LVwG-300199/8/Kü/TO/BD

Linz, 06.08.2014

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Mag. Thomas Kühberger über die Beschwerde des Herrn X, X, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung vom 30. Dezember 2013 GZ: SV96-43-2013-Bd/Pe, wegen Übertretung des Allgemeinen Sozialversicherungs-gesetzes (ASVG), nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 26. Juni 2014,

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

I.         Gemäß § 50 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) wird der Beschwerde stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 38 VwGVG iVm § 45 Abs.1 Z 1 Verwaltungsstrafgesetz (VStG) eingestellt.

 

 

II.      Der Beschwerdeführer hat weder einen Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens vor der belangten Behörde (§ 66 Abs.1 VStG) noch einen Kostenbeitrag für das Beschwerdeverfahren vor dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich (§ 52 Abs.9 VwGVG) zu leisten.

 

 

III.   Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.             1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung vom 30. Dezember 2013, SV96-43-2013-Bd/Pe, wurde über den Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf) wegen einer Verwaltungsübertretung nach § 111 Abs.1 Z 1 iVm § 33 Abs.1 ASVG eine Geldstrafe von in Höhe von 730 Euro, im Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 112 Stunden verhängt. Gleichzeitig wurde ein Verfahrenskostenbeitrag iHv 73 Euro vorgeschrieben.

 

Dem Straferkenntnis lag folgender Tatvorwurf zugrunde:

„Sie haben als Dienstgeber nachstehende Person, bei welcher es sich um eine in der Krankenversicherung (vollversicherte) pflichtversicherte Person handelt, am 28.09.2013 um 19.50 Uhr beschäftigt, obwohl diese nicht vor Arbeitsantritt bei der Oberösterreichische Gebietskrankenkasse zur Pflichtversicherung als vollversicherte Person angemeldet wurde. Sie wären als Dienstgeber verpflichtet gewesen, den/die Beschäftigte(n) vor Arbeitsantritt anzumelden und wurde die Meldung nicht erstattet.

 

Name: X, geb. X

Arbeitsantritt: 28.09.2013 19:30 Uhr

Beschäftigungsort: Gemeinde X, X

Tatort: Gemeinde X, X

Kontrollzeit: 28.09.2013,19:50 Uhr.

durchgeführte Tätigkeit: Teller abwaschen in der Küche

Tatzeit: Arbeitsantritt bis Kontrollzeit“

 

2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig eingebrachte Beschwerde, in welcher der Beschwerdeführer unter näherer Darlegung der Gründe behauptet, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden treffe und die Durchführung einer öffentlich mündlichen Verhandlung beantragt werde.

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung hat den bezughabenden Verwaltungsstrafakt mit Schreiben vom 30. Jänner 2014 dem Landesverwaltungsgericht Oö. zur Entscheidungsfindung vorgelegt. Dieses entscheidet gemäß § 2 VwGVG durch einen Einzelrichter.

 

4. Die Beweisaufnahme erfolgte durch Akteneinsichtnahme und Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 26. Juni 2014, an welcher der Bf und ein Vertreter der Finanzverwaltung teilgenommen haben, sowie Frau X als Zeugin einvernommen wurde.

 

4.1. Folgender Sachverhalt steht fest:

Der Bf betreibt an der Adresse X das X, in dem sich ca. 60 Plätze befinden. Dem Lokal angeschlossen ist die X, welche nur für größere Veranstaltungen genutzt wird. Das Loka ist von Montag bis Samstag von 17.00 bis 24.00 Uhr geöffnet, Sonntag ist Ruhetag. Im Lokal arbeiten der Bf selbst, seine Lebensgefährtin sowie eine Aushilfskellnerin. Wenn zusätzliches Personal benötigt wird, wie z.B. bei Veranstaltungen in der X bzw. wenn im Sommer auch das Freibad vom Bf betreut wird, wird die Mindestangaben-Anmeldung vom Bf selbst durchgeführt. Die fehlenden Daten werden anschließend vom Steuerberater des Bf an die Sozialversicherung nachgereicht. Dem Bf sind  daher die Vorschriften des ASVG bekannt.

Frau X ist eine Bekannte der Lebensgefährtin des Bf und ein guter Stammgast im X. Sie bezahlt für Getränke und Speisen, die sie im Lokal konsumiert. Es besteht keine Vereinbarung darüber, dass sie irgendwelche Aushilfstätigkeiten gegen Entgelt im Lokal übernimmt. Frau X hat im Herbst 2013 von einer Invaliditätsrente gelebt, da sie aufgrund ihrer Panikattacken in ärztlicher Behandlung war und Menschenansammlungen gemieden hat. Die Lebensgefährtin des Bf hat Frau X immer wieder dazu überredet sich wegen der Angststörung/Panikattacken nicht zurückzuziehen, sondern unter Menschen zu gehen und das Lokal zumindest in den besucherschwächeren Zeiten kurz nach der Öffnung um 17:00 Uhr zu besuchen. Es wurde auch vereinbart, dass sich Frau X im Falle des Auftretens von Panikattacken jederzeit in die Büroräumlichkeiten oder die Küche zurückziehen kann, um sich zu beruhigen.

 

Am Kontrolltag hat bereits ab 14:00 Uhr die Bewirtung von Hochzeitsgästen in der X begonnen. Der Bf hat für diese Veranstaltung die Küche alleine betreut, die Hochzeitsgäste versorgt und die Küche fast zur Gänze zusammengeräumt. Dies hat bis ca. 19:30 Uhr gedauert. Danach hat der Bf das Lokal verlassen, Frau X war zu diesem Zeitpunkt noch nicht im Lokal. Den Dienst im Lokal absolvierten ab diesem Zeitpunkt die Lebensgefährtin des Bf sowie eine Aushilfskellnerin.

 

Um 19:50 Uhr erfolgte im X eine Kontrolle durch Organe der Finanzpolizei. Zu Kontrollbeginn waren an die 10 Besucher im Lokal anwesend sowie die Hochzeitgesellschaft mit 36 Gästen in der dazugehörigen X. Frau X wurde alleine in der Küche des Lokals beim Wegräumen von Tellern angetroffen. Die Küche wurde von ihr aufgesucht, weil aufgrund der Hochzeit viele Menschen im X waren und sie einen Rückzugsort zur Beruhigung gebraucht hat. Um sich von den nervösen Zuständen der Panikattacken abzulenken, ist sie in der Küche umhergegangen und hat dabei, um sich zu beschäftigen, Besteck und Teller wegeräumt.

 

4.2. Diese Sachverhaltsdarstellungen gründen sich auf den Aussagen des Bf sowie der einvernommenen Zeugin, die im Rahmen der mündlichen Verhandlung einen glaubwürdigen Eindruck vermittelten. Insbesondere wurde das freundschaftliche Verhältnis zu Frau X nachvollziehbar dargestellt und wie bereits im Zuge der Kontrolle als auch in der Rechtfertigung und im Beschwerdevorbringen nochmals wiederholt, dass Frau X kein Entgelt erhalten hat. Vielmehr ist nachvollziehbar, dass der Bf und dessen Lebensgefährtin Frau X unterstützt haben, sich nicht aus dem sozialen Leben zurückzuziehen und Menschenansammlungen zu meiden, sondern ihr die Möglichkeit zum Rückzug bei Panikattacken in der Küche bzw. den Büroräumlichkeiten geboten haben.

 

5. Das Landesverwaltungsgericht Oö. hat erwogen:

 

5.1. Gemäß § 111 Abs.1 ASVG handelt ordnungswidrig, wer als Dienstgeber oder sonstige nach § 36 ASVG meldepflichtige Person (Stelle) oder als bevollmächtigte Person nach § 35 Abs.3 ASVG entgegen den Vorschriften dieses Bundesgesetzes

1.     Meldungen oder Anzeigen nicht oder falsch oder nicht rechtzeitig erstattet oder

2.     Meldungsabschriften nicht oder nicht rechtzeitig weitergibt oder

3.     Auskünfte nicht oder falsch erteilt oder

4.     gehörig ausgewiesene Bedienstete der Versicherungsträger während der Betriebszeiten nicht in Geschäftsbücher, Belege und sonstige Aufzeichnungen, die für das Versicherungsverhältnis bedeutsam sind, einsehen lässt.

 

Gemäß § 111 Abs.2 ASVG ist die Ordnungswidrigkeit nach Abs.1 von der Bezirks-verwaltungsbehörde als Verwaltungsübertretung zu bestrafen und zwar

-      mit Geldstrafe von 730 Euro bis zu 2.180 Euro, im Wiederholungsfall von 2.180 Euro bis zu 5.000 Euro,

-      bei Uneinbringlichkeit der Geldstrafe mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen,

sofern die Tat weder den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet noch nach anderen Verwaltungsstrafbestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist. Unbeschadet der §§ 20 und 21 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 kann die Bezirksverwaltungsbehörde bei erstmaligem ordnungswidrigen Handeln nach Abs.1 die Geldstrafe bis auf 365 Euro herabsetzen, wenn das Verschulden geringfügig und die Folgen unbedeutend sind.

 

Nach § 33 Abs.1 ASVG haben Dienstgeber jede von ihnen beschäftigte, nach diesem Bundesgesetz in der Krankenversicherung pflichtversicherte Person (Vollversicherte und Teilversicherte) vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden und binnen sieben Tagen nach dem Ende der Pflichtversicherung abzumelden.

 

Nach § 35 Abs.1 ASVG gilt als Dienstgeber i.S. dieses Gesetzes u.a. derjenige, für dessen Rechnung jener Betrieb geführt wird, in dem der Dienstnehmer in einem Beschäftigungsverhältnis steht, auch wenn der Dienstgeber den Dienstnehmer durch Mittelspersonen in Dienst genommen hat oder ihn ganz oder teilweise auf Leistungen Dritter an Stelle des Entgeltes verweist. Dies gilt entsprechend auch für die gemäß § 4 Abs. 1 Z 3 ASVG pflichtversicherten, nicht als Dienstnehmer beschäftigten Personen.

 

Nach § 4 Abs.2 ASVG ist als Dienstnehmer anzusehen, wer in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt wird; hiezu gehören auch Personen, bei deren Beschäftigung die Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegenüber den Merkmalen selbständiger Ausübung der Erwerbstätigkeit überwiegen.

 

Gemäß § 539a Abs.1 ASVG ist für die Beurteilung von Sachverhalten nach diesem Bundesgesetz in wirtschaftlicher Betrachtungsweise der wahre wirtschaftliche Gehalt und nicht die äußere Erscheinungsform des Sachverhaltes (zB Werkvertrag, Dienstvertrag) maßgebend.

 

Gemäß § 48 VwGVG ist, wenn eine Verhandlung durchgeführt wurde, bei der Fällung des Erkenntnisses nur auf das Rücksicht zu nehmen, was in dieser Verhandlung vorgekommen ist.

 

5.2. Dem Einwand des Bf, wonach kein Arbeitsverhältnis vorliegt, kommt Berechtigung zu. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes können als Gefälligkeits- bzw. Freundschaftsdienste nur kurzfristige, freiwillige und unentgeltliche Dienste anerkannt werden, die vom Leistenden auf Grund spezifischer Bindungen zwischen ihm und dem Leistungsberechtigten erbracht werden, wobei die Partei - unabhängig von der grundsätzlichen Verpflichtung der Behörde zur amtswegigen Erforschung des für die Entscheidung notwendigen Sachverhaltes - eine entsprechende Mitwirkungspflicht bei der Aufstellung entsprechend konkreter Behauptungen und Beweisanbote trifft (vgl. VwGH vom 23.5.2012, Zl. 2010/08/0179). Demnach wird eine Dienstnehmereigenschaft iSd § 4 Abs. 2 ASVG nur dann angenommen werden können, wenn aufgrund der Betrachtung des wahren wirtschaftlichen Gehaltes und nicht der äußeren Erscheinungsform der Tätigkeit ein Mindestmaß an wirtschaftlicher und persönlicher Abhängigkeit der Arbeitskraft besteht.

 

Für den erkennenden Richter des Oö. Landesverwaltungsgerichtes steht aufgrund der Ergebnisse des durchgeführten Ermittlungsverfahrens die langjährige Bekanntschaft zwischen dem Bf, dessen Lebensgefährtin und Frau X fest. Dieses freundschaftlich geprägte Verhältnis ist auch Grund dafür, dass Frau X die Möglichkeit geboten wurde, sich bei Panikattacken im Zuge des Lokalbesuchs in die Küchenräumlichkeiten zurückzuziehen, um dort wieder zur Ruhe zu kommen. Gegenstand des Verwaltungsstrafverfahrens ist die Tätigkeit von Frau X am 28. September 2013 und wird dem Bf angelastet, Frau X ohne entsprechende Anmeldung zur Sozialversicherung beschäftigt zu haben. Unzweifelhaft ist daher von einer kurzfristigen Tätigkeit von Frau X, die nicht einmal eine halbe Stunde angedauert hat, auszugehen. An der Freiwilligkeit der Arbeitsleistung bestehen aufgrund des freundschaftlichen Naheverhältnisses zwischen dem Bf, dessen Lebensgefährtin und Frau X, das in der mündlichen Verhandlung durch entsprechende Erzählungen glaubhaft belegt wurde, insgesamt keine Zweifel. Der erkennende Richter geht deswegen davon aus, dass bei der von den Kontrollorganen beobachteten Tätigkeit von Frau X keine persönliche oder wirtschaftliche Abhängigkeit zum Bf im Vordergrund steht sondern diese die Tätigkeit aufgrund des freundschaftlichen Verhältnisses unentgeltlich und freiwillig erbracht hat. Mithin ist im gegenständlichen Fall davon auszugehen, dass diese am 28.9.2013 dem Bf gegenüber einen Gefälligkeitsdienst erbracht hat und nicht in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit als Dienstnehmerin tätig gewesen ist. In diesem Sinne war der Bf nicht verpflichtet, die Tätigkeit von Frau X vor Beginn der Arbeitsleistungen beim Sozialversicherungsträger zu melden. Dem Bf kann daher die Verletzung einer Meldepflicht nicht angelastet werden, weshalb seiner  Beschwerde Folge zu geben, das Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen war.

 

II.            Die Entscheidung über die Verfahrenskosten ist in der zitierten Gesetzesstelle begründet.

 

 

III.           Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

 

Mag. Thomas Kühberger