LVwG-300397/2/KLi/TK

Linz, 11.08.2014

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Dr. Karin Lidauer über die Beschwerde vom 7. Juli 2014 des Herrn x, vertreten durch die x gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Wels-Land vom 3. Juni 2014, GZ: SV96-14-2013/La wegen Übertretung des Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetzes (AVRAG) den

B E S C H L U S S

gefasst:

 

 

 

I.          Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

II. Der Beschwerdeführer hat weder einen Kostenbeitrag zum Verfahren vor der belangten Behörde noch zum Verfahren vor dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich zu leisten.

 

III. Gegen diesen Beschluss ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.1. Mit Straferkenntnis der belangten Behörde vom 3. Juni 2014, GZ: SV96-14-2013/La wurden über den Beschwerdeführer sieben Geldstrafen in Höhe von jeweils 500 Euro bzw. für den Fall der Uneinbringlichkeit jeweils eine Ersatzfreiheitsstrafe von 36 Stunden, insgesamt daher 3.500 Euro bzw. 252 Stunden verhängt; ferner wurde der Beschwerdeführer zur Zahlung eines Beitrages zu den Kosten des Strafverfahrens in Höhe von 350 Euro verpflichtet.

 

Ihm wurde ein Verstoß gegen § 7b Abs. 2 i.V.m. § 7d AVRAG vorgeworfen:

Sie haben als Verantwortlicher der Firma x mit Sitz in x verwaltungsstrafrechtlich zu verantworten, dass Organe des Finanzamtes Grieskirchen Wels am Kontrolltag, den 04.10.2012 um 10:15 Uhr im Betriebsgelände der Firma x feststellten, dass nachstehende ausländische Staatsangehörige beschäftigt wurden, ohne jene Unterlagen, die zur Überprüfung der Arbeitnehmer nach den österreichischen Rechtsvorschriften gebührenden Entgelts erforderlich sind (Lohnunterlagen), in deutscher Sprache für die Dauer der Beschäftigung der Arbeitnehmer/innen am Arbeits(Einsatz)ort bereitzuhalten.

Im Weiteren wurden die sieben betroffenen Arbeitnehmer konkret bezeichnet, sowie Tatort und Tatzeit wiedergegeben.

 

I.2. Dagegen richtet sich die Beschwerde vom 7. Juli 2014, mit welcher beantragt wurde, das angefochtene Straferkenntnis ersatzlos zu beheben und das Verfahren gemäß § 38 VwGVG i.V.m. § 45 Abs. 1 VStG einzustellen; in eventu von einer Bestrafung gemäß § 45 Abs. 1 Z 4 VStG abzusehen; in eventu die Höhe der Strafe gemäß § 20 VStG außerordentlich zu mildern; in eventu eine schuldangemessene niedrigere Strafe auszusprechen.

 

Zusammengefasst  bringt  der Beschwerdeführer vor, dass als Tatzeitpunkt der 4. Oktober 2012 anzunehmen sei, die erste Verfolgungshandlung (Aufforderung zur Rechtfertigung) stamme vom 25. Juni 2013, sodass zwischen dem Tatzeitpunkt und der ersten Verfolgungshandlung ein Zeitraum von über acht Monaten liegen würde. Aufgrund der damals geltenden Rechtslage sei Verfolgungsverjährung nach sechs Monaten eingetreten, sodass die dem Beschwerdeführer vorgeworfene Verwaltungsübertretung verjährt sei.

 

Ferner hätte der Beschwerdeführer die geforderten Unterlagen zumindest binnen 24 Stunden übermitteln können; eine entsprechende Aufforderung der Kontrollorgane sei jedoch nicht erfolgt. Eine derartige Vorlagefrist wäre dem Beschwerdeführer jedoch einzuräumen gewesen. Außerdem würden sowohl die Voraussetzungen für ein Vorgehen nach § 45 Abs. 1 Z 4 VStG oder § 20 VStG vorliegen.

II. Nachfolgender Sachverhalt steht fest:

 

II.1. Am 4. Oktober 2012 führten Organe der Finanzpolizei eine Kontrolle im Unternehmen x durch. Im Zuge dieser Kontrolle wurden sieben ausländische Arbeitnehmer des Beschwerdeführers angetroffen und dem Beschwerdeführer in der Folge die zu Punkt I.1. dargestellte Verwaltungsübertretung vorgeworfenen.

 

II.2. Nach Durchführung der Kontrolle am 4. Oktober 2012 verfasste die Finanzpolizei am 23. Jänner 2013 eine Anzeige zu GZ-FA. 054/10028/11/0133, welche an die belangte Behörde übermittelt wurde. In der Folge erhielt der Beschwerdeführer eine Aufforderung zur Rechtfertigung vom 25. Juni 2013.

 

II.3. In der Zeit zwischen 4. Oktober 2012 (Kontrolle) und 25. Juni 2013 (Aufforderung zur Rechtfertigung) wurden keine anderen Verfolgungshandlungen gesetzt. Der Zeitraum zwischen der Tatzeit und der ersten Verfolgungshandlung beträgt acht Monate und drei Wochen.

 

 

III. Beweiswürdigung:

 

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich schlüssig und widerspruchsfrei aus dem vorliegenden Akt der belangten Behörde, GZ: SV96-14-2013/La. Insbesondere geht der Verlauf des Verwaltungsstrafverfahrens vollständig und lückenlos aus diesem Akt hervor – der Zeitpunkt der Kontrolle am 4. Oktober 2012, die Anzeige der Finanzpolizei vom 23. Jänner 2013 und die Aufforderung zur Rechtfertigung vom 25. Juni 2013 – sodass weitere Erhebungen unterbleiben konnten.

 

 

IV. Rechtslage:

 

§§ 31, 32 VStG regeln die Verjährungsfristen.

 

§ 31 VStG idF BGBl. Nr. 52/2001 idF BGBl. I Nr. 20/2009 lautete wie folgt:

(1)        Die Verfolgung einer Person ist unzulässig, wenn gegen sie binnen der Verjährungsfrist von der Behörde keine Verfolgungshandlung (§ 32 Abs. 2 und 3) vorgenommen worden ist.

(2)        Die Verjährungsfrist beträgt sechs Monate. Die Frist ist von dem Zeitpunkt zu berechnen, an dem die strafbare Tätigkeit abgeschlossen worden ist oder das strafbare Verhalten aufgehört hat; ist der zum Tatbestand gehörende Erfolg erst später eingetreten, so läuft die Frist erst ab diesem Zeitpunkt.

(3)        Sind seit dem in Abs. 2 bezeichneten Zeitpunkt drei Jahre vergangen, so darf ein Straferkenntnis nicht mehr gefällt werden. Eine Strafe darf nicht mehr vollstreckt werden, wenn seit ihrer rechtskräftigen Verhängung drei Jahre vergangen sind. Die Zeit eines Verfahrens vor dem Verfassungsgerichtshof, vor dem Verwaltungsgerichtshof oder vor dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften sowie Zeiten, während deren die Strafvollstreckung unzulässig, ausgesetzt, aufgeschoben oder unterbrochen war, sind nicht einzurechnen.

 

§ 32 VStG idF BGBl. Nr. 52/2001 idF BGBl. I Nr. 20/2009 lautete wie folgt:

(1)        Beschuldigter ist die im Verdacht einer Verwaltungsübertretung stehende Person von dem Zeitpunkt der ersten von der Behörde gegen sie gerichteten Verfolgungshandlung bis zum Abschluss der Strafsache. Der Beschuldigte ist Partei im Sinne des AVG.

(2)        Verfolgungshandlung ist jede von einer Behörde gegen eine bestimmte Person als Beschuldigten gerichtete Amtshandlung (Ladung, Vorführungsbefehl, Vernehmung, Ersuchen um Vernehmung, Auftrag zur Ausforschung, Strafverfügung u. dgl.), und zwar auch dann, wenn die Behörde für diese Amtshandlung nicht zuständig war, die Amtshandlung ihr Ziel nicht erreicht oder der Beschuldigte davon keine Kenntnis erlangt hat.

(3)        Eine Verfolgungshandlung die gegen einen zur Vertretung nach außen Berufenen (§ 9 Abs. 1) gerichtet ist, gilt auch als Verfolgungshandlung gegen die anderen zur Vertretung nach außen Berufenen und die verantwortlichen Beauftragten. Eine Verfolgungshandlung, die gegen den Unternehmer (§ 9 Abs. 3) gerichtet ist, gilt auch als Verfolgungshandlung gegen die verantwortlichen Beauftragten.

 

 

V. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat hiezu erwogen:

 

V.1. Auf den gegenständlichen Sachverhalt sind die §§ 31, 32 VStG idF BGBl. Nr. 52/2001 idF BGBl. I Nr. 20/2009 anzuwenden. Die Frist für die Verfolgungsverjährung beträgt daher sechs Monate.

 

Erst mit BGBl. I Nr. 33/2013 ist eine Gesetzesänderung eingetreten. § 31 Abs. 1 VStG lautet nunmehr: Die Verfolgung einer Person ist unzulässig, wenn gegen sie binnen einer Frist von einem Jahr keine Verfolgungshandlung (§ 32 Abs. 2) vorgenommen worden ist. Die Bestimmung, mit der die Verfolgungsverjährungsfrist von sechs Monaten auf ein Jahr verlängert wurde, trat mit 1. Juli 2013 in Kraft (vgl. § 66b Abs. 19 Z 3 VStG). In jenen Fällen, in denen vor dem 1. Juli 2013 (vor Ablauf des 30. Juni 2013) wegen Ablaufs der bis dahin geltenden Sechsmonatsfrist Verjährung bereits eingetreten ist, kann sich daher die Verfolgungsverjährungsfrist nicht auf ein Jahr verlängern bzw. verlängert haben. Für den vorliegenden Fall gilt daher weiterhin die sechsmonatige Verjährungsfrist.

 

V.2. Die in § 7i Abs. 5 AVRAG von § 31 Abs. 2 VStG abweichend normierte Verfolgungsverjährungsfrist von einem Jahr gilt nur für Verwaltungsübertretungen nach § 7i Abs. 3 AVRAG, nicht jedoch – wie hier verfahrensgegenständlich – Verwaltungsübertretungen nach § 7i Abs. 2 AVRAG.

 

V.4. Nach ständiger Rechtsprechung des VwGH liegt die besondere Bedeutung der Verfolgungshandlung in Hinblick auf die Verjährung darin, dass die Verfolgungshandlung eine Konkretisierung des Tatvorwurfs insbesondere in zeitlicher und räumlicher Hinsicht enthält; die dem Beschuldigten vorgeworfene Tat muss dabei (lediglich) unverwechselbar konkretisiert sein, damit dieser in die Lage versetzt wird, auf den Vorwurf zu reagieren und damit sein Rechtschutzinteresse zu wahren, insbesondere durch das Anbieten von Beweismitteln. Als Verfolgungshandlung in diesem Sinn gelten alle Handlungen der Behörde, die nach Art und Bedeutung die Absicht der Behörde zum Ausdruck bringen, den gegen eine bestimmte Person wegen einer bestimmten Tat bestehenden Verdacht auf eine im VStG vorgeschriebene Weise zu prüfen, sohin den behördlichen Verfolgungswillen in Richtung einer bestimmten strafbaren Handlung zu verwirklichen (VwGH 24.01.2013, 2012/07/0025; VwGH 29.02.2012, 2008/10/0191).

 

Die entsprechende Verfolgungshandlung i.S.v. § 31 Abs. 1 i.V.m. § 32 Abs. 2 VStG stammt vom 25. Juni 2013 (Aufforderung zur Rechtsfertigung).

 

V.5. Nachdem zwischen dem Zeitpunkt der Kontrolle am 4. Oktober 2012 und der Aufforderung zur Rechtfertigung vom 25. Juni 2013 acht Monate und drei Wochen liegen, war die sechsmonatige Verfolgungsverjährungsfrist zum Zeitpunkt der ersten Verfolgungshandlung bereits abgelaufen und Verfolgungsverjährung eingetreten. Insofern war daher das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

 

 

VI. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des
Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen. Weiters ist die zur Zurückziehung eines Rechtsmittels vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diesen Beschluss besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Dr. Lidauer