LVwG-750045/5/MB/SPE

Linz, 23.06.2014

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Dr. Markus Brandstetter über die Beschwerde des X, geb. X, StA Kosovo, vertreten durch RA X, X, X im Innkreis, gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes von Eferding vom 12. März 2013, GZ: Sich40-671-2002,

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

I.         Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

 

II.       Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

 

I.

 

1. Mit Bescheid des Bezirkshauptmannes des Bezirks Eferding (im Folgenden: belangte Behörde) wurde der Antrag des Beschwerdeführers (im Folgenden Beschwerdeführer: Bf) vom 17. September 2012 auf Erteilung einer Rot-Weiß-Rot-Karte plus gem. § 41a Abs. 3 NAG 2005 abgewiesen und die aufschiebende Wirkung der Beschwerde ausgeschlossen.

 

Begründend führt die belangte Behörde aus:

„Gem. § 26 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz 2005 (NAG) hat der Fremde, wenn er den Aufenthaltszweck während seines Aufenthalts in Österreich ändern will, dies der Behörde im Inland unverzüglich bekannt zu geben. Eine Zweckänderung ist nur zulässig, wenn der Fremde die Voraussetzungen für den beantragten Aufenthaltstitel erfüllt und ein gegebenenfalls erforderlicher Quotenplatz zur Verfügung steht. Sind alle Voraussetzungen gegeben, hat der Fremde einen Rechtsanspruch auf Erteilung dieses Aufenthaltstitels. Liegen die Voraussetzungen nicht vor, ist der Antrag abzuweisen; die Abweisung hat keine Auswirkung auf das bestehende Aufenthaltsrecht.

 

Gem. § 41a Abs. 3 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz 2005 (NAG) kann Drittstaatsangehörigen in einem Verfahren gem. § 24 Abs. 4 NAG oder § 26 NAG ein Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" erteilt werden, wenn sie

1. die Voraussetzungen des 1. Teiles erfüllen,

2. das Modul 1 der Integrationsvereinbarung (§ 14a NAG) erfüllen und

3. mindestens 12 Monate über eine Aufenthaltsbewilligung gem. § 69a NAG verfügt haben und die Voraussetzungen des § 69a weiterhin vorliegen.

Vom weiteren Vorliegen der Voraussetzungen des § 69a kann abgesehen werden, wenn der Drittstaatsangehörige in den letzten drei Jahren über eine Aufenthaltsbewilligung gemäß § 69a verfügt hat.

 

Sie sind Staatsbürger von Kosovo und stellten, nachdem Sie am 23.06.2002 legal mit dem Flugzeug kommend in Wien Schwechat nach Österreich einreisten, am 29.10.2002 beim BAA Linz einen Antrag auf internationalen Schutz. Dieser Antrag wurde in 1. Instanz rechtskräftig am 07.02.2004 gem. §§7,8 AsylG abgewiesen. Mit Wirkung vom 29.07.2004 stellten Sie ein Asylfolgebegehren. Dieses Begehren wurde gem. § 68 AVG wegen bereits entschiedener Sache zurückgewiesen und letztlich das Asylverfahren wegen unbekannten Aufenthaltes am 18.01.2005 eingestellt.

Mit Antrag vom 22.04.2009 wurde Ihnen ein Visum "D" für Saisoniers gültig ab dem 26.04.2009 bis 25.10.2009 ausgestellt und erfolgte Ihre Einreise nach Österreich rechtmäßig. Am 20.05.2009 kam es zu einem Arbeitsunfall. Der stationäre Krankenaufenthalt im X und im Anschluss im Rehazentrum X endete am 12.09.2009.

Seit dem 05.11.2009 bis dato beziehen Sie Pension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit. Seit dem 01.06.2011 bis dato beziehen Sie eine Unfallrente kleiner als 50 %.

 

Ärztliche Untersuchungen fanden zuletzt im 4Monats-Rythmus statt. Die letzte aktenkundige Krankenkontrolle fand am 21.06.2011 statt und empfahl man Ihnen die Metallentfernung des X, was Sie jedoch mit dem Hinweis, einen geeigneten Termin finden zu müssen, ablehnten.

Mitwirkung vom 18.03.2010 stellten Sie persönlich bei der Bezirkshauptmannschaft Eferding einen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung beschränkt gem. § 44 Abs. 3 NAG. Mit Eingabe Ihres Rechtsanwaltes X vom 22.03.2010 begründeten Sie diesen Antrag wie folgt:

Zur Aufrechterhaltung Ihres Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK würden Sie einen Aufenthaltstitel benötigen. Sie hätten zwar eine eigene Wohnung in der X in X, würden aber von Ihren beiden Onkeln väterlicherseits, welche in X und in X wohnen, in deren Familien mitbetreut. Sie würden von den beiden Familien verpflegt werden, Ihnen würde die Wäsche gewaschen und würden Sie sonst in jeder Weise versorgt werden. Sie würden auch emotionale Zuwendung erfahren, wenn Sie sich nicht wohl fühlen und wenn sie kränklich oder leidend seien. Eine Lebensgefährtin oder Ehegattin hätten Sie nicht.

 

Ihr Gesundheitszustand würde zwar eine Abschiebung nach Kosovo nicht unzulässig machen, Sie hätten aber ein eminentes Interesse daran, nach dem schweren Arbeitsunfall am 20.05.2009 in Österreich regelmäßig betreut zu werden, auch in psychologischer Hinsicht. Sie hätten panische Angst davor, im Kosovo irgendwelchen Infektionen zu erlegen, eine Behandlung im Heimatland nicht bezahlen zu können und aufgrund der Mängel im Gesundheitswesen im Kosovo früher zu versterben als es sonst Ihrer Lebenserwartung entsprechen würde. Ihr Fall sei ähnlich gelagert wie jener des X (Sich40-605-1997). Bei Herrn X sei festgestellt worden, dass aufgrund seines in Österreich erlittenen Arbeitsunfalls und der daraus resultierenden Behinderung mit 60%iger Erwerbsminderung ein besonderes Interesse an der weiteren Führung des Privat- und Familienlebens in Österreich bestünde, um eine gegebenenfalls erforderliche Unterstützung von den vielen überwiegend in Österreich aufhältigen Verwandten etc. zu erhalten.

 

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 20.04.2006, 2005/01/0556, festgehalten hätte, greift die schlichte Bezugnahme auf die gesicherte medizinische Grundversorgung im Kosovo in Einzelfällen zu kurz.

 

Ärztliche Behandlungen und Medikamente müsste sich ein Patient nämlich leisten können bzw. müssen ihm zur Verfügung gestellt werden, wenn er über kein Einkommen verfügt. Tatsächlich sei für bestimmte Personengruppen die Gesundheitsversorgung kostenlos. Seitens des medizinischen Personals würden allerdings gewisse Aufmerksamkeiten erwartet werden, um ihr geringes Durchschnittseinkommen aufzubessern. Interessant seien Zahlenvergleiche zwischen Österreich und Kosovo. Die Lebenserwartung in Österreich hätte 2008 bei Frauen zum Zeitpunkt der Geburt 83 Jahre betragen, bei Frauen im Alter von 65 Jahren würde die Lebenserwartung 85,8 Jahre betragen. Vergleichszahlen zur Lebenserwartung im Kosovo würden fehlen. Die Lebenserwartung im Kosovo würde aber bedeutend niedriger sein. Während es im Kosovo 737 zugelassen Privatärzte und Praxen gebe, sowie 40 zugelassene Behandlungszentren, scheinen in Oberösterreich 2009 1.121 niedergelassene Ärzte und Ärztinnen auf, davon 698 für Allgemeinmedizin. Oberösterreich hätte 1,4 Millionen Einwohner, Kosovo 2 Millionen Einwohner. In Oberösterreich hätte es 2007 10.447 systemisierte Krankenhausbetten gegeben. Das seien durch sanitätsbehördliche Bewilligung festgelegte Betten. Die Bettenkapazität der Universitätsklinik Prishtina würde rund 2.000 Betten betragen. 2007 hätte es in Oberösterreich 36 Krankenanstalten, davon 16 Allgemeine, 15 Sonderkrankenanstalten und Genesungsheime, 3 Sanatorien und 2 Pflegeanstalten für chronisch Kranke gegeben. Demgegenüber dürfte es im Kosovo lediglich 6 Regionalkrankenhäuser und das Universitätsklinikum geben.

Die Versorgungskette im Akutfall sei in Österreich sicher unverhältnismäßig besser, als in Kosovo. 40 - 50 % aller Schlaganfallpatienten in Österreich würden innerhalb der ersten 90 Minuten nach dem Ereignis eine Behandlung erhalten. Wieviele der Patienten im Kosovo innerhalb der ersten 90 Minuten nach einem Schlaganfall eine Behandlung erfahren, sei ungewiss.

 

Im Jahr 2008 hätte das Gesundheitsministerium in Prishtina für die Behandlung von ca. 500 Patienten im Ausland Mittel in Höhe von 2,5 Millionen € zur Verfügung gestellt. Über die Bewilligung eines Antrages auf Behandlung im Ausland würde eine ärztliche Kommission des Gesundheitsministeriums entscheiden. Die Bewilligung eines Antrages sei an strenge Regelungen gebunden. Die Wartezeit könne bis zu zwei Jahre betragen.

 

Sollten Sie eine derartige Bewilligung erhalten, dann würden Sie monatelang dahin leiden, während Sie in Österreich bereits längst ausgeheilt seien.

 

Ihrer Ansicht nach sei Österreich auch moralisch verpflichtet, Ihnen aufgrund Ihres Arbeitsunfalls mit sehr schweren Folgen eine adäquate Nachbehandlung zu ermöglichen.

Bei einer Abwägung der öffentlichen und privaten Interessen würden Ihre privaten Interessen überwiegen.

 

Dieser begründete Antrag wurde am 16.04.2010 der Sicherheitsdirektion Oberösterreich vorgelegt. Mit Schreiben vom 16.04.2010 wurde seitens der Sicherheitsdirektion ersucht, ein amtsärztliches Gutachten einzuholen. Darüber hinaus wurde darauf verwiesen, dass es dem Fremden obliegt darzulegen, auf Grund welcher konkreter Umstände eine bestimmte medizinische Behandlung für ihn notwendig ist und dass diese nur in Österreich erfolgen kann. Denn nur dann ist ein sich allenfalls daraus ergebendes privates Interesse i.S.d. Art 8 MRK an einem Verbleib in Österreich -auch in seinem Gewicht - beurteilbar.

 

Am 12.05.2010 erfolgte daher ein amtsärztliches Gutachten der Bezirkshauptmannschaft Eferding. Im Wesentlichen wurde festgestellt, dass die stationäre Behandlung mit dem Aufenthalt im Rehazentrum X am 12.09.2009 beendet wurde. Aufgrund des körperlichen Zustandes, wurde Reisefähigkeit festgestellt und ist vordergründig nunmehr ein depressives Zustandsbild durch völlige Hoffnungslosigkeit und Niedergeschlagenheit gegeben.

 

Dieses amtsärztliche Gutachten wurde der Sicherheitsdirektion Oberösterreich zur Kenntnis gebracht. In seiner Stellungnahme vom 20.05.2010 wurde die Zulässigkeit von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen im Sinne des Art 8 EMRK festgestellt. Dies wurde im Wesentlichen begründet wie folgt: "Von einer beruflichen Integration ist zwar auszugehen, allerdings ist diese zu relativieren, da der Antragsteller bereits bei Aufnahme der Erwerbstätigkeit wusste, dass sein Aufenthalt in Österreich zeitlich befristet war. Aus den Entscheidungen des EGMR ergibt sich, dass im allgemeinen kein Fremder ein Recht hat, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verblieben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet oder selbstmordgefährdet ist. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, solange es grundsätzlich Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat bzw. in einem bestimmten Teil des Zielstaates gibt. Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung in Art 3 EMRK. Solche liegen etwa vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben. Zudem würde es dem Antragsteller obliegen substanziiert darzulegen, auf Grund welcher konkreten Umstände eine bestimmte medizinische Behandlung für ihn notwendig ist und dass diese nur in Österreich erfolgen kann. Denn nur dann ist ein sich daraus (allenfalls) ergebendes privates Interesse iSd Art. 8 EMRK an einem Verbleib in Österreich - auch in seinem Gewicht - beurteilbar (vgl. VwGH vom 26.09.2007, Zahl 2006/21/0288). Die Angaben, dass der Antragsteller von seinen beiden Onkeln und deren Familien, die nicht im gleichen Haushalt wohnen, betreut wird, relativiert ein Familienleben insofern, dass das Vorhandensein von Verwandten in Österreich, mit welchen der Antragsteller aber nicht in einem gemeinsamen Haushalt lebt, nicht von den geschützten familiären Bindungen erfasst ist. (vgl. VwGH 12.11.1998, 98/18/0319). Die Mutter des Antragswerbers lebt im Herkunftsland, was eine nicht unerhebliche Bindung zur Heimat untermauert. Im Herkunftsland besuchte er die Grundschule und bis 2001 eine allgemeinbildende höhere Schule und spricht Albanisch und Deutsch. Der Antragswerber verbrachte somit einen Großteil seines bisherigen Lebens im Herkunftsland, und ist somit die Zumutbarkeit für eine neue Auseinandersetzung mit dem Heimatland oder außerhalb gegeben. Der Antragsteller ist strafrechtlich Unbescholten. Dieses Vorbringen kann nicht zu seinen Gunsten ausschlagen, weil dieser Umstand weder eine Stärkung der persönlichen Interessen noch eine Schwächung des die Ausweisung gebietenden öffentlichen Interesses zur Folge hat. Aus demselben Grund versagt auch das Vorbringen, dass der Antragswerber dem Staat nicht finanziell zu Last gefallen sei (vg. VwGH 28.05.1998, 97/18/0663, VwGH 23.07.1998, 98/18/0203).

 

Am 14.07.2010 erfolgte eine Niederschrift der Bezirkshauptmannschaft Eferding im fremdenpolizeilichen Ausweisungsverfahren um das Parteiengehör zu wahren. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Eferding vom 29.07.2010 wurde die fremdenpolizeiliche Ausweisung ausgesprochen und erhoben Sie gegen diese Ausweisung rechtzeitig Berufung.

Am 18.05.2011 stellten Sie einen Devolutionsantrag an das BMI und wurde der Akt beim BMI unter Zahl BMI-1025240/0001-11/3/2011 geführt.

 

Mit Wirkung vom 02.03.2011 erhoben Sie zu Zahl 2 Cg 26/11t Zivilklage auf Schadenersatz in Höhe von 35.000,-- Euro gegen X, nunmehr X.

 

Am 30.05.2011 stellten Sie einen Antrag gem. § 69a Abs. 1 Z. 2 NAG und begründeten diesen damit, dass Sie zivilrechtliche Ansprüche beim Landesgericht Wels geltend machen würden und Ihre Anwesenheit in Österreich erforderlich sei. Konkret würde ein Verfahren zu 19 Cgs 64/1 Ow auf Feststellung der Bemessungsgrundlage der Versehrtenrente anhängig sein. Ein Strafverfahren zu 21 BAZ 402/09s gegen X sei diversionell beendet worden. Außerdem sei ein Verfahren zu 2 Cg 26/11t wegen Schmerzengeld wg. fehlendem Dienstgeberprivileg anhängig.

 

Am 09.08.2011 wurde Ihr Antrag vom 18.03.2010 zurückgewiesen.

 

Am 09.08.2011 erhoben Sie Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof gem. Art. 131 Abs. 1 B-VG wegen der Entscheidung des Bundesministerium für Inneres gem. § 53 Abs. 1 FPG und beantragten gleichzeitig die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung. Gleichzeitig stellten Sie einen Antrag auf Bewilligung von Verfahrenshilfe. Die aufschiebende Wirkung wurde am 12.08.2011 zuerkannt.

 

Am 16.08.2011 wurde die Aufenthaltsbewilligung gem. § 69a NAG gültig bis 16.02.2012 erteilt.

Am 17.01.2012 fand die öffentlich mündliche Verhandlung zu 19 Cgs 6y10w statt. In dieser Verhandlung wurde folgender Vergleich vereinbart. Die Beklagte (AUVA) verpflichtet sich, dem Kläger eine vorläufige Versehrtenrente vom 01.12.2009 bis 01.12.2010 in Höhe von 70 v. 100 der Vollrente im gesetzlichen Ausmaß unter Anrechnung der bisherigen Leistungen auf Basis der bisher festgestellten Bemessungsgrundlage zu zahlen.

 

Am 19.08.2011 verfügte der Verwaltungsgerichtshof, dass im Hinblick auf § 60 Abs. 3 Z 2 iVm § 125 Abs. 14 FPG (idF des FrÄG 2011) kein rechtliches Interesse an einer Sachentscheidung

Ihrerseits bestehen würde.

Am 17.01.2012 stellten Sie eine Folgeantrag auf Bewilligung des Aufenthalts gem. § 69a NAG. Am 17.02.2012 wurde die Aufenthaltsbewilligung gem. § 69a NAG gültig bis 17.02.2013 erteilt.

 

Mit Bescheid der AUVA vom 05.09.2012 wiesen Sie der Bezirkshauptmannschaft Eferding nach, dass Sie eine monatliche Versehrtenrente in Höhe von € 213,48 inkl. dem Kinderzuschuss von monatlich € 35,58 erhalten. Basis für die Berechnung der Versehrtenrente ist die seit 01.06.2011 festgestellte Minderung der Erwerbsfähigkeit um 55 Prozent. Ihre Invaliditätspension beträgt € 424,40 und wird Ihnen daher eine Ausgleichszulage in Höhe von € 176,94 gewährt.

Am 14.06.2012 wiesen Sie der Bezirkshauptmannschaft Eferding das B1 Zertifikat für Deutsch nach, welches Sie gut bestanden haben.

Am 13.09.2012 stellten Sie Ihren Zweckänderungsantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Rot-Weiss-Rot - Karte Plus". Diesen Antrag begründeten Sie damit, als Sie einen vorbereitenden Schriftsatz im Verfahren 14 Cga 68/12d wegen € 750,-- mit folgendem Inhalt vorlegten: "Die beklagte Partei (X) hat höchstpersönlich täglich die Arbeitszeitaufzeichnungen für alle Dienstnehmer, so auch für die klagende Partei angefertigt. Die beklagte Partei bediente sich dazu eines Vordruckes, in dem für jeden Tag des Monats ein Kästchen vorgesehen ist, in welches die Anzahl der geleisteten Arbeitsstunden eingetragen wird. Die dunkel angelegten Kästchen sind Feiertage, die grau angelegten Kästchen sind für Sonntage. Diese Stundenaufzeichnung, die für das Jahr 2008 sowie auch für alle anderen Jahre fortlaufend geführt wurden, wurden dann von der beklagten Partei an das Steuerberatungsbüro X übergeben, der die entsprechenden Meldungen an die Gebietskrankenkasse erstattete. Bestritten wird hingegen die Arbeitsaufzeichnung der klagenden Partei (X). Die klagende Partei hat für kein anderes Jahr eigene Aufzeichnungen geführt. Die von der klagenden Partei behaupteten Aufzeichnungen für das Jahr 2008 geben nicht die tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden wieder. Diese Arbeitsaufzeichnungen wurden auch offensichtlich im Nachhinein angefertigt oder überhaupt vom Bruder des Klägers erstellt. Bestritten wird auch das Feststellungsinteresse. Die klagende Partei führt ein Verfahren bei der oö. GKK, welches im Berufungsstadium ist. In diesem Verfahren wird die Stundenzahl, die der Kläger bei der beklagten Partei im Jahre 2008 gearbeitet hat, nach abgeführtem Beweisverfahren feststehen, für ein gerichtliches Feststellungsverfahren bleibt daher kein Raum. Hilfsweise wird auch Unzulässigkeit des Rechtsweges eingewendet."

 

Die Kopie des Schriftsatzes ergänzten Sie mit folgender Begründung: "In umseits bezeichneter Niederlassungssache erhielt ich die Aufenthaltsbewilligung nach § 69a NAG mit einer Gültigkeitsdauer vom 16.08.2011 bis 16.02.2012. Diese wurde verlängert. Die 12monatige Aufenthaltsdauer nach § 69a NAG war daher mit 16.08.2012 erreicht. Weiterhin setze ich meine zivilrechtlichen Ansprüche im Zusammenhang mit der Straftat einer fahrlässigen Körperverletzung durch. Außerdem besteht der Verdacht des Sozialbetruges, zumal ich als Saisonarbeiter maximal 40 Stunden pro Woche angemeldet, jedoch ständig länger beschäftigt war. Ich habe am 06.08.2012 eine Feststellungsklage (14 Cga 68/12d) beim Arbeitsgericht gegen meine frühere Dienstgeberin X eingebracht. Die beklagte Partei brachte nunmehr einen vorbereitenden Schriftsatz mit einer Beilage ein. Gegen den Bescheid der Gebietskrankenkasse vom 03.04.2012, wonach die allgemeine Beitragsgrundlage und die Sonderbeitragsgrundlage zu niedrig festgestellt wurden, habe ich am 04.05.2012 Berufung ergriffen. Über die Berufung wird der Landeshauptmann von Oberösterreich entscheiden müssen. Das Verfahren ist noch offen."

 

Am 14.12.2012 stellten Sie einen Antrag auf Zurückstellung des gem. § 38 FPG sichergestellten kosovarischen Führerscheines und begründeten diesen Antrag auch damit, dass Ihrer Ansicht nach die Voraussetzungen des § 41a Abs. 3 Z3 NAG vorliegen würden und Sie sogar ein B1 Zertifikat hätten.

Im Wege der Amtshilfe erfolgte durch einen Verbindungsbeamten der österreichischen Botschaft am 04.01.2013 die niederschriftliche Einvernahme Ihrer Ehefrau X wie folgt: "Ich gehe keiner Arbeit nach und habe 8 Jahre Grundschule absolviert. Ich bekomme Geld von den Schwiegereltern und meinem Mann. Gemeinsam mit den Schwiegereltern lebe ich im Haus. Ich

brauche ca. 500,- Euro monatlich. Wieviel Geld monatlich von X stammt, kann ich nicht genau sagen, da er das Geld den Schwiegereltern und meinem Schwager überweist. X selbst kann nicht viel unterstützen. Es verhält sich etwa 70%/30%. Es gibt regelmäßig Geld von X und andere Einnahmequellen habe ich nicht. Wenn es möglich ist, würde ich gerne meinen Lebensmittelpunkt in Österreich begründen. Ich möchte dann arbeiten, weiß aber noch nicht genau was. Ich würde gerne irgendwas Arbeiten. Einen Beruf habe ich nicht erlernt."

Nach Rücksprache mit dem Landesgericht Wels, Kanzlei zu 19Cgs 113/11b am 16.01.2013 wird ein Sachverständigen-Gutachten bis zum 15.02.2013 zu erwarten und das Verfahren sodann fortzusetzen sein. Nach erfolgter Urteilsverkündung wird das Verfahren zu 2 Cg 26/11t fortgeführt werden.

In Ihrer Bekanntgabe eingelangt am 16.01.2013 gaben Sie u.a. folgendes bekannt: "Es wird weder Unterhalt für die Frau noch für die Kinder bezahlt. Die Frau und die Kinder erhalten Unterhalt von der Familie X in Kosovo als auch von ihrer Herkunftsfamilie. Ein Schwager wohnt in der Schweiz und hat genügend Einkommen. Offenbar laufen auch Erhebungen über den Verbindungsbeamten in Kosovo. Die Frau wurde zu diesen Fragenkomplex einvernommen".

 

Mit Eingabe vom 27.02.2013 wiesen Sie die angepasste Invalididätspension in Höhe von

€ 676,53 eine Unfallrente in Höhe von € 213,48 sowie ein Sparguthaben in Höhe von

€ 5.320,08 nach.

 

Die Behörde hat dazu erwogen:

Sie haben im Jahr 2009, nachdem Ihre Asylverfahren negativ entschieden wurde, ein Visum "D" als Saisonier beantragt. Dieses Visum wurde Ihnen für den Zeitraum gültig vom 26.04.2009 bis 25.10.2009 ausgestellt. Sie erlitten am 25.05.2009 einen schweren Arbeitsunfall und wurden sodann medizinisch behandelt.

 

Hingewiesen wird, dass Ihre stationäre, medizinische Behandlung mit den Rehabilitierungsmaßnahmen im Rehazentrum X am 12.09.2009 endeten. Ihre gesundheitliche Rehabilitation erfolgte daher noch während rechtmäßigem Aufenthalt. Die letzte ambulanten Kontrolluntersuchung im X war am 21.06.2011 und erfolgen Untersuchungen im 4-Monats-Rhytmus.

Nach Beendigung des rechtmäßigen Aufenthaltes am 26.10.2009 war ein weiterer Aufenthalt im Bundesgebiet im Sinne des § 21 Abs. 8 FPG aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr zwingend erforderlich und wurde Ihnen dieser Umstand nachweislich auch mehrfach mitgeteilt.

 

Zu Ihrem Gesundheitszustand verweist die Fremden- und Niederlassungsbehörde Eferding auf die Ausführungen in der Stellungnahme der Sicherheitsdirektion Oberösterreich vom 20.05.2010 (siehe oben) sowie auf den Umstand, dass Sie als Pensionist über ein fortlaufendes Einkommen verfügen, etwaige Krankheitskosten im Heimatstaat für Sie daher finanzierbar und leistbar sind. Darüber hinaus verweigerten Sie selbst, obwohl Sie Pensionist sind, Ihre weitere medizinische Betreuung (Entfernung des X) mit dem Hinweis, einen geeigneten Termin finden zu müssen. Ihre Ansicht, Österreich sei moralisch verpflichtet, Ihnen aufgrund Ihres Arbeitsunfalles mit sehr schweren Folgen eine adäquate Nachbehandlung zu ermöglichen, führten Sie daher selbst ad absurdum.

 

Außer Streit steht, dass Sie am 16.08.2012 den Aufenthaltstitel nach § 69a NAG bereits seit einem Jahr inne gehabt haben. Ihr zuletzt erteilter Aufenthaltstite! gem. § 69a NAG ist für den Geltungszeitraum vom 17.02.2012 bis zum 17.02.2013 erteilt worden. § 20 NAG gilt.

§ 69a Z. 3 NAG zielt darauf ab, dass als objektives Tatbestandsmerkmal ein Strafverfahren bereits begonnen haben muß ODER zivilrechtliche Ansprüche im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschelhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel bereits geltend gemacht sein müssen. Liegt diese Voraussetzung nicht vor, so ist der Antrag als unzulässig zurückzuweisen.

Das gegen die AUVA geführte Zivilverfahren zu 19 Cgs 64/1 Ow wurde mit einem Vergleich am 17.01.2012 bereits abgeschlossen.

 

Das Strafverfahren zu 21 BAZ 402/09s gegen X, Ihrem früheren Arbeitgeber, wegen fahrlässiger Körperverletzung wurde bereits am 19.10.2009 diversionell abgeschlossen. Ein eventuell von Ihnen, in der Zukunft geführtes Strafverfahren wegen Sozialbetrug im Zusammenhang mit dem Zivilverfahren 14 Cga 68/12d wegen € 750,-- kann in diesem Verfahren nicht beachtet werden.

 

Das von Ihnen seit dem 02.03.2011 geführte Zivilrechtsverfahren zu 2 Cg 26/11t beim LG Wels wegen Schmerzensgeld in Höhe von € 35.000,-- wurde von Ihnen vor Erteilung des Aufenthaltstitels gem. § 69a NAG anhängig gemacht.

 

Im Zweckänderungsverfahren gem. § 26 NAG müssen sämtliche objektiven Tatbestände des § 41a Abs. 3 Z 3 NAG erfüllt sein, um eine Ermessensentscheidung treffen zu können. Die in § 41a Abs. 3 Z. 3 NAG genannten Voraussetzungen des § 69a NAG liegen jedoch nicht mehr vor. Ein Strafverfahren ist nämlich nicht mehr anhängig und das Zivilverfahren zu 2 Cg 26/11t steht nicht im Zusammenhang mit strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder an Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel; Vielmehr behandelt dieses Zivilverfahren die Streitfrage, ob Ihnen Schmerzengeld wegen vorsätzlichen Verhaltens Ihres früheren Dienstgebers zugesprochen wird oder nicht.

 

Das Zivilverfahren zu 14 Cga 68/12d wegen € 750,-- strengten Sie am 06.08.2012 an, also nach Erteilung des Aufenthaltstitels gem. § 69a NAG.

Gem. § 69a Abs. 3 NAG sind sämtliche Verfahren des Zivilrechtes oder Strafrechtes generell vor erstmaliger Antragstellung gem. § 69a NAG geltend zu machen. Eine Überprüfung, ob dieses Zivilverfahren im Zusammenhang mit einer strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder an Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel kann daher entfallen.

 

Gem. § 41a Abs. 3 Z. 1 NAG und § 11 Abs. 2 Z. 4 NAG darf der Aufenthalt des Fremden zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen. Sie verfügen über ein monatliches Netto-Einkommen in Höhe von Euro 794,91, welches sich aus der Invaliditätspension in Höhe von Euro 432,04, der Unfallrente in Höhe von Euro 182,88, der Ausgleichszulage in Höhe von Euro 222,71 abzüglich Krankenversicherungsbeitrag von 5,1 % = € 42,72 zusammen setzt. Kinderzuschuss für 2 Kinder in Gesamthöhe von Euro 93,72 wird Ihnen monatlich gewährt. Ihr monatliches Netto-Einkommen samt Kinderzuschuss beträgt für 2013: Euro 888,63 welches 14mal jährlich zur Anweisung kommt. In der niederschriftlichen Einvernahme Ihrer Frau X am 04.01.2013 führte diese an, dass sie 500,- Euro monatlich zum Leben benötigen würde. Die 500,- Euro würde sie von den Schwiegereltern bekommen. 30 % von den 500,- Euro würden Sie Ihren Schwiegereltern anweisen. Die Aussage, dass Sie Geld in den Kosovo schicken, wird auch damit untermauert, als Sie einen Kinderzuschuss für 2 Kinder erhalten. Ihr Einwand, Sie würden Ihrer Frau und den 2 Kindern keinen Unterhalt in den Kosovo überweisen, ist daher als Schutzbehauptung zu qualifizieren. Geeignete Beweise, welche die Aussagen Ihrer Gattin widerlegen bzw. beweisen, wie etwa die Vorlage Ihrer Kontoauszüge vom Jänner 2012 bis Februar 2013, legten Sie bewusst nicht vor. Insgesamt gesehen steht jedoch fest, dass Sie Ihre im Kosovo lebende Familie mit zumindest Euro 150,-/Monat unterstützen. Ihr anrechenbares monatliches Netto-Einkommen im Jahr 2013 unter Berücksichtigung des Kinderzuschusses für 2 Kinder in Höhe von Euro 1036,74 (888,63*14/12) abzüglich der Unterhaltsleistung (Euro 150,-) und monatlicher Miete (Euro 220,-) und zusätzlich der freien Station von Euro 267,64 beträgt im Jahr 2013 Euro 934.38.

 

 

Dieses Einkommen entspricht nicht dem Richtsatz von Euro 1096,11 Alleinstehender mit 2 Kinder (€ 837,63+€ 129,24+ €129,24).

Zu dem von Ihnen nachgewiesenen Bankguthaben in Höhe von Euro 5.320,08 wird ausgeführt, dass dieses bei der Berechnung nicht berücksichtigt werden kann. Darüber hinaus hat der Guthabenstand Ihres Kontos am 27.02.2013 keinen Beweischarakter dafür, dass Ihnen das Geld tatsächlich gehört, respektive ob Sie das Geld bereits wieder ausgegeben haben. Geeignete Bankauszüge, welche beweisen, dass Sie diesen Betrag über einen längeren Zeitraum angespart haben, haben Sie vorsorglich der Behörde nicht vorgelegt.

Ihr monatliches Einkommen ist somit nicht tragfähig. Sie erfüllen daher die Voraussetzungen des 1. Teiles des NAG nicht.

 

Zu einem möglichen Einwand, die Nichterteilung eines NAG-Titels würde in Ihr Privat- und Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK eingreifen, führt die Fremden- und Niederlassungsbehörde der Bezirkshauptmannschaft Eferding wie folgt aus: Sie sind X Jahre alt und ist Ihr Privatleben bis dato von einer äußerst flexiblen Lebensführung erfasst, da Sie im Zeitraum vom 29.10.2002 bis 20.01.2005 in Österreich bereits mit 2 für Sie negativ verlaufenen Asylanträgen vorstellig waren. Sie kehrten sodann vermutlich in den Kosovo zurück, und reisten im Jahr 2009 mit einem Visum "D" wiederum nach Österreich ein.

 

Ihre engsten Familienmitglieder (Vater, Mutter, Bruder, eine Ehefrau sowie 2 Kinder) leben im Kosovo und ist, da Sie erst 2009 Ihr Heimatland verließen, eine schnelle, soziale Reintegration im Heimatstaat wahrscheinlich. Zudem sind Ihre Fahrten ins Herkunftsland, zuletzt im Jänner 2013 aktenkundig. Dass die beiden Familien Ihrer Onkeln väterlicherseits Sie mitbetreuen, indem Ihnen die Wäsche gewaschen wird, lässt sich aus ökonomischen Gründen erklären. Der Familienbegriff im Sinne des § 2 Z. 12 FPG kommt daher nicht zum Tragen.

 

Der Verwaltungsgerichtshof stellt in seiner ständigen Judikatur fest, dass die Einhaltung fremdenpolizeilicher und niederlassungsrechtlicher Vorschriften für den österreichischen Staat, vor allem in Zeiten eines erhöhten Zuwanderungsdruckes, von eminentem Interesse ist. Aufgrund des vorliegenden, umfassend geprüften Sachverhaltes kommt die Bezirkshauptmannschaft Eferding zum Schluss, dass bei einer Interessensabwägung, das öffentliche Interesse an der Einhaltung eines geordneten Fremden- und Aufenthaltswesen und damit verbunden die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit überwiegt, somit eine Abweisung Ihres Antrages gem. §§ 26 IVm. 44 Abs. 3 Z.3 NAG im öffentlichen Interesse notwendig war.

 

Der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung gem. § 64 AVG war notwendig, um gleichzeitig ein Ausweisungsverfahren anhängig machen zu können.“

 

2. Gegen diesen Bescheid erhob der Bf rechtzeitig das Rechtsmittel der Berufung. Der Bf stellt darin den Antrag der Berufung Folge zu geben und ihm eine Rot-Weiß-Rot-Karte Plus zu erteilen.

 

Begründend führt der Bf aus:

 

„Der Bescheid wird zur Gänze angefochten. Die Berufung bezieht auch auf die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung.

 

Als Berufungsgründe werden Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtige rechtliche Beurteilung geltend gemacht.

 

1. Berufungsgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens

Die Erstbehörde hat durch den Verbindungsbeamten der österreichischen Botschaft Pristina am 4.1.2013 die Ehegattin X niederschriftlich einvernommen und zitiert in der Bescheidbegründung auch deren Aussagen. Meinem Rechtsvertreter wurde diese Niederschrift allerdings nie zum Parteiengehör übermittelt. Es lässt sich daher auch nicht überprüfen, ob diese Aussagen unter Wahrheitspflicht erfolgten, oder sich meine Ehegattin dachte, sie werde so aussagen, wie es wohl für mich am günstigsten sein werden.

 

Hätte ich diese Niederschrift zur Stellungnahme erhalten, hätte ich auf den tatsächlichen Sachverhalt hingewiesen und erklärt, dass ich nicht sehr viel unterstützen kann. Auch die Auskunft des Landesgerichtes Wels übe- die anhängigen Zivilverfahren wurde mir nicht zur Kenntnis gebracht. Auch dazu konnte ich mich nicht äußern. Hätte ich mich äußern können, wäre die Erstbehörde nicht einem rechtlichen Irrtum erlegen. Die Erstbehörde ist nämlich irrtümlich der Meinung, diese Verfahren hätten nichts mit strafbaren Handlungen, die mir gegenüber begangen wurden, zu tun.

 

 

2. Berufungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung

Zu Unrecht verneint die Erstbehörde den Umstand, dass die Voraussetzungen des § 69 a NAG vorliegen. Das Zivilverfahren zu 2 Cg 26/11t stünde nicht im Zusammenhang mit strafbaren Handlungen. Dieses Zivilverfahren behandle viel mehr die Streitfrage, ob mir Schmerzensgeld wegen vorsätzlichen Verhaltens meines früheren Dienstgebers zugesprochen werden oder nicht. Wenn mich mein Dienstgeber vorsätzlich im Betrieb verletzte, indem er erkannte, dass die Xmaschine mich hineinziehen und verletzen könnte, wobei er sich damit abfand, dann liegt sehr wohl eine strafbare Handlung vor. Das Zivilverfahren steht damit im Zusammenhang. Auch wenn später ein neues Verfahren angestrengt wurde, so ist dies lediglich ein weiteres Zivilverfahren, dass mit dem ursprünglichen Arbeitsunfall im Zusammenhang steht.

 

Die Erstbehörde ist keine Zivilrechtsbehörde oder gar ein Gericht, kann also zivilrechtliche und strafrechtliche Sachverhalte nicht richtig beurteilen.

 

Auch was die Einkommensberechnung betrifft, liegt die Erstbehörde falsch. Sie fordert von mir ein Einkommen in Höhe des Richtsatzes von € 1.096,11, obwohl ich diese Ausgleichszulage gar nicht bekomme. Ich erhalte eine Ausgleichszulage in Höhe von € 222,71. Daraus ergibt sich schon deutlich, dass die Richtsätze für 2 Kinder, die im Ausland bei der Mutter leben, gar nicht herangezogen wurden. Einerseits erhöht man den Richtsatz für mich um 2 mal € 129,24, andererseits bringt man zusätzlich von meinem Einkommen noch € 150 in Abzug.

 

Was die Nichtberücksichtigung meines Bankguthabens in Höhe von € 5.320,08 betrifft, verweise ich auf eine jüngste Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 19.4.2012, Zahl 2008/18/0270. Demnach darf der Unterhalt grundsätzlich auch durch Sparguthaben gedeckt werden, welche jedoch nicht aus illegalen Quellen stammen dürfen. Es reicht für sich nicht aus, meinem Bankguthaben die Eigenschaft abzusprechen zum Unterhalt herangezogen werden zu können.

 

Ich lege nunmehr eine Bestätigung der X Region Eferding X vom 22.3.2013 vor, die sich auf dieses Konto bezieht.

 

Weiters lege ich eine Information über die Anweisung einer Nachzahlung über

€ 1.016,92 vor.

 

Was letztendlich die Höhe der Miete betrifft, so hat mein Onkel X nun diese Wohnung gemietet und mir zur Verfügung gestellt. Ein vergebührter Mietvertrag kann im Verfahren vorgelegt werden.

 

 

3. Mit Schreiben vom 23. Jänner 2014 legte wiederum das Bundesministerium den Akt dem Oö. Landesverwaltungsgericht zu Entscheidung vor.

 

4. Mit Schreiben vom 10. Februar 2014 bringt der Bf einen mehrseitigen Schriftsatz bei, welcher im Wesentlichen die Historie seines Aufenthaltes (z.B.: Arbeitsunfall etc.) und den Verkehr mit den zuständigen Behörden schildert.

 

5. Mit Schreiben vom 20. Mai 2014 forderte das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich den Bf zur Vorlage verschiedenster Unterlagen auf. Der Bf legte daraufhin dar, dass noch Verfahren anhängig sind, welche mit dem Arbeitsunfall in einem Konnex stehen und schildert seine aktuelle Wohn- und Einkommenssituation. Zu den integrativen Elementen bringt der Bf lediglich seine überdurchschnittlichen schriftlichen Deutschfähigkeiten vor. Zur Integration selbst, wird die Feststellung vorgebracht, dass der Bf „bestens in Österreich integriert sei.“

 

 

II.

 

1. Gem. § 81 Abs. 26 NAG, BGBl I 100/2005 idF BGBl I 144/2013 sind alle bis zum 31. Dezember 2013 beim Bundesminister für Inneres anhängigen Berufungsverfahren nach dem NAG ab dem 1. Jänner 2014 vom jeweils zuständigen Landesverwaltungsgericht nach dem Bestimmungen des NAG idF vor dem BGBl I 87/2012 zu Ende zu führen.

 

2. Gem. § 3 VwGbk-ÜG gilt die Berufung des Bf als rechtzeitig erhobene Beschwerde gemäß Art. 130 Abs 1 Z 1 B-VG.

 

3. Gem. § 24 Abs. 1 VwGVG konnte von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden, zumal sich der Sachverhalt in den hier entscheidungswesentlichen Abschnitten unstrittig bereits aus den Feststellungen der belangten Behörde und den Ausführungen des Bf in seiner Beschwerde ergibt.

 

 

III.

 

1. Gem. § 24 Abs. 1 NAG idF BGBl I 50/2012 (in der Folge: NAG) sind Verlängerungsanträge vor Ablauf der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltstitels, frühestens jedoch drei Monate vor diesem Zeitpunkt, bei der örtlich zuständigen Behörde im Inland einzubringen.

 

2. Gem. § 26 NAG hat, wenn der Fremde den Aufenthaltszweck während seines Aufenthalts in Österreich ändern will, er dies der Behörde im Inland unverzüglich bekannt zu geben. Eine Zweckänderung ist nur zulässig, wenn der Fremde die Voraussetzungen für den beantragten Aufenthaltstitel erfüllt und ein gegebenenfalls erforderlicher Quotenplatz zur Verfügung steht. Sind alle Voraussetzungen gegeben, hat der Fremde einen Rechtsanspruch auf Erteilung dieses Aufenthaltstitels. Liegen die Voraussetzungen nicht vor, ist der Antrag abzuweisen; die Abweisung hat keine Auswirkung auf das bestehende Aufenthaltsrecht.

 

3. Unstrittig kann im verfahrensgegenständlichen Fall erkannt werden, dass der Bf einen vom 17. Februar 2012 bis zum 17. Februar 2013 gültigen Aufenthaltstitel gem. § 69a NAG für sich zur Geltung bringen kann. Insofern kann hieraus geschlossen werden, dass der Bf ab diesem Zeitpunkt keinen aufrechten Titel hat. Gegenteiliges wird vom Bf auch nicht in der Beschwerde vorgebracht.

 

3.1. Zudem ist vorab festzuhalten, dass der Bf am 13. September 2012 – bereits rechtsfreundlich vertreten – einen Verlängerungs- und Zweckänderungsantrag in Richtung einer Rot-Weiß-Rot-Karte Plus persönlich bei der belangten Behörde abgegeben und mit Schriftsatz vom 17. September 2012 begründet hat (s ON 161).

 

3.2. Vor dem Hintergrund des § 24 Abs. 1 NAG ergibt sich sohin, dass der Verlängerungsantrag außerhalb der von dieser Bestimmung vorgegebenen Frist gelegen ist. Aus dem Sinn und Zweck dieser Norm – nämlich keine Kettenanträge auf Halde stellen zu können – ist sohin klar abzuleiten, dass nur rechtzeitige, d.h. nicht zu früh und nicht zu spät, innerhalb der materiell rechtlichen Frist (s. dazu VwGH vom 10. Dezember 2013, Zl. 2011/22/0144) gestellte, Anträge die provisorische Prolongationswirkung des Aufenthaltstitels gem. § 24 NAG erfahren (s. o.V., Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz6 (proLibris), 111; VwGH vom 20. November 2008, Zl. 2006/09/0213). Für den konkreten Fall ist sohin zu schließen, dass der Verlängerungsantrag – über welchen die belangte Behörde nicht abgesprochen hat und sohin nicht Gegenstand des ha Verfahrens ist – nicht bewirkt, dass der Bf weiterhin nach Ablauf der Dauer seines Titels (s § 20 NAG) einen provisorischen Titel besitzt (im Ergebnis im konkreten Fall ebenso OGH vom 28. Jänner 2014, 10 ObS 188/13i).

 

3.3. Aus § 24 Abs. 1 2. Satz NAG e contrario ergibt sich wiederum weiters, dass ein Zweckänderungsantrag gem. § 26 NAG alleine aber auch keine prolongierende Wirkung hat (so auch im Ergebnis OGH vom 28. Jänner 2014, 10 ObS 188/13i). Begründen lässt sich dies wiederum mit dem Zusammenwirken der §§ 23, 24 und 25 NAG und der Funktion des § 26 NAG, welcher an die Existenz der Wirkungen eines grundsätzlich vorhandenen Titels anknüpft und dessen „Veränderung“ zulässt.

 

3.4. Blickt man nun auf § 26 NAG so ist hieraus wiederum zu schließen, dass sowohl der Wortlaut, die Systematik im Vgl. zu § 24 NAG und die Materialien ergeben, dass eine Zweckänderung nur betreffend eines noch in – wenn auch provisorischer – Wirkung stehenden Aufenthaltstitels erfolgen kann (s. dazu die RV zu BGBl I 100/2005). Klar ergibt sich dieses Ergebnis auch aus dem letzten Satzteil des § 26 NAG, wenn dessen Textur bestimmt, dass eine negative Entscheidung über einen Zweckänderungsantrag keine Auswirkungen auf den zu Grunde liegenden – zu ändernden (!) – Titel hat.

 

Davon abgesehen findet dieses Ergebnis auch die Deckung im Wortlaut des Normtextes. Der Gesetzgeber spricht hier ausdrücklich von „ändern“ bzw. „Zweckänderung“. Eine Änderung kann aber nur dann erfolgen, wenn ein zu ändernder Gegenstand in seiner rechtlichen Existenz besteht. MaW: Was nicht da ist, kann auch nicht verändert werden.

 

4. Dieser Umstand hat wiederum nur im verfahrensgegenständlichen, konkreten Sachverhalt diese Konsequenzen. Im Regelfall prolongiert die fristgerechte Verlängerungsantragstellung den Titel, sodass dessen Zweckänderung auch nach Ablauf der originären Gültigkeitsdauer noch ermöglicht wird.

 

IV.

 

1. Da nun aus den unter 3.3. angeführten Überlegungen ein nicht mehr in Wirkung stehender Titel nicht abgeändert werden kann, war die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

V.

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Zudem weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor (siehe auch das Berufungsgericht zum Verfahren zu 10 ObS 188/13i).

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Dr. Markus Brandstetter

Beachte:

Die Revision wurde zurückgewiesen.

VwGH vom 19. November 2014, Zl.: Ra 2140/22/0093-5