LVwG-300314/37/KLi/TK

Linz, 02.07.2014

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Dr. Karin Lidauer über die Beschwerde des Finanzamtes Grieskirchen Wels vom 24. April 2014 gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes von Kirchdorf an der Krems vom 2. April 2014, GZ: SV96-30-2013, wegen Übertretung des ASVG

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

I.         Gemäß § 50 VwGVG  wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

 

 

II.       Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.1. Mit Bescheid vom 2. April 2014, GZ: SV96-30-2013, entschied die belangte Behörde, dass das gegen den Beschuldigten, X, eingeleitete Verwaltungsstrafverfahren wegen des Verdachtes von insgesamt fünf Übertretungen gemäß § 111 Abs. 1 Z 1 iVm § 33 Abs. 1 ASVG eingestellt werde:

 

1.   X, geb. X; Beschäftigungsort und –dauer:

a)   X (7.1.2013 bis 11.1.2013)

b)   X (12.4.2013 und 13.4.2013)

 

2.   X, geb. X; Beschäftigungsort und –dauer:

a)   X (11.1.2013)

 

3.   X, geb. X; Beschäftigungsort und –dauer:

a)   X (12.4.2013 und 13.4.2013)

b)   X (19.4.2013, 20.4.2013 und 3.5.2013)

 

4.   X geb. X; Beschäftigungsort und –dauer:

a)   X (19.1.2013, 2.2.2013, 9.2.2013, 1.3.2013, 2.3.2013)

b)   X (6.4.2013)

 

5.   X, geb. X; Beschäftigungsort und –dauer:

a)   X (26.1.2013, 2.2.2013, 9.2.2013, 2.3.2013)

b)   X (6.4.2013)

 

Begründend führte die belangte Behörde aus, dass die Beschwerdeführerin (Finanzpolizei Team 46/Finanzamt Grieskirchen Wels) am 19.6.2013 zu GZ. 054/10647/24/0113 einen Strafantrag gegen den Beschuldigten, X, wegen  des  Verdachts  von  insgesamt  fünf  Verwaltungsübertretungen gemäß § 111 Abs. 1 iVm § 33 Abs. 1 ASVG gestellt habe. Der Beschuldigte habe als Dienstgeber die im Spruch angeführten Personen, bei welchen es sich um in der Krankenversicherung (vollversicherte) pflichtversicherte Personen gehandelt habe, zu den angeführten Zeiten an den angeführten Orten als Dienstnehmer beschäftigt, obwohl diese nicht vor Arbeitsantritt bei der Oö. Gebietskranken­kasse als zuständigem Sozialversicherungsträger zur Pflichtversicherung als vollversicherte Personen angemeldet wurden. Er wäre als Dienstgeber verpflichtet gewesen, die Beschäftigten vor Arbeitsantritt anzumelden und wäre die Meldung nicht erstattet worden. Der Beschuldigte würde dem gegenüber bestreiten, dass er die fünf genannten Personen in wirtschaftlicher und persönlicher Abhängigkeit beschäftigt habe. Dem im Rahmen der Rechtfertigung vorgebrachten Einwand, die Aussage des Beschuldigten vom 16.5.2013, wonach dieser der „Partieführer“ sei, hätte sich auf seine Tätigkeit für die Fa. X bezogen, sei zu folgen. Diese Aussagen bezogen sich offenkundig nicht auf die verfahrensgegenständlichen Tätigkeiten, weshalb daraus auch nicht abgeleitet werden habe können, die fünf Arbeiter hätten auf Anweisung des Beschuldigten gearbeitet. Der Umstand, dass der Beschuldigte den Kontakt mit den Bauherren hergestellt habe, vermöge für sich alleine betrachtet noch kein Dienstverhältnis zu begründen, insbesondere dann, wenn, wie im vorliegenden Fall, eine „Direktabrechnung“ der Arbeiter mit den Bauherren erfolgt sei. Andere Anhaltspunkte, dass eine persönliche und wirtschaftliche Abhängigkeit zwischen dem Beschuldigten und den fünf genannten Personen überhaupt bestanden hätte, würden sich aus dem Verfahrensakt nicht ergeben. Selbst wenn die Oö. GKK davon ausgehe, dass Dienstverhältnisse vorgelegen seien, wie von der Finanzpolizei vorgebracht worden sei, so entfalte dies keinerlei Bindungswirkung für die Behörde, zumal das Verfahren (vermutlich über die Vorschreibung eines Beitragszuschlages) offensichtlich noch nicht rechtskräftig finalisiert worden sei.

 

I.2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde der Finanzpolizei Team 46/Finanzamt Grieskirchen Wels vom 24.4.2014, wonach die Behörde kein ordentliches Verfahren geführt und die Einstellung des Verfahrens lediglich aufgrund der Eingabe der rechtsfreundlichen Vertretung des Beschuldigten vorgenommen habe. Insbesondere würden sich die Ausführungen der belangten Behörde vorrangig auf die Aussagen des Beschuldigten selbst stützen und seien die anderen Beschäftigten zum Sachverhalt nicht befragt worden. Eine Befragung der anderen Beschäftigten als Zeugen hätte aber stattfinden müssen, um ein ordentliches Verfahren zu gewährleisten.

 

Gemäß § 539 a Abs. 1 ASVG sei für die Beurteilung von Sachverhalten nach dem ASVG in wirtschaftlicher Betrachtungsweise der wahre wirtschaftliche Gehalt und nicht die äußere Erscheinungsform des Sachverhaltes (z.B. Werkvertrag, Dienstvertrag) maßgebend. Durch den Missbrauch von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten nach bürgerlichem Recht könnten Verpflichtungen nach dem ASVG, insbesondere die Versicherungspflicht, nicht umgangen oder gemindert werden (§ 539 a Abs. 2 ASVG).  Ein Sachverhalt sei so zu beurteilen, wie er bei einer, den wirtschaftlichen Vorgängen, Tatsachen und Verhältnissen angemessenen rechtlichen Gestaltung zu beurteilen gewesen wäre (§ 539 a Abs. 3 ASVG). Im gegenständlich zu beurteilenden Fall seien seitens der Behörde die Erstaussagen des Beschuldigten und die Ausführungen des Strafantrages vom 19.6.2013 keiner Würdigung unterzogen worden. Wie aus dem Strafantrag bzw. den Niederschriften zu entnehmen sei, sei der Beschuldigte immer die Ansprechperson bei den einzelnen Bauvorhaben gewesen. Außerdem seien sämtliche Arbeitsaufzeichnungen, ausgeführte Tätigkeiten und auch teilweise die Auszahlungsbeträge vom Beschuldigten festgehalten worden. Ferner gehe auch die Oö. GKK von Dienstverhältnissen aus.

 

Es werde daher die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung beantragt; ferner der Beschwerde Folge zu geben sowie eine angemessene Strafe zu verhängen.

II. Nachfolgender Sachverhalt steht fest:

 

II.1. Der Beschuldigte, X, hat gemeinsam mit den Zeugen X, X, X, X und X Bauarbeiten auf diversen Baustellen im Bezirk X verrichtet. Das Zustandekommen der Aufträge über die Verrichtung dieser Bautätigkeiten gestaltete sich derart, dass der Beschuldigte und die Zeugen Arbeitskollegen in einem Bauunternehmen waren. Die Bauherren, welche das Bauunternehmen beauftragt hatten, erkundigten sich hauptsächlich beim Beschuldigten – aber auch bei den Zeugen – ob es möglich wäre, diverse Bautätigkeiten ohne Einbindung des Bauunternehmens zu verrichten.

 

II.2. Je nachdem, ob der Beschuldigte oder die Zeugen Zeit und Interesse an einem derartigen Auftrag hatten, erfolgten Zusagen oder Ablehnungen. Jeder der Beteiligten – sowohl der Beschuldigte selbst, als auch jeder einzelne Zeuge – konnte frei entscheiden, ob er sich beteiligen wollte oder nicht. Ebenso konnte jeder Arbeiter für sich bestimmen, welches Entgelt er für seine Leistungen forderte. Dieses Entgelt bewegte sich im Wesentlichen zwischen 15 Euro und 20 Euro. Das Entgelt wurde vom Beschuldigten nicht vorgeschrieben; vielmehr konnten die Zeugen selbst ihr Entgelt festsetzen und mit den Bauherren vereinbaren. Die Bezahlung des Entgelts erfolgte durch die Bauherren direkt an den Beschuldigten und/oder die Zeugen. Lediglich auf einer Baustelle nahm der Beschuldigte die Bezahlung entgegen und verteilte sie auf alle mitarbeitenden Personen. Der Bauherr in diesem Fall leistete keine vollständige Bezahlung, sodass jedem beteiligten Arbeiter ein Teil seines Entgelts entging. Der Beschuldigte musste den mitbeteiligten Zeugen deren Entgelt nicht finanzieren.

 

II.3. Der Beschuldigte entschied nicht über die Arbeitszeit der Zeugen und konnte ihnen nicht vorschreiben, wann und/oder wo sie Tätigkeiten zu verrichten hatten. Ebenso gelangten die Zeugen jeweils selbst mit ihren Privat-Fahrzeugen zu den jeweiligen Baustellen. Ein Fahrzeug des Beschuldigten wurde nicht zur Verfügung gestellt. Ebenso wenig stellte der Beschuldigte Werkzeug für diese Arbeiten zur Verfügung. Die Zeugen verwendeten eigenes Werkzeug; das Baumaterial wurde von den Bauherren selbst beigestellt.

 

II.4. Der Beschuldigte trat lediglich für die Zeugen auf, wenn diese aufgrund mangelnder Deutschkenntnisse nicht dazu in der Lage waren, sich selbst mit den Bauherren zu verständigen. Der Beschuldigte erfüllte allerdings lediglich Dolmetscher- bzw. Vermittlerfunktionen. Eine Anordnung von Arbeitstätigkeiten, -zeiten, -orten oder Gehaltvereinbarungen wurden vom Beschuldigten für die Zeugen nicht abgeschlossen.

 

 

III. Beweiswürdigung:

 

III.1. Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich zunächst aus dem vorliegenden Akt der belangten Behörde, GZ: SV96-30-2013. Aus diesem Akt und den Stellungnahmen des Beschuldigten geht hervor, in welcher Form die Arbeiten des Beschuldigten und der Zeugen organisiert wurden und wie diese Arbeiten abgewickelt wurden.

 

III.2. Ferner ergeben sich die Sachverhaltsfeststellungen zur Anbahnung der Baustellenarbeiten, Arbeitszeit, Arbeitsort, Entgelt, Verwendung von Werkzeug, Materialien und Fahrzeugen aus den übereinstimmenden Aussagen des Beschuldigten und der Zeugen X, X und X. Diese gaben im Wesentlichen übereinstimmend an, dass jeder Arbeiter selbst entscheiden konnte, ob, wann und wo er arbeitete und welches Entgelt er forderte. Auch gaben alle Personen an, über eigenes Werkzeug zu verfügen. Die Aussagen des Beschuldigten und des Zeugen wirkten aber nicht aufeinander abgestimmt, vielmehr ergaben sich diese Aussagen daraus, dass eben mehrere Arbeitskollegen gemeinsam außerhalb ihrer Dienstverhältnisse noch weitergehende Baustellenarbeiten verrichteten. Es verrichteten auch nicht immer alle Arbeiter zur gleichen Zeit auf den gleichen Baustellen Tätigkeiten, sondern entschied jeder Arbeiter, wann und wo er Zeit für diese Tätigkeiten hatte. Außerdem wurden unterschiedliche Entgelte eingefordert, was ebenfalls dafür spricht, dass diese von den Arbeitern selbst und nicht vom Beschuldigten festgesetzt wurden. Ansonsten wäre nicht erklärlich, dass dieser unterschiedliche Entlohnungen für gleiche Arbeiten gefordert hätte.

 

Auch der Umstand, dass der Beschuldigte als Übersetzer für die übrigen Beteiligten fungierte, ist nachvollziehbar. Im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung war die Anwesenheit eines Dolmetsch für die rumänische Sprache und eines solchen für die kroatische (zunächst: slowenische) Sprache erforderlich. Hieraus wird auch ersichtlich, dass sich die übrigen Arbeiter mit Hilfe des Beschuldigten verständigten.

 

Auch aus den Zögerlichkeiten des Zeugen X lassen sich keine Unsicherheiten ableiten. Dieser Zeuge wird als slowenischer Staatsbürger im Akt der belangten Behörde angeführt, sodass zunächst ein Dolmetsch für die slowenische Sprache geladen wurde. Im Zuge der Vernehmung ergab sich allerdings, dass der Zeuge X die kroatische Sprache spricht, weshalb der Dolmetsch sodann die Übersetzungen auf Kroatisch fortsetzte. In der Folge waren keine Kommunikations­probleme mehr gegeben. Die zunächst bestehenden Unsicherheiten können daher auf sprachliche Schwierigkeiten zurückgeführt werden.

 

III.3. Nachdem bereits der Beschuldigte und drei Zeugen übereinstimmende Aussagen ablegten – und dadurch der Sachverhalt hinreichend geklärt werden konnte – wurde auf die Vernehmung der Zeugen X und X, allseits verzichtet.

 

 

 

IV. Rechtslage:

 

IV.1. Als Dienstnehmer gilt gemäß § 4 Abs. 2 ASVG derjenige, der in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt wird, wobei hiezu auch Personen gehören, bei deren Beschäftigung die Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegenüber den Merkmalen selbständiger Ausübung der Erwerbstätigkeit überwiegen; unabhängig davon gelten Personen jedenfalls dann als Dienstnehmer, wenn sie entweder mit einem Dienstleistungscheck nach dem Dienstleistungsscheckgesetz entlohnt werden, oder wenn sie nach § 47 Abs.1 iVm Abs.2 des Einkommen­steuergesetzes (EStG) lohnsteuerpflichtig  sind,  soweit  es sich nicht um Bezieher von Einkünften nach § 25 Abs.1 Z 4 lit. a oder b EStG oder um Bezieher von Einkünften nach § 25 Abs.1 Z 4 lit. c EStG, die in einem öffentlich-rechtlichen Verhältnis zu einer Gebietskörperschaft stehen, handelt.

 

IV.2. Gemäß § 33 Abs.1 ASVG haben Dienstgeber jede von ihnen beschäftigte, nach diesem Bundesgesetz in der Krankenversicherung pflichtversicherte Person (Vollversicherte und Teilversicherte) vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden und binnen sieben Tagen nach dem Ende der Pflichtversicherung abzumelden. Die An(Ab)meldung durch den Dienstgeber wirkt auch für den Bereich der Unfall- und Pensionsversicherung, soweit die beschäftigte Person in diesen Versicherungen pflichtversichert ist. Gemäß Abs. 2 leg.cit. gilt Abs.1 für die nur in der Unfall- und Pensions­versicherung sowie für die nur in der Unfallversicherung nach § 7 Z 3 lit. a Pflichtversicherten mit der Maßgabe, dass die Meldungen beim Träger der Krankenversicherung, der beim Bestehen einer Krankenversicherung nach diesem Bundesgesetz für sie sachlich und örtlich zuständig wäre, zu erstatten ist.

 

IV.3. Nach § 35 Abs.1 ASVG gilt als Dienstgeber im Sinne dieses Bundesgesetzes derjenige, für dessen Rechnung der Betrieb (die Verwaltung, die Hauswirtschaft, die Tätigkeit) geführt wird, in dem der Dienstnehmer (Lehrling) in einem Beschäftigungs(Lehr)verhältnis steht, auch wenn der Dienstgeber den Dienstnehmer durch Mittelspersonen in Dienst genommen hat oder ihn ganz oder teilweise auf Leistungen Dritter an Stelle des Entgelts verweist. Dies gilt entsprechend auch für die gemäß § 4 Abs.1 Z 3 pflichtverischerten

 

 

IV.4. Gemäß § 111 Abs.1 ASVG handelt ordnungswidrig, wer als Dienstgeber oder sonstige nach § 36 meldepflichtige Person (Stelle) oder als bevollmächtigte Person nach § 35 Abs. 3 entgegen den Vorschriften dieses Bundesgesetzes 1. Meldungen oder Anzeigen nicht oder falsch oder nicht rechtzeitig erstattet oder 2. Meldungsabschriften nicht oder nicht rechtzeitig weitergibt oder 3. Auskünfte nicht oder falsch erteilt oder 4. gehörig ausgewiesene Bedienstete oder Versicherungsträger während der Betriebszeiten nicht in Geschäftsbücher, Belege und sonstige Aufzeichnungen, die für das Versicherungsverhältnis bedeutsam sind, einsehen lässt. Gemäß § 111 Abs.2 leg.cit. ist die Ordnungswidrigkeit nach Abs.1 von der Bezirksverwaltungsbehörde als Verwaltungsübertretung zu bestrafen, und zwar mit Geldstrafe von 730 Euro bis 2.180 Euro, im Wiederholungsfall von 2.180 Euro bis 5.000 Euro, bei Uneinbringlichkeit der Geldstrafe mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen, sofern die Tat weder den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet noch nach anderen Verwaltungsbestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist. Unbeschadet der §§ 20 und 21 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 kann die Bezirksverwaltungsbehörde bei erstmaligem ordnungswidrigen Handeln nach Abs.1 die Geldstrafe bis auf 365 Euro herabsetzen, wenn das Verschulden geringfügig und die Folgen unbedeutend sind.

 

IV.5. Gemäß § 539a Abs.1 ASVG ist für die Beurteilung von Sachverhalten nach diesem Bundesgesetz in wirtschaftlicher Betrachtungsweise der wahre wirtschaftliche Gehalt und nicht die äußere Erscheinungsform des Sachverhaltes (zB Werkvertrag, Dienstvertrag) maßgebend. Gemäß Abs.2 leg.cit. können durch den Missbrauch von Formen und durch Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechtes Verpflichtungen nach diesem Bundesgesetz, besonders die Versicherungspflicht, nicht umgangen oder gemindert werden. Ferner ist gemäß Abs.3 leg.cit. ein Sachverhalt ist so zu beurteilen, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen, Tatsachen und Verhältnissen angemessenen rechtlichen Gestaltung zu beurteilen gewesen wäre. Nach Abs.4 leg.cit. sind Scheingeschäfte und andere Scheinhandlungen für die Feststellung eines Sachverhaltes nach diesem Bundesgesetz ohne Bedeutung. Wird durch ein Scheingeschäft ein anderes Rechtsgeschäft verdeckt, so ist das verdeckte Rechtsgeschäft für die Beurteilung maßgebend. Gemäß Abs.5 leg.cit. gelten die Grundsätze, nach denen (1.) die wirtschaftliche Betrachtungsweise, (2.) Scheingeschäfte, Formmängel und Anfechtbarkeit sowie (3.) die Zurechnung nach den §§ 21 und 24 der Bundesabgabenordnung für Abgaben zu beurteilen sind, auch dann, wenn eine Pflichtversicherung und die sich daraus ergebenden Rechts und Pflichten nach diesem Bundesgesetz zu beurteilen sind.

 

 

V.           Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat hiezu erwogen:

 

V.1. Ausschlaggebend dafür, ob der Beschuldigte eine Übertretung des § 33 Abs. 1 ASVG zu verantworten hat, ist die Frage, ob die Zeugen in wirtschaftlicher Abhängigkeit vom Beschuldigten und gebunden an dessen Weisungen Arbeiten verrichteten oder nicht. Nach dem festgestellten Sachverhalt konnte jeder der Zeugen für sich entscheiden, ob, wann und wo er Baustellenarbeiten verrichtete. Auch das jeweilige Entgelt wurde nicht vom Beschuldigten festgesetzt, sondern konnte jeder Zeuge selbst darüber bestimmen. Dies ergibt sich auch daraus, dass z.B. der Zeuge X lediglich 15 Euro, der Zeuge X allerdings 20 Euro pro Stunde forderte, dies bei im Wesentlichen gleicher Arbeitstätigkeit. Weshalb hier eine Differenz von 5 Euro bestehen sollte, wenn der Beschuldigte tatsächlich der Dienstgeber der Zeugen gewesen sein sollte, wäre wirtschaftlich nicht erklärlich.

 

Außerdem blieb einer der Bauherren einen Teil des vereinbarten Entgeltes schuldig. Sowohl der Beschuldigte als auch die Zeugen erhielten jeweils ihre Anteile nicht. Wäre der Beschuldigte Dienstgeber der Zeugen gewesen, hätten diese vom Beschuldigten ihren Arbeitslohn einfordern können und wäre es Sache des Beschuldigten gewesen, die ausstehenden Beträge vom Bauherren einbringlich zu machen. Auch dies spricht dafür, dass sämtliche Personen selbständig tätig waren.

 

Letztlich verwendeten alle ihre eigenen KFZ und Werkzeug, das Material wurde von den Bauherren selbst beigestellt und nicht vom Beschuldigten. Insgesamt kann daher keine Dienstgebereigenschaft des Beschuldigten gegenüber den Zeugen festgestellt werden.

 

V.2. Auch aus dem Umstand, dass die Oö. GKK ein eigenes Beitragszuschlagsverfahren eingeleitet hat – welches bei Schluss der öffentlichen mündlichen Verhandlung noch nicht entschieden war – können keine Rückschlüsse auf die Dienstgebereigenschaft des Beschuldigten gezogen werden.

 

Diesbezüglich ist festzuhalten, dass das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich nach § 38 AVG die Vorfrage, ob die vom Beschuldigten nicht zur Sozialversicherung gemeldeten Zeugen in der konkreten Tätigkeit der Pflichtversicherung unterlagen, selbst zu beurteilen hat oder – sofern ein diesbezügliches Feststellungsverfahren bereits anhängig gewesen wäre oder gleichzeitig anhängig gemacht worden wäre – das Strafverfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Vorfrage auch hätte aussetzen können. Durch die Beurteilung dieser Vorfrage der Pflichtversicherung in einem Verwaltungsstrafverfahren wird diese Frage zwar für die konkrete Sache beantwortet, nicht aber mit Bindungswirkung für das Hauptfrageverfahren – die Feststellung der Pflichtversicherung – entschieden. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich war daher gehalten, selbst über das Vorliegen einer der Pflichtversicherung unterliegenden Tätigkeit zu entscheiden. Das Verfahren vor der Oö. Gebietskrankenkasse bzw. die Entscheidung der Oö. Gebietskrankenkasse stellt daher keine die Verwaltungsstrafbehörde bindende Entscheidung dar (VwGH 16.3.2011, 2008/08/0040).

 

Insofern hatte das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich die diesbezügliche Frage selbst im obigen Sinne zu beantworten.

 

V.3. Zusammengefasst kann daher dem Beschuldigten ein Verstoß gegen die Dienstgeberpflichten des ASVG nicht vorgeworfen werden. Die belangte Behörde hat das Verwaltungsstrafverfahren gegen den Beschuldigten insofern zu Recht eingestellt. Der Bescheid der belangten Behörde vom 2.4.2014, GZ SV96-30-2013 ist deshalb nicht zu beanstanden und war die Beschwerde der Finanzpolizei vom 24.4.2014 daher abzuweisen.

 

 

VI.         Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Dr. Karin Lidauer