LVwG-100027/3/BMa/BD/IH LVwG-100028/3/BMa/BD/IH

Linz, 22.07.2014

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin
Maga. Gerda Bergmayr-Mann über die Beschwerde des x vom
20. Oktober 2009 gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 19. Februar 2009, Zl. 0010904/2008 wegen Übertretung der Oö. Bauordnung 1994 nach Aufhebung des Bescheids des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom
27. Dezember 2010, Zl. VwSen-210543/8/BMa/Th, und vom
22. Dezember 2010, Zl. VwSen-210542/11/BMa/Th, in der Fassung des Berichtigungsbescheides vom 11. Jänner 2011, Zl. VwSen-210542/16/BMa/Th, durch den Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 8. April 2014, Zlen. 2011/05/0031, 0032-5,

 

zu Recht   e r k a n n t :

I.         Gemäß § 50 VwGVG iVm § 45 Abs.1 VStG wird der Beschwerde Folge gegeben, der angefochtene Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 19. Februar 2009, Zl. 0010904/2008, ersatzlos aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

II.       Gemäß § 52 Abs. 8 und 9 VwGVG hat der Beschwerdeführer keinen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens oder zu den Kosten des Verfahrens vor der Behörde zu leisten.

 

III.     Gegen diese Entscheidung ist gemäß § 25a VwGG eine Revision nach
Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.1. Mit dem bekämpften Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 19. Februar 2009, Zl. 0010904/2008, wurde der Berufungswerber wie folgt schuldig gesprochen und bestraft:

 

"I. Tatbeschreibung:

Mit Bescheid des Magistrates Linz vom 8.8.1997, GZ 501/l\l911313z.zze, in der Fassung des Bescheides des Stadtamtes der Landeshauptstadt Linz vom 16.9.1997, GZ 502-31/Str/Sche/N91131b, wurde den grundbücherlichen Eigentümern des Objektes "x", Grundstücke Nr. x und x, KG x, aufgetragen, die in diesem Objekt befindlichen, in den mit Bescheid des Magistrates Linz, Baurechtsamt, vom 23.11.1994, GZ 501/N-1313/911, bewilligten Bauplänen als TOP 1, 2, 4, 6, 7, 13, 14, 15, 16, 19, 20 und 21 bezeichneten Wohnungen binnen einer Frist von zwei Monaten ab Rechtskraft des Bescheides nicht mehr für der genehmigten Zweckwidmung widersprechende Wohnzwecke zu benützen.

 

Der Beschuldigte, Herr x, geboren am x, wohnhaft: x, x, hat

I. diese baubehördliche Anordnung in der Zeit vom 14.2.2007 bis 18.4.2008
nicht bescheidgemäß erfüllt, da er seine Wohnung Top x im Objekt
x in x, welche nach den Bauplänen die Zweckwidmung
"Fremdenbeherbergung" aufweist, an Frau x vermietet hat. Frau x
bewohnt diese Wohnung als Hauptwohnsitz. Die Vermietung erfolgt weder im
Rahmen eines Gastgewerbebetriebes noch im Rahmen einer
Privatzimmervermietung an Touristen.

 

II. folgende Verwaltungsübertretungen als verwaltungsstrafrechtlich
verantwortlicher handelsrechtlicher Geschäftsführer der x
mit dem Sitz in x zu vertreten:

1.   Die x hat die oben angeführte baubehördliche Anordnung in der Zeit von 25.6.2003 bis 18.4.2008 nicht bescheidgemäß erfüllt, da die Wohnung Top x im Objekt x in x, welche nach dem Bauplänen die Zweckwidmung "Personalwohnung" ausweist, an Herrn x vermietet wurde. Herr x bewohnt diese Wohnung als Nebenwohnsitz. Herr x ist kein Angehöriger des Personals eines Gastgewerbebetriebes in der Form der "Beherbergung von Gästen".

2.   Die x hat die oben angeführte baubehördliche Anordnung in der Zeit von 21.12,2005 bis 18.4.2008 nicht bescheidgemäß erfüllt, da die Wohnung Top x im Objekt x in x, weiche nach den Bauplänen die Zweckwidmung "Fremdenbeherbergung" aufweist, an Herrn x vermietet wurde. Herr x bewohnt diese Wohnung als Hauptwohnsitz. Die Vermietung erfolgt weder im Rahmen eines

Gastgewerbebetriebes noch im Rahmen einer Privatzimmervermietung an Touristen.

3.   Die x hat die oben angeführte baubehördliche Anordnung in der Zeit von 11.9.2006 bis 18.4.2008 nicht bescheidgemäß erfüllt, da die Wohnung Top x im Objekt x in x, weiche nach den Bauplänen die Zweckwidmung "Fremdenbeherbergung" aufweist, an Frau x vermietet wurde. Frau x bewohnt diese Wohnung als Hauptwohnsitz. Die Vermietung erfolgt weder im Rahmen eines Gastgewerbebetriebes noch im Rahmen einer Privatzimmervermietung an Touristen.

 

II.                Verletzte Verwaltungsvorschrift(en) in der gültigen Fassung:

§ 57 Abs.l Z.ll Oö. Bauordnung 1994 (Oö. BauO 1994) in Verbindung mit dem Bescheid des Maigstrates Linz vom 8.8.1997, GZ 501/N911313z.zze, in der Fassung des Bescheides des Stadtsenates der Landeshauptstadt Linz vom 16.9.1997, GZ 502-31/Str/Sche/N91131b.

 

III.                Strafausspruch:

 

Über den Beschuldigten werden folgende Geldstrafen verhängt:


ad I.
ad II.l. ad II.2. ad II.3.

gesamt:

€ 1.000,- € 3.500,-€ 2.000,-€ 1.500,-€ 8.000,-


 


Im Falle der Uneinbringlichkeit werden folgende verhängt:


Ersatzfreiheitsstrafen


 


ad I.
ad II.l. ad II.2. ad II.3.

gesamt:

10 Stunden 35 Stunden 20 Stunden 15 Stunden 80 Stunden


Rechtsgrundlage:57 Abs.2 Oö. Bauordnung 1994 (Oö. BauO 1994),

§§ 9, 16, 19 und 22 VSt

 

IV. Kostenentscheidung:

Als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens hat der Beschuldigte 10 % der verhängten Strafe, das sind € 800,— zu leisten.

Rechtsgrundlage: § 64 Abs.1 und 2 VStG
V.
Zahlungsfrist:

 

Wird keine Berufung erhoben, ist der Gesamtbetrag (Strafe/Verfahrenskosten) in der Höhe von € 8.800,— binnen zwei Wochen nach Zustellung der schriftlichen Ausfertigung des Bescheides mittels beiliegenden Erlagschein einzuzahlen. Sonst müsste die zwangsweise Einbringung veranlasst werden."

 

1.2. Der dagegen erhobenen Berufung des x vom 20. Oktober 2009 wurde mit Erkenntnis des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 22. Dezember 2010, VwSen-210542/11/BMa/Th, insofern Folge gegeben, als die verhängte Strafe zu Spruchpunkt I.II.1. auf 2.000 Euro herabgesetzt wurde. Mit Berichtigungsbescheid vom 11. Jänner 2011 wurde der Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der Behörde erster Instanz auf 200 Euro berichtigt. Darüber hinaus wurde dem Rechtsmittel mit Erkenntnis des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom

27. Dezember 2010, VwSen-210543/8/BMa/Th, insofern Folge gegeben, als die verhängte Strafe zu Spruchpunkt I.I. auf 500 Euro, zu I.II.2. auf 1000 Euro und zu I.II.3. auf 750 Euro herabgesetzt wurde. Im Übrigen wurde die Berufung hingegen abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt.

 

1.3. Der dagegen erhobenen Beschwerde wurde vom VwGH mit Erkenntnis vom 8. April 2014 (dem Oö. Landesverwaltungsgericht am 8. Mai 2014 zugestellt), Zlen. 2011/05/0031, 0032-5, Folge gegeben und der angefochtene Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

1.4. Gemäß § 2 VwGVG hatte das Oö. Landesverwaltungsgericht durch Einzelrichter zu entscheiden.

1.5. In dem vorerwähnten Erkenntnis wurde vom VwGH unter anderem begründend ausgeführt:

Verfahrensgegenständlich stützen sich die Strafbescheide auf den Bauauftrag des Stadtsenats der Landeshauptstadt Linz vom 16. September 1997, der seine Rechtsgrundlage in den Baubewilligungsbescheiden und dem Benützungs-bewilligungsbescheid als "geltende baurechtliche Vorschriften" im Sinne des § 50 O.ö. BauO hat (vgl. dazu das oben zitierte Vorerkenntnis vom 27. Oktober 1998, ZI. 97/05/0331). Den Beschwerdeausführungen zum "Wegfall" des genannten Bauauftrages kann mit einem Hinweis auf das oben genannte, im Zusammenhang mit einer bereits im Jahr 1999 erfolgten Verhängung einer Zwangsstrafe wegen Nichterfüllung des genannten Bauauftrages ergangene, hg. Erkenntnis vom 20. April 2001 begegnet werden. Darin hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass die Neuregelung im § 50 Abs. 4 O.ö. BauO auf den Titelbescheid (Bauauftrag vom 16. September 1997) keinen Einfluss hat.

Daraus kann allerdings unter Bedachtnahme auf Art. 7 EMRK bzw. § 1 VStG bezüglich der hier verhängten Verwaltungsstrafen aufgrund nachstehender Erwägungen nicht ohne Weiteres geschlossen werden, dass ein vor der O.ö. Bauordnungsnovelle 1998 ergangener Bauauftrag auch eine taugliche Grundlage für eine Bestrafung bildet:

Wohl berühren Rechtsänderungen nach abgeschlossener Tat bei Fehlen einer besonderen gegenteiligen Übergangsregelung die bereits eingetretene Strafbarkeit nicht und haben, wenn Taten der gleichen Art auch weiterhin strafbar bleiben, gemäß § 1 Abs. 2 VStG nur hinsichtlich der Strafe die Folge, dass ein etwaiges nunmehr für den Täter günstigeres Recht zur Anwendung zu kommen hat (so schon das hg. Erkenntnis vom 24. Mai 1956, ZI. 441/56, VwSlg 4074 A/1956; aus jüngerer Zeit das hg. Erkenntnis vom 6. September 2012, Zl. 2012/09/0105, mit Hinweisen auf die Rechtsprechung des EGMR).

Fraglich ist, wann davon gesprochen werden kann, dass "Taten gleicher Art" weiterhin strafbar bleiben bzw. wann der Gesetzgeber sein Unwerturteil über die Nichtbefolgung der in Betracht kommenden Verpflichtung "unverändert aufrechterhalten" hat. Zeigt die spätere Gesetzgebung, dass das Unwerturteil über das zur Zeit der Begehung strafbare Verhalten nachträglich milder oder ganz weggefallen ist, dann ist das günstigere Recht anzuwenden. War das Verhalten, das zur Tatzeit strafbar war, im Zeitpunkt der Fällung des Bescheides erster Instanz überhaupt nicht mehr strafbar, so ist ungeachtet des Fehlens einer ausdrücklichen Regelung für diesen Fall nicht mehr zu bestrafen. Hat jedoch der Gesetzgeber das strafrechtliche Unwerturteil über die Nichtbefolgung der in Betracht kommenden Verpflichtung unverändert aufrechterhalten, so besteht trotz der aus der Bestimmung des § 1 Abs 2 VStG hervorleuchtenden Grundsätze keine Handhabe, das zum Zeitpunkt der Tat strafbar gewesene Verhalten anders zu beurteilen, als es zu beurteilen gewesen wäre, wenn das Straferkenntnis erster Instanz noch vor Inkrafttreten der Änderung erlassen worden wäre (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. Dezember 2004, ZI. 2004/03/0021).

Betrachtet man nur die hier gegenständliche Strafnorm des § 57 Abs. 1 Z11 O.ö. BauO, so hat sich am Unwerturteil über dieses Verhalten - die nicht bescheidgemäße Erfüllung baubehördlicher Anordnungen - nichts geändert. Damit allein lässt sich aber die Frage, ob eine "Tat gleicher Art" vorliegt, nicht beantworten, weil nach der hg. Rechtsprechung bei Bestrafung wegen Nichtbeachtung eines Bescheides der Bescheid Teil der Verwaltungsvorschrift ist, die durch die Tat verletzt worden ist (§ 44a Z 2 VStG; vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 18. Oktober 2012, ZI. 2012/04/0020).

Es kommt somit im Beschwerdefall zunächst darauf an, ob ein dem Bauauftrag widerstreitendes Verhalten vor dem Zeitpunkt der am 1. Jänner 1999 in Kraft getretenen O.ö. Bauordnungsnovelle 1998 gegenüber einem Verhalten nach

diesem Zeitpunkt als "Tat gleicher Art" anzusehen ist. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes setzt die Erlassung eines baupolizeilichen Auftrages voraus, dass die den Gegenstand des Verfahrens bildende bauliche Anlage sowohl im Zeitpunkt ihrer Errichtung als auch im Zeitpunkt der Erlassung des behördlichen Auftrages bewilligungspflichtig war bzw. ist (siehe Neuhofer, Oö. Baurecht6, S. 369). Daraus folgt, dass durch die Neuregelung im § 50 Abs. 4 O.ö. BauO nach dem 1. Jänner 1999, und somit im hier gegebenen Strafzeitraum ab 2003, ein Bauauftrag, wie er hier am

8. August 1997 erteilt worden war, nicht mehr hätte erteilt werden dürfen. Davon ausgehend liegt keine "Tat gleicher Art" vor.

Die Strafbarkeit des Verhaltens des Beschwerdeführers scheitert aber wohl auch an dem vom Verfassungsgerichtshof aus Art. 7 EMRK abgeleiteten Klarheitsgebot (siehe dazu die Nachweise bei Mayer, B-VG4, S. 679, und Thienel in Korinek/Holoubek, Österreichisches Bundesverfassungsrecht, Rz 10 ff zu Art. 7 EMRK): Strafnormen müssen so formuliert sein, dass der Einzelne in der Lage ist, sein Verhalten daran auszurichten. Dies war im Gefolge der O.ö. Bauordnungsnovelle 1998 hier nicht mehr der Fall.“

 

2.1. Gemäß § 45 Abs. 1 Z 1 VStG ist von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann, oder keine Verwaltungsübertretung bildet.

 

Weil der VwGH rechtsverbindlich ausgeführt hat, dass die angewandten Strafnormen im Gefolge der O.ö. Bauordnungsnovelle 1998 nicht so formuliert waren, dass der Einzelne in der Lage gewesen sei, sein Verhalten daran auszurichten, sondern dem Klarheitsgebot des Art. 7 EMRK widersprochen haben, ist dem Beschwerdeführer aus subjektiver Sicht kein Fehlverhalten vorwerfbar und es konnte von ihm damit die subjektive Tatseite nicht erfüllt werden.

 

Der angefochtene Bescheid war daher schon aus diesem Grund aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

 

2.2. Weil kein strafbares Verhalten vorliegt, war auch der Kostenausspruch der ersten Instanz aufzuheben und für das Verfahren  beim Landesverwaltungsgericht sind keine Verfahrenskosten zu entrichten.

 

3. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des
Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Insbesondere wurde durch Erlassung dieses Erkenntnisses den Vorgaben des VwGH gefolgt.

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Maga. Gerda Bergmayr-Mann