LVwG-350002/2/Wim/Bu/BRe

Linz, 25.04.2014

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Dr. Leopold Wimmer über die Beschwerde von Herrn x, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Gmunden vom 4. Juni 2013, SO-101-2012, wegen unzureichender Zuerkennung einer Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhalts und des Wohnbedarfs nach dem Oö. Mindestsicherungsgesetz zu Recht e r k a n n t:

I.         Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

 

II.       Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

zu I.:

 

1.1. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde über den Antrag des Beschwerdeführers vom 1.3.2012 auf Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhaltes und Wohnbedarfs von der Erstinstanz wie folgt entschieden:

 

1. Es wird Ihnen für sich ab 01.06.2013 Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhalt und des Wohnbedarfs in Form von laufenden monatlichen Geldleistungen wie folgt

 

zuerkannt:

a) x

Mindeststandard für volljährige Personen, die in Haushaltsgemeinschaft leben (§ 1 Abs. 1 Z. 3 lit. a Oö. BMSV)

 

Diese Leistung ist befristet bis 30.09.2013.

 

Der mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Gmunden vom 24. April 2013 ausgestellte Bescheid tritt mit 31. Mai 2013 außer Kraft.

 

2.    Als eigene Mittel sind einzusetzen -

 

3. Diese Leistung wird gemäß § 7 Abs. 2 Z. 4 Oö. BMSG unter der Voraussetzung zuerkannt, dass jede Änderung der für diese Leistung maßgeblichen Umstände, insbesondere Änderungen der Vermögens-, Einkommens-, Familien- und Wohnverhältnisse sowie Aufenthalte in Kranken- oder Kuranstalten, binnen zwei Wochen bei jener Behörde anzuzeigen, die für die Gewährung der Leistung zuständig ist.

 

Für eine weitere Leistung ist eine persönliche Vorsprache erforderlich.

 

1.2. Begründend wurde dazu angeführt, dass der Beschwerdeführer am 15.5.2013 per Mail mitgeteilt habe, dass er seine Frau wieder aus Deutschland zurückgeholt habe. Diese sei von der Fremdenpolizei ausgewiesen worden und sei deswegen eine Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof anhängig, der aufschiebende Wirkung zuerkannt worden sei, weshalb er seine Frau wieder zu sich geholt habe. Sie sei jedoch nicht im Besitz einer gültigen Anmeldebescheinigung. Da ihr das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht offensichtlich nicht noch zugekommen sei, bestehe kein dauerndes Aufenthaltsrecht in Österreich. Somit seien die Voraussetzungen des § 4 Oö. Mindestsicherungsgesetz nicht erfüllt.

 

Durch die Tatsache dass seine Frau wieder bei ihm wohne, sei er jedoch nicht mehr als alleinstehend anzusehen und sei ihm daher wieder der Mindeststandard für Mitbewohner gewährt worden.

 

2. Dagegen hat der Beschwerdeführer eine aufgrund des Fehlens eines RSb-Rückscheines als rechtzeitig anzusehende, begründete Berufung (gilt nunmehr als Beschwerde) erhoben und darin zusammengefasst im Wesentlichen ausgeführt, dass er österreichischer Staatsangehöriger und seine Gattin deutsche Staatsangehörige sei. Sie genieße als Unionsbürgerin gemäß Art. 21 AEUV Aufenthaltsrecht, welches nur unter besonderen Bestimmungen beschränkt werden dürfe. Im Lichte der Ausführungsbestimmungen der Richtlinie 2004/38/EG sei die Gattin eines Unionsbürgers, die selbst Unionsbürgerin sei, von § 52 Abs. 1 Z1 NAG erfasst und bis zur Feststellung des Gegenteils aufenthaltsberechtigt. Das Verfahren zur Dokumentation des Aufenthaltsrechts seiner Gattin sei durch Erlassung einer Ausweisung zunächst zur Einstellung gebracht worden, wobei eine Beschwerde gegen den Ausweisungsbescheid vor dem VwGH anhängig sei und dieser die aufschiebende Wirkung zuerkannt habe. Es sei damit keiner Behörde möglich, sich auf die Ausweisung zu berufen und sei das unionsrechtliche Verfahren als anhängig zu werten und bestehe das Aufenthalts­recht seiner Gattin ex lege.

 

Die belangte Behörde gehe davon aus, dass ein fiktiver Unterhaltsbeitrag der Gattin des Beschwerdeführers anzusetzen wäre und wende dazu § 13 Abs. 3 Z 2 des Oö. BMSG iVm § 1 Abs. 1 Oö. BMSV an. Diese Ansicht sei verfehlt. Das Heranziehen der Leistungen Dritter beruhe auf Art. 13 der verfassungsrechtlichen Grundlage der Bund-Länder-Vereinbarung über eine bundesweite bedarfsorientierte Mindestsicherung bzw. § 8 Oö. BMSG. Die Abschläge bei einer aus mehreren Personen bestehenden Bedarfsgemeinschaft resultiere aus dem Konzept, dass diese Personen entweder eigene Mittel zur Verfügung hätten, welche anzurechnen seien oder dass die Mindestsicherung pro Person gewährt werde. Wenn nun der reduzierte Betrag aufgrund der Bedarfsgemeinschaft mit der Gattin gewährt werde, so verstoße die belangte Behörde zunächst direkt gegen § 2 Abs. 3 Oö. BMSG, als die Integration der Familie dadurch nicht unterstützt sondern pönalisiert werde. Die Gattin des Beschwerdeführers sei bis zum Zeitpunkt der Erreichung einer Altersgrenze nach der in der BRD Pension gewährt werde, vollkommen mittellos und sei die Rechtsansicht der belangten Behörde verfassungswidrig, da eine Ungleichbehandlung von Österreichern, die mit anspruchsberechtigten Personen verheiratet sein, mit jenen, die mit nicht anspruchsberechtigten Personen verheiratet seien, bewirkt werde.

 

Es möge sein, dass der Gesetzgeber nicht direkt auf derartige Konstellationen bedacht genommen habe, die gewählte Interpretation, dass damit nur einem Ehepartner der reduzierte Mindeststandard zuzuerkennen wäre, sei schon deshalb unsachlich, weil trotz der offensichtlich höheren Kosten für eine Bedarfsgemeinschaft für den Bedarf des Beschwerdeführers ein geringerer Satz angenommen werde, als dies bei tatsächlich alleinstehenden Personen der Fall sei. Es müsse daher im Sinne einer verfassungskonformen Interpretation vom Alleinunterstützerrichtsatz ausgegangen werden.

 

In eventu werde zu prüfen sein, ob nicht der Antrag des Beschwerdeführers, der angab mit seiner Gattin in x in Lebensgemeinschaft zu leben, durch Gewährung des Richtsatzes für beide in Haushaltsgemeinschaft lebende Personen zu erledigen sei. Zum Einen sei gemäß Art. 14 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38/EG ein vorübergehender Bezug von Leistungen der Sozialhilfe nicht automatisch ein Ausweisungsgrund, sondern sei der Gesamtzusammenhang zu prüfen und der durch Erreichen der Altersgrenze automatisch eintretende Pensionsanspruch der Gattin des Beschwerdeführers unwiderlegbares Argument, dass eben kein Dauerbezug von Sozialhilfe eintreten könne.

Zum anderen sei älteres nationales Recht zu berücksichtigen, da nach Art. 2 des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über Fürsorge und Jugendwohlfahrtspflege vom 18. Juli 1969 Staatsbürgern eines anderen Staates Sozialhilfe in gleicher Form zustehe wie Staatsbürgern des Aufenthaltsstaates. Und dieser Bezug von Sozialhilfe würde eine Rückschaffung nicht erlauben, wenn der Aufenthalt ein Jahr gedauert habe oder Grundrechtserwägungen dem entgegen stehen. In Art. 8 Abs. 1 sei festgelegt, dass der Aufenthaltsstaat dem Staatsangehörigen der anderen Vertragspartei nicht allein aus dem Grund der Hilfsbedürftigkeit den weiteren Aufenthalt versagen oder ihn rückschaffen dürfe, es sei denn, dass er sich noch nicht ein Jahr ununterbrochen erlaubt in seinem Hoheitsgebiet aufhalte. Würden Gründe der Menschlichkeit gegen eine solche Maßnahme sprechen, so habe sie ohne Rücksicht auf die Dauer der Anwesenheit im Aufenthaltsstaat zu unterbleiben. Sowohl die Aufenthaltsdauer von einem Jahr sei überschritten als auch sei diese Frist aufgrund des Schutzes des Privat- und Familienlebens nicht relevant.

 

Weiters wurde als formale Rechtswidrigkeit geltend gemacht, dass der angefochtene Bescheid nicht ausreichend begründet worden sei, da in keiner Weise angeführt worden sei, warum die belangte Behörde die Anwendbarkeit des reduzierten Richtsatzes für die in Haushaltsgemeinschaft lebende Erwachsene sehe. Die Beweggründe wie die Behörde nun zu dieser Ansicht gelangt sei, seien in keiner denklogisch nachvollziehbaren Weise aufgeführt worden.

 

3.1. Mit 1.1.2014 ist die Zuständigkeit zur Bearbeitung dieser Berufung an das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich (LVwG) übergegangen. Das LVwG entscheidet gemäß § 2 VwGVG durch Einzelrichter. Die Berufung gilt gemäß § 3 Abs.1 letzter Satz Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz - VwGbk-ÜG als Beschwerde iSd Art 130 Abs.1 B-VG.

 

3.2. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den erstinstanzlichen Verfahrensakt. Da in der angefochtenen Beschwerde nur Rechtsfragen aufgeworfen werden, war im Sinne des § 24 Abs. 4 VwGVG von einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abzusehen, da die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt und eine solche auch nicht beantragt wurde.

 

3.3. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich geht von folgendem entscheidungswesentlichen Sachverhalt für den Geltungszeitraum des erstinstanzlichen Bescheides (1.6 - 30.9.2013) aus:

 

Der Beschwerdeführer ist österreichischer Staatsbürger und auch ständig in Österreich aufhältig. Seine Ehegattin ist deutsche Staatsangehörige und ist von der Fremdenpolizei ausgewiesen worden, wogegen eine Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof anhängig ist, der aufschiebende Wirkung zuerkannt worden ist, weshalb er seine Frau wieder nach Österreich zu sich geholt hat. Sie ist nicht im Besitz in einer gültigen Anmeldebescheinigung und es besteht für sie kein dauerndes Aufenthaltsrecht in Österreich. Vor dieser Zurückholung hat der Beschwerdeführer Leistungen aus der Mindestsicherung nach dem Mindest­standard für alleinstehende Personen bezogen.

 

4. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat erwogen:

 

4.1. Nach § 4 Oö. BMSG kann bedarfsorientierte Mindestsicherung unter anderem Personen geleistet werden, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Land Oberösterreich haben und die Voraussetzungen des § 19 oder des § 19a Meldegesetz erfüllen und österreichische Staatsbürger sind.

 

Dies trifft für den Beschwerdeführer zu und wurde für seine Ehegattin kein eigener Mindestsicherungsantrag gestellt, für die aufgrund ihres fremden­rechtlichen Status auch kein eigenständiger Anspruch auf Mindestsicherung bestünde.

 

Nach § 13 Abs. 1 Oö. BMSG erfolgt die Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhalts und des Wohnbedarfs in der Regel durch laufende monatliche Geldleistungen (Mindeststandards). Nach Abs. 2 leg.cit. hat die Landesregierung durch Verordnung jährlich zum 1. Jänner die Höhe der Mindeststandards gemäß Abs. 1 und die näheren Kriterien zur Zuordnung zu einzelnen Mindeststandard­kategorien gemäß Abs. 3 festzusetzen. Nach Abs. 3 leg.cit. ist unter anderem ein Mindeststandard für alleinstehende und alleinerziehende hilfebedürftige Personen von mind. 100% und für in Haushaltsgemeinschaft lebende volljährige Personen von mind. 75% bezogen auf den Netto-Ausgleichszulagen-Richtsatz für Alleinstehende festzusetzen.

 

4.2. Die angeführten gesetzlichen Bestimmungen und die ausführende Oö. Mindestsicherungsverordnung sehen bei bestehender Haushaltsgemeinschaft einen verminderten Mindeststandard von 75 % im Verhältnis zu alleinstehenden Personen vor, unabhängig von einem konkreten Beitrag des Mitbewohners zur Sicherung des Lebensunterhalts und Wohnbedarfs. Insofern hat die belangte Behörde im Bescheid aufgrund des gegebenen Sachverhalts einerseits den richtigen Mindeststandard angewendet und andererseits mangels Anspruchsvoraussetzungen für die Ehegattin des Beschwerdeführers für Sie keinen eigene Leistung festgesetzt. Auch in den Erläuterungen zu Art. 10 der Ländervereinbarung nach Art. 15a B-VG über eine bundesweite Bedarfs­orientierte Mindestsicherung wird ausgeführt, dass bei der Regelung in Art. 10 Abs. 3 Z 1 lit. a auch bloße Haushalts- oder Wohngemeinschaften erfasst sind, da bei diesen ebenfalls „regelmäßig“ von einem geringeren Aufwand für den Lebensunterhalt als bei alleinlebenden Personen auszugehen ist. Durch diese Formulierung wird nur ein häufig auftretender Umstand angeführt, es wird jedoch nicht darauf abstellt, ob dies im konkreten Einzelfall auch so ist. Somit ist auch eine Berufung auf die Bund-Ländervereinbarung nicht maßgebend. Auch die angeführten unionsrechtlichen Bestimmungen rechtfertigen aufgrund der bestehenden einschlägigen Regelungen keine direkte Anwendung bzw. eine andere verfassungskonforme Interpretation der Bestimmungen des Oö. Mindestsicherungsrechts, wodurch es zu einer positiven Berücksichtigung des Umstandes kommen würde, dass die Ehegattin des Beschwerdeführers nunmehr bei ihm wohnt. Somit erübrigt sich auch ein Eingehen auf das sonstige Vorbringen.

 

Aufgrund des Hinweises auf die angewendeten Bestimmungen hat die Erstinstanz ihre Entscheidung auch ausreichend begründet und liegen daher auch die angeführten Begründungsmängel nicht vor bzw. sind diese auf jeden Fall mit der nunmehrigen Entscheidung des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich saniert.

 

Es war somit insgesamt spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

Zu II.

 

Die ordentliche Revision ist zulässig, da im gegenständlichen Verfahren eine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil eine Rechtsprechung des Verwaltungs­gerichtshofes fehlt.

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer ordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungs­gerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

 

 

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

 

Dr. Leopold Wimmer