LVwG-650096/7/MB/JW

Linz, 11.06.2014

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter
Dr. Markus Brandstetter über die Beschwerde des Herrn X, geb.
X,  gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes des Bezirks Wels-Land vom 17. März 2014, GZ: VerkR21-534-2013/Be

 

zu Recht   e r k a n n t :

I.         Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG wird der Beschwerde mit der Maßgabe stattgegeben, als die Lenkberechtigungen des Berufungswerbers [A (M), A, B, F“] wie folgt eingeschränkt werden:

§  Befristung auf 2 Jahre gerechnet ab 27. Mai 2014,

§  Nachuntersuchung nach 2 Jahren, eventuell mit neuerlicher Beobachtungsfahrt zur Überprüfung der kraftfahrspezifischen Leistungsfähigkeit,

§  Verwendung von geeigneten Brillen oder Kontaktlinsen, Code 01.06,

§  Beschränkung auf Fahrten nur bei Tageslicht

 

II.       Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

HINWEIS: Der Beschwerdeführer hat zur Ausstellung eines neuen Führerscheins mit der Führerscheinbehörde Kontakt aufzunehmen.


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.

 

1. Mit Bescheid vom 17. März 2014, GZ: VerkR21-534-2013/Be, wurde dem Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf), vom Bezirkshauptmann des Bezirks Wels-Land die Lenkberechtigung für die Klassen „A (M), A, B, F“ wegen mangelnder gesundheitlicher Eignung, gerechnet ab Zustellung des Bescheides entzogen.

 

Begründend führt die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass laut amtsärztlichen Gutachten vom 12. März 2014 der Bf derzeit zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Gruppe 1 nicht geeignet sei. Bei der Beobachtungsfahrt habe sich ergeben, dass erhebliche Einschränkungen der kraftfahrspezifischen Leistungsfähigkeit gegeben seien. Es zeige sich eine unzureichende Überblicksgewinnung und Einschränkung der Sensomotorik. Dem Bf sei es nicht gelungen, den Wagen in der Spur zu halten. Es sei immer wieder zu Überschreitungen der Mittellinie gekommen. Außerdem sei es dem Bf nicht gelungen die Geschwindigkeit an die jeweilige Verkehrssituation anzupassen. Er sei zudem mit erhöhter Geschwindigkeit in die Kurven gefahren und habe versucht mit dem ersten Gang die Einordnung in den Verkehr der Autobahn vorzunehmen. Nur durch Einschreiten des Fahrlehrers konnte Schlimmeres verhindert werden. Mit zunehmender Beobachtungszeit vermehrten sich die Fehler des Bf. Der Bf sei nicht mehr in der Lage die Einschränkungen der kraftfahrspezifischen Leistungsfunktionen zu kompensieren. Daher sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

 

2. Mit Schreiben vom 24. März 2014 erhob der Bf vollumfassend Beschwerde und stellte darin den Antrag, dass ihm die Lenkberechtigungen nicht entzogen werden. Der Bf führt sinngemäß aus, dass er eine fundierte und langandauernde Fahrpraxis vorweisen könne, zudem sei er am Tag der Probefahrt durch multiple äußere Umstände beeinträchtigt gewesen (z.B: Langstreckenflug, Schicksalsschläge, Kopfschmerzen, Schlafentzug, etc.).

 

3. Mit Schreiben vom 26. März 2014 legte die belangte Behörde die Beschwerde samt Verfahrensakt dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich zur Entscheidung vor.

 

4. Mit Schreiben vom 8. April 2014 wurde die Direktion Straßenbau und Verkehr, Abt. Verkehr vom Landesverwaltungsgericht ersucht, neuerdings eine Probefahrt durchzuführen. Diese Beobachtungsfahrt wurde am 28. April 2014 in Linz durch Herrn HR Dipl.-Ing. X durchgeführt und erstattete dieser nachfolgendes Gutachten:

„Herr X hat keine aufrechte Lenkberechtigung. Entsprechend erfolgte die Beobachtungsfahrt in Assistenz mit einer von Herrn X selbst gewählten Fahrschule. Als Identitätsnachweis legte er seinen Reisepass, ausgestellt von der BH WL,
Nr. x vor. Die von 14:00 Uhr bis 15:00 dauernde Beobachtungsfahrt wurde mit einem Pkw der Fahrschule City Driver, Fabrikat Chrysler X (KZ X ) durchgeführt, als Beifahrer fungierte der Fahrschulbesitzer, Herr X . Die Beobachtungsfahrt erstreckte sich auf die in der Beilage dargestellten Straßenzüge in Linz und Ebelsberg (sie enthielt Streckenabschnitte aller Straßenkategorien, incl. Autobahnen). Herr X (82 Jahre alt) hätte nach dem Resultat der Beobachtungsfahrt eine reguläre Fahrprüfung zum Erwerb der Lenkberechtigung B nicht bestanden. Er fuhr nach meinen Erfahrungen aber durchaus altersgemäß. Die altersbedingten Defizite schließen nach meinem Dafürhalten seine Verkehrsteilnahme aktuell auch noch nicht aus. Hervorzuheben ist seine aufmerksame Verkehrsbeobachtung und seine gute Blicktechnik. Wie schon bei der vorausgegangenen Beobachtungsfahrt bemerkt, richtet Herr X seine Fahrlinie häufig weit nach links. Er blieb am 28.4. aber stets innerhalb seines Fahrstreifens. Generell war er in der Richtungshaltung etwas unsicher. Es ergab sich auf der gesamten Fahrtstrecke keine Verkehrsgefährdung, die Beobachtungsfahrt war aber wie oben erwähnt auch nicht zur Gänze regelkonform. Insbesondere bei der Einhaltung von zulässigen Höchstgeschwindigkeiten hat Herr X ein Problem und hätte dieses stete Verhalten wie gesagt zu einem Nichtbestehen einer Fahrprüfung geführt. Daraus eine Nichteignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen abzuleiten, ist aber keine technische Fragestellung. Eine gesundheitliche Einschränkung bzw. eine sich daraus ergebende Auswirkung auf die sichere Bedienung eines Kraftfahrzeuges der Führerscheinklasse B war nicht erkennbar. Herr X ist aus Sicht des technischen Amtssachverständigen als Ergebnis der Beobachtungsfahrt zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Führerscheinklassen B gerade noch geeignet. Beim gegebenen Gesundheitszustand sind keine Ausgleichseinrichtungen notwendig.“

 

5. Daraufhin wurde die Direktion Gesundheit und Soziales, Abt. Gesundheit ersucht die gesundheitliche Eignung zum Lenken eines Kfz zu begutachten. Frau HR Dr. X  erstattete dazu im Wesentlichen, dass eine befristete Eignung aufweist und unter der Auflage der Verwendung einer Brille Fahrten nur bei Tageslicht durchführen kann. Nach 2 Jahren hat eine Nachuntersuchung eventuell mit neuerlicher Beobachtungsfahrt zur Überprüfung der kraftfahrspezifischen Leistungsfähigkeit stattzufinden.

 

 

II.

 

1. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich konnte von der Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung absehen, da kein Antrag vorlag und überdies sich der Sachverhalt in den wesentlichen Punkten unstrittig aus dem Akt bzw. dem Parteienvorbringen ergab.

 

2. Es war daher von dem unter Pkt. I.1. und I.2. und I.4. und I.5. dargestellten Sachverhalt auszugehen.

 

 

III.

 

1. Gemäß § 24 Abs.1 FSG ist Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung nicht mehr gegeben sind, von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit

1.   die Lenkberechtigung zu entziehen oder

2.   die Gültigkeit der Lenkberechtigung durch Auflagen, Befristungen oder zeitliche, örtliche oder sachliche Beschränkungen einzuschränken. Diesfalls ist gemäß § 13 Abs. 5 ein neuer Führerschein auszustellen.

 

Gemäß § 8 Abs.3 FSG hat das ärztliche Gutachten abschließend auszusprechen:

„geeignet“, „bedingt geeignet“, „beschränkt geeignet“ oder „nicht geeignet“. Ist der Begutachtete nach ärztlichem Befund

1.   gesundheitlich zum Lenken von Kraftfahrzeugen einer oder mehrerer Klassen ohne Einschränkung geeignet, so hat das Gutachten „geeignet“ für diese Klassen zu lauten;

2.   zum Lenken von Kraftfahrzeugen einer oder mehrerer Klassen nur unter der Voraussetzung geeignet, dass er Körperersatzstücke oder Behelfe oder dass er nur Fahrzeuge mit bestimmten Merkmalen verwendet oder dass er sich ärztlichen Kontrolluntersuchungen unterzieht, so hat das Gutachten „bedingt geeignet“ für die entsprechenden Klassen zu lauten und Befristungen, Auflagen oder zeitliche, örtliche oder sachliche Beschränkungen der Gültigkeit anzuführen, unter denen eine Lenkberechtigung ohne Gefährdung der Verkehrssicherheit erteilt werden kann; dies gilt auch für Personen, deren Eignung nur für eine bestimmte Zeit angenommen werden kann und bei denen amtsärztliche Nachuntersuchungen erforderlich sind;

3.   zum Lenken nur eines bestimmten Fahrzeuges nach § 2 Z24 KFG 1967 geeignet, so hat das Gutachten „beschränkt geeignet“ zu lauten und anzugeben, durch welche körperlichen Mängel die Eignung beschränkt ist und in welcher Form diese körperlichen Mängel ausgeglichen werden können;

4.   zum Lenken von Kraftfahrzeugen einer oder mehrerer Klassen nicht geeignet, so hat das Gutachten „nicht geeignet“ für die entsprechende Klasse zu lauten.

 

Gemäß § 8 Abs.3a FSG ist die Dauer der Befristung vom Zeitpunkt der Ausfertigung des amtsärztlichen Gutachtens zu berechnen.

 

Gemäß § 8 Abs.4 FSG sind, wenn das ärztliche Gutachten die Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen von der Erfüllung bestimmter Auflagen, die insbesondere die Verwendung von bestimmten Behelfen oder die regelmäßige Beibringung einer fachärztlichen Stellungnahme abhängig macht, diese Auflagen beim Lenken von Kraftfahrzeugen zu befolgen.

 

Gemäß § 3 Abs.1 der Führerscheingesetz-Gesundheitsverordnung (FSG-GV) gilt als zum Lenken von Kfz einer bestimmten Fahrzeugklasse iSd § 8 FSG gesundheitlich geeignet, wer für das sichere Beherrschen dieser Kfz und das Einhalten der für das Lenken dieser Kfz geltenden Vorschriften u.a.

1.   die nötige körperliche und psychische Gesundheit besitzt.

2.   die nötige Körpergröße besitzt,

3.   ausreichend frei von Behinderungen ist und

4.   aus ärztlicher Sicht über die nötige kraftfahrspezifische Leistungsfähigkeit verfügt.

 

2. Die Beschwerdeentscheidung ist auf Basis der jetzigen Sachlage zu treffen, weshalb das amtsärztliche Gutachten vom 27. Mai 2014 zugrunde zu legen ist. Dieses beruht auf der körperlichen Untersuchung des Berufungswerbers am selben Tag und dem Ergebnis einer Beobachtungsfahrt vom 28. April 2012. Diese Beobachtungsfahrt hat die negativen Ergebnisse der vormaligen Beobachtungsfahrt vom 13. März 2014 widerlegt. Ebenso das amtsärztliche Gutachten vom selben Tag (in diesem Zusammenhang im Gutachten gleichlaufend mit dem Gutachten der belangten Behörde gemeint wohl: Gruppe 1, zumal der Gutachtensauftrag auch Kfz’s umfasste). Das jetzt vorliegende Gutachten ist nachvollziehbar und war der Bf nicht durch eine – wie in der Beschwerdeschrift dargelegte, nachvollziehbare – Gesamtsituation belastet. Insofern ist daher davon auszugehen, dass die damaligen Ergebnisse aufgrund der belastenden Gesamtsituation des Bf zustande gekommen sind, da eben auch bei Wegfall der Belastung des Bf eine – altersmäßig indizierte – „gerade-noch“-Eignung aus der Sicht des technischen Amtssachverständigen geben war. Diesem Umstand Rechnung tragend, ist aber wiederum die Tagfahreinschränkung, die Auflage der Brillen und die zeitliche Befristung konsequent und notwendig.

 

Der Beschwerde war daher dem Grunde nach stattzugeben und dem Bf die Lenkberechtigung unter den erforderlichen Einschränkungen zu erteilen.

 

3. Wegen dieser Einschränkungen ist ein neuer Führerschein auszustellen, weshalb der Bf mit der Führerscheinbehörde Kontakt aufzunehmen hat.

 

 

IV.

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.


 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Dr. Markus Brandstetter