LVwG-410072/2 /ER/BZ/TK

Linz, 14.07.2014

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Dr. Elisabeth Reitter über die Beschwerde des Herrn x, geb. x, vertreten durch x, x, gegen das Straferkenntnis des Landespolizeidirektors von Oberösterreich vom 27. Juni 2013, GZ S-3989/ST/13, wegen einer Verwaltungsübertretung nach
§ 50 Abs 4 Glücksspielgesetz

 

zu Recht   e r k a n n t :

I.         Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG iVm § 38 VwGVG eingestellt.

 

II.       Gemäß § 52 Abs 9 VwGVG und § 66 Abs 1 VStG hat der Beschwerdeführer weder einen Kostenbeitrag zum Beschwerdeverfahren vor dem Landesverwaltungsgericht noch einen Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens zu leisten.

 

III.     Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG unzulässig.


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

 

I.1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis des Landespolizeidirektors von Oberösterreich (im Folgenden: belangte Behörde) vom 27. Juni 2013, GZ S‑3989/ST/13, wurde der Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf) wie folgt schuldig erkannt:

 

"Sie haben, wie am 16.5.2013 um 13.25 Uhr in x, x, Lokal x, von Organen der Öffentlichen Aufsicht im Sinne des § 50 Abs. 2 GSpG durchgeführten Kontrolle festgestellt wurde, als Vertreter der Fa. x für die Bereithaltung von eingeschalteten und funktionstauglichen Glücksspieleinrichtungen gesorgt und den Organen der öffentlichen Aufsicht trotz mehrfacher Aufforderung und Belehrung gegen die ihnen zukommende Mitwirkungspflicht gem. § 50 Abs. 4 GSpG verstoßen, indem sie zum Zeitpunkt der Kontrolle der öffentlichen Aufsicht die geforderte Auskunft nicht erteilten, keine umfassenden Überprüfungen und Testspiele ermöglichten und keinen Einblick in die geführten Aufzeichnungen sowie die nach diesem Bundesgesetz aufzulegenden Spielbeschreibungen gewährten.

 

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

§ 50 Abs. 4 in Verbindung mit § 52 Abs. 1 Z 5 Glücksspielgesetz, BGBl. Nr. 620/1989 in der Fassung BGBl. I Nr. 112/2012

 

Wegen dieser Verwaltungsübertretung wird über Sie folgende Strafe verhängt:

 

Geldstrafe in falls diese uneinbringlich ist,      Freiheitsstrafe von Gemäß §

Ersatzfreiheitsstrafe von

€ 2000,-- 4 Tage 52 Abs. 1 Zi. 5 GSpG

 

Weitere Verfügungen (zB Verfallsausspruch, Anrechnung von Vorhaft):

Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) zu zahlen:

• 200,- Euro    als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, das sind 10% der Strafe (je ein Tag Freiheitsstrafe wird gleich 15 € angerechnet);

• _     Euro als Ersatz der Barauslagen für

 

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) beträgt daher 2200,- Euro"

 

Begründend hat die belangte Behörde im Wesentlichen wie folgt ausgeführt:

"Bei einer von der Abgabenbehörde als Organ der öffentlichen Aufsicht im Sinne des § 50 Abs. 2 GSpG durchgeführten Kontrolle wurde folgender Sachverhalt festgestellt:

 

Die Firma x hat die entsprechende Lokalität angemietet und tritt im Verwaltungsstrafverfahren als unternehmerisch Zugänglichmacher auf. Zu Beginn der Kontrolle wurde Frau x im Lokal angetroffen und um 13.30 Uhr niederschriftlich als zur Auskunft verpflichtete Person befragt. Bereits bei der zweiten Frage gab Sie an, dass Sie keine weiteren Auskünfte geben werden. Um 14.20 Uhr betraten Sie als Vorgesetzter von Frau x das Lokal, gaben keine Antworten auf die Fragen und beriefen sich auf die Dienstanweisung, die es ihnen untersagt, Auskünfte zu geben.

 

Der Tatbestand der ihnen zur Last gelegten Verwaltungsübertretung ist durch die eigene dienstliche Wahrnehmung der Organe des Finanzamtes Kirchdorf Perg Steyr, der vorgelegten Anzeigen vom 27.5.2013 sowie aufgrund des behördlich durchgeführten Ermittlungsverfahrens zweifelsfrei erwiesen.

 

Es steht daher fest, dass Sie die im Spruch angeführte Verwaltungsübertretung begangen haben.

 

Mit Schreiben vom 4.6.2013 wurden sie gem. § 40 und § 42 VStG aufgefordert sich zum gegenständlichen Tatvorwurf zu rechtfertigen.

 

Im darauffolgenden Schriftsatz Ihrer rechtsfreundlichen Vertretung vom 6.6.2013 bringen Sie (zusammengefasst) im Wesentlichen vor, dass der Meldungsleger noch als Zeuge zu einem von Ihnen aufgestellten Fragenkomplex einvernommen werden müsste, da aufgrund der bisherigen Ergebnisse ein Straftatbestand nicht feststehe.

Die verfahrensgegenständlichen Eingabeterminals wären keine Glückspielautomaten sondern würden diese lediglich Aufträge an Glückspielautomaten in x, welche dort behördlich genehmigt wären, weiterleiten. Es handle sich somit um reine Eingabe- und Auslesestationen. Diesbezüglich beantragten Sie die Beiziehung eines Sachverständigen. Im Übrigen würden im konkreten Fall die Voraussetzungen für eine Vorgangsweise gem. § 21 Abs. 1 a VStG 1991 vorliegen.

 

Die erkennende Behörde kommt zu folgenden Erwägungen:

[…]

 

Die Behörde geht davon aus, dass Sie zur Auskunft nach § 50 Abs. 4 GSpG verpflichtet gewesen sind, weil Sie die Glücksspieleinrichtungen bereitgehalten haben und sich als Verantwortlicher des Lokals ausgegeben haben.

Das GSpG definiert den Begriff des 'Bereithaltens' einer Glücksspieleinrichtung bzw. der 'Person, die Glücksspieleinrichtungen bereit hält', zwar nicht näher und auch die Erläuterungen zur Regierungsvorlage zur Novelle des GSpG mit BGBl. I Nr. 54/2010, mit welcher § 50 Abs. 4 GSpG in das GSpG eingefügt wurde (658 Blg NR. 24. GP, 8), enthalten keine Ausführungen zu § 50 Abs. 4 GSpG. Unter einer 'Person, die Glücksspieleinrichtungen bereit hält', kann jedoch schon nach dem Wortsinn und dem Gesetzeszweck jemand verstanden werden, der de facto für die Bereithaltung einer 'Einrichtung', mit der Glücksspiele von Dritten gespielt werden können, sorgt. Das Bereithalten wird vom Gesetzgeber in § 50 Abs. 4 GSpG vom 'Veranstalten' und 'Anbieten' eines Glücksspielapparates unterschieden. Das 'Bereithalten' setzt somit keine rechtlichorganisatorische Beziehung zu der Glücksspieleinrichtung in dem Sinne voraus, dass jemand das Spiel organisierte, dass die Verträge mit ihm abgeschlossen würden oder die Spiele auf seine Rechnung erfolgten. Der Gesetzgeber wollte mit der Bestimmung offensichtlich auch eine Auskunftsverpflichtung jener Personen schaffen, die zwar mit der Veranstaltung des Spiels nicht im eben genannten Sinne zu tun haben, die aber durch ihr Verhalten die Durchführung des Spiels erst ermöglichen und in vielen Fällen bei Kontrollen die einzigen Personen sind, die den Kontrollorganen Auskünfte erteilen können. Im Falle der Aufstellung eines Glücksspielapparats in einem Lokal trifft somit die Auskunftspflicht nach § 50 Abs. 4 GSpG nicht nur den Betreiber des Apparats, der in einer großen Zahl der Fälle nicht im Lokal anwesend sein wird, sondern den- oder diejenigen, die faktisch für die Verfügbarkeit des Apparats sorgen. Die Abgrenzung, welche Angestellte des Lokalbetreibers damit von der Auskunftspflicht erfasst sind, hat sich nach dem Aufgabenbereich des Angestellten zu richten. Die Behörde geht davon aus, dass ein Mitarbeiter, der sich als für das Lokal verantwortlich bezeichnet, jedenfalls zum Kreis der auskunftspflichtigen Personen gehört, weil er damit auch im Rahmen seiner Befugnisse für die Umsetzung der betriebsintern bestehenden Anordnungen zuständig ist, ob und welche Apparate für Dritte im Lokal verfügbar sind. Dass einem Angestellten keinerlei Einfluss auf die Entscheidung, welche Apparate bereitgehalten werden, zusteht, ist im vorliegenden Zusammenhang nicht maßgeblich. Die gesetzliche Verpflichtung nach § 50 Abs. 4 GSpG besteht lediglich darin, umfassend Auskünfte zu erteilen, die Strafbarkeit nach § 52 Abs. 1 Z 5 GSpG knüpft an die Nichterteilung der Auskünfte, nicht etwa an das Bereithalten des Apparats an. Es bestehen insoweit keine Bedenken, auch Personen, die keinen Einfluss auf die Entscheidung betreffend das Aufstellen des Apparats haben, in die Auskunftspflicht und damit in den Straftatbestand nach § 52 Abs. 1 Z 5 GSpG einzubeziehen.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat in diesem Erkenntnis somit ausgesprochen, dass die in § 50 Abs. 4 GSpG angeführten Mitwirkungspflichten alle Personen treffen, die faktisch für die Verfügbarkeit des Glücksspielautomaten sorgen. Zu diesem Personenkreis zählen unzweifelhaft Sie. Sie haben damit die Glücksspielgeräte bereitgehalten.

 

Der Verfassungsgerichtshof führt zur Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf ein faires Verfahren sowie einen Verstoß gegen Art. 90 Abs. 2 B-VG aus, die Bestrafung für die Nichtherausgabe von Gegenständen, die den Zugang zu Beweismitteln ermöglichten, die unabhängig vom Willen des Beschuldigten existierten, bilde keine Verletzung des Verbots der Selbstbezichtigung.

 

In der Sache selbst bestand für die erkennende Behörde keinerlei Anlass, an der Richtigkeit des angezeigten Sachverhaltes zu zweifeln, zumal dieser von sach- und fachkundigen Organen der Abgabenbehörde aufgrund eigener dienstlicher Wahrnehmung einwandfrei festgestellt werden konnte. Somit war für die Behörde erwiesen, dass Sie tatsächlich gegen die angeführten Bestimmungen des Glücksspielgesetzes verstoßen haben, weshalb nun spruchgemäß zu entscheiden war.

 

Die verhängte Geldstrafe, die sich im untersten Bereich des gesetzlichen Strafrahmens befindet, entspricht dem Unrechts- und dem Schuldgehalt der Tat und erscheint der Behörde notwendig, Sie in Hinkunft von der Begehung derartiger Übertretungen abzuhalten.

 

Die Tat schädigte in nicht unerheblichem Maße das durch die Strafdrohung geschützte Interesse am Schutz des staatlichen Glückspielmonopols, das öffentliche Interesse an der kontrollierten Durchführung von Glücksspielen und damit zusammenhängenden ordnungs- und fiskalpolitischen Zielsetzungen im Interesse der Allgemeinheit. Deshalb war der Unrechtsgehalt der Tat an sich, selbst bei Fehlen sonstiger nachteiliger Folgen, nicht gering. Auch das Verschulden konnte nicht als geringfügig angesehen werden, weil nicht erkennbar ist, dass die Verwirklichung des Tatbestandes bei gehöriger Aufmerksamkeit nur schwer hätte vermieden werden können.

 

Als erschwerend wurde gewertet, dass Sie bereits am 25.4.2013 ihre Mitwirkungspflicht verletzt haben.

 

Da der Behörde Ihre Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse nicht bekannt waren, wurde bei der Strafbemessung davon ausgegangen, dass Sie kein hierfür relevantes Vermögen besitzen, keine ins Gewicht fallenden Sorgepflichten haben und ein Einkommen von mindestens ca. € 1.400,-- netto monatlich beziehen.

 

Die Kostenentscheidung ist gesetzlich begründet."

 

I.2. Gegen dieses Straferkenntnis, das dem Bf zu Händen seines Rechtsvertreters am 4. Juli 2013 zugestellt wurde, richtet sich die rechtzeitige Berufung vom 18. Juli 2013.

 

Darin wird im Wesentlichen vorgebracht, dass der Bf die ihm vorgeworfene Verwaltungsstraftat nicht begangen habe. Betreffend die Dienstanweisung verweist der Bf auf die Rechtsprechung des Oö. Verwaltungssenats zu den Zahlen VwSen-360070, VwSen-301232 und VwSen-301206, mit welcher die Erlassung von Dienstanweisungen sowie das "Blockieren" der Durchführung von Testspielen und andere Handlungen rechtlich unbedenklich seien.

 

Die Duldungs- und Mitwirkungspflicht gemäß § 50 Abs 4 GSpG verstoße ferner gegen den verfassungsrechtlich geschützten Grundsatz "nemo tenetur se ipsum accusare", zumal es für einen Beschuldigten keine Verpflichtung gebe, sich selbst zu belasten. Ferner wird eine Vielzahl von Begründungsmängeln gerügt und beantragt, der Berufung Folge zu geben, das angefochtene Straferkenntnis ersatzlos zu beheben und das Strafverfahren einzustellen.

 

I.3. Die belangte Behörde legte mit Schreiben vom 7. August 2013 die Berufung und ihren Bezug habenden Verfahrensakt dem Oö. Verwaltungssenat zur Entscheidung vor.

 

Gemäß § 3 Abs 1 Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz – VwGbk-ÜG, BGBl I Nr. 33/2013 idF BGBl I Nr. 122/2013 gilt eine bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 erhobene Berufung gegen einen Bescheid, der vor Ablauf des 31. Dezember 2013 erlassen wurde, als rechtzeitig erhobene Beschwerde gemäß Art 130 Abs 1 Z 1 B-VG.

 

Gemäß § 2 VwGVG entscheidet das Verwaltungsgericht durch Einzelrichter, soweit die Bundes- oder Landesgesetze nicht die Entscheidung durch einen Senat vorsehen, was im Glücksspielgesetz nicht der Fall ist.

 

Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung entfällt gemäß § 44 Abs 2  VwGVG, da bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben ist.

 

I.4. Das Oö. Landesverwaltungsgericht hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsstrafakt der belangten Behörde (einschließlich der Schriftsätze der Parteien) und die ergänzend beigeschaffte Kopie des Aktenvermerks über die gegenständliche Kontrolle aus dem dieselbe Kontrolle betreffenden, beim vormals zuständigen Oö. Verwaltungssenat anhängigen Verfahrensakt zu VwSen-360324.

 

Es steht folgender entscheidungsrelevanter S a c h v e r h a l t fest:

 

Am 16. Mai 2013 fand um 13:25 Uhr im Lokal "x" in x, eine von der Finanzpolizei der Abgabenbehörde Kirchdorf Perg Steyr durchgeführte Glücksspielkontrolle statt. 

Zum Kontrollzeitpunkt befand sich die Lokalangestellte x im Lokal. Bezugnehmend auf eine von ihr am 1. November 2011 unterfertigte Dienstanweisung der Firma x verweigerte sie die Beantwortung der Fragen der Organe der Finanzpolizei. Um 14:30 Uhr wurde der zwischenzeitlich ins Lokal gerufene Vorgesetzte der Lokalangestellten, der Bf x, Vertreter der Firma x, von der Finanzpolizei befragt, wobei dieser die Beantwortung der Fragen unter Bezugnahme auf eine von ihm unterzeichnete Dienstanweisung der Firma x weitgehend verweigerte bzw angab, die Antworten nicht zu wissen.

Weitere Beschuldigte waren zum Zeitpunkt der Kontrolle nicht im Lokal anwesend.

 

Die Befragung des Bf und von Frau x fand wegen des Verdachts einer Übertretung nach dem Glücksspielgesetz statt. Bereits zum Zeitpunkt der Befragung bestand bei der Finanzpolizei der Verdacht des Vorliegens einer Übertretung nach dem Glücksspielgesetz.

 

Dem Aktenvermerk der Finanzpolizei vom 16. Mai 2013 ist zu entnehmen, dass an keinem der Geräte Testspiele durchgeführt werden konnten. Lediglich auf dem Gerät mit der FA-Nr. 1 konnte ein Spieler beobachtet werden. Sämtliche Geräte wurden zu Beginn der Kontrolle ausgeschaltet und vom Stromnetz getrennt. Die Geräte konnten aber laut Aktenvermerk von der Abgabenbehörde wieder eingeschaltet werden, wodurch der Startbildschirm mit der Auswahl der Spiele wieder sichtbar wurde. Daraus schloss die Finanzpolizei hinsichtlich jedes einzelnen Geräts einen hinreichend begründeten Verdacht eines fortgesetzten Eingriffs in das Glücksspielmonopol des Bundes.

 

Der Bf ist Vertreter der Firma x, die Mieterin des Lokals ist, in dem die verfahrensgegenständliche Kontrolle stattgefunden hat.

 

Die an den Bf und Frau x gerichtete und auch von beiden unterfertigte Dienstanweisung enthält unter anderem folgenden Wortlaut:

„1.) Die gegenständlichen Wettshops bzw Wettterminals werden von der x aufgestellt und werden von dieser betrieben bzw. bereitgehalten. Auskunftsverpflichtet ist nach den Bestimmungen des Glücksspielgesetzes nur das zuständige Organ der Firma x (Geschäftsführer oder dessen Beauftragter). Im Lokal anwesende Personen – Bedienungspersonal, Putzpersonal, Techniker, etc. – sind nicht auskunftsverpflichtet, es wird ihnen somit untersagt, eine Auskunft zu erteilen.

 

2.) Der Betrieb von Wettshops bzw. Wettterminals basiert auf einer Reihe von technischen Vorgängen, welche allesamt Betriebsgeheimnisse sind. Ebenso unter das Betriebsgeheimnis fallen Umsatzzahlen, Anzahl der Spieler, Art der gespielten Spiele, Art und Umfang der eingesetzten Beträge, der gewonnenen oder verlorenen Spiele. Diese Daten dürfen deshalb nicht bekannt gegeben werden, da die Gefahr besteht, dass diese Daten an die Öffentlichkeit und somit auch an die Konkurrenz gelangen. Eine solche Datenveröffentlichung kann insbesondere anlässlich einer HV vor dem jeweiligen Strafbezirksgericht in einem Verfahren wegen § 168 StGB erfolgen, als auch in einem Verwaltungsstrafverfahren oder Beschlagnahmeverfahren vor dem UVS und Verfahren, in denen diese Verhandlungen öffentlich sind. Mit Bekanntgabe der oben genannten Daten und Betriebsvorgängen erwächst der Firma x ein bedeutender, möglicherweise nicht wieder gut zu machender, Schaden. Es würde damit die Verletzung des hiemit kundgetanen Betriebsgeheimnisses bzw. der Bruch der Verschwiegenheit zur sofortigen Entlassung führen.

 

3). § 49 Abs 1 lit b) AVG lautet:

Die Aussage darf von einem Zeugen verweigert werden über Fragen, die er nicht beantworten könnte, ohne eine ihm obliegende staatlich anerkannte Pflicht zur Verschwiegenheit, von der er nicht gültig entbunden wurde, zu verletzten oder ein Kunst, Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis zu offenbaren.

 

Es dient daher zur Kenntnis, dass die Verletzung der Verschwiegenheitspflicht bzw. Preisgabe von Betriebsgeheimnissen nicht nur der Firma x zu Schaden gerät, sondern auch denjenigen, der das Betriebsgeheimnis preisgibt, zum Schadenersatz verpflichtet. Es entsteht daher dem Betroffenen ein noch nicht absehbarerer Schaden, sodass aus dieser Sicht die Aussage rechtlich gedeckt zu verweigern ist.“

 

 

II. Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich zweifelsfrei aus dem vorgelegten Verwaltungsakt sowie aus dem ergänzend beigeschafften Aktenvermerk. Dass die Befragung des Bf und von Frau x im Rahmen der Kontrolle wegen des Verdachts einer Übertretung nach dem Glücksspielgesetz erfolgte, steht aufgrund der ausdrücklichen Ausführungen jeweils auf Seite 2 der Protokolle der Befragungen fest, wonach Gegenstand der Amtshandlung der „Verdacht der Übertretung nach dem GSpG“ war.

 

 

III. Gemäß § 50 Abs 4 GSpG in der zum Tatzeitpunkt geltenden Fassung BGBl I Nr 112/2012 sind die Behörde nach § 50 Abs 1 GSpG und die im § 50 Abs 2 und 3 leg.cit. genannten Organe zur Durchführung ihrer Überwachungsaufgaben berechtigt, Betriebsstätten und Betriebsräume sowie Räumlichkeiten zu betreten, auch wenn dies sonst der Allgemeinheit untersagt ist, soweit dies zur Überwachung der Einhaltung der Bestimmungen dieses Bundesgesetzes erforderlich ist. Veranstalter und Inhaber sowie Personen, die Glücksspieleinrichtungen bereithalten, haben der Behörde nach § 50 Abs 1 GSpG, dem Amtssachverständigen (§ 1 Abs 3 GSpG) und den Organen der öffentlichen Aufsicht umfassend Auskünfte zu erteilen, umfassende Überprüfungen und Testspiele unter Bereitstellung von Geld oder Spieleinsätzen zu ermöglichen und Einblick in die geführten Aufzeichnungen, in die Aufzeichnungen der Glücksspieleinrichtungen und in die nach diesem Bundesgesetz aufzulegenden Spielbeschreibungen zu gewähren sowie dafür zu sorgen, dass eine anwesende Person diesen Verpflichtungen gegenüber Kontrollorganen nachkommt.

 

Gemäß § 52 Abs 1 Z 5 GSpG in der zum Tatzeitpunkt geltenden Fassung BGBl I Nr 112/2012 begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Behörde mit Geldstrafe bis zu 22.000 Euro zu bestrafen, wer gegen eine Bestimmung der in § 2 Abs 3 GSpG vorgesehenen Verordnung, gegen die Auflageverpflichtung von Spielbeschreibungen, die Anzeigeverpflichtung gemäß § 4 Abs 6 GSpG oder eine Duldungs- oder Mitwirkungspflicht nach § 50 Abs 4 GSpG verstößt.

 

Gemäß § 44 a VStG hat der Spruch, wenn er nicht auf Einstellung lautet, zu enthalten:

1. die als erwiesen angenommene Tat;

2. die Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist;

3. die verhängte Strafe und die angewendete Gesetzesbestimmung;

4. den etwaigen Anspruch über privatrechtliche Ansprüche;

5. im Fall einen Straferkenntnisses die Entscheidung über die Kosten.

 

 

IV. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat erwogen:

 

IV.1. § 50 Abs 4 GSpG normiert eine "umfassende" Mitwirkungs- und Duldungspflicht, welche sich an verschiedene Adressaten richtet. Im Grunde soll diese Mitwirkungs- und Duldungspflicht die Effizienz der Kontrolle im Rahmen des GSpG steigern (vgl grundlegend EBRV 658 BlgNR 24. GP, 3) und zur Gewinnung der notwendigen Informationen zur Durchführung der Überwachungsaufgaben im Rahmen des GSpG führen, soweit dies zur Überwachung der Einhaltung der Bestimmungen des GSpG erforderlich ist (vgl dazu § 50 Abs 4 1. Satz GSpG).

 

Schon aus dem Wortlaut der Bestimmung wird eine erste Grenze der Duldungs- und Mitwirkungspflicht ersichtlich. Diese Pflichten erstrecken sich nur auf den Bereich der Überwachung der Einhaltung der Bestimmungen des GSpG. Liegt hingegen der Verdacht – welcher im Kern des Begriffes notwendig ein begründeter, dh auf Tatsachen zurückzuführender, ist (siehe zum retrospektiv diagnostischen Element des Verdachtsbegriffes im Rahmen der abduktiven Entdeckung und Bewertung von Hypothesen Schulz, Normiertes Misstrauen, 224 ff, 312 ff und 528 f) – auf einen Verstoß gegen das GSpG vor, so endet die Duldungs- und Mitwirkungspflicht. Ab diesem Zeitpunkt handelt es sich nicht mehr um die Durchführung von Überwachungsaufgaben zum Zwecke (arg: "erforderlich") der Einhaltung des GSpG, sondern zum Zwecke der Tataufklärung und Ermittlung wegen eines angenommenen Verstoßes gegen das GSpG.

 

Diese Auslegung zur Mitwirkungspflicht korreliert in den überwiegenden Fallkonstellationen mit den Vorgaben des verfassungsrechtlich verankerten Prinzips "nemo tenetur se ipsum accusare", nach dem der Gesetzgeber keine Regelung treffen darf, die eine im Verdacht einer strafbaren Handlung stehende Person verpflichtet, Beweise gegen sich selbst zu liefern (dazu mwN Walter/Mayer/Kucsko-Stadlmayer, Bundesverfassungsrecht10 Rz 786).

 

Darüber hinaus ist aus dem Wortlaut abzuleiten, dass die Duldungs- und Mitwirkungspflicht nicht nur ad personam durch die Anwendbarkeit des Selbstbezichtigungsverbotes begrenzt ist, sondern dass das Entstehen der Verdachtslage auch generell die Zäsur darstellt.

 

Ist somit aus der objektiven Sichtweise ex ante eine Verdachtslage auf einen Verstoß gegen das Glücksspielgesetz gegeben, so endet die Mitwirkungs- und Duldungspflicht (siehe zur vorzunehmenden Art der Abgrenzung in ähnlichen Konstellationen Lienbacher, Ist staatsanwaltliches Handeln ein zulässiger Kontrollgegenstand, in Lienbacher/Wielinger, Jahrbuch Öffentliches Recht 2010, 73 f). Denn es geht dann nicht mehr nur um die Wahrnehmung von Überwachungsaufgaben zur Kontrolle der Einhaltung des Glücksspielgesetzes, sondern um strafrechtliche Verfolgungsmaßnahmen im Hinblick auf den Verdacht einer Übertretung des Glücksspielgesetzes.

 

Selbst wenn man im bloßen Einschreiten von Hilfsorganen – deren Verhalten allerdings der zuständigen Verwaltungsstrafbehörde zuzurechnen ist – der öffentlichen Aufsicht (Finanzpolizei) noch keinen formalen Beginn eines Strafverfahrens im Sinne des § 31 VStG (arg: noch keine behördliche Verfolgungshandlung) erkennen wollte, vermag dies am oben dargelegten, verfassungsrechtlich gebotenen Interpretationsergebnis, das nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofs aus der materiellen Bedeutung des Anklageprinzips nach Art 90 Abs 2 B-VG folgt und daher auch im Verwaltungsstrafverfahren gilt (vgl mN Mayer, B-VG4 [2007] Art 90 B-VG Anm III), sachlich nichts zu ändern. Es liegt auf der Hand, dass das bloße Abstellen auf behördliche Verfolgungshandlungen und ein Ausblenden des Verfolgungsverhaltens von Hilfsorganen nur ein der Aushöhlung und Umgehung dienender Formalismus wäre, der dem Wesensgehalt des verfassungsrechtlichen Selbstbezichtigungsverbots und der Unschuldsvermutung des Art 6 Abs 2 EMRK diametral zuwiderliefe. Denn wegen des unmittelbaren Zusammenhangs mit dem Strafverfahren wegen verbotenen Glücksspiels wäre eine strafbeschwerte Mitwirkungspflicht an einer zum Zwecke der Strafverfolgung durchgeführten Glücksspielkontrolle unverhältnismäßig und dem Kerngehalt der Garantie eines fairen Verfahrens widersprechend (vgl dazu eingehend mN Grabenwarter/Pabel, Europäische Menschenrechtskonvention5 [2012] 456 ff Rz 123).

 

IV.2. Aufgrund der unmissverständlichen Beschreibung des Gegenstands der Amtshandlung jeweils auf Seite 2 der Niederschriften über die Befragungen ist vollkommen klar, dass für das Einschreiten der Finanzpolizei im gegenständlichen Fall der Verdacht von Eingriffen in das Glücksspielmonopol und damit von Übertretungen der Strafbestimmung des § 52 GSpG ausschlaggebend war.

 

Als Gegenstand der Amtshandlung ist der „Verdacht der Übertretung nach dem GSpG“ festgehalten weshalb schon aus diesem Grund feststeht, dass die im Rahmen der Befragung dem Bf gestellten Fragen nicht darauf gerichtet waren, die Einhaltung der Bestimmungen des GSpG zu überwachen, sondern einem gezielten Verdacht einer Übertretung nachzugehen.

 

Schon zu Beginn der Befragung lag somit offenkundig die oben beschriebene Verdachtslage vor. Da für das Einschreiten der Finanzpolizei im gegenständlichen Fall a priori der Verdacht von Eingriffen in das Glücksspielmonopol und damit von Übertretungen der Strafbestimmung des § 52 GSpG ausschlaggebend war, endete bei verfassungskonformer Auslegung die Mitwirkungspflicht gem § 50 Abs 4 GSpG daher schon zu Beginn der Kontrolle.

 

Da aber – wie bereits oben ausgeführt – schon aufgrund des Wortlauts des § 50 Abs 4 1. Satz GSpG die Duldungs- und Mitwirkungspflicht schon bei Bestehen eines begründeten Verdachts auf einen Verstoß gegen das GSpG endet und ein solcher – wie sich aus den im Verwaltungsakt einliegenden Unterlagen der Finanzpolizei zur gegenständlichen Kontrolle zweifelsfrei ergibt – bereits im Rahmen der Kontrolle vorgelegen ist bzw gar den Grund für die Kontrolle gebildet hatte, war mangels Mitwirkungspflicht an der Strafverfolgung und Aufklärung von Delikten keine mit Strafe bedrohte Handlung möglich.

 

IV.3. Darüber hinaus ist augenfällig, dass der Bf in seiner Funktion als Vertreter der Firma x durch die Erteilung der von der Finanzpolizei geforderten Auskünfte selbst Gefahr laufen würde, sich der verwaltungsstrafrechtlichen Verfolgung auszusetzen, worauf nicht zuletzt der vom Bf in seiner Beschwerde erhobene Einwand des Grundsatzes "nemo tenetur se ipsum accusare" hinweist.

 

Auch der Vertreter der Firma x, welche Mieterin des gegenständlichen Lokals ist, in dem Glücksspieleinrichtungen bereitgehalten und Ausspielungen durchgeführt werden, ist in dieser Funktion als Beitragstäter gemäß § 7 2. Fall VStG iVm § 52 Abs 1 Z 1 GSpG zu qualifizieren, weil er zur Verwirklichung des Tatbestands der Veranstaltung, der Organisation, des unternehmerischen Zugänglichmachens oder der unternehmerischen Beteiligung an verbotenen Ausspielungen im Sinne des GSpG beiträgt bzw die Begehung dieser Tatbilder erleichtert.

 

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 31. August 2008, 2008/17/0033, ausgeführt hat, liegt die durch § 7 VStG unter Strafe gestellte Beihilfe vor,

"wenn durch das Verhalten einem anderen die Haupttat ermöglicht oder erleichtert wird (vgl. z.B. Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens5, Anm. 4 zu § 7 VStG, 1271, oder Thienel, Verwaltungsverfahrensrecht3, 401). Unter Beihilfe im Sinne des § 7 VStG wird nach der hg. Rechtsprechung die vorsätzliche Unterstützung des tatbestandsmäßigen rechtswidrigen Verhaltens eines anderen verstanden, ohne dass dabei Ausführungshandlungen gesetzt werden; die Tätigkeit des Gehilfen besteht somit in einem ursächlichen Beitrag zur Ausführung einer strafbaren Handlung eines anderen, der auf jede andere Weise als durch unmittelbare Täterschaft erbracht werden kann (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 6. Februar 1990, Zl. 89/04/0184, und die dort zitierte Vorjudikatur, sowie vom 15. September 1992, Zl. 91/04/0033)."

 

Der Bf ist als Vertreter der Firma x, der auch Vorgesetzter der Angestellten des Lokals war und somit offensichtlich für die Bereithaltung der Glücksspielgeräte zuständig war, im Sinne der zitierten Judikatur jedenfalls als Beitragstäter zu einer möglicherweise vorliegenden Verwaltungsstraftat nach § 52 Abs 1 Z 1 GSpG zu qualifizieren.

 

Angemerkt sei, dass wenn man – entgegen der obigen Ausführungen – nicht davon ausgehen würde, dass der Bf für die Bereithaltung der Glücksspielgeräte sorgte (und sohin bei entsprechendem Vorsatz als Beitragstäter in Betracht käme), eine Bestrafung des Bf wegen Verletzung der Mitwirkungspflicht nach § 50 Abs. 4 GSpG schon deswegen nicht in Betracht käme, weil diese Mitwirkungspflicht von vornherein (neben Veranstaltern und Inhabern) nur Personen erfasst, die Glücksspieleinrichtungen bereithalten.

 

Die Beitragstäterschaft gemäß § 7 VStG setzt vorsätzliche Tatbegehung voraus, wofür bedingter Vorsatz (dolus eventualis) genügt (vgl VwGH 25. März 2010, 2007/09/0268). Ein solcher ist bereits dann gegeben, wenn der Täter den tatbestandsmäßigen Erfolg zwar nicht bezweckt, seinen Eintritt auch nicht als gewiss voraussieht, ihn aber für möglich hält und sich mit ihm abfindet (vgl VwGH 25.03.1992, 91/03/0009; VwGH 20.09.1999, 98/10/0006).

 

Der festgestellte Sachverhalt rechtfertigt den Schluss, dass der Bf als Vertreter der Fa. x zumindest mit dolus eventualis gehandelt hat, zumal ihm das Bereithalten von Glücksspielgeräten in seiner Funktion bekannt war und er bei lebensnaher Betrachtung dadurch Verstöße gegen die Rechtsordnung für möglich gehalten hat. Auch die Dienstanweisung, wonach es dem Vertreter der Fa. x verboten ist, „Angaben oder Aussagen über Betriebsabläufe abzugeben“ und die darin enthaltenen Erläuterungen zu möglichen Verfahren wegen § 168 StGB bzw zu möglichen Verwaltungsstrafverfahren vor dem UVS konnten für ihn nur dann sinnvoll erscheinen, wenn die Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Raum steht.

 

Mangels Mitwirkungspflicht an der eigenen Strafverfolgung iSd unter IV.1. dargelegten Grundsatzes "nemo tenetur se ipsum accusare" wurde auch aus diesem Grund durch die Verweigerung der Mitwirkung keine mit Strafe bedrohte Handlung gesetzt. Denn die Mitwirkungspflicht kann sich nur auf die Kontrolle der Einhaltung des Glücksspielgesetzes im Vorfeld eines konkreten Verdachts, der zum Anlass für die Verfolgung und Aufklärung von Straftaten herangezogen wird, beziehen und nicht wie gegenständlich auch nach Vorliegen eines konkreten Verdachts auf eine Übertretung nach dem GSpG (was aber den Gegenstand der Befragung des Bf laut der Niederschrift bildete) bestehen. Auch der Verwaltungsgerichtshof (13.12.1990, 90/09/0152) hat im Übrigen in Zusammenhang mit einem Disziplinarvergehen zum Aussageverweigerungsrecht bereits erkannt, dass der Grundsatz, dass niemand gezwungen ist, gegen sich selbst auszusagen, seinem Wesen und seiner Bedeutung nach eine Beschränkung seines Geltungsbereiches auf ein bestimmtes Verfahren verbietet. Wenn jemand in einem Stadium eines (Disziplinar-)Verfahrens seine Aussage verweigern darf, zuvor aber zur wahrheitsgemäßen Auskunft auch dann verpflichtet wäre, wenn er sich dadurch der Gefahr einer Verfolgung aussetzt, so wäre er gezwungen, die Tatsachen und Beweismittel für ein gegen ihn einzuleitendes (Disziplinar-) Verfahren zu liefern, nach dessen Einleitung er dann jede Aussage verweigern darf; ein Aussageverweigerungsrecht innerhalb des (Disziplinar-)Verfahrens scheint, so der Verwaltungsgerichtshof, wenig sinnvoll, wenn vor Einleitung des dieses Verfahrens eine unbeschränkte Offenbarungspflicht bestünde. Die Auskunftspflicht außerhalb eines (Disziplinar-)Verfahrens hat ihre Grenzen dort, wo der Betroffene sich selbst durch eine wahrheitsgemäße Aussage belasten würde (VwGH 13.12.1990, 90/09/0152). Diese Grundsätze müssen aber auch für Strafverfahren nach dem GSpG gelten. Aus den genannten Gründen steht im Ergebnis fest, dass der Bf keine Mitwirkungspflicht nach § 50 Abs 4 GSpG verletzt haben kann.

 

 

IV.4. Darüber hinaus ist nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs zu den Sprucherfordernissen nach § 44a Z 1 VStG die Tat so weit zu konkretisieren, dass diese erstens nach Tatort und Tatzeit unverwechselbar feststeht sowie zweitens eine eindeutige Zuordnung zu den Tatbestandsmerkmalen ermöglicht wird und damit auch die Identität der Tat unverwechselbar feststeht (stRsp seit verst. Senaten VwSlg 11.466 A/1984 und VwSlg 11.894 A/1985); im Spruch sind daher alle wesentlichen Tatbestandsmerkmale anzuführen, die zur Individualisierung und Konkretisierung des inkriminierten Verhaltens notwendig sind.

 

Der Vorschrift des § 44a Z 1 VStG ist dann entsprochen, wenn im Spruch die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorgeworfen ist, dass der Beschuldigte in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen und der Spruch geeignet ist, den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden. Eine Umschreibung der Tat bloß in der Begründung reicht im Verwaltungsstrafrecht nicht aus (vgl Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens6 [2004] 1522, Anm 2 zu § 44a VStG).

 

Sache des Rechtsmittelverfahrens ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruchs im Bescheid der Unterbehörde bildet (vgl ua VwGH 24.3.1994, 92/18/0356; VwGH 23.10.1995, 94/04/0080; VwGH 29.10.1996, 96/07/0103; VwGH 19.3.1997, 93/11/0107). Ein Austausch wesentlicher Tatbestandsmerkmale führt zur Anlastung einer anderen Tat und ist daher unzulässig (vgl VwGH 20.11.1997, 97/06/0170).

 

IV.4.1. Die Bestimmung des § 50 Abs 4 GSpG in der zum Tatzeitpunkt geltenden Fassung verpflichtet verschiedene Adressaten, nämlich Veranstalter und Anbieter von Glücksspielen und Personen, die Glücksspieleinrichtungen bereithalten, unmittelbar zur Mitwirkung, sowie dafür zu sorgen, dass eine anwesende Person diesen Verpflichtungen gegenüber Kontrollorganen nachkommt. Zu diesen Varianten unmittelbarer Täterschaft kann jeweils eine Beteiligungssituation hinzutreten. Beispielsweise ist – wie durch das letzte Tatbestandselement des § 50 Abs 4 GSpG impliziert wird – denkbar, dass der Veranstalter oder Anbieter von Glücksspielen dazu beiträgt oder anstiftet, dass eine bereithaltende Person der Mitwirkungspflicht nicht nachkommt. Weiters ist zu bedenken, dass – wie es im gegenständlichen Fall gegeben ist – eine juristische Person als Veranstalter bzw Anbieter in Frage kommt und wiederum ein außenvertretungsbefugtes Organ (zB Geschäftsführer) im Rahmen des § 9 VStG verantwortlich ist. In diesem Zusammenhang haftet das außenvertretungsbefugte Organ wiederum in zwei Varianten. Entweder setzt das Organ selbst in zurechenbarer Weise ein rechtswidriges Verhalten für die juristische Person oder das außenvertretungsbefugte Organ muss sich ein rechtswidriges Verhalten von Mitarbeitern als Organisationsverschulden zurechnen lassen.

 

Da nun die Art der Täterschaft einer Verwaltungsübertretung nach dem § 50 Abs 4 iVm § 52 Abs 1 Z 5 GSpG in vielen Erscheinungsformen möglich ist, hat im Spruch des Straferkenntnisses eine genaue Aus- und Anführung zur Täterschaft und Beteiligung iSd § 7 VStG zu erfolgen, um dem Beschuldigten eine entsprechende Verteidigung zu ermöglichen. Erfolgt diese Differenzierung und Konkretisierung nicht, so ist der Spruch des Straferkenntnisses nicht iSd Anforderungen nach § 44a Z 1 VStG bestimmt und unverwechselbar und daher mit Rechtswidrigkeit behaftet. So hat beispielsweise der Verwaltungsgerichtshof zur Beteiligungsform der Beihilfe klargestellt, dass im Spruch sowohl die Tatumstände zu konkretisieren sind, welche eine Zuordnung der Tat des Haupttäters zur verletzten Verwaltungsvorschrift ermöglicht, als auch jenes konkrete Verhalten darzustellen ist, durch welches der Tatbestand der Beihilfe verwirklicht wird (vgl VwSlg 13112 A/1990 und VwSlg 13224 A/1990).

 

IV.4.2. Vor dem Hintergrund der verschiedenen Tatbegehungsformen hat die belangte Behörde eine differenzierte und konkretisierte Fassung des Tatvorwurfes vorzunehmen. Dabei können sich weitgehend mit dem Gesetzeswortlaut deckende Formulierungen der Strafbehörde für die Bestimmtheit iSd § 44a Z 1 VStG nicht genügen. Durch die substanzlose Verwendung der verba legalia wird nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs noch keine Konkretisierung im Sinne der Anforderungen des § 44a Z 1 VStG vorgenommen. Denn es reicht nicht aus, den bloßen Gesetzeswortlaut unter Anführung von Tatzeit und Tatort wiederzugeben, sondern die Tat ist entsprechend den Gegebenheiten des jeweiligen Falles zu individualisieren (vgl mwN Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens6 [2004] 1522, Anm 2 zu § 44a VStG).

 

Diese einzelfallbezogene Konkretisierung des Spruches iSd § 44a Z 1 VStG ist einerseits deshalb erforderlich, damit der Beschuldigte in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und andererseits um den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden (vgl VwGH 18.10.2011, 2011/02/0281 unter Bezugnahme auf Vorjudikatur) und damit der Gefahr einer allfälligen Doppelbestrafung ausgesetzt zu sein (vgl speziell für Übertretungen nach dem GSpG VwGH 12.3.2010, 2010/17/0017).

 

IV.4.3. Im konkreten Fall wird dem Bf im Spruch des Straferkenntnisses hinsichtlich der Auskunftserteilung die Tatbegehung als unmittelbarer Täter vorgeworfen, weil er trotz mehrfacher Aufforderung und Belehrung gegen die ihm zukommende Mitwirkungspflicht gem § 50 Abs 4 GSpG verstoßen habe, indem er zum Zeitpunkt der Kontrolle der öffentlichen Aufsicht die geforderte Auskunft nicht erteilt, keine umfassenden Überprüfungen und Testspiele ermöglicht und keinen Einblick in die geführten Aufzeichnungen sowie die nach diesem Bundesgesetz aufzulegenden Spielbeschreibungen gewährt habe.

 

Bei dieser spruchförmigen Tatanlastung handelt sich allerdings um eine bloße Leerformel, die nur eine weitgehende Wiederholung des Gesetzeswortlautes darstellt und nicht geeignet ist, dem Bf eine individuelle Tat unverwechselbar vorzuwerfen. Genau betrachtet enthält der Spruch keine Substanz und damit auch keinen "echten" Tatvorwurf. Bestätigt wird dies aus dem Akteninhalt bzw der Anzeige des Finanzamtes. Darin findet sich lediglich der Hinweis, dass die "geforderten" Auskünfte zu erteilen gewesen wären.

 

Die gemäß § 50 Abs 4 2. Satz GSpG verpflichteten Personen haben ua den Organen der öffentlichen Aufsicht "umfassende" Auskünfte zu erteilen, "umfassende" Überprüfungen und Testspiele zu ermöglichen und Einblick in die geführten Aufzeichnungen sowie die aufzulegenden Spielbeschreibungen zu gewähren. Aus der gesetzlichen Fassung dieser Mitwirkungspflichten ist dem Grunde nach zu erkennen, dass die von der belangten Behörde vorgeworfene "Tat" nicht mit Strafe gemäß § 52 Abs 1 Z 5 iVm § 50 Abs 4 GSpG bedroht wird, da ein wesentlicher Unterschied zwischen den "geforderten" und den "umfassenden" Auskünften besteht. § 50 Abs 4 GSpG statuiert die Pflicht zur umfassenden Auskunftserteilung allein an die Behörde und die Organe der öffentlichen Aufsicht, welche die Einhaltung des Glücksspielgesetzes kontrollieren. Auf der Überwachung der Einhaltung des Glücksspielgesetzes liegt im Sinne des § 50 Abs 4 1. Satz GSpG (arg: "zur Durchführung ihrer Überwachungsaufgaben") der Bezug der umfassenden Auskunftserteilung.

 

Mit anderen Worten: Es sind jene umfassenden Auskünfte zu erteilen, die erforderlich sind, um die Überwachung der Einhaltung des Glücksspielgesetzes zu ermöglichen. Diese Zielrichtung lässt sich aus einem Kausalzusammenhang mit der Aufgabenerfüllung ableiten, wogegen sich das "Geforderte" lediglich aus der Existenz einer entsprechenden Frage bzw Forderung determiniert. Letzteres wird jedoch vom Gesetz nicht mit Strafe bedroht. Auch insofern ist daher der Spruch des Bescheides der belangten Behörde verfehlt und mit Rechtswidrigkeit behaftet.

 

IV.5. Die belangte Behörde hat weder im angefochtenen Straferkenntnis, noch in der Aufforderung zur Rechtfertigung eine geeignete Anlastung mit einem entsprechend den Umständen des Einzelfalles konkretisieren Tatvorwurf erhoben, der die Identität der Tat mit ausreichender Bestimmtheit formuliert und unverwechselbar erscheint. Mangels Angabe von konkret verlangten Auskünften kann nicht beurteilt werden, welche für die Überwachung der Einhaltung des Glücksspielgesetzes erforderlichen Auskünfte der „Vertreter“ im Rahmen seiner Befugnisse hätte erteilen müssen und inwiefern er daher gegen seine Auskunftspflicht verstoßen haben soll. Damit fehlt es an der erforderlichen Konkretisierung der Sachverhaltselemente, die die vorgenommene Subsumtion erst nachvollziehbar erscheinen ließe.

 

Die belangte Behörde hat weder im angefochtenen Straferkenntnis, noch in der Aufforderung zur Rechtfertigung eine geeignete Anlastung mit einem entsprechend den Umständen des Einzelfalls konkretisierten Tatvorwurf erhoben, der die Identität der Tat mit ausreichender Bestimmtheit formuliert und unverwechselbar erweist.

 

V. Im Ergebnis war daher das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Strafverfahren auf der Grundlage des § 45 Abs 1 Z 1 VStG iVm § 38 VwGVG einzustellen.

 

 

VI. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig (vgl. auch bereits LVwG-410275/2/MS/TK), da das gegenständliche Verfahren bereits ohne Lösung einer Rechtsfrage, der im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, einzustellen war; die Beurteilung, ob von der Finanzpolizei Auskünfte bereits aufgrund des Vorliegens eines konkreten Verdachtes einer Übertretung nach dem GSpG (zu dessen Aufklärung) verlangt wurden und entsprechend dem auch in der bisherigen  Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bereits anerkannten (vgl. etwa VwGH 13.12.1990, 90/09/0152) Grundsatz "nemo tenetur se ipsum accusare" eine Verweigerung der Auskünfte zulässig war, ist auf Grund der relevanten Umstände des konkreten Einzelfalls vorzunehmen, sodass dieser Beurteilung keine Bedeutung über den konkreten Einzelfall hinaus zukommt.

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Dr. R e i t t e r