LVwG-650165/4/Zo/CG

Linz, 20.08.2014

 

 

 


Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Mag. Gottfried Zöbl über die Beschwerde des P. G., geb. x, vertreten durch RA Dr. J. P., M., vom 6.6.2014 gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes des Bezirkes Braunau am Inn vom 4.6.2014, Zl. VerkR21-243-2014, wegen Entziehung der Lenkberechtigung und begleitender Anordnungen

 

zu Recht  e r k a n n t :

 

 

I.          Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid dahingehend abgeändert, dass von der Entziehung der Lenkberechtigung der Klasse AM hinsichtlich der Berechtigung zum Lenken von Motorfahrrädern abgesehen wird.

 

 

II.       Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.

 

 

 

 

 

 

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

 

 

Zu I:

1.           Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 4.6.2014, VerkR21-243-2014, wurde dem Beschwerdeführer die Lenkberechtigung für die Klassen AM, A, B, C, BE, CE und F für die Dauer von vier Monaten, beginnend ab 19.5.2014, entzogen und ausgesprochen, dass ihm vor Ablauf der Entziehungsdauer keine Lenkberechtigung erteilt werden darf. Er wurde verpflichtet, sich einer Nachschulung für alkoholauffällige Fahrzeuglenker zu unterziehen, wobei die Entziehungsdauer nicht vor Absolvierung dieser Maßnahme endet. Gleichzeitig wurde die Bewilligung zur Durchführung von Ausbildungsfahrten entzogen. Einer Beschwerde wurde die aufschiebende Wirkung aberkannt.

 

Dieser Bescheid wurde zusammengefasst damit begründet, dass der Beschwerdeführer am 24.4.2014 den PKW mit dem Kennzeichen X in   einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand (0,68 mg/l) gelenkt habe.  Es würden keine besonders berücksichtigungswürdigen Gründe für ein Absehen vom „Mopedfahrverbot“ vorliegen.

 

2. In der dagegen rechtzeitig eingebrachten Beschwerde machte der Beschwerdeführer folgendes geltend:

 

Die Ansicht der Verwaltungsbehörde, dass keine besonders berücksichtigungs-würdigen Gründe für ein Absehen vom Mopedfahrverbot vorliegen würden, sei nicht richtig. Soweit diese anführe, dass er sich bereits im Vorfeld über die Folgen seines Alkoholdeliktes hätte Gedanken machen müssen, könne dieser Ansatz keinen Beitrag zur Lösung der Rechtsfrage leisten, weil dies ja zum Ergebnis führen würde, dass die Ausnahme vom Mofalenkverbot bei verkehrsunzuverlässigen Lenkern niemals infrage käme. Dies würde aber dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes nicht entsprechen.

 

Dies gelte auch für die von der Behörde zitierte verwaltungsgerichtliche Judikatur, wonach private und berufliche Umstände bei der Entziehung der Lenkberechtigung aus Gründen des öffentlichen Interesses außer Betracht zu bleiben haben. Diese Argumente würden lediglich den Entzug der Lenkberechtigung an sich betreffen, nicht jedoch die Frage der Anwendbarkeit der Ausnahmebestimmung des letzten Satzes des § 24 Abs. 1 FSG.

 

Es sei richtig, dass er jenes Unternehmen, in welchem er arbeite, zu Fuß erreichen könne. Das helfe ihm aber nicht, weil er seine Vertretertätigkeit nicht am Sitz des Unternehmens ausübe sondern im gesamten Bezirk Braunau, wo er die Landwirte besuche und betreue, was er vorübergehend mit dem Motorfahrrad bewerkstelligen könne. Wenn er über die gesamte Entzugsdauer hindurch nicht in der Lage sei, seinen Beruf auszuüben, führe dies zum Verlust seines Arbeitsplatzes, wobei in diesem Zusammenhang nicht übersehen werden möge, dass er für zwei schulpflichtige Kinder sorgepflichtig sei.

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn hat die Beschwerde ohne Beschwerdevorentscheidung dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich vorgelegt. Damit ergab sich dessen Zuständigkeit, wobei es durch den nach der Geschäftsverteilung zuständigen Einzelrichter zu entscheiden hat (§ 2 VwGVG).

 

4. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den von der Verwaltungsbehörde zur Entscheidung übermittelten Verfahrensakt sowie Einholung einer Bestätigung des Arbeitgebers des Beschwerdeführers. Daraus ergibt sich der für die Entscheidung wesentliche Sachverhalt zur Gänze, weshalb eine öffentliche mündliche Verhandlung nicht erforderlich war. Eine solche wurde auch nicht beantragt.

 

4.1. Folgender wesentliche Sachverhalt steht als erwiesen fest:

 

Der Beschwerdeführer lenkte am 24. 4. 2014 um 20:30 Uhr den PKW mit dem Kennzeichen X in H. am W., nächst dem Objekt H in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand. Die Überprüfung seines Atemluftalkoholgehaltes ergab eine Atemluft- Alkoholkonzentration von 0,68 mg/l. Entsprechend der Aktenlage handelt es sich um das 1. Alkoholdelikt des Beschwerdeführers.

 

Der Beschwerdeführer ist bei der M. GesmbH in B. als Außendienstmitarbeiter beschäftigt. Sein Aufgabengebiet umfasst die Betreuung von bestehenden Kunden und die Gewinnung von Neukunden im Bezirk Braunau. Entsprechend der Bestätigung seines Arbeitgebers konnte der Beschwerdeführer seinen Aufgaben während der Entziehung der Lenkberechtigung (einschließlich des Mopedfahrverbotes) nur dadurch nachkommen, dass Familienmitglieder oder Arbeitskollegen für ihn als Chaffeur eingesprungen sind. Mit der Möglichkeit, Kunden im engeren Umkreis mit dem Moped zu besuchen, könnte der Beschwerdeführer seinen beruflichen Tätigkeiten weitaus besser nachkommen. Eine Kündigung des Beschwerdeführers wurde im Schreiben der M. GesmbH zwar nicht angeführt, der Vertreter des Beschwerdeführers verwies aber zutreffend darauf, dass beim Arbeitsprofil des Beschwerdeführers die Entziehung der Lenkberechtigung zumindest einen Kündigungsgrund darstellt und dies immer noch schlagen werden könnte.

 

 

5. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat in rechtlicher Hinsicht hierüber erwogen:

                     

5.1. Gemäß § 24 Abs.1 FSG ist Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung nicht mehr gegeben sind, von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit

1.    die Lenkberechtigung zu entziehen oder

2.    die Gültigkeit der Lenkberechtigung durch Auflagen, Befristungen oder zeitliche, örtliche oder sachliche Beschränkungen einzuschränken. Diesfalls ist gemäß § 13 Abs. 5 ein neuer Führerschein auszustellen.

Für den Zeitraum einer Entziehung der Lenkberechtigung für die Klassen A, B oder F ist auch das Lenken von vierrädrigen Leichtkraftfahrzeugen unzulässig, es sei denn es handelt sich

1. um eine Entziehung gemäß § 24 Abs. 3 achter Satz oder

2. um eine Entziehung der Klasse A wegen mangelnder gesundheitlicher Eignung, die ausschließlich mit dem Lenken von einspurigen Kraftfahrzeugen zusammenhängt.

Bei besonders berücksichtigungswürdigen Gründen kann von der Entziehung der Klasse AM hinsichtlich der Berechtigung zum Lenken von Motorfahrrädern abgesehen werden. Dies ist auch dann möglich, wenn der Betreffende die Lenkberechtigung für die Klasse AM nur im Wege des § 2 Abs. 3 Z. 7 FSG besitzt.

 

5.2. Der Beschwerdeführer hat (nach Aufforderung durch das Landesverwaltungsgericht) durch eine Bestätigung seines Arbeitgebers glaubwürdig nachgewiesen, dass die Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit für die Zeit der Entziehung der Lenkberechtigung wesentlich erleichtert wird, wenn ihm das Lenken eines Motorfahrrades erlaubt wird. Er hat auch glaubwürdig dargelegt, dass ihm andernfalls möglicherweise der Verlust seines Arbeitsplatzes drohe.

 

Der Gesetzgeber hat mit der 15. FSG-Novelle (BGBl I Nr. 50/2012) die Möglichkeit geschaffen, in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen von der Entziehung der Lenkberechtigung für die Klasse AM abzusehen. In den erläuternden Bemerkungen ist dazu der Fall angeführt, dass ansonsten der Arbeitsplatz (mit öffentlichen Verkehrsmitteln) nicht erreicht werden könnte. Diese Überlegungen gelten nach hs. Ansicht auch für die Ausübung der beruflichen Tätigkeit, weil sich die Situation für den Betroffenen ähnlich darstellt: Welchen Sinn hat es für diesen, wenn er zwar seinen Arbeitsplatz zu Fuß erreichen, dort aber seiner Arbeit nicht nachgehen kann, weil diese eben darin besteht, Kunden im gesamten Bezirk zu betreuen? Zusätzlich ist im konkreten Fall zu Gunsten des Beschwerdeführers zu berücksichtigen, dass es sich um sein erstes Alkoholdelikt handelt und der Alkoholisierungsgrad nicht ungewöhnlich hoch war.  Würde dies nicht der Fall sein, wäre wohl eine strengere Auslegung der Ausnahmebestimmung des § 24 Abs. 1 4. und 5. Satz FSG angebracht.

 

Die Verwaltungsbehörde hat sich auf die Rechtsprechung des VwGH berufen, wonach bei der Entziehung der Lenkberechtigung private und berufliche Interessen des Betroffenen nicht zu berücksichtigen sind. Diese Rechtsprechung ist sicher zutreffend und auch weiter gültig. Sie kann jedoch für den eingeschränkten Bereich der ausnahmsweisen Erlaubnis, während der Entzugsdauer Motorfahrräder zu lenken, nicht zur Gänze übernommen werden, weil die Bestimmung des § 24 Abs. 1 4. und 5. Satz FSG vom Gesetzgeber genau deshalb geschaffen wurde, um in besonders begründeten Einzelfällen u.a. auf diese Umstände Bedacht zu nehmen (vgl. dazu die erläuternden Bemerkungen).

 

 

Zu II.:

 

Die ordentliche Revision ist zulässig, da im gegenständlichen Verfahren eine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil eine solche Rechtsprechung zur relativ neuen Bestimmung des § 24 Abs. 1 4. und 5. Satz FSG bisher fehlt.

 

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

 

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer ordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

 

 

 

Mag. Gottfried  Z ö b l