LVwG-600345/2/Zo/KR

Linz, 07.07.2014

 

 

 


Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Mag. Gottfried Zöbl über die Beschwerde des x, geb. x, vertreten durch RA Mag. x, vom 15.5.2014 gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes des Bezirkes Freistadt, vom 12.5.2014, VerkR96-2915-2013 wegen einer Übertretung der StVO

 

 

zu Recht  e r k a n n t :

 

 

I.          Das angefochtene Straferkenntnis wird aufgehoben.

 

 

II.       Der Beschwerdeführer hat für das Beschwerdeverfahren keinen Kostenbeitrag zu bezahlen.

 

 

III.     Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision des Beschwerdeführers an den Verwaltungsgerichtshof  nicht zulässig; für die belangte Behörde und die revisionslegitimierte Formalpartei ist keine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof zulässig.

 

 

 

 

 

 

 

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

 

Zu I.:

1.           Die Bezirkshauptmannschaft Freistadt hat dem Beschwerdeführer im  angefochtenen Straferkenntnis vorgeworfen, dass er am 13.10.2013 um 04:15 Uhr in Pregarten auf der Gemeindestraße Aisttal/Kreuzung mit der Gutauer Straße als Fußgänger nicht den äußersten Fahrbahnrand benutzt habe.

Der Beschwerdeführer habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 76 Abs. 1 StVO begangen, weshalb über ihn gemäß § 99 Abs. 3 lit. a StVO eine Geldstrafe in Höhe von 40 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 19 Stunden) verhängt wurde. Weiters wurde er zur Zahlung eines Verfahrenskostenbeitrages in Höhe von 10 Euro verpflichtet.

 

2.           In der dagegen rechtzeitig eingebrachten Beschwerde führte der Beschwerdeführer zusammengefasst folgendes aus:

 

Er habe die ihm vorgeworfene Tat nicht begangen. Er sei am 13.10.2013 um 04:15 Uhr Beifahrer eines PKW gewesen, welcher bei Beginn der Straße Aisttal vom Verkehrsüberwachungsdienst angehalten worden sei. Bei der Straße Aisttal handle es sich um eine Sackgasse. Die Amtshandlung habe mitten auf der Straße stattgefunden, weshalb der Vorwurf, dass er nicht den Fahrbahnrand benutzt habe, völlig absurd sei.

 

Es sei richtig, dass er im Zuge der Amtshandlung das Fahrzeug verlassen habe. Die Fahrbahn sei dort etwas mehr als 3 m breit, weshalb die Aufforderung des Polizisten, er müsste den Fahrbahnrand benutzen, absurd gewesen sei, weil ein eventuell herankommendes anderes Fahrzeug am angehaltenen Pkw gar nicht hätte vorbeifahren können. Es hätte daher keinesfalls zu einer Gefährdung kommen können. Darüber hinaus handle es sich um eine Sackgasse, aus welcher um die Zeit der Amtshandlung üblicherweise keine Fahrzeuge kommen. Außerdem wären annähernde Fahrzeuge aufgrund der Dunkelheit schon von weitem erkennbar gewesen.

 

Der Zeuge Gruppeninspektor x habe nicht angeben können, wo das Fahrzeug des Lenkers, welcher ihn heimgefahren habe, angehalten wurde und wo bzw. welche Fahrbahn er angeblich rechtswidrig verwendet habe. Der Tatort sei somit nicht ausreichend konkretisiert. Es sei weder der Anzeige noch den weiteren Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens zu entnehmen, ob der Tatort die Gutauerstraße oder die Straße mit der Bezeichnung Aisttal gewesen sei.

 

Die Verpflichtung, den äußersten Fahrbahnrand zu benutzen, bestehe gemäß     § 76 Abs. 1 StVO nur dann, wenn weder Gehsteige, Gehwege noch ein Straßenbankett vorhanden seien. Dem angefochtenen Bescheid würden aber Feststellungen dahingehend fehlen, ob an der gegenständlichen Stelle ein Gehsteig, Gehweg oder Straßenbankett vorhanden gewesen sei. Der Bescheid sei daher nicht überprüfbar und schon aus diesem Grund rechtswidrig und aufzuheben (VwGH v. 29.2.2008, 2007/02/0242).

 

Nach der Rechtsprechung des VwGH 95/02/0438 vom 29.5.1998 sei Fußgänger jemand, der losgelöst von einem Verkehrsmittel den Weg zu Fuß zurückgelegt. Dies war jedoch nach den von der Behörde getroffenen Feststellungen nicht der Fall. Er habe nämlich zum Zeitpunkt der gegenständlichen Amtshandlung gerade nicht die Eigenschaften eines Fußgängers im Sinne dieser Judikatur aufgewiesen. Er sei nämlich nur wegen der Amtshandlung auf der Straße gewesen und habe sich später wieder in den Pkw begeben. Er habe zu keinem Zeitpunkt beabsichtigt, losgelöst vom Pkw einen Weg zu Fuß zurückzulegen. Die Bestimmung des § 76 Abs. 1 StVO sei daher auf ihn nicht anzuwenden.

 

Der Beschwerdeführer beantragte daher die Aufhebung des Straferkenntnisses und Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens.

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Freistadt hat die Beschwerde dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich vorgelegt. Dieses hat durch den nach der Geschäftsverteilung zuständigen Einzelrichter zu entscheiden (§ 2 VwGVG).

 

4. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt. Bereits aus dieser ergibt sich, dass das Straferkenntnis aufzuheben ist, weshalb die öffentliche mündliche Verhandlung gemäß § 44 Abs. 2 VwGVG entfällt.

 

4.1. Folgender wesentliche Sachverhalt steht fest:

 

Der Beschwerdeführer war zur Vorfallszeit als Beifahrer in einem Pkw unterwegs. Dieser PKW wurde vom Polizeibeamten Gruppeninspektor x zu einer Verkehrskontrolle angehalten, wobei der Lenker des Fahrzeuges dieses im Bereich der Gutauer Straße – Gemeindestraße Aisttal anhielt. Während der Verkehrskontrolle begann der am Beifahrersitz sitzende Beschwerdeführer zu schreien und zu schimpfen und stieg in weiterer Folge aus dem Fahrzeug aus. Er sprang laut schimpfend auf der Straße umher. Der Polizeibeamte forderte den Beschwerdeführer auf, die Fahrbahn zu verlassen bzw. sich an den Fahrbahnrand zu begeben, dieser kam der Aufforderung jedoch nicht nach. Der Polizeibeamte mahnte den Beschwerdeführer wegen seines Verhaltens mehrmals ab und drohte auch die Festnahme an, schließlich gelang es jedoch dem Lenker, den Beschwerdeführer soweit zu beruhigen, dass sich diese wieder ins Fahrzeug setzte.

 

Die Fahrbahn der Gemeindestraße Aisttal ist im gegenständlichen Bereich nach den unwidersprochenen Behauptungen des Beschwerdeführers nur etwas mehr als 3 m breit. Ob sie einen Gehsteig, einen Gehweg oder ein Straßenbankett aufweist, ist weder aus der Anzeige, den Zeugenaussagen noch dem im Akt befindlichen Luftbild ersichtlich.

 

5. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat in rechtlicher Hinsicht  erwogen:

                     

5.1. Gemäß § 76 Abs. 1 StVO haben Fußgänger, auch wenn sie Kinderwagen oder Rollstühle schieben oder ziehen, auf Gehsteigen oder Gehwegen zu gehen; sie dürfen nicht überraschend die Fahrbahn betreten. Sind Gehsteige oder Gehwege nicht vorhanden, so haben Fußgänger das Straßenbankett und, wenn auch dieses fehlt, den äußersten Fahrbahnrand zu benutzen; hiebei haben Sie auf Freilandstraßen, außer im Falle der Unzumutbarkeit, auf dem linken Straßenbankett (auf dem linken Fahrbahnrand) zu gehen. Benützer von selbstfahrenden Rollstühlen dürfen Gehsteige, Gehwege und Fußgängerzonen in Schrittgeschwindigkeit befahren.

 

5.2. § 76 Abs. 1. Satz StVO bestimmt also, dass Fußgänger Gehsteige oder Gehwege benützen müssen. Sind derartige Einrichtungen nicht vorhanden, so haben sie gemäß § 76 Abs. 1 2. Satz StVO das Straßenbankett, fehlt auch dieses, so haben sie den äußersten Fahrbahnrand zu benützen.

 

Die Frage, welchen Teil der Straße die Fußgänger zu benützen haben, ist daher von der baulichen Ausgestaltung der jeweiligen Straße abhängig. Lediglich dann, wenn weder ein Gehsteig, ein Gehweg noch ein Straßenbankett vorhanden sind, sind die Fußgänger berechtigt und verpflichtet, den äußersten Fahrbahnrand zu benützen. Ein Fußgänger, welcher sich „mitten auf der Fahrbahn“ aufhält, begeht, je nachdem, welche baulichen Einrichtungen vorhanden sind, jeweils eine andere Verwaltungsübertretung. Dies ergibt sich auch aus der vom Beschwerdeführer zutreffend angeführten Entscheidung des VwGH v. 29.2.2008, 2007/02/0242.

 

Im konkreten Fall wurde dem Beschwerdeführer vorgeworfen, nicht den äußersten Fahrbahnrand benutzt zu haben. Dieser Vorwurf entspräche dann dem § 76 Abs. 1 StVO, wenn die gegenständliche Straße weder einen Gehsteig oder Gehweg noch ein Straßenbankett aufweisen sollte. Sollte die Straße jedoch eine derartige Einrichtung aufweisen, so hätte der Beschwerdeführer - unter der Annahme, dass er das ihm vorgeworfene Verhalten tatsächlich gesetzt hat - eine andere Verwaltungsübertretung begangen als jene, welche ihm von der Bezirkshauptmannschaft Freistadt vorgeworfen wurde.

 

Dabei handelt es sich nicht bloß um eine Frage einer allenfalls möglichen Spruchkorrektur durch das Landesverwaltungsgericht sondern darum, dass der Beschwerdeführer möglicherweise eine andere Verwaltungsübertretung begangen hat, als jene, welche ihm vorgeworfen wurde. Das Landesverwaltungsgericht darf jedoch die dem Beschwerdeführer  vorgeworfene Verwaltungsübertretung nicht durch eine andere (wenn auch ähnliche) ersetzen. Im konkreten Fall war daher das Straferkenntnis aufzuheben, das Verwaltungsstrafverfahren jedoch noch nicht einzustellen, weil die Frist für die Verfolgungsverjährung noch nicht eingetreten ist. Die Bezirkshauptmannschaft Freistadt hat noch die Möglichkeit, nach Durchführung der notwendigen Ermittlungen jene Verwaltungsübertretung konkret vorzuwerfen, welche der Beschuldigte ihrer Ansicht nach tatsächlich begangen hat. In diesem Zusammenhang ist noch darauf hinzuweisen, dass nach der vom Beschwerdeführer angeführten Judikatur des VwGH ein Beifahrer, welcher bei einer Verkehrskontrolle aus dem PKW aussteigt und eine Diskussion mit den Polizeibeamten beginnt, als Fußgänger anzusehen ist.

 

Zu II.:

Die Entscheidung über die Kosten ist in § 52 VwGVG begründet.

 

Zu III.:

Die ordentliche Revision ist für die belangte Behörde und die revisionsberechtigte Formalpartei unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Verhalten der Fußgänger ab, noch fehlt es an einer solchen. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

Für den Beschwerdeführer ist gemäß § 25a Abs. 4 VwGG keine Revision an den Verwaltungsgerichtshof zulässig.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde ist eine Eingabegebühr von 240.- Euro zu entrichten.

Da für den vorliegenden Fall gemäß § 25a Abs. 4 VwGG eine Revision nur wegen Verletzung in subjektiven Rechten (Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG) ausgeschlossen ist, steht der belangten Behörde / der revisionslegitimierten Formalpartei die außerordentliche Revision beim Verwaltungsgerichtshof offen, die beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich einzubringen ist.

 

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

 

 

 

 

Mag. Gottfried  Z ö b l