LVwG-750129/4/MB/Ga

Linz, 26.05.2014

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Dr. Markus Brandstetter über die Beschwerde des X, geboren am X, Staatsangehöriger von Bosnien und Herzegowina, X,
X gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes des Bezirks Wels Land vom 17. Dezember 2013, GZ: Sich40-428-2-2012 mit dem über den Beschwerdeführer ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von 4 Jahren nach dem Fremdenpolizeigesetz erlassen wurde, zu Recht

 

e r k a n n t :

 

 

I.         Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG iVm. §§ 63 und 61 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 – FPG, in der Fassung des Bundesgesetzblattes BGBl. I Nr. 50/2012, wird der Beschwerde stattgegeben und das Aufenthaltsverbot behoben.

 

II.       Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art.133 Abs.4 B-VG unzulässig.

 

 

 


E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

 

I.

 

1. Mit Bescheid des Bezirkshauptmannes des Bezirks Wels Land vom 17. Dezember 2013, GZ: Sich40-428-2-2012, wurde über den Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf) ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von 4 Jahren nach dem Fremdenpolizeigesetz in der zum Entscheidungszeitpunkt geltenden Fassung, erlassen.

 

Zum Sachverhalt führt die belangte Behörde zunächst im Wesentlichen aus, dass der Bf nicht die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt, sondern bosnischer Staatsbürger sei. Der Bf sei am X in Kroatien geboren, ledig und habe keine Sorgepflichten. Die erste Niederlassungsbewilligung sei dem Bf vom 18. Dezember 2003 bis zum 17. Dezember 2004 bewilligt worden. Derzeit besitze der Bf eine Rot-Weiß-Rot-Karte plus, welche bis 7. September 2014 in Gültigkeit stehe. Der Bf sei sohin seit 18. Dezember 2003 rechtmäßig in Österreich niedergelassen. Er wohne zudem mit seinen Eltern im gemeinsamen Haushalt und sei volljährig. Seit dem Jahr 2008 habe der Bf zudem mehr oder minder durchgängig in Beschäftigung gestanden. Vor der Lehrzeit absolvierte der Bf in Wels die Hauptschule und schloss im Unterrichtsfach Deutsch mit Genügend in der 3. Leistungsstufe ab.

 

Weiters führt die belangte Behörde aus, dass der Bf mit Straferkenntnis vom
20. März 2012 gem. §§ 1 Abs. 3 iVm 37 Abs. 1 und 3 FSG und §§ 99 Abs. 1 lit. a iVm 5 Abs. 1 StVO zu einer Geldstrafe von insgesamt 1.600 Euro verurteilt wurde. Er habe in diesem Zusammenhang ein Kfz im alkoholisierten Zustand, ohne im Besitz einer Lenkberechtigung zu sein, betätigt. Hinzutritt, dass der Bf gegen sich ein Straferkenntnis vom 14. Juni 2012 gem. §§ 37 Abs. 1 iVm 37 Abs. 3 Z 1 FSG und ein Straferkenntnis vom 11. Juli 2012 gem. §§ 20 Abs. 2 StVO, 1 Abs. 3 und 14 Abs. 8 FSG (ersteres 500 Euro, zweiteres 1400 Euro) gelten lassen muss.

 

Darüber hinaus finden sich auch zwei Verurteilungen durch die ordentliche Strafgerichtsbarkeit: Einerseits zu 6 M FS (bedingt, PZ: 3 J) und GS 120 TS à
4 Euro (= 480 Euro) gem. §§ 15, 12 3. F, 288 Abs. 1 u 4, 88 Abs. 2 2. F und Abs. 4, 81 abs. 1 Z 1, 105 Abs. 1, 106 Abs. 1 Z 1 1. F, 297 Abs. 1, 127 und 125 StGB und andererseits zu 4 M FS (bedingt, PZ: 4 J) gem. § 107 Abs. 1 StGB. Zudem seien aus der KPA weitere Anzeigen ersichtlich.

 

Nach Zitierung der einschlägigen Rechtsvorschriften führt die belangte Behörde zur rechtlichen Beurteilung im Wesentlichen Folgendes aus, dass der Bf selbst nach Bekanntgabe des fremdenpolizeilichen Verfahrens weiterhin kriminell aktiv gewesen sei. da diese Mitteilung am 22. November 2013 erfolgte und er am
4. Dezember 2013 und am 7. Dezember 2013 abermals seine Lebensgefährtin und das gemeinsame Kind bedrohte. Aus den vorhandenen Verkehrsdelikten in Zusammenschau mit den gerichtlichen Verurteilungen und der abermaligen Delinquenz nach Bekanntwerden des fremdenpolizeilichen Verfahrens folgert die belangte Behörde, dass eine große Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit vom Bf ausgehe. In diesem Zusammenhang sei erschwerend zu berücksichtigen, dass gerade in den letzten Monaten – vor Einleitung des fremdenpolizeilichen Verfahrens – verstärkt das rechtswidrige Verhalten des Bf durch seine aggressive Verhaltensweise zu Tage getreten sei.

 

Auch der Blick auf Art 8 EMRK vermag dieses Ergebnis nicht verkehren.

 

2. Gegen diesen Bescheid erhob der Bf rechtzeitig Beschwerde (vormals Berufung). Der Bf stellt darin die Anträge, den Bescheid der belangten Behörde abzuändern und die Höhe des Aufenthaltsverbotes herabzusetzen.

 

Begründend führt der Bf im Wesentlichen aus, dass er – bis auf seinen todkranken Großvater – keinerlei familiäre bzw. verwandtschaftliche Bindung zu seinem Heimatland mehr aufweise. Seine Eltern, ein Bruder und sämtliche Cousinen und Cousins leben in Österreich. Dass er noch im Hause seiner Eltern wohne, sei zudem im Alter des Bf nicht weiter verwunderlich und stelle keinesfalls eine Ausnahme dar. Auch sei zu berücksichtigen, dass der Bf sorgepflichtig für seine Tochter sei (X, geb. X). Auch habe der Bf klar seinen Lebensmittelpunkt in Österreich. Er habe alle Freunde in Österreich und weise darüber hinaus weitere integrative Momente auf (z.B.: Spieler X 2005-2007 und X seit 2007). Auch sei der Bf seit 18. Dezember 2003 legal in Österreich aufhältig und habe keinerlei Verbindungen nach Bosnien mehr. Der Bf habe zwar die VS in Bosnien besucht, seine Heimatsprachkenntnisse seien aber als dürftig einzustufen. Er könne sich weder schriftlich noch mündlich auf bosnisch verständigen. Er sei in den letzten
10 Jahren lediglich kurzfristig für Behördengänge in Bosnien aufhältig gewesen.

 

3. Die belangte Behörde legte den in Rede stehenden Verwaltungsakt dem nunmehrigen Landesverwaltungsgericht Oberösterreich mit Schreiben vom
29. Jänner 2014 zur Entscheidung vor.

 

 

II.

 

Gem. § 24 VwGVG kann von der Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ergibt sich insofern unstrittig aus dem unter Punkt I. dargestellten Feststellungen der belangten Behörde bzw. dem Beschwerdevorbringen. Zusätzlich dazu ist – nicht widersprochen und aus dem Akt ersichtlich – festzustellen, dass der Bf mit Urteil vom 18. Dezember 2013 gem. §§ 15, 105 StGB zu 3 M FS und mit Urteil vom 17. Jänner 2014 zu 9 M FS (3 M unbedingt, PZ: 3 J) unter der Auflage der Bewährungshilfe verurteilt wurde. Weiters gilt es festzustellen, dass mit Datum 15. Mai 2014 keine weiteren Eintragungen im KPA ersichtlich sind.

 

Die Bewährungshilfe des Bf bringt zudem ein Schreiben mit nachfolgendem Inhalt bei:

„Als Bewährungshelferin von Herrn X teile ich Ihnen mit, dass der Betroffene nach wie vor bei seinen Eltern in X, X lebt. Das Verhältnis zu Eltern und Geschwistern ist gut. Seinen letzten Arbeitsplatz hatte Herr X bei der Firma X bis Ende 2013. Derzeit ist er intensiv auf Arbeitssuche, dabei stellt er immer wieder fest, dass er mit Führerschein bessere Chancen hätte. Leider gab es eine Sperre aufgrund seiner Vorstrafen. Bei einem neuerlichen Versuch wurde ihm nun gesagt, dass er regelmäßig seine Leberwerte überprüfen und vorlegen muss. Herr X ist sehr motiviert sämtliche Auflagen rechtzeitig zu erfüllen. Mit Frau X, wohnhaft in X, X, hat Herr X eine Tochter namens X geb. am X. Es gab massive Konflikte zwischen den jungen Eltern, derzeit sind die beiden noch getrennt wohnhaft, aber einmal wöchentlich betreut der junge Vater seine Tochter. Die Alimentationszahlungen wurden über das Jugendamt geregelt und Herr X bezahlt regelmäßig den Kindesunterhalt. Problematisch sind die Familienverhältnisse vor allem, deshalb weil Herr X aus einer moslemischen Familie stammt und die Familie von Frau X der römisch katholischen Religion angehört. Sicher sind die beiden jungen Leute auch mit der Lebensumstellung durch die gemeinsame Tochter sehr gefordert. Momentan hat sich die familiäre Lage beruhigt und die Chancen für eine positive Entwicklung der Familie stehen gut. Weiters möchte ich darauf hinweisen, dass Herr X 1993 als elfjähriges Kind nach Österreich kam und sich sehr schnell gut integriert hat, außerdem lebt seine ganze Familie hier.“

 

 

III.

 

1. Gemäß § 125 Abs. 21 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 – FPG, BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung des Bundesgesetzblattes BGBl. I Nr. 68/2013, läuft, sofern eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz, gegen die eine Berufung zulässig ist, vor Ablauf des 31. Dezember 2013 erlassen worden ist, die Berufungsfrist mit Ablauf des 31. Dezember 2013 noch und wurde gegen diese Entscheidung nicht bereits bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 Berufung erhoben, so kann gegen diese vom 1. Jänner bis zum Ablauf des 15. Jänner 2014 Beschwerde beim jeweils zuständigen Landesverwaltungsgericht erhoben werden. Das Landesverwaltungsgericht hat in diesen Fällen dieses Bundesgesetz in der Fassung vor dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 87/2012 anzuwenden. Eine gegen eine solche Entscheidung bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 erhobene Berufung gilt als rechtzeitig erhobene Beschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z. 1 B-VG.

 

Es ist sohin gemäß § 125 Abs. 22 FPG zur Beurteilung des vorliegenden Falles das Fremdenpolizeigesetz in der Fassung des Bundesgesetzblattes BGBl. I Nr. 50/2012 heranzuziehen.

 

Gem.§ 63 Abs. 1 FPG idF BGBl I Nr. 87/2012 kann gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich auf Grund eines Aufenthaltstitels rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt

1.   die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet oder

2.   anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft.

 

Gem. § 63 Abs. 2 FPG gelten als bestimmte Tatsachen im Sinne des Abs. 1 insbesondere jene des § 53 Abs. 2 Z 1, 2, 4, 5, 7 bis 9 und Abs. 3 FPG, § 53 Abs. 5 und 6 FPG.

 

Gem. § 63 Abs. 3 FPG ist ein Aufenthaltsverbot gemäß Abs. 1 in den Fällen des § 53 Abs. 2 Z 1, 2, 4, 5, 7 bis 9 FPG für die Dauer von mindestens 18 Monaten, höchstens jedoch für fünf Jahre, in den Fällen des § 53 Abs. 3 Z 1 bis 4 FPG für höchstens zehn Jahre und in den Fällen des § 53 Abs. 3 Z 5 bis 8 FPG auch unbefristet zu erlassen. Die Frist beginnt mit Ablauf des Tages der Ausreise des Drittstaatsangehörigen.

 

2. Beim Bw handelt es sich um einen bosnischen Staatsangehörigen, welcher im Besitz eines gültigen Aufenthaltstitels ist.

 

3. Gem. § 63 Abs. 1 iVm Abs. 2 FPG stellen bestimmte Tatsachen insbesondere die in den § 53 Abs. 2 Z 1, 2, 4, 5, 7 bis 9 und Abs. 3 angeführten Umstände dar. In der Person des Bf sind dahingehend § 53 Abs. 2 Z 1, 2 und Abs. 3 Z 1 FPG durch seine verwaltungsstrafrechtlichen wie gerichtlichen Verurteilungen verwirklicht. Es ist sohin davon auszugehen, dass der Bf Tatsachen (= Lebenssachverhalte) gegen sich gelten lassen muss, aus denen der Gesetzgeber in § 53 FPG die Schlüsse zieht, dass damit eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit bzw ein Zuwiderlaufen gegen die in Art. 8 Abs. 2 EMRK angeführten Interessen verbunden sein kann. Ein Beurteilung, ob dies allerdings tatsächlich so ist, hat nach einer entsprechenden Einzelfallbetrachtung zu erfolgen.

 

Es ist zunächst zu erkennen, dass der Bf X geboren wurde. Er hat sohin die Straftaten (2012, 2013) in relativ jungem Alter und in sehr kurzer Abfolge in einer späten Phase seines Aufenthalts in Österreich getätigt. Blickt man nun auf die hinter diesen Sachverhalten stehenden Lebenssachverhalte und Umstände, so ist erkennbar, dass der Bf die überwiegende Anzahl der Delikte im familiären bzw. beziehungsnahen Umfeld unter dem Einfluss von Alkohol begangen hat. Insgesamt ist zu erkennen, dass der Beginn der Straftaten mit der Geburt der Tochter im zeitlichen Kontext zu sehen sind und in Randbereichen als Ausdruck einer Gesamtlebenssituation stehen, welche den Bf überfordert.

 

Konkret auf 15 Hv 39/12x-18 bezogen, stellt sich die Tat als Verkehrsunfall im alkoholisierten Zustand dar, wobei die Begleitdelikte beinahe ausschließlich einen Bezug zur damaligen Lebensgefährtin des Bf (X) bzw deren Familie aufweisen. Selbiger Konnex liegt bei 22 HV 118/12m vor. Fortgesetzt wird diese Tatbegehungsart in den folgenden 2 Verurteilungen, wobei selbst bei der Verurteilung vom 17. Jänner 2014 eine bloß 3 M unbedingte FS und 6 M bedingte FS ausgesprochen wurde und dem Bf bei einer Probezeit von 3 Jahren und eine Bewährungshilfe aufgetragen wurde. Gem. § 52 Abs. 1 StGB hat sich der Bewährungshelfer mit Rat und Tat zu bemühen, dem Rechtsbrecher eine Lebensführung und Einstellung näher zu bringen, die diesen in Zukunft von der Begehung mit Strafe bedrohter Handlungen abhalten werden. Es wird dem Bf sohin in den nächsten drei Jahren eine Person zur Seite gestellt, welche dem Bf Hilfe bei seiner Lebensführung bietet und in Konfliktsituationen als Anlaufstelle dient. Mit einem Aufenthaltsverbot würde die Resozialisierung des Bf konterkariert. Insofern ist alleine hierdurch die Gefährdung der Tatwiederholung in der vom Bf gezeigten Tendenz vermindert. Hinzutritt, dass die Mutter des Kindes des Bf seit dem 6. Dezember 2012 ihren Lebensmittelpunkt nicht mehr mit dem Bf teilt und daher dieses Konfliktpotential ebenfalls reduziert wurde. Bestätigung – wenn auch nur sehr kurz zeitlich erprobt, aber aufgrund der vorangegangenen hohen Frequenz der Delinquenz des Bf dennoch aussagekräftig – findet diese Gefährdungsprognose darin, dass der Bf in der KPA seit seiner Entlassung aus der Haft keine weiteren Eintragungen gegen sich gelten lassen muss. Bestätigung findet dies durch die Ausführungen seiner Bewährungshelferin.

 

4. Als Zwischenergebnis kann somit festgestellt werden, dass der Bf dem Grunde nach das Gefährdungspotential – wenn auch in geminderter Form –, welches für § 63 Abs. 1 FPG gefordert ist, erfüllt.

 

5. Gemäß § 61 Abs. 1 FPG ist, sofern durch eine Rückkehrentscheidung, eine Ausweisung oder ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

 

Gemäß § 61 Abs. 2 FPG sind bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtmäßig war;

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens;

4. der Grad der Integration;

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden;

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit;

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl- Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts;

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltstatus bewusst waren;

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

 

5.1. Im Sinne der zitierten Normen ist somit eine Interessensabwägung – basierend auf einer einzelfallbezogenen Gesamtbetrachtung – vorzunehmen.

 

Es ist festzuhalten, dass es gestützt auf die ständige Rechtsprechung der Höchstgerichte grundsätzlich zulässig und erforderlich ist, Maßnahmen zu ergreifen, um der Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit effektiv zu begegnen. Daraus folgt, dass das diesbezügliche öffentliche Interesse äußerst hoch anzusetzen ist und ein Aufenthaltsverbot grundsätzlich ein nicht inadäquates Mittel darstellt, um einen rechtskonformen Zustand wiederherzustellen. Dies gilt jedoch nur insofern, als die privaten bzw. familiären Interessen im jeweils konkreten Einzelfall nicht als höherrangig anzusehen sind.

 

5.2. Im gegenständlichen Fall ist mit Blick auf die unter Punkt 4. getätigten Ausführungen zu beachten, dass sich der Bf seit 2003 rechtmäßig in Österreich aufhält (§ 64 Abs. 1 FPG findet daher keine Anwendung). Zudem ist zu erkennen, dass der Bf einen wesentlichen Teil seiner Schul- und Berufsausbildung in Österreich absolviert hat, weitgehend und kontinuierlich im Berufsleben integriert ist und darüber hinaus starke soziale integrative Elemente aufweist. So ist der Bf über Jahre hinweg in Vereinen in X tätig und integriert. Kenntnisse der deutschen Sprache weist der Bf ebenso auf, nachdem er einen positiven Hauptschulabschluss im bezughabenden Fach – wenn auch mit Genügend – ins Treffen führen kann. Weiters ist mit Blick auf das Privatleben des Bf zu erkennen, dass sich seine Kern- als auch erweiterte Familie in Österreich niedergelassen hat und er lediglich rudimentäre Kontakte zu seinem Heimatstaat aufweist. Der Bf ist im Alter von ca. 10 Jahren bereits aus seiner Heimat ausgewandert und hat dort im Rahmen seiner Schulbildung zwar grundlegendes Wissen und entsprechende Kontakte erworben. Es muss jedoch in diesem Punkt ebenfalls erkannt werden, dass nicht unwesentliche Phasen der Persönlichkeitsbildung aber zur Gänze in Österreich stattgefunden haben.

 

Hinzutritt, dass der Bf der Vater eines Kindes in Österreich ist, und für dieses auch seine Sorgepflichten zu erfüllen hat. Zwar kann das Familienleben mit der Mutter des Kindes – aufgrund der Anamnese rund um die Straftaten – nicht bzw. nur sehr eingeschränkt als Familienleben bewertet werden, doch ist die Gewichtung des Privatlebens des Bf im Hinblick auf die lange Dauer seines Aufenthalts und multiple, nachhaltige integrative Elemente als besonders hoch zu bewerten. Da nun das Gefährdungspotential bei genauem Blick auf die Straftaten und der Zurseitestellung der Bewährungshilfe für einen längeren Zeitraum entsprechend abgeschwächt ist, überwiegen (derzeit noch) die in Art 8 EMRK angelegten Elemente des Schutzes des „Privatlebens“ die zweifellos bestehenden öffentlichen Interessen (s zur Abwägung statt vieler VwGH 10. Dezember 2008, Zl. 2008/22/0843).

 

6. Wiewohl an dieser Stelle erkannt werden muss, dass die weitere Verhaltensweise des Bf – besonders mit Blick auf sein Resozialisierungsverhalten innerhalb der Probezeit – eine Verkehrung der Interessensabwägung herbeiführen kann.

 

 

IV.

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art.133 Abs.4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Dr. Markus Brandstetter