LVwG-600125/10/Bi/CG

Linz, 08.04.2014

IM NAMEN DER REPUBLIK

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Mag. Karin Bissenberger über die Beschwerde des Herrn X, X, X, vertreten durch Frau RAin Mag. X, X, X, vom 5. November 2013 gegen das  Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Vöcklabruck vom 17. September 2013, VerkR96-23157-2012, wegen Übertretung der StVO 1960, aufgrund des Ergebnisses der am 1. April 2014 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung zu Recht  e r k a n n t:

 

 

I. Gemäß § 50 VwGVG wird die Beschwerde abgewiesen und das in Beschwerde gezogene Straferkenntnis vollinhaltlich bestätigt.

 

 

II. Gemäß § 52 Abs.1 und 2 VwGVG hat der Beschwerdeführer den Betrag von 30 Euro, das sind 20% der Geldstrafe, als Kostenbeitrag zum Beschwerde­verfahren zu leisten.

 

 

III. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

 

Zu I.:

I. Mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis wurde über den Beschuldigten wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß §§ 4 Abs.1 lit.a iVm 99 Abs.2 lit.a StVO 1960 eine Geldstrafe von 150 Euro und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 50 Stunden verhängt sowie ihm gemäß § 64 Abs.1 VStG ein Verfahrenskostenbeitrag von 15 Euro auferlegt. Ihm wurde zur Last gelegt, er sei am 26. Oktober 2012, 14.15 Uhr, in der Gemeinde Innerschwand am Mondsee, B151 Attersee Bundesstraße in der Kurve bei km 34.550, als Lenker des Pkw X mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammen­hang gestanden und habe sein Fahrzeug nicht sofort angehalten.

2. Dagegen hat der Beschuldigte nach Zuerkennung der Verfahrenshilfe fristgerecht Berufung eingebracht, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungs­vorentscheidung dem Unabhängigen Ver­wal­tungs­senat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Diese Berufung ist nunmehr als Beschwerde gemäß § 7 VwGVG iVm Art.130 Abs.1 Z1 B-VG anzusehen, über die gemäß Art.131 B-VG das Landes­verwaltungsgericht zu entscheiden hat. Am 1. April 2014 wurde am Unfallort eine öffentliche mündliche Verhandlung in Anwesenheit des Beschwerdeführers, seiner Rechtsvertreterin Frau RAin Mag. X, des Vertreters der belangten Behörde Herrn X, der Zeugen X (S) und X (A) sowie des kfztechnischen Amtssachverständigen X (SV) durchgeführt. Auf die mündliche Verkündung des Erkenntnisses wurde verzichtet.

 

3. Der Beschwerdeführer macht im Wesentlichen geltend, der Lenker eines weißen VW Golf sei ihm mit einer Fahrlinie im Bereich der Mittellinie entgegen­gekommen und er habe, um eine Kollision zu vermeiden, nach rechts auslenken müssen. Aufgrund seiner schnellen Reaktion sei es zu keiner Touchierung der beiden Pkw gekommen. Da ein Unfall verhindert werden habe können, sei er nach Hause gefahren und habe erst zwei Stunden danach von der Polizei von einem Schaden am rechten Vorderreifen samt Felge des ihm entgegen­kommenden Pkw erfahren. Voraussetzung für die Anhaltepflicht sei objektiv der Eintritt eines Schadens und subjektiv das Wissen vom Eintritt eines Schadens, wobei der Tatbestand schon dann gegeben sei, wenn dem Täter objektive Umstände zu Bewusstsein gekommen seien oder bei gehöriger Aufmerksamkeit zu Bewusstsein hätten kommen müssen, aus denen er die Möglichkeit eines Verkehrsunfalls mit einer Sachbeschädigung zu erkennen vermocht hätte. Die Anhaltepflicht beschränke sich auf den Bereich der Unfall­stelle und erfordere nicht eine Rückkehr an die Unfallstelle bei nachträglichem Erfahren vom Verkehrsunfall. Ausschlaggebend sei subjektiv das Wissen oder fahrlässige Nichtwissen vom Eintritt eines Schadens. Zu den objektiven Umständen zählten das Anstoßgeräusch oder eine ruckartige Anstoßer­schütterung.

Im ggst Fall sei es zu keiner Kollision gekommen und zu keiner auch nur geringfügigen Touchierung. Er habe nicht wissen können, dass der Unfallgegner sein Fahrzeug so verrissen habe, dass er anschließend mit der Bordsteinkante touchiert habe und der Reifen samt Felge devastiert worden seien; das sei für ihn nicht erkennbar gewesen, wobei ihm weder Vorsatz noch Fahrlässigkeit vorzuwerfen sei. Wenn der im erstinstanzlichen Verfahren herangezogene SV argumentiere, er sei nicht sicher in der Lage gewesen, mögliche Folgeschäden auszuschließen, und hätte ein Verunglücken des entgegenkommenden Pkw nicht ohne weiteres ausschließen dürfen, sei darauf zu verweisen, dass es zu keiner Berührung der Fahrzeuge gekommen sei und er davon ausgehen habe dürfen, dass der Lenker wie er nach dem Auslenken/Verreißen in seiner Fahrspur weiterfahre, ohne mit der Bordsteinkante zu kollidieren. Im Umkehrschluss wäre ohne diese Kollision der Unfallgegner auch nicht stehengeblieben. Eine andere Rechtsansicht würde die Anhaltepflicht überspannen, weil es tagtäglich im Straßenverkehr zu ähnlichen und anderen brenzligen Situationen komme, bei denen kein Schaden eintrete, und bei jeder dieser Situationen müsste dann angehalten werden. Wenn der SV folgere, er hätte in dieser Situation die Möglichkeit eines Verunglückens des entgegenkommenden Pkw nicht ohne weiteres ausschließen dürfen, so nehme er hier die rechtliche Würdigung vorweg, deren Beurteilung der Behörde obliege. Außerdem sei seine Beurteilung, aus dem Bild Nr.4 ergebe sich die Bremsspur des Anzeigers mit ca 15 m, nicht nachvollziehbar, weil diese nicht vermessen worden sei und daher nur grob geschätzt werden könne; ebenso sei es beim Beginn der Bremsspur und deren gedachter Verlängerung. Dazu seien örtliche Kenntnisse über den Straßenverlauf erforderlich, zumal auch nicht auszuschließen sei, dass auch der Anzeiger den Pkw verrissen und erst danach eine Bremsung eingeleitet habe, wodurch eine atypische Fahrlinie eingehalten worden sei. Der Lenker des hinter dem Unfallgegner fahrenden Fahrzeuges, der festgestellt habe, dass er sehr weit links gefahren sei, vermöge keine rechtlichen Feststellungen zu treffen, sondern könne nur selbst gemachte Wahrnehmungen wiedergeben. Den Ausführungen des SV, es sei schwer nachzuvollziehen, dass ein in der Mitte seiner Fahrbahn fahrender Pkw ohne ersichtlichen Grund nach rechts komme, mit dem Randstein kollidiere und dabei noch bremse, sei entgegenzuhalten, dass er damit eine Beweiswürdigung vorweggenommen habe, die einzig der Behörde vorbehalten sei. Außerdem sei im Gutachten nicht geprüft worden, ob nicht der Anzeiger seine Linkskurve geschnitten habe, zumal eine Linkskurve eher zum Schneiden anrege als eine Rechtskurve, wie sie sich aus seiner Sicht darstelle. Das aufgrund der aufgezeigten Kompetenzüberschreitung mangelhafte technische Gutachten sei rechtswidrig und seine Heranziehung mache das Straferkenntnis rechtswidrig. Der Anzeiger besitze keine erhöhte Glaubwürdig­keit, da er den Schaden von seiner Haftpflichtversicherung ersetzt erhalte und das Verwaltungsstrafverfahren dazu naturgemäß notwendig sei. Beantragt wird die Aufhebung des Straferkenntnisses sowie Verfahrenseinstellung nach einer mündlichen Verhandlung unter Beiziehung eines andern SV, in eventu der Ausspruch einer Ermahnung, in eventu Strafherabsetzung.    

 

4. Das Landesverwaltungsgericht hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den von der belangten Behörde vorgelegten Verfahrensakt sowie Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung bei km 4.550 der B151, bei der beide Parteien gehört, die genannten Zeugen unter Hinweis auf die Wahrheitspflicht des § 288 StGB einvernommen und unter Heranziehung der dem Akt beigelegten Lichtbildbeilage – die Fotos 4 und 5 zeigen die nach dem Unfall gut sichtbare Bremsspur des Pkw S – ein kfztechnisches Gutachten zur Frage der Nachvollziehbarkeit der Aussagen beider Unfallbeteiligter sowie zur Frage, ob der Beschwerde­führer unter den damaligen Umständen bei gehöriger Aufmerk­samkeit die Möglichkeit eines die Anhaltepflicht auslösenden Verkehrsunfalls erkennen hätte müssen.  

 

Folgender Sachverhalt ist entscheidungswesentlich:

Der Beschwerdeführer lenkte seinen Pkw, einen dunkelblauen Opel X mit X lackierter Motorhaube, aus Richtung Mondsee kommend auf der B151 in Richtung Unterach. Die B151 führt in seiner Fahrtrichtung kurz vor der Unfallstelle bergauf, wobei die beiden ca 2,9 bis 3 m breiten Fahrstreifen durch eine Leitlinie getrennt sind.

Zur gleichen Zeit fuhr der Zeuge S mit seinem Pkw X, einem weißen VW Golf X, auf der B151 aus Richtung Unterach in Richtung Mondsee, wobei er im Bereich vor der Unfallstelle – dort ist eine Geschwindigkeitsbeschränkung auf 50 km/h – nach eigenen Angaben etwa 50 km/h fuhr und sich vor ihm kein Fahrzeug befand.

Die in der Gemeinde Innerschwand im Ortschaftsbereich Ort am Mondsee gelegene Unfallstelle ließ sich anhand des im Akt befindlichen Fotos Nr.4 beim Ortsaugenschein insofern zuordnen, als sich in Fahrtrichtung des Zeugen S gesehen links ein Parkplatz befindet, auf dessen Länge die Randlinie unterbrochen ist. Anhand der auf dem Foto ersichtlichen Bodenmarkierungen ließ sich in der Natur die Kollisionsstelle des Pkw mit dem Randstein ebenso zuordnen wie der Beginn der abgezeichneten Bremsspuren anhand der Leitlinie. Der Anstoß am rechten Randstein konnte somit auf Höhe des Beginns des Parkplatzes lokalisiert werden, während die Bremsspur im Bereich des Abstandes vor der letzten Leitlinie vor dem Parkplatz beginnt. Die Bremsspur wurde vom SV vermessen, ihre Länge beträgt ca 6 bis 7 m, wobei sie, im Foto unschwer erkennbar, rechts länger ist und am Randstein endet. Weiters wurde festgestellt, dass die B151 in Fahrtrichtung des Zeugen S leicht ansteigt bis zum ebenen Verlauf bei den Gebäuden beim Haus Nr.X; dort befindet sich rechts ein Parkplatz und links eine Bushaltestelle, weiters zweigen rechts und links Gemeindestraßen ab. Etwa ab dem linksseitigen Parkplatz, dh in einer Entfernung von ca 11 m nach der Einmündung der rechts gelegenen Straßen, führt die B151 leicht bergab. Der Kollisionsort des Pkw S mit dem Randstein liegt an Beginn des leicht bergab führenden Teils.     

 

Der Beschwerdeführer bestätigte in der Verhandlung, er sei mit einer Geschwindigkeit unter 50 km/h bergauf gefahren, zumal ihm bekannt sei, dass in der Bushaltestelle des Öfteren die Polizei Geschwindigkeitsmessungen durchführe. Die Fahrbahn sei trocken gewesen und er vorschriftsmäßig rechts gefahren. Der Pkw S sei ihm zum Teil auf seiner Seite entgegengekommen und er habe nach rechts ausgelenkt und gebremst. Es sei sehr knapp gewesen und alles sei so schnell gegangen. Die beiden Fahrzeuge hätten sich nicht berührt, sodass er angenommen habe, der andere Lenker sei ebenfalls weiter­gefahren, zumal er weder ein Bremsgeräusch gehört noch von dessen Anstoß am rechten Randstein etwas mitbekommen habe. Er habe nach der Begegnung zu tun gehabt, seinen Pkw wieder auf die rechte Spur zu bringen, weshalb ihm keine Zeit geblieben sei, in den linken Rückspiegel oder in den Innenspiegel zu schauen, ob der andere Lenker seine Fahrt fortsetze. Als er wieder normal rechts gefahren sei, sei er schon im Bereich der Bushaltestelle gewesen. Er sei danach heimgefahren, ein weiteres entgegenkommendes Fahrzeug sei ihm nicht aufgefallen. Dass die Zeugen S und A seinen Pkw bei ihm daheim angesehen hätten, habe er nicht bemerkt, erst von der Polizei habe er von einem angeblichen in Zusammenhang mit ihm stehenden Unfall mit Sachschaden erfahren. Der Beschwerdeführer legte in der Verhandlung unmissverständlich dar, dass es nach seiner Meinung zwar „knapp gewesen“ sei, aber sowohl das Bremsmanöver als auch der Anstoß des Pkw S an den Randstein unnötig und nur darauf zurückzuführen gewesen seien, dass der Zeuge S mit der Situation überfordert gewesen sei. Es sei nur seiner Reaktion zu verdanken, dass es nicht zu einem Zusammenstoß mit dem auf seiner linken Seite fahrenden Pkw S  gekommen sei. 

      

Der Zeuge S schilderte in der Verhandlung, im angegebenen Bereich der B151 sei ihm der ihm vom Sehen wegen seiner auffälligen Lackierung bekannte Pkw des Beschwerde­führers, den er selbst nicht gekannt habe, etwa zur Hälfte auf seiner rechten Fahrbahnseite entgegengekommen und er habe fast gleichzeitig gebremst und auszuweichen versucht. Dabei sei er auf den rechten Randstein zugefahren und der rechte Vorderreifen so damit kollidiert, dass der Reifen samt Felge beschädigt wurde und der Pkw nicht mehr fahrbereit war. Er sei nach dem Anprall sofort ausgestiegen und habe dem „in Schlangenlinien“ – die laut Beschwerdeführer im Zuge seines Bemühens erfolgt seien, wieder auf seine rechte Spur zu gelangen – weiterfahrenden Pkw nach­gesehen, von dem er eigentlich erwartet habe, dass der Lenker stehenbleiben würde. Etwa geschätzte 10 Sekunden später sei der Zeuge A gekommen und habe ihm gegenüber bestätigt, dass ihm ein dunkler Pkw mit X Motorhaube zum Teil auf seiner Fahrbahnseite entgegen­gekommen sei.

Der Zeuge A bestätigte in der Verhandlung, der wegen der andersfarbigen Motorhaube auffällige Pkw sei ihm im bergaufführenden Teil der B151 etwa auf Höhe des Campingplatzes entgegengekommen. Der Pkw sei ca zu 2/3 auf seiner Seite gefahren, der Lenker habe die dortige Kurve geschnitten, habe aber gebremst und sei auf seine Fahrbahnseite hinübergefahren. Er habe ausweichen müssen und den ihm persönlich unbekannten Lenker mit den Händen herum­fuchteln gesehen, woraus er schloss, dass sich dieser über etwas aufgeregt habe.

 

Beide Zeugen – nach eigenen Angaben Bekannte aus demselben Ort – bestätigten unabhängig voneinander in der Verhandlung, der Pkw mit der andersfarbigen Motorhaube sei ihnen vom Sehen her bekannt, wobei der Zeuge S angab, er habe diesen Pkw im Verlauf seiner Laufstrecke abgestellt gesehen. Beiden Zeugen fuhren im Pkw des Zeugen A dorthin und fanden den beschriebenen Pkw auch an der Adresse des Beschwerdeführers abgestellt und der Zeuge S erstattete Anzeige.

 

Der Zeuge A hat vom Vorfall mit dem Pkw S nichts beobachtet. Die Begegnung des aus Richtung Unterach kommenden Pkw A mit dem des Beschwerdeführers erfolgte bei ca km 34.2, dh etwa 300 m vor der Unfallstelle, wobei auch aufgrund des Straßen­verlaufs und der Verbauung keine Sicht auf diese besteht, sodass der Zeuge A vom Vorfall selbst zweifellos nichts mitbekommen haben kann.   

 

Zu den Angaben des Zeugen S ist zu sagen, dass nach den Ausführungen des SV allein auf der Grundlage der auf den Fotos festgehaltenen Bremsspuren davon auszugehen ist, dass es sich bei der Bremsung des Pkw S um eine Vollbremsung handelte, wobei die durchgehende Bremsspur, die etwa in der Mitte der rechten Fahrbahnseite beginnt und rechts am Randstein endet, gerade verläuft und der Kollisionsort am Randstein allein auf den dortigen Verlauf der B151 zurück­zuführen ist. Der Pkw X scheint mit Erstzulassung im Jahr 1997 auf, was in Verbindung mit der Bremsspur den Schluss zulässt, dass er kein ABS hat. Die auf den Fotos erkennbare Bremsspur ist daher als der abgezeichnete Teil des im Zuge einer Vollbremsung mit blockierenden Reifen zurückgelegten Bremsweges anzusehen, dh der Pkw war beim Zurücklegen dieser Strecke nicht lenkbar. Nach den schlüssigen Ausführungen des SV führt auch die Verlängerung des anhand der Bremsspuren ersichtlichen Bremsweges zum Beginn des Brems­vorgangs, den der SV in zeitlicher Hinsicht mit 0,2 Sekunden und hinsichtlich der Länge mit 2 bis 3 m (samt Schwellzeit) eingeschränkt hat, zum Ergebnis, dass sich der Pkw des Zeugen S bei Beginn des Bremsmanövers auf seiner rechten Fahrbahnhälfte befunden hat. Daraus folgt, dass die Schilderungen des Zeugen S vom Zustandekommen des Verkehrsunfalls nachvollziehbar schlüssig und glaubwürdig sind.

 

Zur Frage des Bemerken-Müssens des ggst Verkehrsunfalls ist zunächst zu betonen, dass eine Berührung der beiden Fahrzeuge vermieden werden konnte, dh ein Anstoß samt einem damit verbundenen Geräusch fand nicht statt. Ob die Vollbremsung für den X geborenen Beschwerdeführer hörbar war – er hat in der Verhandlung ausgesagt, er habe zwar ein Autoradio, schalte es  aber nie ein – ist nicht mit Sicherheit erweisbar. Der Anstoß am Randstein erfolgte mit dem Reifen, dh auch hier ist nicht von einem deutlichen Geräusch auszugehen.     

 

Damit bleibt nur die optische Wahrnehmbarkeit des Unfalls übrig – dass „es sehr knapp“ war, hat auch der Beschwerdeführer bestätigt. Nach der allgemeinen Lebenserfahrung wird eine derartige Vollbremsung wie die gegenständliche nur dann eingeleitet, wenn für den Lenker plötzlich ein Hindernis erkennbar wird, das die Beibehaltung der beabsichtigten Fahrlinie weitgehend unmöglich macht und ein umgehendes  Handeln erfordert. Ausgehend von der Aussage des Zeugen S, der ihm bergauf entgegenkommende Pkw habe sich etwa zur Hälfte auf seiner rechten Fahrbahnhälfte befunden, wären das (ausgehend von der Breite eines Opel Astra samt Außenspiegel von 1,8 m) etwa 0,9 m, dh die vom SV mit ca 3 m ausgemessene Fahrbahnbreite würde unter Berücksichtigung eines seitlichen Abstandes auf etwas unter 2 m eingeschränkt. Dabei ist durchaus anzunehmen, dass auch der Beschwerdeführer kurzfristig versucht hat, nach rechts auszuweichen, was auch seine „Schlangenlinien“ im Zuge seiner Rückkehr zur ursprünglichen Fahrlinie erklärt. Geht man nach logischen Überlegungen davon aus, dass der Zeuge S sein Bremsmanöver begonnen hat, als sich der Pkw des Beschwerde­führers vor ihm befunden hat, muss sich der Beginn des Bremsmanövers noch im Sichtbereich des Beschwerdeführers ereignet haben. Der Beschwerdeführer hat in der Verhandlung ausdrücklich erklärt, er habe keine Zeit gehabt, in einen Spiegel zu blicken, weil er damit beschäftigt gewesen sei, seinen Pkw wieder in die Spur zu bringen. Eine Bremsspur von seinem Pkw ist auf den Unfallfotos nicht zu sehen, sodass sein Fahrmanöver nicht objektivierbar ist. Selbst wenn er eine dort erlaubte Geschwindigkeit von 50 km/h beibehalten haben sollte, wäre der Pkw des Zeugen S in Unfall­endlage für ihn im linken Außenspiegel auf eine Entfernung bis zu 90 m zu sehen gewesen – das wäre bis etwa zur Mitte der rechts in Fahrtrichtung des Beschwerdeführers gelegenen Bushaltestelle. Er hat in der Verhandlung selbst bestätigt, als er seinen Pkw „wieder in der Spur gehabt“ habe, sei er schon etwa bei der Bushaltestelle gewesen. Die Fahrzeit bis dorthin hat der SV mit 6,5 Sekunden errechnet, dh in diesem Zeitraum war der verunfallte Pkw für den Beschwerdeführer im linken Außenspiegel erkennbar, auch wenn der weiße Pkw S am Beginn des leicht bergab führenden Teils der B151 stand. Der Beschwerde­führer hat seine Geschwindigkeit mit „unter 50 km/h“ angegeben, was letztlich nicht objektiviert werden konnte – davon ausgehend wäre sogar eine längere Fahrzeit und damit längere Möglichkeit des Erkennens des stehenden Pkw S anzunehmen. Abgesehen davon muss von einem Pkw-Lenker nach einem  derartig „knappen“ Fahrmanöver, wie es auch der Beschwerdeführer in der Verhandlung beschrieben hat, auch erwartet werden können, dass er seinen Pkw kurz anhält und sich umdreht, um sich ausreichend zu vergewissern, dass diese gerade noch vermiedene Kollision ohne Folgen geblieben ist. Der Beschwerde­führer hat in der Verhandlung betont, er sei davon ausgegangen, dass der andere Lenker die Fahrt ebenso fortsetze wie er und hat sich auf die fehlende Möglichkeit eines entsprechenden Versicherns aufgrund der nach dem Ausweichen erforderlichen Zeit „seinen Pkw wieder in die Spur zu bringen“ berufen, dh er hat nicht einmal abgestritten, einfach weitergefahren zu sein ohne auch nur einen Blick in den Außenspiegel zu werfen. 

 

Das Landesverwaltungsgericht hat in rechtlicher Hinsicht erwogen:

Gemäß § 4 Abs.1 lit.a StVO 1960 haben alle Personen, deren Verhalten am Unfalls­ort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht, wenn sie ein Fahrzeug lenken, sofort anzuhalten.

 

Voraussetzung für die Anhaltepflicht der lit.a ist als objektives Tatbestands­merkmal der Eintritt eines Sachschadens und in subjektiver Hinsicht das Wissen vom Eintritt eines derartigen Schadens, wobei der Tatbestand schon dann gegeben ist, wenn dem Täter objektive Umstände zu Bewusstsein gekommen sind oder bei gehöriger Aufmerksamkeit zu Bewusstsein hätten kommen müssen, aus denen er die Möglichkeit eines Verkehrsunfalls mit Sachschaden zu erkennen vermocht hätte (vgl VwGH 23.5.2002, 2001/03/0417, uva).

Zweck des § 4 ist es, nicht nur das Fahrzeug kurzfristig anzuhalten, sondern auch den sonstigen Lenkerverpflichtungen nachzukommen. Der Lenker hat sich nach dem Anhalten zB auch zu vergewissern, ob durch den Unfall eine Situation entstanden ist, die es notwendig macht, Maßnahmen zur Vermeidung von Schäden für Personen oder Sachen zu treffen (vgl E 15.4.1971, 1305/70).

Zweck des § 4 ist nicht, an Ort und Stelle festzustellen, ob ein Sachschaden von einem Unfall herrührt, ob die Angaben der am Unfall Beteiligten stimmen und das Verschulden an einem Unfall zu klären, sondern um den am Unfall beteiligten Fahrzeuglenkern die Möglichkeit zu geben, ohne unnötigen Aufwand und Schwierig­keiten klarstellen zu können, mit wem man sich hinsichtlich einer Schadensregulierung in der Folge auseinanderzusetzen haben wird (vgl VwGH 26.1.2002, 2001/02/0240; uva).

Der Lenker eines Fahrzeuges hat den Geschehnissen um sein Fahrzeug seine volle Aufmerksamkeit zuzuwenden und in bestimmten Verkehrssituationen einen Blick in den Rückspiegel zu werfen oder durch einen  Blick über die Schulter das hinter ihm liegende Verkehrsgeschehen zu beobachten (vgl E 26.9.1990, 90/02/0039; 17.4.1991, 90/02/0209).

 

Dass es sich beim sowohl vom Beschwerdeführer als auch vom Zeugen S beschriebenen Unfallgeschehen um eine Verkehrssituation handelte, die eine Verpflichtung zur nachträglichen Rückversicherung, dass kein Schaden entstanden ist, auslöst, steht aus der Sicht des Landesverwaltungsgerichts auf der Grundlage des am Unfallort durchgeführten Beweisverfahrens unter Bedachtnahme auf die Fotos der Bremsspur völlig außer Zweifel. Dass der Beschwerdeführer trotz der für ihn unmittelbar wahrnehmbaren knappen Begegnung mit dem Pkw S – auch wenn er von der sofort vom Zeugen S eingeleiteten Vollbremsung angeblich nichts mitbekommen haben will – praktischerweise davon ausging, der andere Lenker werde wohl wie er weiterge­fahren sein, und zumindest in den 6,5 Sekunden nach der „knappen“ Begegnung der Fahrzeuge sogar nach eigener Darstellung in der Verhandlung nicht einmal in Erwägung zog, in den linken Außenspiegel zu sehen – von einem Blick über die Schulter gar nicht zu reden – obwohl sein „In-die-Spur-Lenk-Manöver“ bis zur Bushalte­stelle nach eigenen Aussagen längst abgeschlossen war, ist schlicht­weg nicht nachzuvoll­ziehen. Dass der Zeuge S aus seinem in atypischem Winkel zur rechten Fahrbahnhälfte in der Kurve stehenden Pkw sofort ausgestiegen ist, um dem Beschwerdeführer nachzusehen, wurde auch vom Zeugen A bestätigt, der den Zeugen S kurz darauf außerhalb des Pkw antraf, und ist zweifellos glaubwürdig. nach Ansicht des Landesverwaltungsgerichts hätte bei einem Blick in den Rückspiegel oder linken Außenspiegel der im Sichtbereich liegende Pkw in Unfallendlage samt dem ausgestiegenen Zeugen S auch dem Beschwerdeführer jedenfalls auffallen und eine Nachschau auslösen müssen. Wenn er schon selbst in der Verhandlung bestätigt hat, dass die Begegnung „knapp gewesen“ sei, lässt seine Erklärung, der andere Lenker sei mit der Situation einfach überfordert gewesen und habe übertrieben und völlig unangemessen reagiert, zumal weder das Bremsmanöver in diesem Ausmaß noch der Anstoß an den Randstein notwendig gewesen wäre – kurz zusammenzufassen mit „selbst schuld“ – auf eine extreme Sorglosigkeit und Gleichgültigkeit schließen, die mit den in der Beschwerde erwähnten „tagtäglich im Straßenverkehr vorkommenden ähnlichen und anderen brenzligen Situationen, bei denen kein Schaden eintritt und bei denen dann ja auch angehalten werden müsste,“ in keinen Zusammenhang zu setzen ist. Dass sich der 1935 geborene, beim Vorfall also 77jährige Beschwerde­führer über den Vorfall aufgeregt hat, steht außer Zweifel – die Auslegung des vom Zeugen A nach 300 m Fahrstrecke noch bei ihm beobachteten „Herum­fuchtelns“ mit den Händen ist durchaus so zu verstehen – jedoch ist seine in der Verhandlung deutlich zutage getretene geringschätzige, wenn nicht sogar verachtende Meinung vom ihm persönlich völlig unbekannten Zeugen S keines­falls angebracht. Sie bekräftigt im Gegenteil den Eindruck einer extrem gleichgültigen und der Verkehrssicherheit nicht förderlichen Einstellung des Beschwerdeführers.

Dieser hat durch seine Weiterfahrt nach dem von ihm selbst verursachten Fahrmanöver des Zeugen S und den dadurch ausgelösten Verkehrsunfall, an dem er damit zweifellos als „ursächlich beteiligt“ anzusehen ist,  ohne anzuhalten oder sich auch nur durch einen Blick nach rückwärts zu versichern, dass sein Fahrmanöver ohne nachteilige Folgen für andere geblieben ist, ohne jeden Zweifel den ihm zur Last gelegten Tatbestand erfüllt und, da von einer Glaubhaftmachung mangelnden Verschuldens im Sinne des § 5 Abs.1 VStG keine Rede sein kann, sein Verhalten als Verwaltungs­übertretung zu verantworten.      

 

Zur Strafbemessung ist zu sagen, dass der Strafrahmen des § 99 Abs.2 StVO 1960 von 36 Euro bis 2180 Euro Geldstrafe, im Fall der Uneinbringlichkeit von 24 Stunden bis sechs Wochen Ersatzfreiheitsstrafe reicht.

Der Beschwerdeführer weist eine nicht einschlägige Vormerkung aus dem Jahr 2011 auf, dh er ist nicht unbescholten. Erschwerend war nichts. Er hat seine finanziellen Verhältnisse mit 1000 Euro Pension, dem Fehlen von Vermögen und der Sorgepflicht für eine Tochter angegeben. Das Landesverwaltungsgericht vermag nicht zu erkennen, dass die belangte Behörde den ihr bei der Strafbemessung zukommenden Ermessensspielraum in irgendeiner Weise über­schritten hätte. Die ohnehin in Anbetracht des Einkommens niedrig bemessene Strafe spiegelt die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat im Sine des § 19 VStG wieder und soll den Beschwerde­führer in Zukunft zur genauesten Beachtung seiner gesetzlichen Verpflichtungen nach einem Verkehrsunfall bewegen.

Die Voraussetzungen für eine Anwendung des § 20 VStG lagen nicht vor, weil von einem beträchtlichen Überwiegen von Milderungsgründen keine Rede sein kann. Im Übrigen steht es dem Beschwerdeführer frei, die Geldstrafe in Teil­beträgen gemäß seinem tatsächlichen (und daher eindeutig nachzu­weisenden) Einkommen zu bezahlen. Die Ersatzfreiheitsstrafe ist im Verhältnis zur Geldstrafe bemessen. Damit findet sich für eine Herabsetzung der Strafe kein Anhalts­punkt und war somit spruchgemäß zu entscheiden.         

   

Zu II.:

Die Vorschreibung eines 20%igen Kostenbeitrages zum Beschwerdeverfahren gründet sich auf § 52 Abs.1 und 2 VwGVG.

 

Zu III.:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungs­gerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungs­gerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landes­verwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Mag. Bissenberger