LVwG-350069/5/KLi/BD/PP

Linz, 12.09.2014

B E S C H L U S S

 

gefasst:

 

 

I.        Der Beschwerde wird stattgegeben. Der Bescheid des Bezirkshauptmannes von Linz-Land, vom 03.06.2014, GZ: 2014-73597 wird zur Erlassung eines neuen Bescheides gemäß § 28 Abs. 3 Satz 2 VwGVG an den Bezirkshaupt­mann von Linz-Land zurückverwiesen.

 

 

II.       Gegen diesen Beschluss ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.1.       Mit Bescheid der belangten Behörde vom 03.06.2014, GZ: 2014-73597 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin vom 06.02.2014 auf Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfs abgewiesen.

 

Begründend wurde ausgeführt, dass gemäß § 4 Oö. BMSG (persönliche Voraussetzungen für die Leistung bedarfsorientierter Mindestsicherung) die Leistung der bedarfsorientierten Mindestsicherung nur Personen geleistet werden kann, die österreichische Staatsbürger oder deren Familienangehörige sind oder über einen Daueraufenthalt bzw. eine unbefristete Niederlassungsbewilligung verfügen oder Asylberechtigte bzw. subsidiär Schutzberechtigte sind und durch den Bezug einer Leistung ihr Aufenthaltsrecht nicht verlieren. Nachdem die Beschwerdeführerin keinen gültigen Aufenthaltstitel bzw. keine unbefristete Niederlassungsbewilligung nachweisen könne, sei wie im Spruch angeführt zu entscheiden gewesen.

 

I.2.       Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde vom 13.06.2014. Zusammengefasst bringt die Beschwerdeführerin vor, dass § 4 Abs. 2 lit.c Oö. BMSG ausführt, dass EU-Bürger und deren Familienangehörige dann Anspruch auf bedarfsorientierte Mindestsicherung haben, soweit sie durch den Bezug dieser Leistungen nicht ihr Aufenthaltsrecht verlieren würden. Voraussetzung für den Anspruch sei daher im Gegensatz zu Drittstaatsangehörigen kein Dauer­aufenthaltsrecht, sondern lediglich die Tatsache, dass der Antragsteller und seine Familienangehörigen zum Zeitpunkt der Antragstellung ihr Aufenthaltsrecht durch den Antrag nicht verlieren würden. Die Beschwerdeführerin sei als Ehegattin eines EU-Bürgers, welcher Arbeitnehmer iSd § 51 Abs. 1 Z 1 NAG ist, zum Aufenthalt in Österreich berechtigt. Aufgrund der Arbeitnehmereigenschaft ihres Mannes, welcher vollzeitbeschäftigt sei und somit keine bloß unterge­ordnete oder unwesentliche Tätigkeit ausübe, verliere weder dieser noch sie beim Bezug von bedarfsorientierter Mindestsicherung das Aufenthaltsrecht. Zur Bestätigung dieses Aufenthaltsrechtes sei dem Ehegatten der Beschwerde­führerin und der Beschwerdeführerin selbst von der belangten Behörde mit 05.05.2014 eine Anmeldebescheinigung ausgestellt worden. Nur für Personen, welche keine Arbeitnehmer seien, oder deren Angehörige, gelte gemäß § 51
Abs. 1 Z 2 NAG das Erfordernis, dass sie keine Sozialhilfeleistungen in Anspruch nehmen dürften, da sie ansonsten ihr Aufenthaltsrecht verlieren würden. EWR-Bürger, welche Arbeitnehmer seien, und deren Familienangehörige hätten somit Anspruch auf Leistung bedarfsorientierter Mindestsicherung.

 

Ferner sei der Bescheid der Behörde nicht ausreichend begründet. Die Behörde führe zwar die entsprechenden Rechtsvorschriften an, führe aber nicht aus, warum ihrer Ansicht nach die Beschwerdeführerin ihr Aufenthaltsrecht durch den Bezug von bedarfsorientierter Mindestsicherung verlieren würde. Stattdessen führe sie eine unrichtige Begründung an, da sie eine vom Gesetz nicht geforderte Voraussetzung für den Bezug von bedarfsorientierter Mindestsicherung, nämlich das Daueraufenthaltsrecht, heranziehe.

 

Zusammengefasst werde daher beantragt, den angefochtenen Bescheid dahin­gehend abzuändern, dass dem Antrag auf bedarfsorientierte Mindestsicherung stattgegeben und bedarfsorientierte Mindestsicherung gewährt werde; in eventu, den angefochtenen Bescheid aufzuheben und zur neuerlichen Verhandlung an die Behörde erster Instanz zurückverweisen; eine mündliche Verhandlung durch­zuführen.

 

 

II.         Nachfolgender Sachverhalt steht fest:

 

II.1.      Die Beschwerdeführerin hat am 06.02.2014 bei der belangten Behörde einen Antrag auf bedarfsorientierte Mindestsicherung gestellt. Mit Bescheid vom 03.06.3014, GZ: 2014-73597, wurde dieser Antrag abgewiesen.

 

II.2.      Die Beschwerdeführerin ist am x geboren und italienische Staats­angehörige. Sie ist mit dem am x geborenen, rumänischen Staats­angehörigen D. F. verheiratet. Der Ehegatte der Beschwerde­führerin ist bei der x GmbH beschäftigt und erhält einen monatlichen Nettoverdienst in Höhe von 1.157,84 Euro.

 

II.3.      Für die Beschwerdeführerin wurde von der belangten Behörde zu GZ: Pol18-541 eine Anmeldebescheinigung für EWR-Bürger/-innen und Schweizer-Bürger/-innen gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 NAG ausgestellt. Für ihren Ehegatten wurde von der belangten Behörde zu GZ: Pol18-540 eine Anmeldebescheinigung für EWR-Bürger/-innen und Schweizer-Bürger/-innen gemäß § 51 Abs. 1 Z 1 NAG ausgestellt.

 

 

III.        Beweiswürdigung:

 

III.1.     Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich schlüssig und widerspruchsfrei aus dem Akt der belangten Behörde, GZ: 2014-73597. Sämtliche Unterlagen in Hinblick auf die persönlichen Verhältnisse der Beschwerdeführerin – ins­besondere jene zur Niederlassungsbewilligung (Anmeldebescheinigung) und zur Arbeitnehmereigenschaft ihres Ehegatten – befinden sich in diesem Akt. Weitere Erhebungen waren insofern nicht erforderlich.

 

III.2.     Nachdem die Beschwerdeführerin allerdings eine öffentliche mündliche Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich beantragt hatte, wurde eine solche für den 08.09.2014 anberaumt. Die belangte Behörde hat an dieser Verhandlung entschuldigt nicht teilgenommen. Die Beschwerdeführerin ist zu dieser Verhandlung unentschuldigt nicht erschienen.

 

III.3.     Zumal allerdings der entscheidungsrelevante Sachverhalt bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, war eine derartige mündliche Verhandlung entbehrlich bzw. konnte von einer neuerlichen Ladung der Beschwerdeführerin Abstand genommen werden.

 

 

IV.       Rechtslage:

 

IV.1.    Gemäß § 28 Abs. 3 Satz 2 VwGVG kann das Verwaltungsgericht den ange­fochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen, wenn die Behörde die notwendigen Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen hat. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungs­gericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

 

IV.2.    §§ 51, 52 NAG regeln das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht.

 

§ 51 regelt das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht von EWR-Bürgern für mehr als 3 Monate:

(1)        Aufgrund der Freizügigkeitsrichtlinie sind EWR-Bürger zum Aufenthalt von mehr als 3 Monate berechtigt, wenn sie

1.   Arbeitnehmer oder Selbständige sind;

2.   für sich und ihre Familienangehörigen über ausreichende Existenz­mittel und einen umfassenden Krankenversicherungsschutz ver­fügen, sodass sie während ihres Aufenthaltes weder Sozialhilfe­leistungen noch die Ausgleichszulage in Anspruch nehmen müssen, oder

3.   als Hauptzweck ihres Aufenthalts eine Ausbildung einschließlich einer Berufsausbildung bei einer öffentlichen Schule oder einer recht­lich anerkannten Privatschule oder Bildungseinrichtung absol­vieren und die Voraussetzungen der Z 2 erfüllen.

(2)        …..

(3)        Der EWR-Bürger hat die Umstände, wie auch den Wegfall der Voraussetzungen der in Abs. 1 bis 3 genannten Voraussetzungen der Behörde unverzügliche bekannt zu geben. Der Bundesminister für Inneres ist ermächtigt, die näheren Bestimmungen zur Bestätigung gemäß Abs. 2 Z 2 und 3 mit Verordnung festzulegen.

 

§ 52 NAG regelt das Aufenthaltsrecht für Angehörige von EWR-Bürgern:

(1)        Aufgrund der Freizügigkeitsrichtlinie sind EWR-Bürger, die Angehörige von unionsrechtlich aufenthaltsberechtigen EWR-Bürgern (§§ 51 und 53a) sind, zum Aufenthalt für mehr als 3 Monate berechtigt, wenn sie

1.   Ehegatte oder eingetragener Partner sind;

2.   Verwandter des EWR-Bürgers, seines Ehegatten oder eingetragenen Partners in gerader absteigender Linie bis zur Vollendung des
21. Lebensjahres und darüber hinaus sind, sofern ihnen von diesen Unterhalt tatsächlich gewährt wird;

3.   Verwandter des EWR-Bürgers, seines Ehegatten oder eingetragenen Partners in gerader aufsteigender Linie sind, sofern ihnen von diesen Unterhalt tatsächlich gewährt wird;

4.   Lebenspartner sind, der das Bestehen einer dauerhaften Beziehung nachweist, oder

5.   sonstige Angehörige des EWR-Bürgers sind,

a)   die vom EWR-Bürger bereits im Herkunftsstaat Unterhalt tatsächlich bezogen haben,

b)   die mit dem EWR-Bürger bereits im Herkunftsstaat in häuslicher Gemeinschaft gelebt haben oder

c)   bei denen schwerwiegende gesundheitliche Gründe die per­sönliche Pflege zwingend erforderlich machen.

 

IV.3.    § 4 Oö. Mindestsicherungsgesetz regelt die persönlichen Voraussetzungen für den Anspruch auf bedarfsorientierte Mindestsicherung:

(1)     Bedarfsorientierte Mindestsicherung kann, sofern dieses Landesgesetz nicht anderes bestimmt, nur Personen geleistet werden, die

1.   ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Land Oberösterreich haben und die Voraussetzungen des § 19 oder des § 19a Meldegesetz, BGBl.Nr. 9/1992, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 135/2009, erfüllen und

2.         a) österreichische Staatsbürgerinnen und -bürger oder deren           Familienangehörige,

                    b) Asylberechtigte oder subsidiär Schutzberechtigte,

                    c) EU-/EWR-Bürgerinnen oder -Bürger, Schweizer Staats-              angehörige oder deren Familienangehörige, jeweils soweit sie                   durch den Bezug dieser Leistungen nicht ihr Aufenthaltsrecht                  verlieren würden,

                       d)      Personen mit einem Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt - EG“                           oder „Daueraufenthalt - Familienangehörige“ oder mit einem                             Niederlassungs­nachweis oder einer unbefristeten Nieder-                                   lassungsbewilligung,

                       e)      Personen mit einem sonstigen dauernden Aufenthaltsrecht im                            Inland, soweit sie durch den Bezug dieser Leistungen nicht ihr                                 Aufenthaltsrecht verlieren würden,

                   sind.

       (2)     Bedarfsorientierte Mindestsicherung kann im Einzelfall – abweichend von Abs.1 – auf der Grundlage des Privatrechts geleistet werden, soweit

     1. der Lebensunterhalt nicht anderweitig gesichert ist oder gesichert werden kann und

                 2. dies zur Vermeidung besonderer Härten unerlässlich ist.

 

 

V.        Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat hiezu erwogen:

 

V.1.     Zum Sachverhalt:

 

V.1.1.  Zunächst ist zu hinterfragen, ob die Beschwerdeführerin entsprechend ihrer Beschwerde Anspruch auf bedarfsorientierte Mindestsicherung hat bzw. ob der diesbezügliche Antrag von der belangten Behörde zu Recht abgewiesen wurde.

 

Die belangte Behörde zitiert hiezu die Bestimmung des § 4 Oö. BMSG, welcher die persönlichen Voraussetzungen regelt. Die belangte Behörde geht dies­bezüglich davon aus, dass die Beschwerdeführerin nicht über ein Daueraufent­haltsrecht in Österreich verfügen würde und somit die persönlichen Voraus­setzungen des § 4 Oö. BMSG nicht erfüllen würde. Insbesondere stützt die belangte Behörde ihre Entscheidung darauf, dass die Beschwerdeführerin keinen gültigen Daueraufenthaltstitel bzw. keine unbefristete Niederlassungsbewilligung nachweisen können würde.

 

V.1.2.  Tatsächlich verfügt die Beschwerdeführerin über eine Niederlassungs­bewilligung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 NAG. Dieses Aufenthaltsrecht steht in Zusammenhang mit dem Aufenthaltsrecht des Ehegatten, welchem ein solches gemäß § 51 Abs. 1 Z 1 NAG eingeräumt wurde. Folglich leitet sich das Aufent­haltsrecht der Beschwerdeführerin aus dem Aufenthaltsrecht ihres Ehegatten ab. Dieser ist Arbeitnehmer, sodass ihm  das Aufenthaltsrecht gemäß § 51 Abs. 1
Z 1 NAG eingeräumt wurde und nicht gemäß § 51 Abs. 1 Z 2 NAG.

 

Lediglich die Bestimmungen des § 51 Abs. 1 Z 2 und Z 3 NAG sehen vor, dass der Aufenthaltsberechtigte und seine Familienangehörigen über ausreichende Existenzmittel und einen umfassenden Krankenversicherungsschutz verfügen müssen, sodass sie während ihres Aufenthaltes weder Sozialleistungen noch die Ausgleichszulage in Anspruch nehmen müssen.

 

V.1.3.  Es ist nicht gesetzlich vorgesehen, dass die Voraussetzungen von § 51 Abs. 1 Z 1 und Z 2 NAG kumulativ vorliegen müssen. Vielmehr handelt es sich um eine alternative gesetzliche Regelung, sodass ein Aufenthaltsberechtigter entweder Arbeitnehmer/Selbständiger sein muss oder für sich und seine Familienangehörigen über ausreichende Existenzmittel verfügt. Ist also eine Person Arbeitnehmer gemäß § 51 Abs. 1 Z 1 NAG müssen nicht gleichzeitig auch die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 Z 2 NAG erfüllt werden.

 

Dass es sich bei dieser Bestimmung um eine „Oder-Regelung“ handelt, ergibt sich auch aus der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.04.2004, welche in den §§ 51, 52 NAG umgesetzt wurde. Insbesondere findet sich Art. 7 dieser Richtlinie in § 51 NAG wieder.

 

V.1.4.  Der Gesetzestext dieser Richtlinie lautet:

Art. 7 – Recht auf Aufenthalt für mehr als 3 Monate

(1)     Jeder Unionsbürger hat das Recht auf Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaates für einen Zeitraum von über 3 Monaten, wenn er

a)     Arbeitnehmer oder Selbständiger im Aufnahmestaat ist oder

b)     für sich und seine Familienangehörigen über ausreichende Existenz­mittel verfügt, so dass sie während ihres Aufenthaltes keine Sozial­hilfe­leistungen des Aufnahmemitgliedstaates in Anspruch nehmen müssen, und er und seine Familienangehörigen über einen umfas­sen­den Krankenversicherungsschutz im Aufnahmemitgliedstaat ver­fügen oder

c)         -  bei einer privaten oder öffentlichen Einrichtung, die von dem       Aufnahmemitgliedstaat aufgrund seiner Rechtsvorschriften oder           seiner Verwaltungspraxis anerkannt oder finanziert wird, zur            Absolvierung einer Ausbildung einschließlich einer                                      Berufsausbildung als Hauptzweck eingeschrieben ist und

-    über einen umfassenden Krankenversicherungsschutz im Aufnahmemitgliedstaat verfügt und der zuständigen nationalen Behörde durch eine Erklärung oder durch jedes andere gleichwertige Mittel seiner Wahl glaubhaft macht, dass er für sich und seine Familienangehörigen über ausreichende Existenzmittel verfügt, sodass sie während ihres Aufenthalts keine Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedstaates in Anspruch nehmen müssen, oder

d)    ein Familienangehöriger ist, der den Unionsbürger, der die Vor­aussetzungen des Buchstaben a, b oder c erfüllt, begleitet oder ihm nachzieht.

(2)     Das Aufenthaltsrecht nach Abs. 1 gilt auch für Familienangehörige, die nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates besitzen und die den Unionsbürger in den Aufnahmemitgliedstaat begleiten oder ihm nach­ziehen, sofern der Unionsbürger die Voraussetzungen des Abs. 1a, b oder c erfüllt.

 

Aus dem Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie geht insofern deutlicher als aus dem Gesetzes­text des NAG hervor, dass § 51 Abs. 1 NAG als „oder-Regel“ und nicht als „und-Regel“ zu interpretieren ist.

 

V.1.5. Nachdem der  Ehegatte der Beschwerdeführerin die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 Z 1 NAG und die Beschwerdeführerin im Weiteren die Voraus­setzungen des § 52 Abs. 1 Z 1 NAG erfüllt, besteht ein Aufenthaltsrecht von EWR-Bürgern iSd § 4 Abs. 1 Z 2 lit. c Oö. BMSG. Die Bestimmung des § 4 Abs. 1 Z 2 lit. d Oö. BMSG ist dagegen für den gegenständlichen Fall nicht einschlägig.

 

Der Beschwerdeführerin ist daher beizupflichten, dass aufgrund der Arbeitnehmereigenschaft ihres Mannes, welcher vollzeitbeschäftigt ist und somit keine bloß untergeordnete oder unwesentliche Tätigkeit ausübt, weder dieser noch seine Ehegattin beim Bezug von bedarfsorientierter Mindestsicherung das Aufenthaltsrecht verliert (VwGH 17.04.2013, 2013/22/0019; UVS Oberösterreich 06.08.2013, VwSen-560294/2/Kl/TK).

 

Die in den Anmeldebescheinigungen vom 05.05.2014, GZ: Pol18-540 und
Pol18-541 angeführte Belehrung gemäß § 51 Abs. 3 NAG bezieht sich im Hinblick auf die Inanspruchnahme von Sozialleistungen und den damit einhergehenden Verlust des Aufenthaltsrechtes auf § 51 Abs. 1 Z 2 und Z 3 NAG und nicht auch auf § 51 Abs. 1 Z 1 NAG.

 

V.1.6. Zusammengefasst sind daher für die Beschwerdeführerin die persönlichen Voraussetzungen für die Gewährung bedarfsorientierter Mindestsicherung erfüllt. Der angefochtene Bescheid ist insofern in rechtlicher Hinsicht dahingehend abzuändern, dass dem Grunde nach ein Anspruch auf bedarfsorientierte Mindestsicherung zu Recht besteht.

 

 

V.2.   Zur Aufhebung des behördlichen Bescheides und zur Zurückverweisung:

 

V.2.1. Nachdem die belangte Behörde allerdings davon ausgegangen ist, dass ein derartiger Anspruch aufgrund fehlender persönlicher Voraussetzungen nicht gegeben ist, wurden Sachverhaltsfeststellungen zu der Frage einer sozialen Notlage gemäß § 6 Oö. BMSG und den weiteren Voraussetzungen des Oö. BMSG nicht mehr getroffen.

 

Diese Sachverhaltsfeststellungen sind allerdings zwingend erforderlich, um berechnen zu können, inwiefern die Beschwerdeführerin der Höhe nach Anspruch auf bedarfsorientierte Mindestsicherung hat. Dazu befinden sich im Akt derzeit lediglich Ermittlungsergebnisse, dass der Ehegatte der Beschwerdeführerin vollzeitbeschäftigt ist und über ein monatliches Einkommen in Höhe von netto 1.157,84 Euro verfügt. Über weitere Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Beschwerdeführerin liegen keine Ermittlungsergebnisse vor.

 

V.2.2. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich konnte und durfte allerdings derartige Sachverhaltsermittlungen nicht selbst tätigen und sodann in Hinblick auf die Höhe der bedarfsorientierten Mindestsicherung in der Sache selbst ent­scheiden.

 

Würde das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich bereits zum derzeitigen Verfahrensstand der Höhe nach in der Sache selbst entscheiden, wäre dadurch das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht der Beschwerdeführerin auf eine Entscheidung durch den gesetzlichen Richter gemäß Art. 83 Abs. 2 B-VG verletzt werden.

 

Nach den gesetzlichen Bestimmungen des Oö. BMSG steht es der Beschwerde­führerin nicht nur zu, eine Beschwerde gegen einen abweisenden Bescheid dem Grunde nach zu erheben; vielmehr besteht für die Beschwerdeführerin auch das Recht, eine Beschwerde der Höhe nach zu erheben, sollte nach ihrer Auffassung die ihr gewährte bedarfsorientierte Mindestsicherung zu niedrig bemessen worden sein. Über die Frage der Höhe der Mindestsicherung hat sodann wiederum das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich zu entscheiden. Durch eine sofortige Sachentscheidung des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich würde der Beschwerdeführerin eine Instanz in Hinblick auf die Höhe der bedarfsorientierten Mindestsicherung genommen werden.

 

V.3.   Zusammenfassung:

 

Insofern war daher der Beschwerde derart Folge zu geben, dass der Bescheid der belangten Behörde aufgehoben und das Verfahren zur neuerlichen Entscheidung an dieselbe zurückverwiesen wird. Die belangte Behörde ist im Rahmen ihrer Entscheidung an die Rechtsauffassung des Landesverwaltungsgerichtes Ober­österreich dahingehend gebunden, dass für die Beschwerdeführerin die persönlichen Voraussetzungen des § 4 Oö. BMSG erfüllt sind. Ob auch die Voraussetzungen einer sozialen Notlage gemäß § 6 Oö. BMSG bzw. die weiteren Voraussetzungen erfüllt sind, wird im Verfahren vor der belangten Behörde zu klären sein.

 

 

VI.       Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des
Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Recht­sprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Recht­sprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungs­gerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

 

 

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diesen Beschluss besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungs­gerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungs­gerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landes­ver­waltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechts­anwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Dr. Lidauer


 

 

LVwG-350069/5/KLi/BD/PP vom 12. September 2014

 

Beschluss

 

Rechtssatz

 

B-VG Art83 Abs2

OöBMSG

 

Das LVwG konnte und durfte Sachverhaltsermittlungen nicht selbst tätigen und sodann in Hinblick auf die Höhe der bedarfsorientierten Mindestsicherung in der Sache selbst entscheiden. Würde das LVwG bereits zum derzeitigen Verfahrensstand der Höhe nach in der Sache selbst entscheiden, würde dadurch das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht der Bf. auf eine Entscheidung durch den gesetzlichen Richter gemäß Art. 83 Abs. 2 B-VG verletzt werden. Denn nach dem Oö. BMSG steht es der Bf. nicht nur zu, eine Beschwerde gegen einen abweisenden Bescheid dem Grunde nach zu erheben; vielmehr besteht für die Beschwerdeführerin auch das Recht, eine Beschwerde der Höhe nach zu erheben, sollte nach ihrer Auffassung die ihr gewährte bedarfsorientierte Mindestsicherung zu niedrig bemessen worden sein. Über die Frage der Höhe der Mindestsicherung hat sodann wiederum das LVwG zu entscheiden. Durch eine sofortige Sachentscheidung würde der Bf. jedoch eine Instanz in Hinblick auf die Höhe der bedarfsorientierten Mindestsicherung genommen werden.

 

Beschlagwortung:

 

Instanzenzug, Verkürzung; Mindestsicherung – Beschwerde dem Grunde bzw. der Höhe nach