LVwG-250018/5/Sch/KR

Linz, 04.09.2014

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Dr. Schön über die Beschwerde der Gemeinde x vom 11. Juli 2014 gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung vom 20. Juni 2014,
GZ: BHUU-2014-80599/5-EM, betreffend Bewilligung des sprengelfremden Schulbesuches der x, geb. x, wohnhaft x, x, an der Volksschule x

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

I.         Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG wird der Beschwerde Folge gegeben, der angefochtene Bescheid behoben und der Antrag der Ehegatten x und x vom 23. April 2014 auf sprengelfremden Schulbesuch des x gemäß § 47 Abs.5 Z2 Oö. Pflichtschulorganisationsgesetz 1992 (Oö. POG 1992) abgewiesen.

 

 

II.       Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Zu I.

1. Mit Bescheid vom 20. Juni 2014, GZ: BHUU-2014-80599/5-EM, hat die Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung dem Antrag der Ehegatten x und x, x, x, auf sprengelfremden Schulbesuch ihres Sohnes x, stattgegeben und die Aufnahme des Kindes an der Volksschule x ab dem Schuljahr 2014/2015 für die Dauer der Volksschulzeit gemäß § 47 Abs.1 Oö. POG 1992 bewilligt.

Des Weiteren wurde für diese Bewilligung eine Verwaltungsabgabe vorgeschrieben.

Die Entscheidung durch die Behörde war gemäß § 47 Abs.1 Oö. POG 1992 geboten, da es zu keiner Einigung zwischen den beteiligten Gemeinden x und x gekommen war. Letztgenannte Gemeinde als Schulerhalter der sprengelfremden Schule erteilte zwar die Zustimmung, nicht jedoch die sprengelmäßig zuständige Gemeinde x.

Die belangte Behörde hat vor ihrer Entscheidung in Entsprechung des § 47 Abs.6 (aF.) Oö. POG 1992 den Bezirksschulrat Urfahr-Umgebung angehört.

In seiner Stellungnahme vom 17. Juni 2014 spricht sich dieser unter Hinweis auf die sinkenden Schülerzahlen in der Sprengelvolksschule gegen die Bewilligung aus.

 

 

2. Gegen den eingangs angeführten Bescheid hat die Gemeinde x rechtzeitig Beschwerde eingebracht.

 

Die Beschwerde wurde von der belangten Behörde samt Verfahrensakt dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich zur Entscheidung vorgelegt. Dieses hat gemäß § 2 VwGVG durch den zuständigen Einzelrichter zu entscheiden.

Von der Durchführung einer öffentlich mündlichen Verhandlung konnte gemäß
§ 24 Abs.4 VwGVG abgesehen werden.

 

 

3. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat die Beschwerde der Gemeinde x den Ehegatten x und x im Rahmen des Beschwerdeverfahrens zur Kenntnis gebracht und sie zu einer Stellungnahme eingeladen. Eine solche Stellungnahme ist auch tatsächlich erfolgt, auf diese ist weiter unten einzugehen.

In Anbetracht des so gestalteten Akteninhaltes hat das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich folgendes erwogen:

 

 

Gemäß § 47 Abs.1 Oö. POG 1992 ist der Besuch einer öffentlichen Pflichtschule durch einen dem Schulsprengel nicht angehörigen Schulpflichtigen (sprengelfremder Schulbesuch) – von hier nicht zutreffenden Ausnahmen abgesehen – nur auf Grund einer spätestens zwei Monate vor dem beabsichtigten sprengelfremden Schulbesuch bei der Bezirksverwaltungsbehörde, in deren Bereich die sprengelmäßig zuständige Schule liegt, zu beantragenden Bewilligung zulässig.

 

§ 47 Abs.4 Oö. POG 1992 sieht folgendes vor:

Die Bewilligung ist zu versagen, wenn

1.   der gesetzliche Schulerhalter der um die Aufnahme ersuchten sprengelfremden Schule die Aufnahme des Schulpflichtigen verweigert,

2.   in der sprengelmäßig zuständigen Schule eine gesetzlich festgelegte Klassenschülermindestzahl unterschritten würde oder

3.   der beabsichtigte Schulwechsel nicht mit dem Beginn des Schuljahres zusammenfällt.

Durch die Formulierung „ist zu versagen“ hat der Gesetzgeber unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass diese drei alternativen Versagungsgründe eine Bewilligung des sprengelfremden Schulbesuches jedenfalls verhindern. Von zwingenden Versagungsgründen im Sinne des § 47 Abs.4 Oö. POG 1992 ist vorliegend aber nicht auszugehen.

 

Dem gegenüber ist in § 47 Abs.5 Oö. POG 1992 folgendes vorgesehen:

Die Bewilligung kann versagt werden, wenn

1.   in der um die Aufnahme ersuchten sprengelfremden Schule eine Klassenteilung eintreten würde oder

2.   die mit dem sprengelfremden Schulbesuch für den Schulpflichtigen verbunden Vorteile die bei der Schulsprengelfestsetzung zu berücksichtigten Interessen nicht überwiegen.

 

In seinem Erkenntnis vom 27.11.1995, GZ 93/10/0209, hat sich der Verwaltungsgerichtshof bereits mit den Versagungsgründen des § 47 Abs.5 Oö. POG 1992 auseinandergesetzt. Demnach ist der Behörde bei dieser Bestimmung Ermessen eingeräumt.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt das Wesen einer Ermessensentscheidung (Ausübung des Ermessens) darin, dass zwei oder mehrere Lösungen dem Gesetz entsprechen, das Verwaltungsorgan also die Wahl zwischen mindestens zwei gesetzmäßigen Entscheidungsvarianten hat. Ermessen ist stets im Sinne des Gesetzes (Art. 130 Abs.2 B-VG) zu üben.

 

4. Begründend wird von den Antragstellern auf sprengelfremden Schulbesuch ihres Kindes im Antrag ausgeführt, dass auf Grund der Berufstätigkeit der Mutter (Kleingewerbe „x“) zur Betreuung die Großeltern in x benötigt würden. Die Schwiegermutter im Haus sei 86 Jahre alt und die Aufsichtsobsorge nicht mehr möglich. Die Mutter arbeite unter anderem als Bewegungsexpertin im Hort x in x. Ihr Sohn x habe einen Nebenwohnsitz in x.

In der vom Landesverwaltungsgericht eingeholten und schon oben erwähnten Stellungnahme zur Beschwerde heißt es, dass x Schichtarbeiter sei und daher für ihn unterschiedliche Arbeitszeiten gelten würden. Auch im Kleingewerbe der x würden die Arbeitszeiten variieren.

Des Weiteren heißt es, dass das Kleingewerbe der Mutter „natürlich“ in x gemeldet sei. Die Arbeitstätigkeiten finde jedoch außerhalb der Meldeadresse statt, weil Turnsäle und verschiedene benötigte Räumlichkeiten verwendet würden. Deshalb sei die Verfügbarkeit der Großmutter so wichtig.

Den Antragstellern sei bekannt, dass ein Hort für eine Nachmittagsbetreuung zur Verfügung stünde. Es werde aber gewünscht, dass die Kinder im Kreise der Familie gut aufgehoben sind. Der Stellenwert eines Mittagsessens bei der Großmutter oder im Elternhaus sei etwas anders als in der großen Gemeinschaft der Nachmittagsbetreuung. Hausaufgaben würden im ruhigen familiären Ambiente durchgeführt.

Nach weitwendigen Ausführungen zu Vorgängen in der Vergangenheit, die nach Ansicht des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich nicht entscheidungsrelevant sind, wird zusammenfassend festgestellt, dass der Grund für den Antrag auf sprengelfremden Schulbesuch in der Wichtigkeit gelegen sei, berufstätig  sein zu können und die Kinder jederzeit bei der Großmutter beaufsichtigt zu wissen.

 

5. Die belangte Behörde hat diesen Wunsch der Eltern als wesentliche Begründung für die Bewilligung im angefochtenen Bescheid angeführt. Dort heißt es:

„Durch die Ermöglichung des Schulbesuches in x wird für den Schüler eine Nachmittagsbetreuung und Beaufsichtigung durch die Großeltern sichergestellt Weiters ist auch auf Grund des Arbeitsplatzes der Kindesmutter ein gemeinsamer Schul- und Arbeitsweg gegeben“.

 

Dazu ist allerdings folgendes festzuhalten:

§ 40 Abs.1 Oö. POG 1992 sieht vor, dass der Schulsprengel einer öffentlichen Volksschule das Gebiet umfasst, in dem die für die Volksschule in Betracht kommenden schulpflichtigen Kinder, denen der Schulweg zumutbar ist, wohnen.

Somit knüpft das Gesetz im Hinblick auf die Vorschriften zum Volksschulsprengel an das Territorialitätsprinzip an. Wohnt ein Schulkind im entsprechenden Schulsprengel, dann hat es die vorgesehene Sprengelschule zu besuchen und ist gemäß § 46 Abs.2 Oö. POG 1992 dort auch aufzunehmen. Bei der Festsetzung des Volksschulsprengels hat die Behörde zu bedenken, dass der Schulweg für die dort wohnenden Schüler auch zumutbar ist. Hat die Behörde unter Bedachtnahme auf diese Grundsätze einen Schulsprengel festgesetzt, dann ist der Schulbesuch in diesem Sprengel der Regelfall und der sprengelfremde Schulbesuch die Ausnahme.

Die nach den gesetzlichen Vorgaben bestimmte Sprengelvolksschule soll von den im Sprengel wohnenden Kindern auch besucht werden. Ansonsten hätte ein Schulsprengel ja nur mehr unverbindliche Bedeutung.

Aus der Diktion des § 47 Abs.5 Z2 Oö. POG 1992 ergibt sich, dass es bei dieser Bestimmung um die Ermittlung und Bewertung der für den Schulpflichtigen verbunden Vorteile geht, wenn ein sprengelfremder Schulbesuch beantragt wurde. Es geht also primär um die Bedürfnisse des Schulpflichtigen, ob für die Eltern selbst damit Vorteile verbunden wären, kann bei diesen Erwägungen nicht an erster Stelle stehen.

Auf Grund des bestehenden und im vorliegenden Fall unbestrittenen Schulbusverkehrs kann ein relevanter Vorteil für den Schulpflichtigen nicht erblickt werden, wenn er für den Weg zur und von der Schule nicht den Schulbus benützt, sondern von einem Elternteil befördert wird, welcher sich auf dem Weg zur Arbeit befindet. Die Sicherheit von durch Schulbusse beförderte Kinder ist durch zahlreiche Vorschriften in diesem Zusammenhang bestmöglich gewährleistet und kann daher ein objektivierbarer Vorteil, wenn ein Kind im Privat-PKW befördert wird, nicht nachvollzogen werden. Der zeitliche und örtliche Ablauf der Berufstätigkeit der Eltern lässt einen regelmäßigen Transport des Kindes zur Schule und zurück wohl ohnehin nicht zu.

Eine Nachmittagsbetreuung wird nach der unbestrittenen Aktenlage auch in der zuständigen Sprengelvolksschule angeboten, wobei davon ausgegangen wird, dass hier räumlich und personell die entsprechenden Voraussetzungen vorliegen, also es zumutbar ist, diese von einem Schulpflichtigen in Anspruch nehmen zu lassen.

Es ist zwar durchaus nachvollziehbar, wenn Eltern einem familiären, allenfalls durch die Großeltern gewährleisteten, Umfeld gegenüber einer von einer öffentlichen Institution angebotenen Betreuung den Vorzug geben. Dies kann aber noch nicht bedeuten, dass damit quasi zwangsläufig für das betroffene Kind nur mehr die großelterliche Betreuung in Frage kommen dürfte. Nach Ansicht des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich kann der Frage der Nachmittagsbetreuung, wenn sie in der Sprengelgemeinde ohnehin angeboten wird, nicht die Gewichtung zukommen, dass im Falle der Präferierung der Betreuung durch Familienmitglieder dieser Umstand schon die Bewilligung des sprengelfremden Schulbesuches nach sich zu ziehen hätte.

 

6. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt war also dahingehend abzuwägen, ob die Bewilligung versagt werden kann, da die mit dem sprengelfremden Schulbesuch für den Schulpflichtigen verbunden Vorteile die bei der Schulsprengelfestsetzung zu berücksichtigenden Interessen nicht überwiegen.

Die entsprechende Ermessensübung im Sinne des Gesetzes hat im Behördenverfahren durch die Behörde, im Beschwerdeverfahren durch das Verwaltungsgericht (Eder/Matschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte, K21 zu § 28 Abs.4 VwGVG) zu erfolgen.

Aus der Begründungspflicht bei Ermessensentscheidungen (vgl. VwGH 11.06.1969, 1067/68) folgt, dass sich die Behörde – und das Verwaltungsgericht – begründet damit auseinanderzusetzen hat, weshalb das Ermessen in die eine oder andere Richtung geübt wurde.

Angesichts des Ergebnisses des Ermittlungsverfahrens kann die Annahme des Nichtvorliegens des oben zitierten Versagungsgrundes nicht mit einer dieser geforderten Begründungspflicht entsprechenden Entscheidung vertreten werden. Eine gesetzeskonforme Ermessensübung musste also im gegenständlichen Fall dazu führen, dass mangels Vorliegens gleichwertiger Entscheidungsalternativen nur in der Weise entschieden werden konnte, dass die Interessen der Schulsprengelfestsetzung bei ihrer Gewichtung der beantragten Bewilligung entgegenstanden.

 

Der Beschwerde war daher Folge zu geben, der angefochtene Bescheid zu beheben und gemäß § 28 Abs.2 VwGVG in der Sache selbst zu entscheiden.

 

Zu II. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von jeweils 240 Euro zu entrichten.

 

 

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

S c h ö n