LVwG-410003/3/Gf/Rt

Linz, 07.05.2014

I M  N A M E N  D E R  R E P U B L I K !

 

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Dr. Alfred Grof über die Beschwerde des Mag. W, vertreten durch RA Dr. P, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Linz-Land vom 3. Juli 2012, Zl. Pol96-847-2010, wegen einer Übertretung des Glücksspielgesetzes

 

 

 z u  R e c h t  e r k a n n t:

 

 

I. Der Beschwerde wird gemäß § 50 VwGVG stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren nach 45 Abs. 1 Z. 1 VStG eingestellt.

 

II. Der Beschwerdeführer hat weder einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde (vgl. § 66 Abs. 1 VStG) noch einen Kostenbeitrag zum Verfahren vor dem Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich (vgl.  § 52 Abs. 9 VwGVG) zu leisten.

 

III. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig.

 

 


 

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

 

I.

 

 

1. Mit Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Linz-Land (im Folgenden: belangte Behörde) vom 3. Juli 2012, Zl. Pol96-847-2010, wurde über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe von 10.000 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe: 152 Stunden) verhängt, weil er es als Unternehmer verwaltungsstrafrechtlich zu verantworten habe, dass am 13. November 2010 in einer Tankstelle in E drei Video-Lotterie-Terminals betriebsbereit aufgestellt gewesen seien und mit diesen Geräten wiederholt verschiedene Glücksspiele (u.a. in Form von Walzenspielen) derart hätten durchgeführt werden können, dass aufgrund der in Aussicht gestellten Gewinne und der möglichen Einsätze ohne einer hierfür erforderlichen Konzession in das Glücksspielmonopol des Bundes eingegriffen worden sei. Durch diese unternehmerische Beteiligung an Glücksspielen in Form von verbotenen Ausspielungen habe er eine Übertretung des § 52 Abs. 1 Z. 1 des Glücksspielgesetzes, BGBl.Nr. 620/1989 in der hier maßgeblichen Fassung BGBl.Nr. 73/2010 (im Folgenden: GSpG), begangen, weshalb er nach § 52 Abs. 1 GSpG zu bestrafen gewesen sei.

 

Begründend wurde dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass im Zuge der von Organen der Finanzpolizei durchgeführten Kontrolle die im Spruch angeführten Geräte betriebsbereit und eingeschaltet vorgefunden worden seien. Mit diesen Geräten seien Glücksspiele – d.h. Spiele, bei denen die Entscheidung über das Spielergebnis ausschließlich vom Zufall abhänge – in Form von Ausspielungen durchgeführt worden, obwohl dafür weder eine Bewilligung nach dem Glücksspielgesetz noch für eine Landesausspielung vorgelegen habe.

 

2. Gegen dieses dem Rechtsmittelwerber am 11. Juli 2012 zugestellte Straferkenntnis richtet sich die vorliegende, am 25. Juli 2012 – und damit rechtzeitig – eingebrachte Beschwerde.

 

Darin wird – auf das Wesentliche zusammengefasst – vorgebracht, dass das angefochtene Straferkenntnis aufgrund seines Inhaltes und infolge der Verletzung von Verfahrensvorschriften rechtswidrig sei.

 

Daher wird beantragt, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

 

3. Mit Erkenntnis des Oö. Verwaltungssenates vom 17. Jänner 2013, Zl. VwSen-360031/8/Gf/ER, wurde der Beschwerde stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z. 1 VStG eingestellt.

 

Begründend wurde dazu ausgeführt, dass nach § 52 Abs. 1 Z. 1 GSpG derjenige eine Verwaltungsübertretung begehe und hierfür mit einer Geldstrafe bis zu 22.000 Euro zu bestrafen sei, der vom Inland aus verbotene Ausspielungen im Sinne des § 2 Abs. 4 GSpG veranstaltet, organisiert, unternehmerisch zugänglich macht oder sich daran als Unternehmer im Sinne des § 2 Abs. 2 GSpG beteiligt. Nach § 168 Abs. 1 StGB sei hingegen derjenige vom Gericht mit einer Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit einer Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen, der ein Spiel, bei dem Gewinn und Verlust ausschließlich oder vorwiegend vom Zufall abhängen oder das ausdrücklich verboten ist, veranstaltet oder eine zur Abhaltung eines solchen Spieles veranstaltete Zusammenkunft fördert, um daraus sich oder einem anderen einen Vermögensvorteil zuzuwenden, es sei denn, dass bloß zu gemeinnützigen Zwecken oder bloß zum Zeitvertreib und um geringe Beträge gespielt wird.

 

Nach ständiger Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts sei im Lichte des verfassungsrechtlichen Doppelbestrafungs- und -verfolgungsverbotes gemäß Art 4 7.ZPMRK von einer stillschweigenden Subsidiarität der allenfalls anzuwendenden glücksspielgesetzlichen Verwaltungsstrafbestimmung gegenüber dem gerichtlichen Straftatbestand des § 168 StGB auszugehen (vgl. z.B. VwGH vom 8.9.2009, Zl. 2009/17/0181; VwGH vom 22.3.1999, Zl. 98/17/0134; VfSlg 15199/1998). Daraus folge, dass eine Bestrafung nach § 52 Abs. 1 GSpG dann zu unterbleiben habe, wenn sich der Täter nach § 168 StGB strafbar gemacht hat. Auch der Wegfall der Strafbarkeit nach dem primär heranzuziehenden Tatbestand infolge Eintritt eines Strafaufhebungsgrundes (z.B. Verjährung gemäß § 57 StGB) könne nicht die Anwendbarkeit des subsidiären Straftatbestandes (neu) begründen, handle es sich bei dieser Form der Konkurrenz doch um die Verdrängung des subsidiären Tatbestandes durch den vorrangig anzuwendenden (so VwGH vom 22.3.1999, Zl. 98/17/0134).

 

Mit der GSpG-Novelle 2008 (BGBl.Nr. I 54/2010) sei zudem in § 52 Abs. 2 GSpG eine ausdrückliche Zuständigkeitsklausel zur Abgrenzung zwischen verwaltungsbehördlicher und gerichtlicher Strafbarkeit eingefügt worden. Danach handle es sich dann, wenn im Zusammenhang mit der Teilnahme an einer Ausspielung (mit oder ohne Glücksspielautomaten) von einem Spieler vermögenswerte Leistungen von über 10 Euro pro Spiel geleistet werden, schon ex lege nicht mehr um "geringe Beträge" iSd § 168 Abs. 1 StGB, sodass insoweit eine allfällige Strafbarkeit nach dem GSpG hinter eine allfällige Strafbarkeit nach § 168 StGB zurücktritt.

 

Da die Wendung "geringe Beträge" aber bloß eine der beiden kumulativen Voraussetzungen für die in § 168 Abs. 1 letzter Teilsatz StGB normierte Straffreiheit bilde, sei von einer gerichtlichen Strafbarkeit auch hinsichtlich jener Glücksspiele auszugehen, bei denen die Einsätze pro Einzelspiel zwar unterhalb der Geringfügigkeitsgrenze liegen, die aber nicht nur "bloß zum Zeitvertreib" gespielt werden. Dies sei nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes – der sich auch der VwGH in seinem Erkenntnis vom 22. März 1999, Zl. 98/17/0134, angeschlossen habe – etwa dann der Fall, wenn der Spielveranstalter vorsätzlich Serienspiele veranlasst oder zu solchen Gelegenheit bietet (vgl. z.B. OGH vom 3.10.2002, 12 Os 49/02; OGH vom 2.7.1992, 15 Os 21/92; OGH vom 22.8.1991, 15 Os 27/91). Da somit auch dann eine Strafbarkeit gemäß § 168 StGB gegeben sein könne, wenn zwar Einsätze von unter 10 Euro pro Einzelspiel geleistet werden, es sich aber um Serienspiele iS dieser OGH-Judikatur handelt, sei in solchen Fällen hinsichtlich des Verhältnisses zu den Verwaltungsstraftatbeständen des GSpG nicht auf § 52 Abs. 2 GSpG, sondern auf die eingangs zitierte Judikatur zurückzugreifen, derzufolge eine allenfalls anzuwendende glücksspielgesetzliche Verwaltungsstrafbestimmung hinter den gerichtlichen Straftatbestand des § 168 StGB stillschweigend zurücktritt.

 

Da beim Oö. Verwaltungssenat im gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahren der begründete Verdacht einer Strafbarkeit gemäß § 168 StGB entstanden sei, sei er sohin dazu verpflichtet gewesen, gemäß § 78 Abs. 1 StPO eine Anzeige an die Staatsanwaltschaft zu erstatten und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 30 Abs. 2 VStG bis zur rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung auszusetzen (vgl. z.B. VwGH vom 14.12.2011, Zl. 2011/17/0233, und VwGH vom 8.9.2009, Zl. 2009/17/0181). Ab dem Zeitpunkt des Bestehens von Zweifeln an der verwaltungsbehördlichen Zuständigkeit sei aber jede weitere Ermittlungstätigkeit seitens des Oö. Verwaltungssenates nicht nur im Widerspruch zu § 30 Abs. 2 VStG, sondern auch zu Art. 4 7.ZPMRK, der neben einem Doppelbestrafungs- auch ein Doppelverfolgungsverbot normiert, gestanden.

 

Art. 4 7.ZPMRK schließe jede weitere Verfolgung oder Bestrafung eines Beschuldigten wegen einer Tat, die sich im Wesentlichen auf denselben Sachverhalt, der bereits Gegenstand einer rechtskräftigen Erledigung in Form der Einstellung des gerichtlichen Strafverfahrens wegen Strafbarkeitsverjährung war, gründet, schon auf verfassungsrechtlicher Ebene aus. Denn der Verfassungsgerichtshof habe sich in seinem zum Doppelbestrafungsverbot ergangenen Erkenntnis vom 2. Juli 2009, B 559/08, mit der Rechtsprechung des EGMR zu Art. 4 7.ZPMRK, besonders mit dessen Urteil vom 10. Februar 2009, 14939/03 (Fall Zolotukhin), näher auseinandergesetzt. Er habe zwar im Anschluss daran weiterhin die (vom EGMR nunmehr revidierte) "same-essential-elements"-Doktrin vertreten, in diesem Zusammenhang jedoch in Pkt. III.7. seines Erkenntnisses auch auf eine Prüfung dahin abgestellt, ob der Betroffene für dasselbe (in den wesentlichen Elementen) strafbare Verhalten, für das er bereits rechtskräftig freigesprochen oder verurteilt wurde, neuerlich verfolgt oder bestraft wird. Dabei sei – unter Hinweis auf Materialien zur EMRK und Judikatur des EGMR – eine Entscheidung iSd Art. 4 7.ZPMRK dann "rechtskräftig", wenn sie unwiderruflich sei, was im Wesentlichen zutreffe, wenn keine ordentlichen Rechtsmittel (mehr) zur Verfügung stehen. Eine Einstellung gemäß § 227 StPO nach Zurückziehung des Strafantrags der Staatsanwaltschaft sei vom Verfassungsgerichtshof als ein solcher "Freispruch" iSd des Art. 4 7.ZPMRK gewertet worden.

 

In der reformierten StPO mit ihrem neu geregelten Vorverfahren ohne Untersuchungsrichter würden dem öffentlichen Ankläger in seiner neuen Rolle als Organ der Gerichtsbarkeit (vgl. Art. 90a B-VG) auch erweiterte Befugnisse zur Einstellung des Strafverfahrens (§§ 190 ff StPO) und zum Rücktritt von der Verfolgung (§§ 198 ff StPO) zukommen. Die Möglichkeit der Fortführung eines Ermittlungsverfahrens nach staatsanwaltschaftlicher Einstellung sei nunmehr in § 193 StPO genau geregelt. Dabei ergebe sich aus § 193 Abs. 2 StPO, dass die Staatsanwaltschaft eine Fortführung von nach den §§ 190 oder 191 StPO beendeten Ermittlungsverfahren nur unter weiteren in Z. 1 oder 2 genannten Voraussetzungen anordnen kann und dies außerdem nur möglich ist, solange die Strafbarkeit der Tat nicht verjährt ist. Ein Antrag des Opfers an das Gericht auf Fortführung des Ermittlungsverfahrens sei gemäß § 195 StPO ebenfalls nur zulässig, solange nicht Strafbarkeitsverjährung eingetreten ist.

 

Im gegenständlichen Fall habe die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren gegen den Beschwerdeführer wegen § 190 Z. 2 StPO eingestellt, da auf Basis der Beweisergebnisse des Ermittlungsverfahrens eine Verurteilung nicht wahrscheinlicher als ein Freispruch gewesen wäre (vgl. Nordmeyer, WK-StPO § 190 RZ 14). Das bedeute aber, dass der angelastete Sachverhalt jedenfalls unter § 168 StGB zu subsumieren und somit eine diesbezügliche Zuständigkeit der Gerichte gegeben sei. Dies insbesondere vor dem Hintergrund des § 190 Z. 1 erster Fall StPO, der ausdrücklich die Möglichkeit einer Verfahrenseinstellung für den spezifischen Fall vorsehe, dass die Tat "nicht mit gerichtlicher Strafe bedroht ist" (vgl. Nordmeyer, WK-StPO § 190 Rz. 12).

 

Gemäß § 57 Abs. 3 StGB betrage die Verjährungsfrist ein Jahr, wenn die Handlung – wie im Fall des § 168 StGB – mit nicht mehr als sechsmonatiger Freiheitsstrafe oder nur mit Geldstrafe bedroht ist. Die Tathandlung sei im konkreten Fall am 13. November 2010 gesetzt worden und somit – wie auch von der Staatsanwaltschaft ausdrücklich festgestellt – iSd § 57 Abs. 3 StGB nunmehr jedenfalls gerichtlich verjährt. Eine Fortführung des nach § 190 StPO beendeten Ermittlungsverfahrens sei somit ausgeschlossen, da die Strafbarkeit der Tat gegenständlich bereits verjährt ist.

 

Im Ergebnis komme der verfahrensgegenständlichen staatsanwaltschaftlichen Einstellung auch vor dem Hintergrund der zwischenzeitlich eingetretenen gerichtlichen Verjährung daher jedenfalls die Bedeutung eines "Freispruchs" iSd Art. 4 7.ZPMRK zu.

 

Somit stelle nach Auffassung des Oö. Verwaltungssenates unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes und des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte im Fall "Zolotukhin" nunmehr auch die Einstellung des gerichtlichen Strafverfahrens durch den öffentlichen Ankläger in der hier vorliegenden Form eine rechtskräftige und somit "unwiderrufliche" Erledigung im weit zu verstehenden Sinn des Art. 4 7.ZPMRK dar (vgl. EGMR v. 10. 2. 2009, 14939/03, RN 107 f), die eine weitere Verfolgung oder Bestrafung eines Beschuldigten wegen einer Tat, die im Wesentlichen auf ein und demselben Sachverhalt gründet, ausschließe, da in diesem Fall unabhängig von der Einstellungsvariante gemäß § 57 Abs. 3 StGB bereits Verjährung eingetreten und daher eine Fortführung des Ermittlungsverfahrens gemäß § 193 StPO nicht mehr möglich sei. Im Ergebnis liege daher hier eine mit der o.a. Judikatur vergleichbare Situation vor.

 

Demzufolge erscheine auch die überkommene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs (vgl. zB VwGH vom 14.12.2011, Zl. 2011/17/0233) zur selbstständigen Beurteilung der Strafbarkeit durch die Verwaltungsbehörde im Falle eines Freispruchs vom Gerichtsdelikt vor dem Hintergrund dieser Rechtsentwicklung im Rahmen des Doppelbestrafungs- und -verfolgungsverbotes der EMRK zumindest als teilweise überholt.

 

Daraus folge, dass der Oö. Verwaltungssenat gegenständlich allein die vom Verfassungsgerichtshof nach Art. 4 7. ZPzEMRK geforderte Prüfung vorzunehmen habe, ob der Beschuldigte für dasselbe (in den wesentlichen Elementen) strafbare Verhalten, für das er bereits rechtskräftig freigesprochen oder verurteilt wurde, nunmehr neuerlich verfolgt oder bestraft werden soll. Im Rahmen dieser Prüfung sei die Identität der gerichtlich strafbaren Handlung (Serienspiel mit Glücksspielgeräten bzw. zumindest strafbarer Versuch) mit den gegenständlich angelasteten Verwaltungsdelikten aber jedenfalls zu bejahen. Insbesondere sei in diesem Zusammenhang auch auf die jüngste Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH vom 25.9.2012, Zl. 2012/17/0040) hinzuweisen, der zufolge hinsichtlich der "verbotenen Ausspielungen" iSd § 52 Abs. 1 Z. 1 GSpG auf die einzelnen "im Lokal aufgestellten Geräte" abzustellen ist; wenn aber für eine Bestrafung nach § 52 Abs. 1 Z. 1 GSpG nach höchstgerichtlicher Rechtsprechung auf die einzelnen Geräte – nicht aber auf die einzelnen auf den Geräten jeweils verfügbaren Spiele – abzustellen ist, so scheine eine Abgrenzbarkeit des maßgeblichen Sachverhaltes in Bezug auf die jeweiligen Einzelspiele von vornherein unzulässig und im Übrigen auch faktisch kaum möglich. Schließlich sei in diesem Zusammenhang auch noch zu berücksichtigen, dass in der Regel allein aufgrund des Schaffens einer Spielgelegenheit auf einem Glücksspielgerät mit einer sog. "Automatic-Start-Taste" bereits der strafbare Versuch einer Veranstaltung von Serienspielen gemäß § 15 iVm § 168 Abs. 1 StGB gegeben sein dürfte, weshalb in diesem Fall – d.h. bei solchen Geräten mit derartigen Automatic-Start-Tasten – eine diesbezügliche zusätzliche Ahndung durch die Verwaltungsstrafbehörde jedenfalls ausscheiden müsse.

 

Da der vorliegenden Einstellung des Staatsanwaltes aufgrund der gemäß § 57 Abs. 3 StGB eingetretenen Verjährung somit die Bedeutung eines Freispruchs in dieser besonderen Konstellation zukomme, sei schon deshalb die weitere verwaltungsstrafrechtliche Verfolgung wegen derselben Tat nicht mehr zulässig gewesen.

 

Aus dem zuvor Gesagten ergebe sich, dass der Oö. Verwaltungssenat nach der durch die zuständige Staatsanwaltschaft pauschal verfügten Einstellung des gerichtlichen Strafverfahrens (= final decision iSd EGMR-Urteils vom 10.2.2009, 14939/03, RN 107 f) nicht mehr befugt gewesen sei, weitere Ermittlungstätigkeiten zu setzen. Davon abgesehen sei auch nach ständiger Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts im Falle der Tateinheit einer unter beide Strafdrohungen fallenden Handlung davon auszugehen, dass das Delikt des verbotenen Glücksspieles gemäß § 168 Abs. 1 StGB den Unrechts- und Schuldgehalt der einschlägigen Verwaltungsstrafbestimmung des GSpG vollständig erschöpfe und daher unter Berücksichtigung des Doppelbestrafungs- und Doppelverfolgungsverbotes gemäß Art. 4 Abs. 1 7.ZPMRK eine verfassungskonforme Interpretation insofern geboten sei, als eine Bestrafung nach § 168 Abs. 1 StGB eine solche nach dem GSpG wegen desselben Verhaltens ausschließt (vgl. VfSlg 15.199/1998; VwGH vom 22.3.1999, Zl. 98/17/0134; VwGH vom 8.9.2008, Zl. 2009/17/0181). Mit Blick auf das erwähnte Doppelverfolgungsverbot habe daher überdies auch bereits jede weitere Verfolgung der Beschuldigten zu unterbleiben.

 

Dieses Ergebnis werde im Übrigen auch durch die jüngste Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte zum Grundsatz "ne bis in idem" vom 11.12.2012, 3653/05 (Fall Asadbeyli), bestärkt. In diesem Fall sei in der rechtskräftigen strafrechtlichen Erstentscheidung keinerlei (detaillierte) Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts getroffen worden, anhand derer beurteilt hätte werden können, ob das zweite Verfahren dieselben oder im wesentlichen übereinstimmende Fakten betraf. Unter Hinweis auf sein Urteil im Fall Zolotukhin habe der Gerichtshof jedoch konstatiert, dass in einer solchen Fallkonstellation von einer Vermutung für eine – unzulässige – zweifache Bestrafung, die sich auf dieselben Vorgänge bezieht, auszugehen sei. Im Zweifel gehe der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte somit zugunsten eines Betroffenen von einem identischen oder im Wesentlichen gleichen Sachverhalt aus. Schon allein aufgrund der von der Staatsanwaltschaft im vorliegenden Fall pauschal ausgesprochenen Verfahrenseinstellung gegenüber der Beschuldigten stelle somit jede weitere verwaltungsstrafbehördliche Verfolgung eine Verletzung des Art. 4 7.ZPMRK dar.

 

Infolge dieser – in § 52 Abs. 2 GSpG teilweise normierten bzw. sich im Lichte des verfassungsgesetzlich verankerten Doppelbestrafungs- und ‑verfolgungsverbots gemäß Art. 4 des 7.ZPMRK interpretativ ergebenden – Subsidiarität habe somit eine Verfolgung nach dem subsidiären Verwaltungsstraftatbestand des § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG zu unterbleiben. Schon aus diesem Grund sei daher der gegenständlichen Beschwerde stattzugeben, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Strafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 1 VStG einzustellen gewesen.

 

Schließlich führe aber auch die selbstständige Beurteilung des Oö. Verwaltungssenates dahin, ob ein gerichtlich zu ahndender Tatbestand vorliegt, im Ergebnis zu der verwaltungsbehördlichen Straflosigkeit des Beschwerdeführers nach dem GSpG. Denn nach ständiger Rechtsprechung des VwGH habe die Verwaltungsbehörde im Falle einer Einstellung des gerichtlichen Strafverfahrens die Frage, ob ein vom Gericht zu ahndender Tatbestand vorlag, (auch) eigenständig zu beurteilen (vgl. VwGH vom 14.12.2011, Zl. 2011/17/0233 unter Hinweis auf VwGH vom 22.3.1999, Zl. 98/17/0134). Diese Verpflichtung treffe im gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahren somit den UVS . Im Hinblick auf die Ausgestaltung der gegenständlichen Geräte mit Automatic-Start-Tasten sei hier allerdings die Serienspieljudikatur des OGH anzuwenden. Dies sei – wie von der Staatsanwaltschaft Steyr ausdrücklich hervorgehoben – im Übrigen auch in der Leiterbesprechung bei der Oberstaatsanwaltschaft Linz vom 5. November 2012 ausdrücklich bestätigt und in dieser sogar festgehalten worden, dass Geräte, die mit Automatic-Start-Tasten ausgestattet sind, dem Tatbild des § 168 StGB zu unterstellen sind. Aufgrund der – im Verwaltungsakt eindeutig belegten – Ausgestaltung sämtlicher gegenständlicher Geräte mit "Automatic-Start-Tasten" liege somit auch nach Auffassung des Oö. Verwaltungssenates jedenfalls der strafbare Versuch einer gemäß § 168 StGB iVm § 15 StGB mit gerichtlicher Strafe bedrohten Glücksspielveranstaltung vor, da einerseits die ausdrückliche Subsidiarität nicht greife und andererseits eine der Ausführungshandlung mittelbar vorangehende ausführungsnahe Handlung iSd § 15 Abs. 2 StGB bereits gesetzt worden sei. Darüber hinaus sei zu erkennen, dass die Verwirklichung dieses Tatbildes auch ernstlich für möglich gehalten worden sei und der Rechtsmittelwerber sich damit auch abgefunden habe. Im Hinblick auf die im vorliegenden Fall daher grundsätzlich gegebene gerichtliche Strafbarkeit des angelasteten Sachverhalts könne im Ergebnis jedenfalls keine strafbare Verwaltungsübertretung mehr vorliegen, weshalb das angefochtene Straferkenntnis daher auch aus diesem Grund  aufzuheben und das Strafverfahren einzustellen gewesen sei.

 

4. Gegen dieses Erkenntnis des Oö. Verwaltungssenates hat die Bundesministerin für Finanzen eine Amtsbeschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erhoben.

 

5. Mit Erkenntnis vom 8. November 2013, Zl. 2013/17/0145, hat der Verwaltungsgerichtshof dieser Beschwerde stattgegeben und das vorangeführte Erkenntnis des Oö. Verwaltungssenates vom 17. Jänner 2013 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

 

Begründend wurde dazu unter Hinweis auf eigene Vorjudikatur ausgeführt, dass sich aus der bloßen Einstellung eines Verfahrens nicht ergebe, dass die Staatsanwaltschaft vom Vorliegen eines gerichtlich strafbaren Tatbestandes ausgegangen ist. Die Frage, ob ein behördlich oder ein gerichtlich strafbarer Tatbestand vorliegt, sei vom Oö. Verwaltungssenat daher eigenständig zu prüfen gewesen, wobei insbesondere Feststellungen zur genauen Funktionsweise der Automatic-Start-Taste zu treffen seien sowie zu ermitteln sei, ob die Rahmenbedingungen einen Spieler dazu verleitet hatten, dass die Summe der von ihm im Verlauf einer ganzen Spielveranstaltung eingesetzten Vermögenswerte nicht mehr gering war bzw. ob Spieler vorsätzlich zu Serienspielen veranlasst werden sollten.

 

6. Davon ausgehend hat der Oö. Verwaltungssenat mit Verfügung vom 20. Dezember 2013, Zl. VwSen-360027/22/Gf/Rt, die belangte Behörde dazu aufgefordert, geeignete Nachweise dafür, dass an keinem der verfahrensgegenständlichen Glücksspielgeräte ein den Betrag von 10 Euro übersteigender Einsatz pro Spiel möglich war und/oder vorsätzlich Serienspiele veranlasst werden sollten, vorzulegen oder entsprechend zu benennen.

 

7. In ihrer Stellungnahme vom 30. Jänner 2014, Zl. Pol96-847-2010/Mat, hat die belangte Behörde hierzu ausgeführt, dass über die möglichen Höchsteinsätze ex post keine zuverlässige Aussage mehr getroffen werden könne, weil die Geräte im Zuge der vorläufigen Beschlagnahme außer Betrieb genommen, d.h. deren Anbindungen an das Internet (und damit an einen externen Server, von dem aus die Spielprogramme bezogen wurden) getrennt worden seien. Im Falle einer Wiederinbetriebnahme könnten daher durchaus auch andere Inhalte eingespielt bzw. sichtbar gemacht werden als jene, die zum Kontrollzeitpunkt auf den Geräten abrufbar waren. Im Übrigen seien alle drei Geräte mit einer überaus einfach zu bedienenden Automatic-Start-Taste versehen gewesen, deren Sinn vornehmlich darin bestanden habe,  Serienspiele – im Sinne einer fortlaufenden Aneinanderreihung von Einzelspielen – durchzuführen.

 

 

II.

 

Gemäß Art. 151 Abs. 51 Z. 8 zweiter Satz B-VG ist die Zuständigkeit zur Weiterführung der mit Ablauf des 31. Dezember 2013 u.a. bei den Unabhängigen Verwaltungssenaten anhängig gewesenen Verfahren auf die Verwaltungsgerichte übergegangen.

 

Da im vorliegenden Zusammenhang keine Sonderregelungen i.S.d. Art. 131 Abs. 2 bis 4 B-VG zum Tragen kommen, hatte daher das Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich gemäß der Generalklausel des Art. 131 Abs. 1 B-VG das gegenständliche Verfahren fortzuführen.

 

 

III.

 

In der Sache selbst hat das Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich – gemäß § 63 Abs. 1 VwGG in Bindung an die vom Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 8. November 2013, Zl. 2013/17/0144, geäußerte Rechtsansicht –  erwogen:

 

1. Nach § 52 Abs. 1 Z. 1 GSpG beging u.a. derjenige eine Verwaltungsübertretung der verbotene Ausspielungen unternehmerisch zugänglich machte oder sich als Unternehmer daran beteiligte.

 

Ob der Tatbestand dieses Deliktes erfüllt ist, hing gemäß § 52 Abs. 2 GSpG davon ab, dass Spieler im Zusammenhang mit ihrer Teilnahme an Ausspielungen vermögenswerte Leistungen für ein Spiel von höchstens 10 Euro geleistet haben; betrug hingegen der Einsatz pro Spiel mehr als 10 Euro, so handelte es sich ex lege nicht mehr um geringe Beträge mit der Folge, dass eine allfällige Strafbarkeit nach dem GSpG hinter eine allfällige Strafbarkeit nach § 168 StGB zurücktrat.

 

2. Dem Umstand, dass der Anordnung des § 52 Abs. 2 GSpG durch § 52 Abs. 3 GSpG idF der Novelle BGBl.Nr. 13/2014 materiell dahin derogiert wurde, dass nunmehr dann, wenn durch eine Tat sowohl der Tatbestand der Verwaltungsübertretung nach § 52 Abs. 1 GSpG als auch der Tatbestand des § 168 StGB verwirklicht ist, nur eine Bestrafung nach den Verwaltungsstrafbestimmungen des § 52 Abs. 1 GSpG vorzunehmen ist, kommt für den vorliegenden Fall schon deshalb keine Relevanz zu, weil diese Novelle erst am 1. März 2014 – und damit erst lange nach dem im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses angelasteten Tatzeitpunkt (13. November 2010) – in Kraft getreten ist (vgl. § 60 Abs. 34 GSpG idgF).

 

Anderes würde im Hinblick auf das in Art. 7 EMRK verfassungsmäßig verankerte Rückwirkungsverbot von Strafgesetzen allenfalls nur dann gelten, wenn § 52 Abs. 3 GSpG idgF eine rein prozessuale Bestimmung verkörpern würde. Dies trifft jedoch offensichtlich schon deshalb nicht zu, weil gerade die Frage, ob bzw. inwieweit ein konkreter Straftatbestand von seinen inhaltlichen Voraussetzungen her überhaupt zum Tragen kommt, fraglos (jedenfalls auch) zum essentiellen Kernbereich des in der Erklärung eines derartigen Verhaltens als strafbar zum Ausdruck kommenden Unwerturteils und damit der materiellen Strafbarkeit als solcher zählt (vgl. in diesem Sinne auch Thienel, in: Korinek – Holoubek [Hrsg.], Österreichisches Bundesverfassungsrecht, RN 6 zu Art. 7 EMRK; Renzikowski, in: Pabel – Schmahl [Hrsg.], Internationaler Kommentar zur Europäischen Menschenrechtskonvention, RN 33 f zu Art. 7 EMRK; sowie Grabenwarter – Pabel, Europäische Menschenrechtskonvention, 5. Aufl., München 2012, § 24, RN 138, unter Hinweis auf EGMR vom 17.12.2009, 19359/04[1]).

 

3. Vor dem Hintergrund, dass sohin unter dem Aspekt der eigenständigen Beurteilung der Strafbarkeit des dem Rechtsmittelwerber angelasteten Verhaltens im Hinblick auf § 52 Abs. 2 GSpG – jedenfalls im gegenständlichen Fall – dem möglichen Höchsteinsatz pro Spiel nach wie vor entscheidende Bedeutung zukommt, sich dieser potentielle Maximaleinsatz jedoch ex post selbst nach dem Vorbringen der belangten Behörde nicht mehr zuverlässig feststellen lässt (vgl. die zuvor angeführte Stellungnahme vom 30. Jänner 2014, Zl. Pol96-847-2010/Mat), war daher zumindest im Zweifel gemäß Art. 6 Abs. 2 EMRK davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer mit dem ihm im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses angelasteten Verhalten den Tatbestand des § 52 Abs. 1 Z. 1 GSpG nicht erfüllt hat – dies ganz abgesehen davon, dass auch die belangte Behörde davon ausgeht, dass im Wege der auf den Geräten befindlichen Automatik-Start-Tasten vorsätzlich Serienspiele i.S.d. § 15 i.V.m. § 168 StGB veranlasst werden sollten.

 

4. Davon ausgehend war daher der vorliegenden Beschwerde gemäß § 50 VwGVG stattzugeben, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren nach 45 Abs. 1 Z. 1 VStG einzustellen.

 

5. Bei diesem Verfahrensergebnis war dem Rechtsmittelwerber weder ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde (vgl. § 66 Abs. 1 VStG) noch ein Kostenbeitrag zum Verfahren vor dem Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich (vgl.  § 52 Abs. 9 VwGVG) vorzuschreiben.

 

 

IV.

 

Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig, weil im Zuge des vorliegenden Verfahrens (soweit ersichtlich) keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Denn die gegenständliche Entscheidung weicht weder von der bisherigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes oder Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung; weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

 

Schließlich liegen auch keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

 

Gegen dieses Erkenntnis kann innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag seiner Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder eine außerordentliche Revision beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision muss durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240 Euro zu entrichten.

 

 

 

 

 

 

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

 

 

Dr.  G r o f

 

 



[1] Vgl. insbesondere RN 134: „It therefore has to determine whether a measure ..... constituted in substance an additional penalty, or merely concerned the execution or enforcement of the penalty applicable at the time of the offence of which the applicant was convicted.