LVwG-300390/2/Py/TO/SH

Linz, 19.08.2014

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin
Dr. Andrea Panny über die Beschwerde des Herrn x, vertreten durch x, vom 11. Juli 2014, gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 6. Juni 2014, GZ: 0047019/2012, wegen Übertretung des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG)

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

I.         Gemäß § 50 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) wird der Beschwerde stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 38 VwGVG iVm § 45 Abs.1 Z 3 Verwaltungsstrafgesetz (VStG) eingestellt.

 

 

II.       Der Beschwerdeführer hat weder einen Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens vor der belangten Behörde (§ 66 Abs.1 VStG) noch einen Kostenbeitrag für das Beschwerdeverfahren vor dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich (§ 52 Abs.9 VwGVG) zu leisten.

 

 

III.     Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.             1. Mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 6. Juni 2014, GZ: 0047019/2012, wurden über den Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf) wegen Verwaltungsübertretungen nach § 33 Abs.1 iVm § 111 Abs.1 ASVG zwei Geldstrafen iHv jeweils 730 Euro, für den Fall der Uneinbringlichkeit zwei Ersatzfreiheitsstrafen von jeweils 112 Stunden verhängt. Gleichzeitig wurde ein Verfahrenskostenbeitrag von insgesamt 146 Euro vorgeschrieben.

 

Dem Straferkenntnis lag folgender Tatvorwurf zugrunde:

„Der Beschuldigte, Herr x, geb. am x, hat als Gewerbeinhaber „Handels- und Handelsagentengewerbe" und Betreiber der Firma x, welcher für die Erfüllung der sozialversicherungsrechtlichen Meldepflicht keinen Bevollmächtigten bestellt hat, nachstehende Übertretung des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes verwal-tungsstrafrechtlich zu verantworten:

Die oa. Firma hat als Dienstgeber im Sinne des § 35 Abs. 1 ASVG, von 23.07.2012, 11:25 Uhr (Kontrollzeitpunkt) bis dato, nachstehend angeführte Personen, als pflichtversicherte Dienstnehmer, in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt, ausgehend vom o.a. Firmenstandort im Raum Linz, als Flyerverteiler beschäftigt.

1. Herr x, geb. x,

2. Herr x, geb. x;

Die in Rede stehenden Beschäftigen waren der Firma organisatorisch sowie hinsichtlich des Arbeitsortes und der Arbeitszeit maßgeblich unterworfen. Auch bestand eine persönliche Arbeitsverpflichtung und Weisungsgebundenheit.

Für die Behörde war im vorliegenden Fall von einem Arbeitsverhältnis in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt auszugehen, da Unentgeltlichkeit nicht ausdrücklich vereinbart wurde und somit ein angemessenes Entgelt gem. § 1152 ABGB als bedungen gilt. Die Höhe des Entgelts lag über der Geringfügigkeitsgrenze des § 5 Abs. 2 ASVG.

Obwohl diese Dienstnehmer nicht von der Vollversicherung im Sinne des § 5 ASVG ausgenommen und daher in der Kranken- Unfall- und Pensionsversicherung vollversichert sind, wurde hierüber eine, zumindest mit den Mindestangaben ausgestattete, Meldung, bei der OÖ. Gebietskrankenkasse, 4020 Linz, Gruberstraße 77, als zuständiger Sozialversicherungsträger, nicht vor Aufnahme der Tätigkeit, erstattet.

Die gegenständliche Firma hat somit in 2 Fällen gegen die sozialversicherungsrechtliche Meldepflicht des § 33 Abs. 1 ASVG verstoßen.“

 

2. Dagegen richtet sich die am 11. Juli 2014 vom Bf im Wege seiner rechtsfreundlichen Vertretung eingebrachte Berufung, in der beantragt wird, die Verwaltungsstrafe aufzuheben. Begründend wird festgehalten, dass auf Grund der Untätigkeit der Behörde ohnedies Verfolgungsverjährung eingetreten sei. Zudem habe es die belangte Behörde unterlassen, den Ort der Begehung der Straftat zu konkretisieren. Der Bf weist darauf hin, dass die kurze Tätigkeit ohne seines Wissens und ohne seine Genehmigung ausgeführt worden sei und allenfalls einen Gefälligkeits- oder Freundschaftsdienst darstelle. Festgehalten wird weiters, dass sich der Neffe des Bf, x, seit Mai 2013 nicht mehr in Österreich aufhalte. Der ehemalige Nachbar Herr x betreibe seinen eigenen Kfz-Handel, weshalb auch dieser „bis dato“ nicht beim Bf beschäftigt sein kann.

 

3. Der Magistrat der Stadt Linz hat die Beschwerde samt bezughabenden Verwaltungsstrafakt mit Schreiben vom 15. Juli 2014 dem Oö. Landesverwaltungsgericht zur Entscheidungsfindung vorgelegt.

 

Das LVwG entscheidet gemäß § 2 VwGVG durch seine nach der Geschäfts-verteilung zuständige Einzelrichterin.

 

4. Das Oö. Landesverwaltungsgericht hat Beweis erhoben durch Akten-einsichtnahme.

 

Eine öffentliche mündliche Verhandlung konnte gemäß § 44 Abs.2 VwGVG entfallen, da bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben ist.

 

5. Das Landesverwaltungsgericht hat erwogen:

 

Im Spruch des gegenständlichen Straferkenntnisses (gleichlautend wie in der Aufforderung zur Rechtfertigung vom 3. Jänner 2014) wird dem Bf angelastet, die genannten Personen von 23.07.2012 „bis dato“ in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt zu haben, ohne eine Meldung beim zuständigen Sozialversicherungsträger vorgenommen zu haben.

 

Gemäß § 31 Abs.1 VStG ist die Verfolgung einer Person unzulässig, wenn gegen sie binnen einer Frist von einem Jahr keine Verfolgungshandlung (§ 32 Abs.2) vorgenommen worden ist. Diese Frist ist von dem Zeitpunkt an zu berechnen, an dem die strafbare Tätigkeit abgeschlossen worden ist oder das strafbare Verhalten aufgehört hat; ist der zum Tatbestand gehörende Erfolg erst später eingetreten, so läuft die Frist erst von diesem Zeitpunkt.

 

Gemäß § 32 Abs.2 VStG ist eine Verfolgungshandlung jede von einer Behörde gegen eine bestimmte Person als Beschuldigten gerichtete Amtshandlung (Ladung, Vorführungsbefehl, Vernehmung, Ersuchen um Vernehmung, …“Strafverfügung udgl.), und zwar auch dann, wenn die Behörde zu dieser Amtshandlung nicht zuständig war, die Amtshandlung ihr Ziel nicht erreicht oder der Beschuldigte davon keine Kenntnis erlangt hat.

 

Es muss daher die Tat unter Anführung aller wesentlichen Tatbestandsmerkmale dem Beschuldigten innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist vorgeworfen werden. Eine Umschreibung der Tatbestandsmerkmale lediglich in der Bescheidbegründung reicht im Bereich des Verwaltungsstrafrechtes nicht aus (vgl. Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, Seite 937 ff).

 

Gemäß § 45 Abs.1 Ziffer 3 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen oder die Einstellung zu verfügen, wenn Umstände vorliegen, die die Verfolgung ausschließen. Dazu gehört insbesondere der Eintritt der Verfolgungsverjährung (§ 31 Abs.2 VStG).

 

Im Spruch des bekämpften Straferkenntnisses des Bürgermeisters der Landes-hauptstadt Linz wird als Tatzeitraum vorgeworfen: „von 23.7.2012 bis dato“. Damit wird der Tatzeitraum über den 23.7.2012 offen gelassen und impliziert, dass über den Kontrollzeitraum hinaus das strafbare Verhalten fortbestanden hat bzw. noch besteht. Dies ist aber insofern nicht möglich, da aus der Anzeige des Finanzamtes Gmunden Vöcklabruck vom 25. Oktober 2012 zweifelsfrei hervorgeht, dass sowohl Herr x als auch Herr x ausschließlich am 23.7.2012 mit der Flyerverteilung beschäftigt waren und daher auch diese Tatzeit zur Anzeige gebracht wurde. Ein Andauern des vorgeworfenen strafrechtlich relevanten Verhaltens bis zum Zeitpunkt der ersten behördlichen Verfolgungshandlung liegt nach der Aktenlage eindeutig nicht vor. Aus den im Akt einliegenden Unterlagen ist ersichtlich, dass die belangte Behörde keinerlei Ermittlungen durchführte und somit von einer Beschäftigung, die über den zur Anzeige gebrachten Tatzeitpunkt hinausgeht, nicht ausgegangen werden kann. Vielmehr ist aufgrund der Aktenlage eine durchgehende Beschäftigung, die über den in der Anzeige der Organpartei angeführten Tatzeitraum hinausgeht und die noch bis zur ersten behördlichen Verfolgungshandlung rd. 17 Monate nach dem angeführten Tattag hinausgeht, eindeutig auszuschließen. Dies gilt umso mehr für den Zeitraum bis zur Erlassung des Straferkenntnisses, das durch die Wortfolge „bis dato“ im Spruch ein strafbares Verhalten bis 6. Juni 2014 (Datum des Strafbescheides) indiziert. Das dem Bf aufgrund der Aktenlage vorwerfbare strafbare Verhalten wurde somit tatsächlich mit 23. Juli 2012 beendet und endete die Verfolgungsfrist somit am 23. Juli 2013. Die Aufforderung zur Rechtfertigung ist mit 3. Jänner 2014 datiert und liegt somit nicht innerhalb der gemäß § 32 Abs.2 VStG gesetzlich festgelegten Frist. Es ist daher Verfolgungs-verjährung eingetreten. Aus diesem Grund war der Beschwerde stattzugeben, das Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

 

 

II.            Die Entscheidung über die Verfahrenskosten ist in der zitierten Gesetzesstelle begründet.

 

 

 

III.           Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Dr. Andrea Panny