LVwG-250005/2/Gf/UD/Rt

Linz, 24.04.2014

B E S C H L U S S

 

 

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Einzelrichter Dr. Alfred Grof aus Anlass der Beschwerde der x, vertreten durch RA  Dr. x, x, x, gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Stadt Linz vom 20. Jänner 2014, Zl. 32473/2011, betreffend eine Feststellungsentscheidung nach dem Mietrechtsgesetz (Mitbeteiligte Partei: x, x, x)

 

 

b e s c h l o s s e n:

 

 

I. Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG insoweit stattgegeben, als der angefochtene Bescheid aufgehoben und die Rechtssache der belangten Behörde zur neuerlichen Entscheidung zurückverwiesen wird.

 

 

II. Gegen diesen Beschluss ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß § 25a VwGG zulässig.


 

 

B e g r ü n d u n g

 

 

 

I.

 

 

1.1. Die (im Folgenden: Mitbeteiligte Partei) ist grundbücherliche Eigentümerin des Grundstückes mit der Adresse x in Linz sowie der daran angrenzenden unbebauten und bestandsfreien Liegenschaft. Auf dem erstgenannten Grundstück befindet sich ein ebenerdiges und unterkellertes Gebäude, das von der Beschwerdeführerin überwiegend als Kleinwerkstätte und Lager sowie in geringem Umfang als Verkaufsfläche verwendet wird; der Keller und der Dachboden werden zu Lagerzwecken benutzt. Auf Grund eines aufrechten Mietvertrages vom 28. Dezember 1983 genießt die Rechtsmittelwerberin einen Kündigungsschutz im Rahmen der Bestimmungen des Mietrechtsgesetzes, BGBl.Nr. 520/1981 i.d.g.F. BGBl.Nr. II 62/2014 (im Folgenden: MRG).

 

1.2. Auf Antrag der Mitbeteiligten Partei stellte der Bürgermeister der Stadt Linz bescheidmäßig fest, dass die geplante Neuerrichtung eines Gebäudes auf den vorangeführten Grundstücken im öffentlichen Interesse liege; im Berufungsweg bestätigte der Landeshauptmann von Oberösterreich den erstinstanzlichen Bescheid.

 

1.3. In seinem aus Anlass einer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof ergangenen Erkenntnis vom 16. Mai 2013, Zl. 2012/06/0135, stellte der VwGH fest, dass das in § 30 Abs. 2 Z. 15 MRG umschriebene öffentliche Interesse  sachverhaltsbezogen allenfalls auch erst aus einem Zusammenwirken von verschiedenen, in dieser Gesetzesstelle aufgezählten Einzelkriterien resultieren könne; allerdings sei hierbei stets zu bedenken, dass es sich bei dieser Bestimmung um eine auf die Einschränkung bestehender Privatrechte gerichtete und daher im Zweifel restriktiv auszulegende Norm handle (s.a. VwGH vom 25. Februar 2010, Zl. 2008/06/0148).

 

Von den Behörden war das Vorliegen eines öffentlichen Interesses mit der Vermehrung von Wohn- und Geschäftsflächen sowie mit wirtschaftlichen Überlegungen begründet worden.

 

Nach dem Wortlaut des § 30 Abs. 2 Z. 15 MRG sei allerdings nicht allein eine Vermehrung von Wohnungen an sich von Gewicht, sondern lediglich eine Vermehrung solcher Wohnungen, die zur Beseitigung oder Milderung eines im Ortsgebiet bestehenden quantitativen Wohnungsbedarfes oder eines qualitativen Wohnfehlbestandes geeignet sind. Nach der bisherigen Rechtsprechung des VwGH im Zusammenhang mit den Kriterien des quantitativen Wohnungsbedarfes bzw. qualitativen Wohnfehlbestandes müsse ein projektierter Neubau oder Umbau daher nach Art und Umfang dazu geeignet sein, Wohnraum zu schaffen, der der Minderung einer bestehenden Wohnungsnot dient und es solcherart rechtfertigt, im Interesse der Allgemeinheit auch bestehende Mietrechte von Einzelpersonen aufzuheben. In diesem Zusammenhang seien die Kriterien des im Ortsgebiet gegebenen quantitativen Wohnungsbedarfes bzw. qualitativen Wohnfehlbestandes – wie bereits im Erkenntnis vom 23. Februar 2001, Zl. 99/06/0131, ausgesprochen – anhand des § 4 Bodenbeschaffungsgesetzes, BGBl. Nr. 288/1974 i.d.g.F. BGBl.Nr. I 112/2003 (im Folgenden: BodBeschG), auszulegen.

 

Da der Aspekt der Vermehrung von Wohnungen allein nicht ausreiche und keinerlei Ermittlungen zur Frage, ob ein quantitativer Wohnungsbedarf bzw. ein qualitativer Wohnfehlbestand im Ortsgebiet vorliege, durchgeführt worden seien, sei der angefochtene Bescheid sohin schon aus diesem Grund wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben gewesen.

 

Im Übrigen verkörpere auch das von der Behörde vorgebrachte Argument, dass die Stadt Linz im Zuge des geplanten Neubaus von zusätzlichen Steuereinnahmen profitiere, kein öffentliches Interesse, weil als „andere Gründe“ im Sinne des § 30 Abs. 2 Z. 15 MRG nur solche Umstände zu verstehen seien, die den unmittelbaren Zweck des beabsichtigten Neu- oder Umbaus betreffen.

 

1.4. Davon ausgehend wurde mit (Ersatz-)Bescheid des Bürgermeisters der Stadt Linz vom 20. Jänner 2014, Zl. 32473/2011, wiederum festgestellt, dass die geplante Neuerrichtung eines Gebäudes anstelle jenes, in dem die Beschwerdeführerin gegenwärtig als Mieterin ihr Geschäftslokal betreibt, im öffentlichen Interesse liege.

 

Begründend wurde dazu nunmehr ausgeführt, dass die Mitbeteiligte Partei beabsichtige, ein neues Gebäude mit einer Gesamtnutzfläche von ca. 1.200 m2 (Geschäfts- und Bürofläche; eine Ärzteordination; sowie 6 Eigentumswohnungen im Ausmaß zwischen 77 m2 und 122 m2) zu errichten. Da die jährliche Erhebung der Wohnungsnachfrage zeige, dass in der Stadt Linz ein großer Bedarf nach der Schaffung zusätzlichen Wohnraumes bestehe, der beabsichtigte Verkaufspreis von ca. 2.900 Euro pro Quadratmeter für durchschnittliche Interessenten auch erschwinglich sei und die geplante Verbauung zudem aus städtebaulicher Sicht als unbedingt erforderlich erscheine, hätten sohin die gemäß § 30 Abs. 1 Z. 15 MRG zu schützenden Interessen der Rechtsmittelwerberin an einer Aufrechterhaltung des bestehenden Mietvertrages in den Hintergrund zu treten.

 

1.5. Gegen diesen ihr am 31. Jänner 2014 zugestellten Bescheid wurde von der Rechtsmittelwerberin rechtzeitig Beschwerde erhoben.

 

Darin wies sie neuerlich darauf hin, dass nach der Rechtsprechung des VwGH zur Beurteilung der Frage, ob ein Wohnungsbedarf bzw. ein Wohnungsfehlbestand vorliegt, die Bestimmung des § 4 des BodBeschG heranzuziehen sei. Davon ausgehend lägen bislang jedoch noch keine seriösen Ermittlungsergebnisse, sondern lediglich entsprechende Presseinformationen dahin vor, wie viele Personen gegenwärtig als Wohnungssuchende von der Stadt Linz formal anerkannt sind. Davon abgesehen seien die Angaben der Mitbeteiligten Partei hinsichtlich der Barrierefreiheit der geplanten Neuwohnungen fragwürdig oder zumindest ergänzungsbedürftig. Da zudem nicht ausgeschlossen sei, dass die tatsächlichen Kosten der künftigen Bebauung die Baukostenobergrenze um zwischen 39% und 53% übersteigen, könne aber keine Rede mehr davon sein, dass sich durchschnittliche Interessenten solche Wohnungen auch tatsächlich leisten könnten. Würde damit aber die Förderbarkeit des Projektes wegfallen, führe dies schließlich auch dazu, dass diese im Ergebnis frei finanzierten Wohnungen – abgesehen von ihrer geringen Anzahl – schon von vornherein nicht dazu geeignet seien, eine bestehende Wohnungsnot zu lindern. 

 

Daher wurde die Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt.

 

1.6. Mit Schreiben des Bürgermeisters der Stadt Linz vom 11. März 2013 wurde diese Beschwerde dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich zur Entscheidung vorgelegt.

 

Ergänzend wurde in diesem Zusammenhang insbesondere vorgebracht, dass die bestehende Geschäftsfläche durch den geplanten Neubau von derzeit ca. 230 m2 auf ca. 700 m2 erweitert und dass zusätzlich 6 Wohnungen mit einer Gesamtfläche von ca. 550 m2 neu geschaffen würden, sodass durchaus von einer nicht unwesentlichen Schaffung neuen Wohnraumes auszugehen sei. Außerdem seien dem angefochtenen Bescheid ausschließlich offizielle Daten, nämlich entsprechende Auswertungen der Statistik Austria GmbH, zu Grunde gelegt worden, wenngleich diese im Rahmen einer Presseinformation auch zusätzliche Verwendung gefunden hätten. Davon ausgehend, dass es gesetzlich keineswegs ausgeschlossen sei, einen Wohnungsfehlbestand auch durch frei finanzierte Objekte zu verringern, könne schließlich ohne stichhaltige Begründung auch keine Rede davon sein, dass mit der beabsichtigten Neuerrichtung des Gebäudes in Wahrheit bloß Luxuswohnungen geschaffen würden.

 

 

II.

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt des Magistrates Linz zu Zl. 32473/2011; da sich bereits daraus der entscheidungswesentliche, oben unter I. dargestellte Sachverhalt klären ließ und nicht dieser, sondern lediglich dessen rechtliche Beurteilung zwischen den Verfahrensparteien strittig ist, konnte im Übrigen von der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung abgesehen werden.

 

 

III.

 

 

Über die vorliegende Beschwerde hat das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich erwogen:

 

 

1. Zu den maßgeblichen Rechtsgrundlagen

 

 

1.1. Nach § 30 Abs. 1 MRG kann der Vermieter einen Mietvertrag nur aus wichtigen Gründen kündigen.

 

Als ein in diesem Sinne wichtiger Grund ist nach § 30 Abs. 2 Z. 15 MRG u.a. insbesondere anzusehen, dass 1.) ein Miethaus ganz oder in dem Teil, in dem sich der Mietgegenstand befindet, abgetragen oder umgebaut werden soll, 2.) mit dem Abbruch (Umbau) die Errichtung eines neuen (geänderten) Baues sichergestellt ist, 3.) die Bezirksverwaltungsbehörde auf Antrag des Bauwerbers mit Bescheid erkannt hat, dass selbst unter Berücksichtigung schutzwürdiger Interessen der bisherigen Mieter der geplante Neubau (Umbau) zur Vermehrung der Wohnungen, die zur Beseitigung oder Milderung eines im Ortsgebiet bestehenden quantitativen Wohnungsbedarfes oder eines qualitativen Wohnfehlbestandes geeignet sind, im öffentlichen Interesse liegt und 4.) dem Mieter Ersatz beschafft wird.

 

1.2. Implizit ergibt sich daraus, dass die Bezirksverwaltungsbehörde ex lege dazu befugt ist, auf einen entsprechenden Antrag hin einen Feststellungsbescheid hinsichtlich des Überwiegens bzw. Nichtüberwiegens der öffentlichen gegenüber den privaten Interessen (sog. „Interessenbescheid“) zu erlassen (so schon E. Mannlicher – H. Quell, Das Verwaltungsverfahren, 8. Aufl., Wien 1975, S. 300, zur Vorgängerbestimmung des § 19 Abs. 2 Z. 4a MietenG).

 

Insoweit handelt es sich bei dem in § 30 Abs. 2 Z. 15 MRG normierten Prozedere um ein eigenständiges nicht in den Anwendungsbereich der §§ 39 und 40 MRG i.V.m. § 37 MRG (mietrechtliches „Schlichtungsverfahren“ im Wege einer Behördenentscheidung, die im Falle ihrer Anfechtung zugunsten einer sukzessiven Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte außer Kraft tritt) – fallendes Verwaltungsverfahren, das in die Erlassung einer bloßen Feststellungsentscheidung mündet und inhaltlich auch darauf beschränkt ist.

 

Allerdings sind in der Folge die ordentlichen Gerichte in Kündigungsverfahren gemäß § 33 MRG bezüglich der in einem solchen Feststellungsbescheid getroffenen Abwägung zwischen den öffentlichen Interessen an der Neuerrichtung oder Änderung des Mietobjektes und den konträren privaten Interessen des Mieters am unveränderten Fortbestand des Mietvertrages gebunden. Dies jedoch lediglich derart, dass selbst ein bescheidmäßiger Ausspruch dahin, dass (rechtskräftig) ein Überwiegen der öffentlichen Interessen konstatiert wird, noch nicht bedeutet, dass allein schon deshalb bereits die Kündigung des bestehenden Mietvertrages zulässig wäre: Vielmehr ist vom Zivilgericht noch eigenständig zu prüfen, ob im konkreten Fall auch die übrigen Voraussetzungen des § 30 Abs. 2 Z. 15 MRG vorliegen, z.B. insbesondere, ob dem Mieter vom Antragsteller ein adäquater Ersatz beschafft wird.

 

1.3. Gemäß § 4 Abs. 1 BodBeschG besteht dann ein quantitativer Wohnungsbedarf, wenn in einer Gemeinde die Zahl der vorhandenen und der im Bau befindlichen Wohnungen die Zahl der Haushalte um nicht mehr als 3% übersteigt oder in einer Gemeinde 2% der Wohnbevölkerung als Wohnungssuchende gemeldet und von der Gemeinde als solche anerkannt sind.

 

Nach § 4 Abs. 2 BodBeschG liegt ein qualitativer Wohnungsfehlbestand vor, wenn in einer Gemeinde die Zahl der mangelhaft ausgestatteten Wohnungen mehr als 10% der Zahl der vorhandenen Wohnungen i.S.d. § 4 Abs. 1 BodBeschG beträgt; als mangelhaft ausgestattet gelten Wohnungen mit Wasserentnahme oder Abort außerhalb derselben.

 

1.4. Soweit es sich nicht um eine Angelegenheit des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde handelt, ist gemäß Art. 130 Abs. 1 Z. 1 B-VG seit der mit 1. Jänner 2014 in Kraft getretenen Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle BGBl.Nr. I 51/2012 gegen Bescheide einer Behörde ausschließlich das Rechtsmittel einer Beschwerde an die Verwaltungsgerichte zulässig.

 

Davon ausgehend, dass im gegenständlichen Fall keine Angelegenheit des gemeindeeigenen (sondern – nach § 30 Abs. 2 Z. 15  MRG [„Bezirksverwaltungsbehörde“] sowie auch mangels einer dem Art. 118 Abs. 2 zweiter Satz B-VG entsprechenden Bezeichnung im MRG – eine solche des übertragenen) Wirkungsbereiches vorliegt, der angefochtene Bescheid (zwar im Rahmen der mittelbaren Bundesverwaltung, aber) nicht von einer organisatorisch dem Bund zuzurechnenden Behörde erlassen wurde und schließlich auch keine spezialgesetzliche Reglung i.S.d. Art. 131 Abs. 4 Z. 2 lit. b B‑VG besteht, ist sohin die sachliche und örtliche Zuständigkeit des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich gegeben.


 

 

2. In der Sache

 

 

2.1. Im gegenständlichen Fall hat der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 16. Mai 2013, Zl. 2012/06/0135, dezidiert festgestellt, dass das Vorliegen eines öffentlichen Interesses i.S.d. § 30 Abs. 2 Z. 15 MRG nicht allein damit gerechtfertigt werden kann, dass durch das hier von der Mitbeteiligten Partei beabsichtigte Bauprojekt eine Vermehrung von Wohnungen an sich erfolgt; vielmehr bedarf es einer Vermehrung um solche Wohnungen, die geeignet sind, einen „quantitativen Wohnungsbedarf“ und/oder einen „qualitativen Wohnungsfehlbestand“ (wenn schon nicht vollständig zu beseitigen, so zumindest) zu mildern.

 

Weiters hat der VwGH darauf hingewiesen, dass die eben angeführten unbestimmten Gesetzesbegriffe jeweils im Sinne der entsprechenden Legaldefinitionen des § 4 Abs. 1 BodBeschG bzw. § 4 Abs. 2 BodBeschG auszulegen sind.

 

2.2. Davon ausgehend konnte den Anforderungen dieser höchstgerichtlichen Entscheidung sohin nur dadurch Rechnung getragen werden, dass die belangte BEhörde in einem ersten Schritt

 

·         die Zahl der in der Stadt Linz vorhandenen und der im Bau befindlichen Wohnungen feststellt und davon ausgehend ermittelt, ob diese die Zahl der Haushalte um nicht mehr als 3% übersteigt (vgl. § 4 Abs. 1 erste Alternative BodBeschG), oder

 

·         erhebt, ob in der Stadt Linz 2% der Wohnbevölkerung als Wohnungssuchende gemeldet und von der Gemeinde als solche anerkannt sind (vgl. § 4 Abs. 1 zweite Alternative BodBeschG)

 

und/oder

 

·         ermittelt, ob in der Stadt Linz die Zahl der mangelhaft ausgestatteten Wohnungen mehr als 10% der Zahl der vorhandenen Wohnungen beträgt (vgl. § 4 Abs. 2 BodBeschG).

 

Hätten diese Ermittlungen dazu geführt, dass im Ergebnis ein quantitativer Wohnungsbedarf und/oder ein qualitativer Wohnungsfehlbestand vorliegt, wäre sodann in einem zweiten Schritt zu beurteilen gewesen, ob das von der Mitbeteiligten Partei beabsichtigte Bauprojekt dazu geeignet ist, den Wohnungsbedarf und/oder den Wohnungsfehlbestand (zumindest) zu mildern.

 

2.3. Diese vom VwGH der Sache nach geforderten Erhebungen wurden jedoch von der belangten Behörde nicht bzw. jedenfalls nicht in einer den Anforderungen an ein rechtsstaatliches Verwaltungsverfahren genügenden Weise vorgenommen.

 

Denn einerseits wird in den von ihr eingeholten Stellungnahmen der Abteilung Stadtplanung des Magistrates der Stadt Linz vom 7. November 2013, Zl. 48534/2011-StPL, und der Abteilung Statistik des Amtes der Oö. Landesregierung vom 4. Dezember 2012 auf die Kriterien des § 4 BodBeschG – nämlich: ob die Zahl der vorhandenen und im Bau befindlichen Wohnungen die Zahl der Haushalte um nicht mehr als 3% übersteigt; ob mindestens 2% der Wohnbevölkerung als anerkannte Wohnungssuchende gemeldet sind; sowie, ob mehr als 10% der vorhandenen Wohnungen nur mangelhaft ausgestattet sind – jeweils überhaupt nicht eingegangen; Gleiches gilt auch für die Presseaussendung des Magistrates der Stadt Linz vom 13. August 2013 zur „Linzer Bevölkerungsentwicklung 2002 – 2012“.

 

Andererseits übergeht auch die Begründung des angefochtenen Bescheides vom 20. Jänner 2014, Zl. 32473/2011, selbst stillschweigend eine inhaltliche Auseinandersetzung mit diesen Kriterien: Denn wenn in dieser zwar darauf hingewiesen wird, dass die „Jährliche Erhebung der Wohnungsnachfrage der Abteilung Statistik des Landes “ zeige, dass im Jahr 2012 insgesamt 13.552 Personen – also wesentlich mehr als 2% der Wohnbevölkerung (die im Zeitraum vom 1. Jänner 2012 bis zum 1. Jänner 2013 zwischen 190.053 und 191.501 Einwohnern geschwankt habe) – primär in der Landeshauptstadt eine Wohnung nachgefragt hätten, so kann diesem Argument in rechtlicher Hinsicht schon deshalb kein Gewicht zukommen, weil es sich bei dieser jährlichen Erhebung weder um eine (zumindest per Internet) allgemein zugängliche Datenquelle noch um eine solche handelt, die (schon per se) die Qualität eines Sachverständigengutachtens aufweist. Davon abgesehen lässt sich aus dieser Erhebung auch nicht ableiten, ob bzw. inwieweit es sich bei den 13.552 als Wohnung suchend registrierten Personen um solche handelt, die von der Stadt Linz i.S.d. § 4 Abs. 1 BodBeschG jeweils auch offiziell anerkannt wurden bzw. werden.

 

Hinzu kommt, dass das von der Mitbeteiligten Partei geplante Bauprojekt lediglich die Schaffung von 6 zusätzlichen Wohnungen intendiert. Da diese geringe Anzahl angesichts 13.552 Personen, die eine Wohnung suchen, für sich besehen offensichtlich nicht dazu geeignet ist, einen bestehenden quantitativen Wohnungsbedarf i.S.d. § 30 Abs. 2 MRG zumindest spürbar zu mildern, wäre in diesem Zusammenhang zusätzlich zu ermitteln gewesen, in welchem Umfang weitere Bauprojekte bereits durchgeführt werden oder unmittelbar vor der Realisierung stehen, um auf diese Weise gesamthaft beurteilen zu können, ob das von der Mitbeteiligten Partei geplante Neubauprojekt zumindest als pars pro toto dazu geeignet ist, im öffentlichen Interesse einen Beitrag zur Behebung des Wohnfehlbestandes zu leisten.

 

2.4. Hingegen kann der belangten Behörde (sollte sie zuvor ermittelt haben, dass die in § 4 Abs. 1 und § 4 Abs. 2 BodBeschG normierten Kriterien hier auch tatsächlich zutreffen) nicht entgegengetreten werden, wenn sie einerseits – nachvollziehbar begründet – davon ausgeht, dass die von der Mitbeteiligten Partei neu errichteten Wohnungen angesichts dessen, dass der beabsichtigte Verkaufspreis als durchaus ortsüblich anzusehen ist, zumindest für durchschnittliche Wohnungsuchende auch de facto leistbar sind, sowie andererseits zudem städtebauliche Aspekte als im öffentlichen Interesse liegend in die Abwägung mit einbezieht, weil sich aus dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. Mai 2013, Zl. 2012/06/0135, ergibt, dass das öffentliche Interesse i.S.d. § 30 Abs. 2 Z. 15 MRG abschließend und sachverhaltsbezogen allenfalls auch erst durch ein Zusammenwirken verschiedener der in dieser Gesetzesstelle aufgezählten Kriterien bewertbar ist.

 

 

3. Entscheidung

 

 

3.1. Aus allen diesen Gründen war daher der gegenständlichen Beschwerde insoweit stattzugeben, als der angefochtene Bescheid gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG aufzuheben und die Rechtssache der belangten Behörde zurückzuverweisen war.

 

3.2. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass der Grundsatz zur Sachentscheidung gemäß Art. 130 Abs. 4 zweiter Satz B VG – wenngleich allenfalls regelmäßig, so doch – nicht in jedem Fall auch zwingend bedeutet, dass die Entscheidung des Verwaltungsgerichtes stets auch die Erledigung jeder Detailfrage mitumfassen muss: Wenn und soweit dies nämlich unter Zugrundelegung der in dieser Bestimmung genannten Parameter (Raschheit, Kostenersparnis) zweckmäßiger erscheint, soll bzw. hat die politische Dispositionsbefugnis bei der Behörde zu verbleiben. Diesem Aspekt kommt vor allem bei Ermessens-, bei Verhältnismäßigkeits-, bei Planungsentscheidungen, etc., aber auch in jenen Fällen entscheidende Bedeutung zu, in denen sich die für die Klärung von Detailfragen maßgeblichen Entscheidungsgrundlagen, darunter auch sensible Daten, im Verfügungsbereich der Behörde befinden und sich somit schon prinzipiell nicht für kontradiktorische Ermittlungen im Rahmen einer öffentlichen Verhandlung eignen.

 

Schließlich ist generell zu beachten, dass gerade in Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde die rechtspolitische Gestaltungsbefugnis weitestmöglich dem Selbstverwaltungsträger verbleiben soll.

 

 

IV.

 

 

Eine ordentliche Revision ist zulässig, weil im gegenständlichen Verfahren u.a. auch eine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG insoweit grundsätzliche Bedeutung zukommt, als hierzu bislang eine Judikatur des Verfassungsgerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes fehlt.

 

 

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

 

Es besteht die Möglichkeit, gegen diesen Beschluss innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder eine ordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof zu erheben. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof hingegen beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision muss – von im Einzelfall gesetzlich vorgesehenen Ausnahmen abgesehen – jeweils durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240 Euro zu entrichten.

 

 

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

 

 

Dr.  G r o f

 

 

 

 

LVwG-250005/2/Gf/UD/Rt vom 24. April 2014

 

Beschluss

 

Rechtssatz

 

MRG §30 Abs2 Z15

MRG §33

MRG §37

MRG §39

MRG §40

BodBeschG §4

VwGVG §28 Abs3

 

* Aus § 30 Abs. 2 Z. 15 MRG ergibt sich implizit, dass die Bezirksverwaltungsbehörde ex lege dazu befugt ist, auf einen entsprechenden Antrag hin einen Feststellungsbescheid hinsichtlich des Überwiegens bzw. Nichtüberwiegens der öffentlichen gegenüber den privaten Interessen (sog. „Interessenbescheid“) zu erlassen. Insoweit handelt es sich bei dem in § 30 Abs. 2 Z. 15 MRG normierten Prozedere um ein eigenständiges – nicht in den Anwendungsbereich der §§ 39 und 40 MRG i.V.m. § 37 MRG (mietrechtliches „Schlichtungsverfahren“ im Wege einer Behördenentscheidung, die im Falle ihrer Anfechtung zugunsten einer sukzessiven Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte außer Kraft tritt) – fallendes Verwaltungsverfahren, das in die Erlassung einer bloßen Feststellungsentscheidung mündet und inhaltlich auch darauf beschränkt ist. Allerdings sind in der Folge die ordentlichen Gerichte in Kündigungsverfahren gemäß § 33 MRG bezüglich der in einem solchen Feststellungsbescheid getroffenen Abwägung zwischen den öffentlichen Interessen an der Neuerrichtung oder Änderung des Mietobjektes und den konträren privaten Interessen des Mieters am unveränderten Fortbestand des Mietvertrages gebunden. Dies jedoch lediglich derart, dass selbst ein bescheidmäßiger Ausspruch dahin, dass (rechtskräftig) ein Überwiegen der öffentlichen Interessen konstatiert wird, noch nicht bedeutet, dass allein schon deshalb bereits die Kündigung des bestehenden Mietvertrages zulässig wäre: Vielmehr ist vom Zivilgericht noch eigenständig zu prüfen, ob im konkreten Fall auch die übrigen Voraussetzungen des § 30 Abs. 2 Z. 15 MRG vorliegen, z.B. insbesondere, ob dem Mieter vom Antragsteller ein adäquater Ersatz beschafft wird.

 

* Da § 30 Abs. 2 Z. 15 MRG materiell an § 4 BodBeschG anknüpft, hätte die belangte Behörde in einem ersten Schritt die Zahl der vorhandenen und der im Bau befindlichen Wohnungen feststellen und davon ausgehend ermitteln müssen, ob diese die Zahl der Haushalte um nicht mehr als 3% übersteigt, oder erheben müssen, ob 2% der Wohnbevölkerung als Wohnungssuchende gemeldet und von der Gemeinde als solche anerkannt sind und/oder ermitteln müssen, ob die Zahl der mangelhaft ausgestatteten Wohnungen mehr als 10% der Zahl der vorhandenen Wohnungen beträgt. Hätten diese Ermittlungen dazu geführt, dass im Ergebnis ein quantitativer Wohnungsbedarf und/oder ein qualitativer Wohnungsfehlbestand vorliegt, wäre sodann in einem zweiten Schritt zu beurteilen gewesen, ob das von der Mitbeteiligten Partei beabsichtigte Bauprojekt dazu geeignet ist, den Wohnungsbedarf und/oder den Wohnungsfehlbestand (zumindest) zu mildern.

 

* Diesen Anforderungen entspricht der angefochtene Bescheid jedoch schon deshalb nicht, weil in den von der Behörde eingeholten Stellungnahmen auf die Kriterien des § 4 BodBeschG überhaupt nicht eingegangen wird. Außerdem handelt es sich dabei weder um allgemein zugängliche Datenquellen noch um Belege, die (schon per se) die Qualität eines Sachverständigengutachtens aufweisen. Zudem lässt sich daraus auch nicht ableiten, ob bzw. inwieweit es sich bei den als Wohnung suchend registrierte Personen auch um solche handelt, die von der Gemeinde i.S.d. § 4 Abs. 1 BodBeschG offiziell anerkannt wurden bzw. werden. Schließlich intendiert das von der Mitbeteiligten Partei geplante Bauprojekt lediglich die Schaffung von 6 zusätzlichen Wohnungen; da diese geringe Anzahl angesichts mehrerer tausend Personen, die eine Wohnung suchen, für sich besehen offensichtlich nicht dazu geeignet ist, einen bestehenden quantitativen Wohnungsbedarf i.S.d. § 30 Abs. 2 MRG zumindest spürbar zu mildern, wäre in diesem Zusammenhang zusätzlich zu ermitteln gewesen, in welchem Umfang weitere Bauprojekte bereits durchgeführt werden oder unmittelbar vor der Realisierung stehen, um auf diese Weise beurteilen zu können, ob das von der Mitbeteiligten Partei geplante Neubauprojekt zumindest gesamthaft betrachtet dazu geeignet ist, im öffentlichen Interesse einen merkbaren Beitrag zur Behebung des Wohnfehlbestandes zu leisten.

 

* Hingegen kann der belangten Behörde (sollte zuvor ermittelt worden sein, dass die in § 4 Abs. 1 und § 4 Abs. 2 BodBeschG normierten Kriterien hier auch tatsächlich zutreffen) nicht entgegengetreten werden, wenn sie einerseits – nachvollziehbar begründet – davon ausgeht, dass die von der Mitbeteiligten Partei neu errichteten Wohnungen angesichts dessen, dass der beabsichtigte Verkaufspreis als durchaus ortsüblich anzusehen ist, zumindest für durchschnittliche Wohnungsuchende auch de facto leistbar sind, sowie andererseits zudem städtebauliche Aspekte als im öffentlichen Interesse liegend in die Abwägung mit einbezieht, weil sich aus dem Erkenntnis des VwGH vom 16. Mai 2013, Zl. 2012/06/0135,  ergibt, dass das öffentliche Interesse i.S.d. § 30 Abs. 2 Z. 15 MRG abschließend und sachverhaltsbezogen allenfalls erst durch ein Zusammenwirken verschiedener der in dieser Gesetzesstelle aufgezählten Kriterien bewertbar ist.

 

 

Beschlagwortung:

Kündigungsgründe; öffentliche Interessen; sukzessive Zuständigkeit; Interessenbescheid; Feststellungsbescheid; Wohnungsbedarf; Wohnungsfehlbestand; anerkannte Wohnungssuchende; statistische Daten; jährliche Erhebung