LVwG-600461/7/Zo/CG

Linz, 01.10.2014

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Mag. Gottfried Zöbl über die Beschwerde des J.G., geb. x, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. P.F., x, vom 14.08.2014 gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes des Bezirkes Urfahr-Umgebung vom 29.07.2014, Zahl VerkR96-1902-2014, wegen Abweisung des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sowie Zurückweisung des Einspruches als verspätet nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 23.09.2014

 

 

zu Recht  e r k a n n t :

 

 

I.          Die Beschwerde wird abgewiesen und der angefochtene Bescheid vollinhaltlich bestätigt.

II.       Gegen dieses Erkenntnis ist keine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof zulässig.

 

 

 

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

 

Zu I.:

1.           Die Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung hat mit dem angefochtenen Bescheid den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Einspruchsfrist gegen die Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung vom 21.05.2014, VerkR96-1902-2014, als unbegründet abgewiesen.

Dieser Bescheid wurde zusammengefasst damit begründet, dass die Strafverfügung dem Antragsteller persönlich zugestellt wurde. Das als Wiedereinsetzungsgrund geltend gemachte Vergessen wegen der starken beruflichen Überlastung sei als grob fahrlässig zu werten.

 

2.           In der dagegen rechtzeitig eingebrachten Beschwerde machte der Beschwerdeführer zusammengefasst geltend, dass er über einen Gemüseanbaubetrieb verfüge, in welchem zum Zeitpunkt der Zustellung der Strafverfügung ein äußerst hektisches Treiben geherrscht habe. Er beschäftige mehr als 30 Erntehelfer und zum Zeitpunkt der Zustellung der Strafverfügung habe Schlechtwetter gedroht, weshalb relativ hektisch versucht worden sei, die Ernte noch vor dem schlechten Wetter einzubringen. Aufgrund dieser äußerst hektischen Situation habe er die vom Postbeamten übernommene Strafverfügung vorerst abgelegt. Als er am Abend sehr erschöpft von der mühevollen Arbeit nach Hause gekommen sei, habe er die Strafverfügung vergessen, was durchaus menschlich sei. Auch in den weiteren Tagen habe er nicht mehr an den Zustellvorgang gedacht.

 

Tatsächlich habe er die Strafverfügung erstmals am 3.7.2014 bei einer Aktendurchsicht wieder entdeckt und sich dann auch wieder konkret an den Zustellvorgang erinnern können. Aufgrund der damaligen äußerst hektischen Situation liege ein minderer Grad des Verschuldens vor, dies umso mehr, wenn man bedenke, dass der Beschwerdeführer als Landwirt mit der Abwicklung von behördlichen Agenden relativ wenig Berührungspunkte hat. Am Tag der Zustellung sei eben die Einbringung der Ernte vorrangig gewesen und nach mehr als 10-stündiger Arbeit am Hof sei er vollkommen erschöpft nach Hause gekommen. In weiterer Folge sei die Strafverfügung dann in Verstoß geraten.

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung hat die Beschwerde ohne Beschwerdevorentscheidung dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich vorgelegt. Damit ergab sich dessen Zuständigkeit, wobei es durch den nach der Geschäftsverteilung zuständigen Einzelrichter zu entscheiden hat (§ 2 VwGVG).

 

4. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt sowie Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 23.09.2014. An dieser haben der Beschwerdeführer und sein Rechtsvertreter teilgenommen, die Verwaltungsbehörde war entschuldigt.

 

4.1. Daraus ergibt sich folgender für die Entscheidung wesentliche Sachverhalt:

 

Der Beschwerdeführer war am 4.5.2014 um 15.37 Uhr auf der A7 Mühlkreisautobahn nach einer Geschwindigkeitsmessung zu einer Verkehrskontrolle angehalten worden, weil er eine Geschwindigkeit von annähernd 200 km/h eingehalten hatte. Er war vom Polizisten mit dieser Geschwindigkeit konfrontiert worden, wobei er sich laut Anzeige dahingehend gerechtfertigt hatte, dass er die Strafe gleich bezahlen möchte. Die Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung hat wegen dieser Geschwindigkeitsüberschreitung gegen den Beschwerdeführer am 21.5.2014 eine Strafverfügung erlassen, welche am 23.5.2014 mittels RSb-Brief zugestellt wurde. Das Schriftstück hat der Beschwerdeführer persönlich auf seinem Hof übernommen.

 

Zu den Umständen der Zustellung führte der Beschwerdeführer in der Verhandlung glaubwürdig aus, dass es an jenem Tag auf dem Hof ausgesprochen hektisch gewesen sei, weil Schlechtwetter gedroht habe. Er habe in seinem landwirtschaftlichen Betrieb 60 – 70 Arbeitskräfte beschäftigt und die Arbeit sei termingebunden, weshalb es sehr hektisch sei. Der Briefträger sei so wie jeden Tag zwischen 8.00 Uhr und 8.30 Uhr gekommen und er habe ihn zufällig auf dem Hof getroffen. Der Briefträger habe ihm mitgeteilt, dass er ein Schriftstück zum Unterschreiben mithabe und er habe noch auf dem Hof den Rückschein unterschrieben. In weiterer Folge habe der Briefträger die Post ins Büro gebracht und eine Angestellte habe diese in betriebliche und private Post getrennt. Beim späteren Durcharbeiten seiner Post sei ihm der RSb-Brief nicht aufgefallen. Er bekomme öfters eingeschriebene Postsendungen, bei der Zustellung des gegenständlichen RSb-Briefes habe er nicht daran gedacht, dass es sich um eine Strafverfügung wegen der ca. 3 Wochen zurückliegenden Geschwindigkeitsüberschreitung handeln könne.

 

Zur Frage, wann er die Strafverfügung wieder gefunden habe, gab der Beschwerdeführer vorerst an, dass sie ihm in der Vorbereitung auf eine andere Verhandlung beim LVwG wieder untergekommen sei und er sie gleich am nächsten Tag nach der Verhandlung seinem Rechtsanwalt übergeben habe. Dazu ist anzumerken, dass diese Verhandlung am 2.7.2014 stattgefunden hatte, sodass der Beschwerdeführer nach diesen Angaben die Strafverfügung am 1.7.2014 gefunden haben müsste. Auf weiteres Befragen räumte er ein, dass er den Vorfall auch mit einem anderen Anwalt, Herrn Dr. R., im Wirtshaus besprochen habe. Der Beschwerdeführer vermeinte dazu vorerst, dass er Dr. R. keinen Auftrag erteilt habe, wegen dieses Vorfalles tätig zu werden. In weiterer Folge korrigiert er sich dahingehend, dass es im Gasthaus zu einem Gespräch unter anderem mit einer Frau, welche offenbar für eine Rechtschutzversicherung arbeite, wegen dieses Vorfalles gekommen sei. Diese Frau habe ihn darauf hingewiesen, dass man in dieser Sache „wahrscheinlich etwas machen könne“ wenn er rechtschutzversichert sei und dass Dr. R. ein Vertragspartner dieser Versicherung sei. Er habe dann einige Tage später einen Termin bei Dr. R. im Büro gehabt und ihm dort den Vorfall geschildert, wiederum einige Tage später habe ihn eine Sekretärin des Dr. R. angerufen und ihm mitgeteilt, dass sich in diesem Fall nichts mehr machen lasse. Er habe bei diesem Gespräch Dr. R. die Strafverfügung sicher nicht gezeigt.

 

Aufgrund des Akteninhaltes ist erwiesen, dass von Dr. R. am 16.6.2014 ein
E-Mail an die Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung gesendet wurde, mit welchem er „als anwaltlicher Vertreter des Herrn J.G. ersuchte, die Strafverfügung gegen seinen Mandanten zu GZ: VerkR96-1902-2014 vom 21.5.2014 vollständig zu übermitteln“.

 

Zu diesen Angaben hat das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich in freier Beweiswürdigung folgendes erwogen:

 

Es erscheint zwar unwahrscheinlich, dass der Beschwerdeführer, welcher ca. 3 Wochen vor der Zustellung der Strafverfügung wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung angehalten wurde (wobei er wegen dieser Übertretung auch mit einem Führerscheinentzug rechnen musste), die Zustellung des RSb-Briefes nicht mit diesem Vorfall in Verbindung gebracht und völlig vergessen hat, dennoch ist dies nicht ganz ausgeschlossen und es kann zu Gunsten des Beschwerdeführers davon ausgegangen werden, dass er aufgrund der hektischen Verhältnisse im Hof die Zustellung der Strafverfügung tatsächlich vergessen hat.

 

Anders verhält es sich jedoch mit der Frage, zu welchem Zeitpunkt der Beschwerdeführer die Strafverfügung wieder aufgefunden hat. Einerseits konnte er keinerlei nachvollziehbare Angaben dazu machen, weshalb er sie nicht in den nächsten Tagen beim Durcharbeiten der persönlichen Post gesehen hat, andererseits waren seine Ausführungen betreffend die Besprechung dieses Falles mit Dr. R. völlig widersprüchlich und in keiner Weise überzeugend: Immerhin hatte er wegen dieses Vorfalles einen Termin im Büro eines Rechtsanwaltes und wurde ihm wenige Tage später mitgeteilt, dass „man in dieser Sache nichts mehr machen könne“. Selbst wenn man dem Beschwerdeführer zugesteht, dass er beim Gespräch mit dem Rechtsanwalt von der Strafverfügung noch immer nichts wusste, so muss man bei realistischer Betrachtung davon ausgehen, dass ihm zu jenem Zeitpunkt, als ihm von der Anwaltskanzlei mitgeteilt wurde, dass man „nichts mehr machen könne“ auch der Grund dafür - nämlich dass die Rechtsmittelfrist nach Zustellung der Strafverfügung bereits abgelaufen war – mitgeteilt hat. Selbst wenn die Anwaltskanzlei dies unterlassen hätte, so wäre von einem Durchschnittsmenschen zu erwarten, dass er den Grund dafür hinterfragt hätte.

 

Es ist daher in freier Beweiswürdigung davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer höchstwahrscheinlich bereits vor, jedenfalls aber wenige Tage nach dem 16.6. (durch das Telefonat mit der Rechtsanwaltskanzlei) von der Zustellung der Strafverfügung erfahren hat.

 

5. Darüber hat das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich in rechtlicher Hinsicht folgendes erwogen:

5.1. Gemäß § 71 Abs. 1 AVG ist gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung  auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn:

1. die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft, oder

2. die Partei die Rechtsmittelfrist versäumt hat, weil der Bescheid keine Rechtsmittelbelehrung, keine Rechtsmittelfrist oder fälschlich die Angabe enthält, dass kein Rechtsmittel zulässig sei.

 

Gemäß § 71 Abs.2 AVG muss der Antrag auf Wiedereinsetzung binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses oder nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit der Berufung Kenntnis erlangt hat, gestellt werden.

 

5.2. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wurde vom nunmehrigen Rechtsvertreter des Beschwerdeführers am 7.7.2014 verfasst und am 8.7.2014 zur Post gegeben. Der Beschwerdeführer selbst bzw. sein damaliger Rechtsvertreter haben jedoch bereits am 16.6. (oder wenige Tage später) erfahren, dass die Strafverfügung bereits vor längerer Zeit zugestellt wurde. Die zweiwöchige Frist für die Wiedereinsetzung war daher am 8.7.2014 bereits abgelaufen, wobei in diesem Zusammenhang festzuhalten ist, dass die Fristversäumnis nicht der nunmehrige Rechtsvertreter des Beschwerdeführers sondern dieser selbst zu verantworten hat. Bei objektiver Betrachtung des gesamten Sachverhaltes drängt sich der Eindruck auf, dass der Beschwerdeführer nach dem Motto gehandelt hat: Wenn schon der erste Anwalt „nichts mehr machen kann“, dann soll es halt ein Zweiter probieren.

 

Selbst wenn man dem gesamten Vorbringen des Beschwerdeführers Glauben schenkt, so kommt dem Wiedereinsetzungsantrag trotzdem keine Berechtigung zu. Das Vergessen der Strafverfügung kann zwar einen Wiedereinsetzungsgrund bilden, weil nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch derartige „innere Vorgänge“ zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand führen können (VwGH vom 31.03.2005, 2005/07/0020).

 

Allerdings ist in diesem Zusammenhang zu prüfen, ob den Beschwerdeführer an der Fristversäumnis nur ein minderer Grad des Verschuldens trifft. Dem Beschwerdeführer war die Anzeige wegen der Geschwindigkeitsüberschreitung aufgrund der Anhaltung bekannt und er musste daher mit der Zustellung eines behördlichen Schriftstückes rechnen. Nach seinen eigenen Angaben erhält er auch öfters „eingeschriebene Briefe“, weshalb ihm auch bewusst sein muss, dass derartige Schriftstücke in der Regel einen wichtigen Inhalt aufweisen. Dass er den RSb-Brief trotzdem vergessen und ihn auch in den nächsten Tagen beim Durcharbeiten der privaten Post nicht gefunden hat, muss daher als auffallende Sorglosigkeit gewertet werden. Dazu kommt noch, dass es nach den Angaben des Beschwerdeführers in seinem Betrieb durchaus häufig „hektisch zugeht“, insbesondere wenn Schlechtwetter droht bzw. Liefertermine einzuhalten sind. Unter diesen Umständen muss er seinen Betrieb so organisieren, dass er auch in derartigen hektischen Situationen die Bearbeitung relevanter Schriftstücke nicht über mehrere Wochen völlig vernachlässigt.

 

Die Verwaltungsbehörde hat daher den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu Recht abgewiesen, wobei nach dem Ergebnis der oben angeführten Beweiswürdigung sogar eine Zurückweisung des Wiedereinsetzungsantrages wegen Verspätung möglich gewesen wäre. Da der Wiedereinsetzungsantrag zu Recht abgewiesen wurde, hat die Behörde auch den Einspruch zu Recht als verspätet zurückgewiesen. Die Beschwerde war daher abzuweisen.

 

 

Zu II.:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

 

 

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

 

 

 

 

Mag. Gottfried  Z ö b l