehende Verzögerung ins Kalkül zu ziehen hat, zu verweisen. Dass sich durch die Erlassung einer einstweiligen Verfügung eine Verzögerung der Bedarfsdeckung und ein organisatorischer und finanzieller Mehraufwand ergeben können, liegt in der Natur der Sache. Da - wie bereits erwähnt - kein darüber hinausgehendes besonderes öffentliches Interesse an einem möglichst raschen Vertragsabschluss geltend gemacht wurde und auch nicht auf der Hand liegt, war dem Antrag stattzugeben.

 

Die im Vorbringen der Antragstellerin behaupteten Rechtswidrigkeiten sind zumindest denkmöglich. Eine Überprüfung, ob die behaupteten Rechtswidrig­keiten auch tatsächlich vorliegen, war im Rahmen des Provisorialverfahrens nicht durchzuführen.

 

Die Dauer der Aussetzung der Zuschlagserteilung ergibt sich aus § 11 Abs.3 Oö. VergRSG 2006 iVm § 20 Abs.1 Oö. VergRSG 2006.

Gemäß § 20 Abs.1 Oö. VergRSG 2006 ist über Anträge auf Nichtigerklärung von Entscheidungen eines Auftraggebers bzw. eine Auftraggeberin unverzüglich, spätestens aber zwei Monate nach Einlangen des Antrages zu entscheiden.

 

Für den gegenständlichen Fall bedeutet dies, dass für das Landesverwaltungs­gericht Oberösterreich somit die Möglichkeit besteht, die Aussetzung der Zuschlags­erteilung für zwei Monate, auszusprechen.

 

Die einstweilige Verfügung ist gemäß § 11 Abs.4 Oö. VergRSG 2006 sofort vollstreckbar.

 

4. Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren angefallen. Ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

 

II. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art.133 Abs.4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Recht­sprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Recht­sprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungs­gerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechts­frage vor.

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungs­gerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungs­gerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landes­verwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen  durch einen bevollmächtigten Rechts­anwalt oder eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Dr. Harald Wiesinger