LVwG-050025/2/Gf/Rt

Linz, 03.06.2014

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K !

 

 

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Einzelrichter Dr. Alfred Grof über die Beschwerde des R, vertreten durch RA Mag. A, gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Stadt Linz vom 17. April 2014, Zl. 355/2013, wegen einer Übertretung des Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetzes

 

 

 

z u  R e c h t  e r k a n n t :

 

 

 

I. Der Beschwerde wird nach § 50 VwGVG mit der Maßgabe stattgegeben, dass der angefochtene Bescheid aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs. 1 Z. 4 VStG eingestellt wird. 

 

II. Der Beschwerdeführer hat gemäß § 52 Abs. 9 VwGVG keinen Kostenbeitrag für das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich zu leisten.

 

III. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 


 

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

 

 

 

I.

 

1. Mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadt Linz vom 17. April 2014, Zl. 355/2013, wurde dem Beschwerdeführer eine Ermahnung erteilt, weil er es als verantwortlicher Beauftragter einer AG verwaltungsstrafrechtlich zu vertreten habe, dass von dieser am 6. Februar 2013 Lebensmittel an eine Dritte geliefert und dadurch in Verkehr gebracht worden seien, ohne dass auf deren Verpackung jeweils das Wort „Zutaten“ angebracht gewesen sei. Dadurch habe er eine Übertretung des § 4 Abs. 1 Z. 7 der Lebensmittelkennzeichnungsverordnung, BGBl.Nr. 72/1993 (in der hier maßgeblichen Fassung BGBl.Nr. II 165/2008, im Folgenden: LMKV), begangen, weshalb er nach § 90 Abs. 3 Z. 2 des Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetzes, BGBl.Nr. I 13/2006 (in der hier maßgeblichen Fassung BGBl.Nr. II 39/2012, im Folgenden: LMSVG), i.V.m. § 45 Abs. 1 Z. 4 VStG zu ermahnen gewesen sei.

 

Dieses dem Beschwerdeführer angelastete Tatverhalten sei auf Grund einer am 19. März 2013 von einem Lebensmittelaufsichtsorgan durchgeführten Kontrolle sowie durch das Gutachten der Österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) vom 25. Juni 2013, Zl. 13032837, als erwiesen anzusehen gewesen und vom Rechtsmittelwerber auch in keiner Weise in Abrede gestellt worden.

 

2. Gegen diesen ihm am 22. April 2014 zugestellten Bescheid richtet sich die vorliegende, am 19. Mai 2014 – und damit rechtzeitig – per Telefax übermittelte Beschwerde.

 

Darin wird vorgebracht, dass die Verwendung des Wortes „Zutaten“ lediglich irrtümlich unterblieben und die daraus resultierende Beeinträchtigung rechtlich geschützter Werte offenkundig nur sehr geringfügig sei. Da der Rechtsmittelwerber in seiner Funktion als verwaltungsstrafrechtlich Beauftragter zudem bisher zwölf Jahre hindurch völlig unbescholten geblieben sei, lasse sich nicht erkennen, weshalb der Ausspruch einer Ermahnung geboten sein sollte, um ihn künftig von der Begehung gleichartiger Übertretungen abzuhalten; denn diesen Zweck habe der bloße Umstand der Einleitung eines Verwaltungsstrafverfahrens bereits hinreichend erfüllt, was sich schon daran zeige, dass die Etiketten unmittelbar nach erfolgter Beanstandung geändert worden seien.

 

Daher wird die Aufhebung des angefochtenen Bescheides und die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens beantragt.

 

 

II.

 

1. Das Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt des Magistrates der Stadt Linz zu Zl. 355/2013; da sich bereits aus diesem in Verbindung mit dem Parteienvorbringen der entscheidungswesentliche Sachverhalt klären ließ und die Verfahrensparteien einen entsprechenden Antrag nicht gestellt haben, konnte im Übrigen gemäß § 44 VwGVG von der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung abgesehen werden.

 

2. Weil im LMSVG Abweichendes nicht angeordnet ist, hatte das Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich im vorliegenden Fall gemäß Art. 135 Abs. 1 B VG durch einen Einzelrichter zu entscheiden.

 

 

III.

 

In der Sache selbst hat das Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich über die vorliegende, lediglich gegen den Ausspruch der Ermahnung (und somit gleichsam bloß gegen die „Höhe der verhängten Strafe“) gerichtete Beschwerde erwogen:

 

1.1. Gemäß § 90 Abs. 3 Z. 2 LMSVG i.V.m. § 4 Abs. 1 Z. 7 lit. a LMKV beging u.a. derjenige, der Lebensmittel mit einer Verpackung in Verkehr brachte, ohne dass auf dieser dem Verzeichnis der Zutaten eine geeignete Bezeichnung, die das Wort „Zutaten” enthielt, vorangestellt war, eine Verwaltungsübertretung und war hierfür mit einer Geldstrafe bis zu 20.000 Euro zu bestrafen.

 

Nach § 45 Abs. 1 Z. 4 VStG hat die Behörde dann von der Einleitung oder Fortführung des Strafverfahrens abzusehen und stattdessen Einstellung desselben zu verfügen, wenn die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat und das Verschulden des Beschuldigten gering sind; anstatt die Einstellung zu verfügen, kann die Behörde dem Beschuldigten unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens aber auch mit Bescheid eine Ermahnung erteilen, wenn dies geboten erscheint, um ihn von der Begehung strafbarer Handlungen gleicher Art abzuhalten.

 

1.2. Gesamthaft betrachtet ergibt sich aus der systematischen Konzeption des § 45 Abs. 1 Z. 4 VStG, dass dann, wenn die in dieser Bestimmung kumulativ festgelegten Tatbestandsmerkmale (jeweils geringfügige Bedeutung des Rechtsgutes, geringfügige Beeinträchtigung und geringfügiges Verschulden) vorliegen, die Behörde im Wege einer Rechtsentscheidung die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens zu verfügen hat; hierauf kommt dem Beschuldigten ein entsprechender subjektiv-öffentlicher Rechtsanspruch zu.

 

Von diesem Grundsatz ist nur insofern eine Ausnahme vorgesehen, als trotz Vorliegens dieser Tatbestandsmerkmale (anstelle der Verfügung der Verfahrenseinstellung) dann eine bescheidmäßige Ermahnung erteilt werden kann, wenn die hierfür normierte weitere Voraussetzung – nämlich: Notwendigkeit der Spezialprävention – gegeben ist (vgl. § 45 Abs. 1 letzter Satz VStG): Ist diese erfüllt, so kommt der Behörde ein – im Sinne des Gesetzes auszuübendes – Ermessen dahin zu, entweder dennoch die Einstellung des Verfahrens zu verfügen oder eine bescheidmäßige Ermahnung auszusprechen.

 

Neben dem Vorliegen der Tatbestandsmerkmale des § 45 Abs. 1 Z. 4 VStG bedingt daher der Ausspruch einer Ermahnung i.S.d. § 45 Abs. 1 letzter Satz VStG einerseits eine Begründung dafür, dass diese im konkreten Fall deshalb erforderlich ist, um den Beschuldigten von der Begehung strafbarer Handlungen gleicher Art abzuhalten, sowie andererseits eine Rechtfertigung dafür, weshalb die weniger eingriffsintensive Maßnahme der bloßen Verfahrenseinstellung ohne bescheidmäßige Ermahnung fallbezogen zur Erreichung dieses Zweckes als nicht geeignet erscheint.

 

2.1. Im vorliegenden Fall ist zunächst zwischen den Verfahrensparteien unbestritten, dass die Tatbestandsmerkmale der geringfügigen Bedeutung des Rechtsgutes, der geringfügigen Beeinträchtigung desselben und des bloß geringfügiges Verschuldens jeweils gegeben sind.

 

2.2. Dass eine unter solchen Voraussetzungen ausnahmsweise dennoch mögliche bescheidmäßige Anordnung einer Ermahnung hier deshalb erforderlich ist, um den Beschwerdeführer von der Begehung strafbarer Handlungen gleicher Art abzuhalten, wurde von der belangten Behörde damit begründet, dass dem Rechtsmittelwerber auf diese Weise „mit Nachdruck vor Augen geführt“ werden soll, „dass die Bestimmungen über die Kennzeichnung von Lebensmitteln zwingend einzuhalten sind“ und „Verstöße dagegen auch bestraft werden“.

 

Insoweit handelt es sich um generalpräventive Aspekte, die per se freilich nicht in Abrede gestellt werden können.

 

Allerdings bleibt im Ergebnis offen, weshalb und inwiefern diese hier hinsichtlich des dem Rechtsmittelwerber konkret angelasteten Verhaltens zum Tragen kommen sollen. Denn im Hinblick auf die spezifischen Umstände des vorliegenden Falles – nämlich das bloß irrtümliche Unterbleiben der Verwendung des Wortes „Zutaten“, die umgehende Korrektur nach erfolgter Beanstandung und die bisherige langjährige Unbescholtenheit des Beschwerdeführers als verwaltungsstrafrechtlicher Beauftragter i.S.d. § 9 VStG – spricht angesichts des Umstandes, dass die belangte Behörde weder diesem Vorbringen des Rechtsmittelwerbers entgegengetreten ist noch ein Beschwerdevorentscheidungsverfahren durchgeführt hat noch dem von ihr vorgelegten Akt entsprechende gegenteilige Hinweise zu entnehmen sind, objektiv besehen alles dafür, dass hier eine bescheidmäßige Ermahnung aus spezialpräventiven Aspekten heraus gerade nicht geboten ist.

 

3. Da im gegenständlichen Fall somit die Voraussetzungen des § 45 Abs. 1 letzter Satz VStG im Ergebnis nicht vorliegen, war der gegenständlichen Beschwerde sohin gemäß § 50 VwGVG mit der Maßgabe stattzugeben, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs. 1 Z. 4 VStG einzustellen war.

 

4. Bei diesem Verfahrensergebnis war dem Beschwerdeführer kein Kostenbeitrag für das Beschwerdeverfahren vor dem Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich vorzuschreiben (§ 52 Abs. 9 VwGVG).

 

 

IV.

 

Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof unzulässig, weil im Zuge des vorliegenden Verfahrens keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt (vgl. z.B. VwGH vom 26. Februar 2014, Zl. Ro 2014/04/0022).

 

Weder weicht nämlich die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer Rechtsprechung zur Frage der Konkretisierungspflicht des Spruches eines Straferkenntnisses; zudem ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

 

Schließlich liegen auch keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

 

 

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

 

Gegen dieses Erkenntnis besteht die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung des Erkenntnisses – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt abzufassen und einzubringen. Für die Beschwerde ist eine Eingabegebühr von 240 Euro zu entrichten.

Da für den vorliegenden Fall gemäß § 25a Abs. 4 Z. 2 VwGG eine ordentliche Revision wegen Verletzung in subjektiven Rechten (Art. 133 Abs. 6 Z. 1 B-VG) ausgeschlossen ist, steht den Verfahrensparteien die außerordentliche Revision beim Verwaltungsgerichtshof offen, die beim Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich einzubringen ist; die Eingabegebühr von 240 Euro ist hingegen unmittelbar an den Verwaltungsgerichtshof zu entrichten.

 

 

 

 

 

 

 

Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich

Dr.  G r o f

 

 

 

 

LVwG-050025/2/Gf/Rt vom 3. Juni 2014

 

Erkenntnis

 

Rechtssatz

 

VStG §45 Abs1 Z4

 

* Gesamthaft betrachtet ergibt sich aus der systematischen Konzeption des § 45 Abs. 1 Z. 4 VStG, dass dann, wenn die in dieser Bestimmung kumulativ festgelegten Tatbestandsmerkmale (jeweils geringfügige Bedeutung des Rechtsgutes, geringfügige Beeinträchtigung und geringfügiges Verschulden) vorliegen, die Behörde im Wege einer Rechtsentscheidung die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens zu verfügen hat; hierauf kommt dem Beschuldigten ein entsprechender subjektiv-öffentlicher Rechtsanspruch zu.

 

* Von diesem Grundsatz ist nur insofern eine Ausnahme vorgesehen, als trotz Vorliegens dieser Tatbestandsmerkmale (anstelle der Verfügung der Verfahrenseinstellung) dann eine bescheidmäßige Ermahnung erteilt werden kann, wenn die hierfür normierte weitere Voraussetzung – nämlich: Notwendigkeit der Spezialprävention – gegeben ist (vgl. § 45 Abs. 1 letzter Satz VStG): Ist diese erfüllt, so kommt der Behörde ein – im Sinne des Gesetzes auszuübendes – Ermessen dahin zu, entweder dennoch die Einstellung des Verfahrens zu verfügen oder eine bescheidmäßige Ermahnung auszusprechen.

 

* Neben dem Vorliegen der Tatbestandsmerkmale des § 45 Abs. 1 Z. 4 VStG bedingt daher der Ausspruch einer Ermahnung i.S.d. § 45 Abs. 1 letzter Satz VStG einerseits eine Begründung dafür, dass diese im konkreten Fall deshalb erforderlich ist, um den Beschuldigten von der Begehung strafbarer Handlungen gleicher Art abzuhalten, sowie andererseits eine Rechtfertigung dafür, weshalb die weniger eingriffsintensive Maßnahme der bloßen Verfahrenseinstellung ohne bescheidmäßige Ermahnung fallbezogen zur Erreichung dieses Zweckes als nicht geeignet erscheint.

 

 

Schlagworte:

 

Verfahrenseinstellung; Ermahnung; Rechtsentscheidung; Rechtsanspruch; Ermessen