LVwG-410075/2/HW/BZ/TK

Linz, 15.07.2014

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Mag. Dr. Wiesinger über die Beschwerde des Herrn X, geb. am X, X, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. X, X, gegen das Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Oberösterreich, Polizeikommissariat Steyr, vom 29. Juli 2013, GZ S-3344/St/13, wegen einer Verwaltungsübertretung nach § 50 Abs 4 in Verbindung mit § 52 Abs 1 Z 5 Glücksspielgesetz

 

zu Recht   e r k a n n t :

I.         Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG eingestellt.

 

II.       Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG unzulässig.


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

 

I.1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Oberösterreich, Polizeikommissariat Steyr (im Folgenden: belangte Behörde), vom 29. Juli 2013, GZ S-3344/St/13, wurde der Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf) wie folgt schuldig erkannt:

 

„Bei einer von der Abgabenbehörde als Organ der Öffentlichen Aufsicht im Sinne des § 50 Abs. 2 GSpG durchgeführten Kontrolle am 25.4.2013 um 10.30 Uhr im Lokal mit der Bezeichnung X, in X, wurde festgestellt, dass Sie in Ihrer Eigenschaft als Vorstand und somit als das nach § 9/1 VStG zur Vertretung nach außen berufene Organ der Firma X, die das ggst. Lokal betreibt vorsätzlich veranlasst haben, dass ein anderer, nämlich Herr X, eine Verwaltungsübertretung begeht, weil Sie diesen mit einer Dienstanweisung und einer Erklärung dazu untersagt haben, der Auskunftspflicht gem. § 50 Abs. 4 GSpG nachzukommen. Aufgrund des Inhaltes der von Ihnen verfaßten Dienstanweisung verweigerte Herr X die geforderten Auskünfte ggü. den o.a. Organen und hat gegen die ihm zukommende Mitwirkungspflicht gemäß § 50 Abs. 4 GSpG verstoßen.

 

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

§ 50 Abs. 4 iVm § 52 Abs. 1 Z 5 GSpG 1989 idgF iVm § 7 VStG 1991

 

Wegen dieser Verwaltungsübertretung wird über Sie folgende Strafe verhängt:

Geldstrafe in falls diese uneinbringlich ist,      Freiheitsstrafe von Gemäß §

Ersatzfreiheitsstrafe von

 

€ 2.000,-- 3 Tage     52 Abs. 1 Zi. 5 GSpG

 

Weitere Verfügungen (zB Verfallsausspruch, Anrechnung von Vorhaft): Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) zu zahlen:

• 200,- Euro    als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, das sind 10% der Strafe (je ein Tag Freiheitsstrafe wird gleich 15 € angerechnet);

• _     Euro als Ersatz der Barauslagen für

 

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) beträgt daher 2.200,- Euro“.

 

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen Folgendes aus:

Bei einer von der Abgabenbehörde als Organ der öffentlichen Aufsicht im Sinne des § 50 Abs. 2 GSpG durchgeführten Kontrolle am 25.4.2013 um 10.30 Uhr im Lokal mit der Bezeichnung X in X, dessen Betreiber die Fa. X sei, seien mehrere Glücksspieleinrichtungen betriebsbereit vorgefunden worden. Zu Beginn der Kontrolle sei Frau X im Lokal angetroffen und niederschriftlich als zur Auskunft verpflichtete Person befragt worden. Um 11.12 Uhr habe Herr X das Lokal betreten und sich als Vorgesetzter von Frau X und als Vertreter der Fa. X ausgegeben. Es sei daher nach entsprechender Belehrung die Niederschrift mit Herrn X fortgeführt worden. Auf Fragen habe er angegeben, die Antwort nicht zu wissen oder sich auf eine Dienstanweisung berufen, die es ihm untersage, Auskünfte gem. § 50 Abs. 4 GSpG zu erteilen. Diese Dienstanweisung samt einer Erklärung, keine Auskunft gemäß § 50 Abs. 4 GSpG zu erteilen sei den Organen der Abgabenbehörde im Zuge der Befragung vorgelegt worden. Trotz Belehrung über die entsprechende Strafnorm (§ 52 Abs. 1 Z 5 GSpG) sei er nicht bereit gewesen, die geforderten Auskünfte zu erteilen. Es stehe daher fest, dass die im Spruch angeführte Verwaltungsübertretung begangen worden sei. Herr X sei vorsätzlich veranlasst worden, eine Verwaltungsübertretung gem. § 50 Abs. 4 iVm § 52 Abs. 1 Z 5 GSpG 1989 idgF zu begehen, weil mit einer Dienstanweisung und einer dazu abgegebenen Erklärung Herrn X untersagt worden sei, seiner Mitwirkungspflicht gem. § 50 Abs. 4 GSpG 1989 nachzukommen.

 

I.2. Gegen dieses Straferkenntnis, das dem Bf zu Händen seines Rechtsvertreters zugestellt wurde, richtet sich die rechtzeitige Berufung mit welcher beantragt wird, das angefochtene Straferkenntnis ersatzlos zu beheben und das Strafverfahren einzustellen.

 

Darin wird im Wesentlichen vorgebracht, dass der Bf die ihm vorgeworfene Verwaltungsstraftat nicht begangen habe. Betreffend die Dienstanweisung verweist der Bf auf die Rechtsprechung des Oö. Verwaltungssenats zu den Zahlen VwSen-360070, VwSen-301232 und VwSen-301206, wonach die Erlassung von Dienstanweisungen sowie das „Blockieren“ der Durchführung von Testspielen und andere Handlungen rechtlich unbedenklich seien.

 

Die Duldungs- und Mitwirkungspflicht gemäß § 50 Abs 4 GSpG verstoße ferner gegen den verfassungsrechtlich geschützten Grundsatz "nemo tenetur se ipsum accusare", zumal es für einen Beschuldigten keine Verpflichtung gebe, sich selbst zu belasten. Ferner wird eine Vielzahl von Begründungsmängeln gerügt.

 

I.3. Die belangte Behörde legte mit Schreiben vom 2. August 2013 die Berufung und ihren Bezug habenden Verfahrensakt dem Oö. Verwaltungssenat zur Entscheidung vor.

 

 

II.1. Gemäß § 3 Abs 1 Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz – VwGbk-ÜG, BGBl I Nr. 33/2013 idF BGBl I Nr. 122/2013 gilt eine bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 erhobene Berufung gegen einen Bescheid, der vor Ablauf des 31. Dezember 2013 erlassen wurde, als rechtzeitig erhobene Beschwerde gemäß Art 130 Abs 1 Z 1 B-VG.

 

Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung entfällt gemäß § 44 Abs 2  VwGVG, da bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben ist.

 

II.2. Das Oö. Landesverwaltungsgericht hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsstrafakt der belangten Behörde (einschließlich der Schriftsätze der Parteien). Danach steht folgender entscheidungsrelevanter Sachverhalt fest:

 

Am 25. April 2013 beginnend um 10:30 Uhr fand im Lokal „X“ in X, eine von der Finanzpolizei Kirchdorf Perg Steyr durchgeführte Glücksspielkontrolle statt. Von der Finanzpolizei wurden bei Beginn der Kontrolle mehrere Glücksspielautomaten betriebsbereit aufgestellt vorgefunden und es wurden Probespiele durchgeführt. Die Finanzpolizei hatte den Verdacht, dass ein fortgesetzter Eingriff in das Glückspielmonopol des Bundes besteht und sprach eine vorläufige Beschlagnahme aus. Betreiber des Lokals war die X. Bei Beginn der Kontrolle befand sich die Lokalangestellte X im Lokal, mit welcher um 11:05 Uhr eine Niederschrift begonnen wurde. Um 11:12 Uhr betrat Herr X das Lokal, welcher Vorgesetzter von X und Vertreter der Firma X war. Es wurde mit Herrn X die Niederschrift fortgesetzt, wobei dieser bei bestimmten Fragen die Beantwortung unter Bezugnahme auf eine von ihm am 7.1.2013 unterzeichnete Dienstanweisung der X verweigerte bzw. bei bestimmten Fragen angab, die Antwort nicht zu wissen. Die Befragung von X und die Befragung von Herrn X fanden wegen des Verdachtes der Übertretung nach dem GSpG statt. Bereits im Zeitpunkt der Befragung bzw. der Aufnahme der Niederschrift bestand bei der Finanzpolizei der Verdacht des Vorliegens einer Übertretung nach dem GSpG. Herr X ist bei der X am Standort in X beschäftigt. Die an Herrn X gerichtete und auch vom Bf unterfertigte Dienstanweisung enthält unter anderem folgenden Wortlaut:

 „1.) Die gegenständlichen Wettshops bzw. Wettterminals wurden von der X aufgestellt und werden von dieser betrieben bzw. bereitgehalten. Auskunftsverpflichtet ist nach den Bestimmungen des Glücksspielgesetzes nur das zuständige Organ der Firma X (Geschäftsführer oder dessen Beauftragter). Im Lokal anwesende Personen - Bedienungspersonal, Putzpersonal, Techniker, etc...-sind nicht auskunftsverpflichtet, es wird ihnen somit untersagt, eine Auskunft zu erteilen.

2.) Der Betrieb von Wettshops bzw. Wettterminals basiert auf einer Reihe von technischen Vorgängen, welche allesamt Betriebsgeheimnisse sind. Ebenso unter das Betriebsgeheimnis fallen Umsatzzahlen, Anzahl der Spieler, Art der gespielten Spiele, Art und Umfang der eingesetzten Beträge, der gewonnenen oder verlorenen Spiele. [...] Es würde daher die Verletzung des hiemit kundgetanen Betriebsgeheimnisses bzw. der Bruch der Verschwiegenheit zur sofortigen Entlassung führen. [...]

Es dient daher zur Kenntnis, dass die Verletzung der Verschwiegenheitspflicht bzw. Preisgabe von Betriebsgeheimnissen nicht nur der Firma X zu Schaden gerät, sondern auch denjenigen, der das Betriebsgeheimnis preisgibt, zum Schadenersatz verpflichtet. [...]

Hiermit bestätigt Herr/Frau X dass er/sie die Dienstanweisung gelesen und verstanden hat. Jeder Verstoß gegen diese Dienstanweisung hat eine fristlose Entlassung zur Folge.“

 

II.3. Der dargestellte Sachverhalt ergibt sich zweifelsfrei aus dem vorgelegten Verwaltungsakt. Die Feststellungen zur Kontrolle ergeben sich vor allem aus der Anzeige der Finanzpolizei und sind im Wesentlichen auch bereits im angefochtenen Straferkenntnis enthalten. Dass die Finanzpolizei Probespiele durchführte, folgt daraus, dass dies in der Niederschrift erwähnt wird. Dass bereits bei der Befragung bzw. Niederschrift der Verdacht auf eine Übertretung nach dem GSpG vorlag, ergibt sich bereits daraus, dass dieser Verdacht in der Niederschrift als Gegenstand der Amtshandlung bezeichnet wird. Dafür, dass der Verdacht auf einen fortgesetzten Eingriff in das Glückspielmonopol des Bundes bestand, spricht zudem auch die erfolgte Beschlagnahme, da davon auszugehen ist, dass die Finanzpolizei diese nicht ohne entsprechenden Verdacht aussprach.

 

 

III. Gemäß § 50 Abs 4 GSpG in der zum Tatzeitpunkt geltenden Fassung sind die Behörde nach § 50 Abs 1 GSpG und die im § 50 Abs 2 und 3 leg.cit. genannten Organe zur Durchführung ihrer Überwachungsaufgaben berechtigt, Betriebsstätten und Betriebsräume sowie Räumlichkeiten zu betreten, auch wenn dies sonst der Allgemeinheit untersagt ist, soweit dies zur Überwachung der Einhaltung der Bestimmungen dieses Bundesgesetzes erforderlich ist. Veranstalter und Inhaber sowie Personen, die Glücksspieleinrichtungen bereithalten, haben der Behörde nach § 50 Abs 1 GSpG, dem Amtssachverständigen (§ 1 Abs 3 GSpG) und den Organen der öffentlichen Aufsicht umfassend Auskünfte zu erteilen, umfassende Überprüfungen und Testspiele unter Bereitstellung von Geld oder Spieleinsätzen zu ermöglichen und Einblick in die geführten Aufzeichnungen, in die Aufzeichnungen der Glücksspieleinrichtungen und in die nach diesem Bundesgesetz aufzulegenden Spielbeschreibungen zu gewähren sowie dafür zu sorgen, dass eine anwesende Person diesen Verpflichtungen gegenüber Kontrollorganen nachkommt.

 

Gemäß § 52 Abs 1 Z 5 GSpG in der zum Tatzeitpunkt geltenden Fassung begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Behörde mit Geldstrafe bis zu 22.000 Euro zu bestrafen, wer gegen eine Bestimmung der in § 2 Abs 3 GSpG vorgesehenen Verordnung, gegen die Auflageverpflichtung von Spielbeschreibungen, die Anzeigeverpflichtung gemäß § 4 Abs 6 GSpG oder eine Duldungs- oder Mitwirkungspflicht nach § 50 Abs 4 GSpG verstößt.

 

Gemäß § 44 a VStG hat der Spruch, wenn er nicht auf Einstellung lautet, zu enthalten:

1. die als erwiesen angenommene Tat;

2. die Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist;

3. die verhängte Strafe und die angewendete Gesetzesbestimmung;

4. den etwaigen Anspruch über privatrechtliche Ansprüche;

5. im Fall einen Straferkenntnisses die Entscheidung über die Kosten.

 

 

IV. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat in rechtlicher Hinsicht erwogen:

 

IV.1. § 50 Abs 4 GSpG normiert eine "umfassende" Mitwirkungs- und Duldungspflicht, welche sich an verschiedene Adressaten richtet. Im Grunde soll diese Mitwirkungs- und Duldungspflicht die Effizienz der Kontrolle im Rahmen des GSpG steigern (vgl grundlegend EBRV 658 BlgNR 24. GP, 3) und zur Gewinnung der notwendigen Informationen zur Durchführung der Überwachungsaufgaben im Rahmen des GSpG führen, soweit dies zur Überwachung der Einhaltung der Bestimmungen des GSpG erforderlich ist (vgl dazu § 50 Abs 4 1. Satz GSpG).

 

Schon aus dem Wortlaut der Bestimmung wird eine erste Grenze der Duldungs- und Mitwirkungspflicht ersichtlich. Diese Pflichten erstrecken sich nur auf den Bereich der Überwachung der Einhaltung der Bestimmungen des GSpG. Liegt hingegen der Verdacht – welcher im Kern des Begriffes notwendig ein begründeter, dh auf Tatsachen zurückzuführender, ist (siehe zum retrospektiv diagnostischen Element des Verdachtsbegriffes im Rahmen der abduktiven Entdeckung und Bewertung von Hypothesen Schulz, Normiertes Misstrauen, 224 ff, 312 ff und 528 f) – auf einen Verstoß gegen das GSpG vor, so endet die Duldungs- und Mitwirkungspflicht. Ab diesem Zeitpunkt handelt es sich nicht mehr um die Durchführung von Überwachungsaufgaben zum Zwecke (arg: "erforderlich") der Einhaltung des GSpG, sondern zum Zwecke der Tataufklärung und Ermittlung wegen eines angenommenen Verstoßes gegen das GSpG.

 

Diese Auslegung zur Mitwirkungspflicht korreliert in den überwiegenden Fallkonstellationen mit den Vorgaben des verfassungsrechtlich verankerten Prinzips "nemo tenetur se ipsum accusare", nach dem der Gesetzgeber keine Regelung treffen darf, die eine im Verdacht einer strafbaren Handlung stehende Person verpflichtet, Beweise gegen sich selbst zu liefern (dazu mwN Walter/Mayer/Kucsko-Stadlmayer, Bundesverfassungsrecht10 Rz 786).

 

Darüber hinaus ist aus dem Wortlaut abzuleiten, dass die Duldungs- und Mitwirkungspflicht nicht nur ad personam durch die Anwendbarkeit des Selbstbezichtigungsverbotes begrenzt ist, sondern dass das Entstehen der Verdachtslage auch generell die Zäsur darstellt.

 

Ist somit aus der objektiven Sichtweise ex ante eine Verdachtslage auf einen Verstoß gegen das Glücksspielgesetz gegeben, so endet die Mitwirkungs- und Duldungspflicht (siehe zur vorzunehmenden Art der Abgrenzung in ähnlichen Konstellationen Lienbacher, Ist staatsanwaltliches Handeln ein zulässiger Kontrollgegenstand, in Lienbacher/Wielinger, Jahrbuch Öffentliches Recht 2010, 73 f). Denn es geht dann nicht mehr nur um die Wahrnehmung von Überwachungsaufgaben zur Kontrolle der Einhaltung des Glücksspielgesetzes, sondern um strafrechtliche Verfolgungsmaßnahmen im Hinblick auf den Verdacht einer Übertretung des Glücksspielgesetzes.

 

Selbst wenn man im bloßen Einschreiten von Hilfsorganen - deren Verhalten allerdings der zuständigen Verwaltungsstrafbehörde zuzurechnen ist - der öffentlichen Aufsicht (Finanzpolizei) noch keinen formalen Beginn eines Strafverfahrens im Sinne des § 31 VStG (arg: noch keine behördliche Verfolgungshandlung) erkennen wollte, vermag dies am oben dargelegten, verfassungsrechtlich gebotenen Interpretationsergebnis, das nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofs aus der materiellen Bedeutung des Anklageprinzips nach Art 90 Abs 2 B-VG folgt und daher auch im Verwaltungsstrafverfahren gilt (vgl mN Mayer, B-VG4 [2007] Art 90 B-VG Anm III), sachlich nichts zu ändern. Es liegt auf der Hand, dass das bloße Abstellen auf behördliche Verfolgungshandlungen und ein Ausblenden des Verfolgungsverhaltens von Hilfsorganen nur ein der Aushöhlung und Umgehung dienender Formalismus wäre, der dem Wesensgehalt des verfassungsrechtlichen Selbstbezichtigungsverbots und der Unschuldsvermutung des Art 6 Abs 2 EMRK diametral zuwiderliefe. Denn wegen des unmittelbaren Zusammenhangs mit dem Strafverfahren wegen verbotenen Glücksspiels wäre eine strafbeschwerte Mitwirkungspflicht an einer zum Zwecke der Strafverfolgung durchgeführten Glücksspielkontrolle unverhältnismäßig und dem Kerngehalt der Garantie eines fairen Verfahrens widersprechend (vgl dazu eingehend mN Grabenwarter/Pabel, Europäische Menschenrechtskonvention5 [2012] 456 ff Rz 123).

 

IV.2. Aus dem festgestellten Sachverhalt ergibt sich, dass für die Befragung von Herrn X durch die Finanzpolizei im gegenständlichen Fall der bestehende Verdacht von Eingriffen in das Glücksspielmonopol und damit von Übertretungen des GSpG ausschlaggebend war. Es wird auch in der Niederschrift als Gegenstand der Amtshandlung ausdrücklich der „Verdacht der Übertretung nach dem GSpG“ bezeichnet. Schon bei Beginn der Befragung von Herrn X lag somit eine Verdachtslage vor und endete bei verfassungskonformer Auslegung die Mitwirkungspflicht gem § 50 Abs 4 GSpG. Damit steht fest, dass für das Verlangen von Auskünften von Herrn X durch die Finanzpolizei im gegenständlichen Fall a priori der Verdacht von Eingriffen in das Glücksspielmonopol und damit von Übertretungen der Strafbestimmung des § 52 GSpG ausschlaggebend war.

 

Da aber – wie bereits oben ausgeführt – schon aufgrund des Wortlauts des § 50 Abs 4 1. Satz GSpG die Duldungs- und Mitwirkungspflicht schon bei Bestehen eines begründeten Verdachts auf einen Verstoß gegen das GSpG endet und ein solcher bereits im Zeitpunkt des Auskunftsverlangens vorgelegen ist („Verdacht der Übertretung nach dem GSpG“ bildete den Grund der Einvernahmen laut Niederschrift), war mangels Mitwirkungspflicht an der Strafverfolgung und Aufklärung von Delikten keine mit Strafe bedrohte Handlung möglich.

 

IV.3. Der Bf ist als das zur Vertretung nach außen berufene Organ der X, welche im Lokal „X“ als Lokalbetreiber Glücksspielgeräte bereithält, dafür strafrechtlich verantwortlich und bei einer der Strafverfolgung dienenden Glücksspielkontrolle daher von vorherein als Beschuldigter anzusehen.

 

Aber auch Herr X, welcher Vorgesetzter der im Lokal anwesenden Person und Vertreter der Firma X war, ist in dieser Funktion als Beitragstäter gemäß § 7 2. Fall VStG iVm § 52 Abs 1 Z 1 GSpG  zu qualifizieren, weil er zur Verwirklichung des Tatbestands der Veranstaltung, der Organisation, des unternehmerischen Zugänglichmachens oder der unternehmerischen Beteiligung an verbotenen Ausspielungen im Sinne des GSpG beiträgt bzw die Begehung dieser Tatbilder erleichtert.

 

Wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 31. August 2008, 2008/17/0033, ausgeführt hat, liegt die durch § 7 VStG unter Strafe gestellte Beihilfe vor, „wenn durch das Verhalten einem anderen die Haupttat ermöglicht oder erleichtert wird (vgl. z.B. Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens5, Anm. 4 zu § 7 VStG, 1271, oder Thienel, Verwaltungsverfahrensrecht3, 401). Unter Beihilfe im Sinne des § 7 VStG wird nach der hg. Rechtsprechung die vorsätzliche Unterstützung des tatbestandsmäßigen rechtswidrigen Verhaltens eines anderen verstanden, ohne dass dabei Ausführungshandlungen gesetzt werden; die Tätigkeit des Gehilfen besteht somit in einem ursächlichen Beitrag zur Ausführung einer strafbaren Handlung eines anderen, der auf jede andere Weise als durch unmittelbare Täterschaft erbracht werden kann (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 6. Februar 1990, Zl. 89/04/0184, und die dort zitierte Vorjudikatur, sowie vom 15. September 1992, Zl. 91/04/0033).“

 

Herr X als Vertreter der Firma X, der auch Vorgesetzter der Angestellten des Lokals war und somit offensichtlich für die Bereithaltung der Glücksspielgeräte zuständig war, ist im Sinne der zitierten Judikatur jedenfalls als Beitragstäter zu einer möglicherweise vorliegenden Verwaltungsstraftat nach § 52 Abs 1 Z 1 GSpG zu qualifizieren. Der für die Strafbarkeit als Beitragstäter nach der Rechtsprechung erforderliche Zusammenhang zwischen dem Verhalten des Beitragstäters und der Tat des Haupttäters ist im Beschwerdefall gegeben.

 

Die Beitragstäterschaft gemäß § 7 VStG setzt vorsätzliche Tatbegehung voraus, wofür bedingter Vorsatz (dolus eventualis) genügt (vgl VwGH 25. März 2010, 2007/09/0268). Ein solcher ist bereits dann gegeben, wenn der Täter den tatbestandsmäßigen Erfolg zwar nicht bezweckt, seinen Eintritt auch nicht als gewiss voraussieht, ihn aber für möglich hält und sich mit ihm abfindet (vgl VwGH 25.03.1992, 91/03/0009; VwGH 20.09.1999, 98/10/0006).

 

Der festgestellte Sachverhalt rechtfertigt den Schluss, dass Herr X als Vertreter der Fa. X zumindest mit dolus eventualis gehandelt hat, zumal ihm das Bereithalten von Glücksspielgeräten in seiner Funktion bekannt war und er bei lebensnaher Betrachtung dadurch Verstöße gegen die Rechtsordnung für möglich gehalten hat. Auch die Dienstanweisung vom 7.1.2013 sowie die Erklärung vom 11.4.2013 bzw. die darin enthaltenen Erläuterungen zu möglichen Verfahren wegen § 168 StGB bzw. zu möglichen Verwaltungsstrafverfahren vor dem UVS konnten für ihn nur dann sinnvoll erscheinen, wenn die Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Raum steht.

 

Mangels Mitwirkungspflicht an der eigenen Strafverfolgung entsprechend dem rechtsstaatlichen Grundsatz "nemo tenetur se ipsum accusare" wurde durch die Verweigerung der Mitwirkung keine mit Strafe bedrohte Handlung gesetzt. Denn die Mitwirkungspflicht kann sich nur auf die Kontrolle der Einhaltung des Glücksspielgesetzes im Vorfeld eines konkreten Verdachts, der zum Anlass für die Verfolgung und Aufklärung von Straftaten herangezogen wird, beziehen und nicht wie gegenständlich auch nach Vorliegen eines konkreten Verdachts auf eine Übertretung nach dem GSpG (was aber den Gegenstand der Befragung des Herrn X laut der Niederschrift bildete) bestehen. Auch der Verwaltungsgerichtshof (13.12.1990, 90/09/0152) hat im Übrigen in Zusammenhang mit einem Disziplinarvergehen zum Aussageverweigerungsrecht bereits erkannt, dass der Grundsatz, dass niemand gezwungen ist, gegen sich selbst auszusagen, seinem Wesen und seiner Bedeutung nach eine Beschränkung seines Geltungsbereiches auf ein bestimmtes Verfahren verbietet. Wenn jemand in einem Stadium eines (Disziplinar-)Verfahrens seine Aussage verweigern darf, zuvor aber zur wahrheitsgemäßen Auskunft auch dann verpflichtet wäre, wenn er sich dadurch der Gefahr einer Verfolgung aussetzt, so wäre er gezwungen, die Tatsachen und Beweismittel für ein gegen ihn einzuleitendes (Disziplinar-)Verfahren zu liefern, nach dessen Einleitung er dann jede Aussage verweigern darf; ein Aussageverweigerungsrecht innerhalb des (Disziplinar-)Verfahrens scheint, so der Verwaltungsgerichtshof, wenig sinnvoll, wenn vor Einleitung des dieses Verfahrens eine unbeschränkte Offenbarungspflicht bestünde. Die Auskunftspflicht außerhalb eines (Disziplinar-)Verfahrens hat ihre Grenzen dort, wo der Betroffene sich selbst durch eine wahrheitsgemäße Aussage belasten würde (VwGH 13.12.1990, 90/09/0152). Diese Grundsätze müssen aber auch für Strafverfahren nach dem GSpG gelten. Aus den genannten Gründen steht im Ergebnis fest, dass Herr X keine Mitwirkungspflicht nach § 50 Abs 4 GSpG verletzt haben kann. Zur Strafbarkeit von Tatbeteiligten kommt es aber erst, wenn der unmittelbare Täter – unter dem Einfluss von Bestimmungs- oder sonstiger Beitragshandlung – die Verwaltungsübertretung verwirklicht; davor gibt es keine Verwaltungsübertretung, die ein anderer „begeht“ (Lewisch in Lewisch/Fister/Weilguni, VStG § 7 Rz 8).

 

Schon aus diesen Gründen steht im Ergebnis fest, dass weder der Vertreter der Fa. X als Haupttäter des § 52 Abs 1 Z 5 GSpG, noch der Bf durch die Dienstanweisung eine Mitwirkungspflicht nach § 50 Abs 4 GSpG verletzt haben kann.

 

IV.4. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs zu den Sprucherfordernissen nach § 44a Z 1 VStG ist die Tat so weit zu konkretisieren, dass diese erstens nach Tatort und Tatzeit unverwechselbar feststeht sowie zweitens eine eindeutige Zuordnung zu den Tatbestandsmerkmalen ermöglicht wird und damit auch die Identität der Tat unverwechselbar feststeht (stRsp seit verst. Senaten VwSlg 11.466 A/1984 und VwSlg 11.894 A/1985); im Spruch sind daher alle wesentlichen Tatbestandsmerkmale anzuführen, die zur Individualisierung und Konkretisierung des inkriminierten Verhaltens notwendig sind.

 

Der Vorschrift des § 44a Z 1 VStG ist dann entsprochen, wenn im Spruch die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorgeworfen ist, dass der Beschuldigte in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen und der Spruch geeignet ist, den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden. Eine Umschreibung der Tat bloß in der Begründung reicht im Verwaltungsstrafrecht nicht aus (vgl Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens6 [2004] 1522, Anm 2 zu § 44a VStG).

 

IV.4.1. Die Bestimmung des § 50 Abs 4 GSpG in der zum Tatzeitpunkt geltenden Fassung verpflichtet verschiedene Adressaten, nämlich Veranstalter und Inhaber von Glücksspielen und Personen, die Glücksspieleinrichtungen bereithalten, unmittelbar zur Mitwirkung, sowie dafür zu sorgen, dass eine anwesende Person diesen Verpflichtungen gegenüber Kontrollorganen nachkommt. Zu diesen Varianten unmittelbarer Täterschaft kann jeweils eine Beteiligungssituation hinzutreten. Beispielsweise ist – wie durch das letzte Tatbestandselement des § 50 Abs 4 GSpG impliziert wird – denkbar, dass der Veranstalter oder Inhaber von Glücksspielen dazu beiträgt oder anstiftet, dass eine bereithaltende Person der Mitwirkungspflicht nicht nachkommt. Weiters ist zu bedenken, dass – wie es im gegenständlichen Fall gegeben ist – eine juristische Person als Veranstalter bzw Inhaber in Frage kommt und wiederum ein außenvertretungsbefugtes Organ (zB Geschäftsführer) im Rahmen des § 9 VStG verantwortlich ist. In diesem Zusammenhang haftet das außenvertretungsbefugte Organ wiederum in zwei Varianten. Entweder setzt das Organ selbst in zurechenbarer Weise ein rechtswidriges Verhalten für die juristische Person oder das außenvertretungsbefugte Organ muss sich ein rechtswidriges Verhalten von Mitarbeitern als Organisationsverschulden zurechnen lassen.

 

Da nun die Art der Täterschaft einer Verwaltungsübertretung nach dem § 50 Abs 4 iVm § 52 Abs 1 Z 5 GSpG in vielen Erscheinungsformen möglich ist, hat im Spruch des Straferkenntnisses eine genaue Aus- und Anführung zur Täterschaft und Beteiligung iSd § 7 VStG zu erfolgen, um dem Beschuldigten eine entsprechende Verteidigung zu ermöglichen. Erfolgt diese Differenzierung und Konkretisierung nicht, so ist der Spruch des Straferkenntnisses nicht iSd Anforderungen nach § 44a Z 1 VStG bestimmt und unverwechselbar und daher mit Rechtswidrigkeit behaftet. So hat beispielsweise der Verwaltungsgerichtshof zur Beteiligungsform der Beihilfe klargestellt, dass im Spruch sowohl die Tatumstände zu konkretisieren sind, welche eine Zuordnung der Tat des Haupttäters zur verletzten Verwaltungsvorschrift ermöglicht, als auch jenes konkrete Verhalten darzustellen ist, durch welches der Tatbestand der Beihilfe verwirklicht wird (vgl VwSlg 13112 A/1990 und VwSlg 13224 A/1990).

 

IV.4.2. Vor dem Hintergrund der verschiedenen Tatbegehungsformen hat die belangte Behörde eine differenzierte und konkretisierte Fassung des Tatvorwurfes vorzunehmen. Dabei können sich weitgehend mit dem Gesetzeswortlaut deckende Formulierungen der Strafbehörde für die Bestimmtheit iSd § 44a Z 1 VStG nicht genügen. Durch die substanzlose Verwendung der verba legalia wird nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs noch keine Konkretisierung im Sinne der Anforderungen des § 44a Z 1 VStG vorgenommen. Denn es reicht nicht aus, den bloßen Gesetzeswortlaut unter Anführung von Tatzeit und Tatort wiederzugeben, sondern die Tat ist entsprechend den Gegebenheiten des jeweiligen Falles zu individualisieren (vgl mwN Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens6 [2004] 1522, Anm 2 zu § 44a VStG).

 

Diese einzelfallbezogene Konkretisierung des Spruches iSd § 44a Z 1 VStG ist einerseits deshalb erforderlich, damit der Beschuldigte in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und andererseits um den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden (vgl VwGH 18.10.2011, 2011/02/0281 unter Bezugnahme auf Vorjudikatur) und damit der Gefahr einer allfälligen Doppelbestrafung ausgesetzt zu sein (vgl speziell für Übertretungen nach dem GSpG VwGH 12.3.2010, 2010/17/0017).

 

IV.4.3. § 7 VStG definiert zwei Fälle der strafbaren Tatbeteiligung: einerseits das vorsätzliche Veranlassen eines anderen zur Begehung einer Verwaltungsübertretung, andererseits deren vorsätzliche Erleichterung. Voraussetzung ist in beiden Fällen, dass der unmittelbare Täter die Verwaltungsübertretung – unter Einwirkung der Beteiligungshandlung – in tatbestandsmäßiger und rechtswidriger Hinsicht begeht oder deren Begehung zumindest versucht (vgl Lewisch in Lewisch/Fister/Weilguni, Verwaltungsstrafgesetz – Kommentar, § 7 Rz 1).

 

Im konkreten Fall wird dem Bf im Spruch des Straferkenntnisses die Tatbegehung in der Variante der Anstiftung iSd § 7 Fall 1 VStG vorgeworfen, weil am 25. April 2013 festgestellt worden sei, dass er [...] vorsätzlich veranlasst habe, dass ein anderer, nämlich Herr X "eine Verwaltungsübertretung begeht, weil Sie diesen mit einer Dienstanweisung und einer Erklärung dazu untersagt haben, der Auskunftspflicht nach § 50 Abs. 4 GSpG nachzukommen. […]".

 

Am 25. April 2013 fand die verfahrensgegenständliche Glücksspielkontrolle statt. Wann der Bf aber vorsätzlich ein Verhalten gesetzt haben soll, das einen Mitarbeiter zur Begehung einer Verwaltungsübertretung veranlasst, wird nicht konkretisiert. Ferner beinhaltet der Spruch keine Umschreibung der Aufgaben von Herrn X, aus der abgeleitet werden könnte, dass dieser zum verpflichteten Personenkreis gehört. Der Hinweis der belangten Behörde auf § 9 VStG im Spruch ist verfehlt, weil dies mit der vorgeworfenen Anstiftung durch ein Tun (in der Form der Dienstanweisung) nicht vereinbar ist, zumal § 9 VStG einen anders gelagerten Vorwurf enthält und als spezifisches Unterlassungsdelikt aufzufassen ist, das die Strafbarkeit darauf gründet, das verantwortliche Organ habe schuldhaft keine ausreichenden Vorkehrungen getroffen, um die Tat des unmittelbaren Täters zu verhindern (vgl näher Thienel/Schulev-Steindl, Verwaltungsverfahrensrecht5 [2009], 422f).

 

Aus der aktenkundigen, am 7.1.2013 von Herrn X unterschriebenen Dienstanweisung sowie der am 11.4.2013 unterschriebenen Erklärung geht hervor, dass nach der – in dieser Allgemeinheit vom Verwaltungsgerichtshof später nicht geteilten (dazu unten Punkt IV.4.5.) - Rechtsmeinung des Bf nur das zuständige Organ der Firma X (gemeint: Geschäftsführer oder dessen Beauftragter) und nicht irgendwelche im Lokal anwesende Personen wie Bedienungspersonal, Putzpersonal, Techniker etc. zur Auskunft nach dem Glücksspielgesetz verpflichtet wären, weshalb diesen die Auskunftserteilung unter Hinweis auf eine mögliche Verletzung von Betriebsgeheimnissen untersagt und bei Bruch der Verschwiegenheit die Entlassung angedroht wird. Die Dienstanweisung verweist dann in weiterer Folge auf das Aussageverweigerungsrecht eines Zeugen über Fragen, die er nicht beantworten könnte, ohne ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis zu offenbaren, und fordert zur Inanspruchnahme dieses Rechts auf, um einen nicht absehbaren Schaden zu vermeiden.

 

Die aktenkundige schriftliche Dienstanweisung bezieht sich demnach auf das im Verwaltungsverfahren und im Verwaltungsstrafverfahren (§ 24 VStG iVm § 49 Abs 1 Z 2 AVG) ohne gesetzliche Einschränkung eingeräumte Recht von - als Zeugen für die Behörde in Betracht kommenden - Dienstnehmern zur Aussageverweigerung für den Fall der Offenbarung von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen und verpflichtet diese, sich im Rahmen eines solchen Verfahrens ihres Aussageverweigerungsrechtes zu bedienen. Da aus verfassungsrechtlicher Sicht, wie oben in den Punkten IV.1. und IV.2. näher dargelegt wurde, die Mitwirkungspflichten auf die Überwachung der Einhaltung des Glücksspielmonopols im Vorfeld der Strafverfolgung zu beschränken sind und nicht der Umgehung des Selbstbezichtigungsverbotes oder von Aussageverweigerungsrechten dienen dürfen, fehlt es an dem von der belangten Behörde sinngemäß unterstellten Rechtswidrigkeitszusammenhang.

 

Die Anweisung eines Geschäftsherrn an sein Personal, im Verwaltungsverfahren oder Verwaltungsstrafverfahren eine Auskunft über Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse zu verweigern, um Schaden durch die Preisgabe eines solchen Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisses zu vermeiden, erscheint dem Oö. Landesverwaltungsgericht grundsätzlich als rechtmäßig und jedenfalls insoweit zulässig und unbedenklich, als es im Einzelfall tatsächlich um den Schutz eines Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisses geht. Begrifflich handelt es sich bei so einem Geheimnis im Wesentlichen um Tatsachen, die unternehmensbezogene kommerzielle oder betriebstechnische Verhältnisse betreffen und nur einem begrenzten Personenkreis bekannt sind (näher zum Begriff Leukauf/Steininger, Kommentar zum StGB3 [1992] § 122 Rz 4; Lewisch in WK2 [2008] § 122 StGB Rz 9 ff).

 

IV.4.4. Im Spruch sind auch die Tatumstände zu konkretisieren, welche eine Zuordnung der Tat des Haupttäters zur verletzten Verwaltungsvorschrift ermöglichen (vgl VwSlg 13112 A/1990 und VwSlg 13224 A/1990). Der den unmittelbaren Täter  betreffende Tatvorwurf des Straferkenntnisses, "[…] Aufgrund des Inhaltes der von Ihnen verfassten Dienstanweisung verweigerte Herr X die geforderten Auskünfte ggü. den o.a. Organen und hat gegen die ihm zukommende Mitwirkungspflicht gemäß § 50 Abs. 4 GSpG verstoßen.", ist unzureichend, weil es an der erforderlichen Konkretisierung mangelt.

 

Es handelt sich um eine bloße Leerformel, die nur eine teilweise Wiederholung des Gesetzeswortlautes darstellt und nicht geeignet ist, dem Bf eine individuelle Tat unverwechselbar vorzuwerfen. Genau betrachtet enthält der Spruch keine Substanz und damit auch keinen „echten“ Tatvorwurf. Die gemäß § 50 Abs 4 2. Satz GSpG verpflichteten Personen haben ua den Organen der öffentlichen Aufsicht „umfassende“ Auskünfte zu erteilen, „umfassende“ Überprüfungen und Testspiele zu ermöglichen und Einblick in die geführten Aufzeichnungen sowie die aufzulegenden Spielbeschreibungen zu gewähren. Aus der gesetzlichen Fassung dieser Mitwirkungspflichten ist dem Grunde nach zu erkennen, dass die von der belangten Behörde vorgeworfene „Tat“ nicht mit Strafe gemäß § 52 Abs 1 Z 5 iVm § 50 Abs 4 GSpG bedroht wird, da ein wesentlicher Unterschied zwischen den „geforderten“ und den „umfassenden“ Auskünften besteht. § 50 Abs 4 GSpG statuiert die Pflicht zur umfassenden Auskunftserteilung allein an die Behörde und die Organe der öffentlichen Aufsicht, welche die Einhaltung des Glücksspielgesetzes kontrollieren. Auf der Überwachung der Einhaltung des Glücksspielgesetzes liegt im Sinne des § 50 Abs 4 1. Satz GSpG (arg: "zur Durchführung ihrer Überwachungsaufgaben") der Bezug der umfassenden Auskunftserteilung.

 

Mit anderen Worten: Es sind jene umfassenden Auskünfte zu erteilen, die erforderlich sind, um die Überwachung der Einhaltung des Glücksspielgesetzes zu ermöglichen. Diese Zielrichtung lässt sich aus einem Kausalzusammenhang mit der Aufgabenerfüllung ableiten, wogegen sich das „Geforderte“ lediglich aus der Existenz einer entsprechenden Frage bzw Forderung determiniert. Letzteres wird jedoch vom Gesetz nicht mit Strafe bedroht. Auch insofern ist daher der Spruch des Bescheides der belangten Behörde verfehlt und mit Rechtswidrigkeit behaftet. Mangels Angabe von konkret verlangten Auskünften kann nicht beurteilt werden, welche für die Überwachung der Einhaltung des Glücksspielgesetzes erforderlichen Auskünfte der „Vertreter“ im Rahmen seiner Befugnisse hätte erteilen müssen und inwiefern er daher gegen seine Auskunftspflicht verstoßen hat. Damit fehlt es an der erforderlichen Konkretisierung durch Sachverhaltselemente, die die vorgenommene Subsumtion erst nachvollziehbar erscheinen ließe. Weder aus dem Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses noch aus der Aufforderung zur Rechtfertigung vom 27.6.2013 geht etwas zur Verdeutlichung hervor.

 

 

V. Im Ergebnis war daher das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Strafverfahren auf der Grundlage des § 45 Abs 1 Z 1 VStG einzustellen.

 

 

VI. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision: Die ordentliche Revision ist unzulässig (vgl. auch bereits LVwG-410275/2/MS/TK), da das gegenständliche Verfahren bereits ohne Lösung einer Rechtsfrage, der im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, einzustellen war; die Beurteilung, ob von der Finanzpolizei Auskünfte bereits aufgrund des Vorliegens eines konkreten Verdachtes einer Übertretung nach dem GSpG (zu dessen Aufklärung) verlangt wurden und entsprechend dem auch in der bisherigen  Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bereits anerkannten (vgl. etwa VwGH 13.12.1990, 90/09/0152) Grundsatz "nemo tenetur se ipsum accusare" eine Verweigerung der Auskünfte zulässig war, ist auf Grund der relevanten Umstände des konkreten Einzelfalls vorzunehmen, sodass dieser Beurteilung keine Bedeutung über den konkreten Einzelfall hinaus zukommt. Im Übrigen weicht die Beurteilung der Konkretisierung des Spruchs nach § 44a VStG nicht von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab.

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Mag. Dr. Wiesinger