LVwG-650231/2/BR/BD

Linz, 02.10.2014

IM   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Mag. Dr. Bleier über die Beschwerde der Frau S.S., geb. x, x,  gegen den Bescheid der Landespolizeidirektion Oberösterreich - Polizeikommissariat Steyr, vom 5.9.2014, GZ: 00139/N/2014,

 

zu Recht  e r k a n n t:

 

 

 

 

I.   Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG wird der Beschwerde  stattgegeben;  die angeordnete Nachschulung wird behoben.

 

 

 

II.   Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 

 

 

 

 

 

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

 

I. Mit dem o.a. Bescheid hat die Behörde der Beschwerdeführerin gemäß § 30b Abs. 1 Z 1 FSG als besonderen Maßnahme die Absolvierung eines Kurs über geeignete Maßnahmen zur Kindersicherung gemäß 13e der FSG-Durchführungsverordnung angeordnet, die sie binnen 4 Monaten ab Zustellung des Bescheides zu absolvieren und der Behörde eine Bestätigung darüber vorzulegen habe, widrigenfalls die Lenkberechtigung entzogen werde.

Gemäß § 30b Abs. 1 FSG sei unbeschadet einer etwaigen Entziehung der Lenkberechtigung eine besondere Maßnahme gemäß Abs. 3 anzuordnen:

1.   wenn zwei oder mehrere der im § 30a Abs.2 genannten Delikte in Tateinheit (§ 30a Abs.3) begangen werden oder

2.   anlässlich einer zweiten zu berücksichtigenden Vormerkung (§ 30a Abs. 4) wegen eines der in § 30a Abs. 2 genannten Delikte, sofern wegen des ersten Deliktes nicht bereits eine Maßnahme gemäß Z 1 angeordnet wurde.

Gemäß Abs. 3 kommen als besondere Maßnahmen die Teilnahme an:

1.   Nachschulungen gemäß der Verordnung des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie über verkehrspsychologische Nachschulungen (Nachschulungsverordnung - FSG-NV), BGBl. II Nr. 357/2002,

2.   Perfektionsfahrten gemäß § 13a der Verordnung des Bundesministers für Wissenschaft und Verkehr über die Durchführung des Führerscheingesetzes (Führerscheingesetz-Durchführungsverordnung - FSG-DV), BGBl. II Nr. 320 idF BGBl. II Nr. 223/2004,

3.  das Fahrsicherheitstraining gemäß § 13b der Verordnung des Bundesministers für Wissenschaft  und  Verkehr  über  die  Durchführung  des  Führerscheingesetzes.

 

 

II.  Begründend führte die Behörde folgendes aus:

Führerscheingesetz-Durchführungsverordnung - FSG-DV), BGBl. II Nr. 320 idF BGBl. II Nr. 223/2004,

4. Vorträgen oder Seminaren über geeignete Ladungssicherungsmaßnahmen,

5. Unterweisungen in lebensrettenden Sofortmaßnahmen gemäß § 6 der Verordnung des Bundesministers für Wissenschaft und Verkehr über die Durchführung des Führerscheingesetzes (Führerscheingesetz-Durchführungsverordnung - FSG-DV), BGBl. II Nr. 320 idF BGBl. II Nr. 223/2004 oder

6. Kurse über geeignete Maßnahmen zur Kindersicherung.

in Betracht. Die zu absolvierende Maßnahme ist von der Behörde festzusetzen, wobei darauf Bedacht zu nehmen ist, dass die Maßnahme geeignet ist, im Wesentlichen den Unrechtsgehalt der gesetzten Delikte aufzuarbeiten. Es ist jene Maßnahme zu wählen, die für den Betroffenen am besten geeignet ist, sich mit seinem Fehlverhalten auseinanderzusetzen, sich die Gefahren im Straßenverkehr bewusst zu machen und durch entsprechende Bewusstseinsbildung, auch im Hinblick auf die Notwendigkeit einer unfallvermeidenden defensiven Fahrweise und die fahrphysikalischen Grenzen beim Betrieb eines Kraftfahrzeuges, einen Rückfall in weitere Verkehrsverstöße zu vermeiden.

Gemäß Abs. 4 leg. cit. hat der von der Anordnung der besonderen Maßnahme Betroffene der Behörde eine Bestätigung jener Einrichtung, bei der die besondere Maßnahme absolviert wurde, über die Teilnahme und seine Mitarbeit vorzulegen.

Gemäß Abs. 5 leg. cit. ist die Lenkberechtigung bis zur Befolgung der Anordnung zu entziehen, wenn die Anordnung der Teilnahme an besonderen Maßnahmen gemäß Abs. 1 innerhalb der von der Behörde festgesetzten Frist nicht befolgt oder bei diesen Maßnahmen die Mitarbeit unterlassen wurde.

Laut rechtskräftigem Strafbescheid der LPD , PK Steyr vom 12.08.2014, AZ: VStV/914300578559/2014 habe sie als Lenkerin des Kraftfahrzeuges mit dem Kennzeichen x am 05.07.2014 um 01:05 Uhr in Steyr, x durch Verstoß gegen § 106 Abs. 5 Z 1 und 2 KFG 1967 zwei oder mehrere Vormerkdelikte Gemäß § 30a Abs. 2 FSG in Tateinheit begangen.

Es liegen daher die Voraussetzungen des § 30 b Abs. 1 Z 1 FSG für die Anordnung einer besonderen Maßnahme vor.

Bei der Anordnung der besonderen Maßnahme wurde darauf Bedacht genommen, dass diese geeignet ist, im Wesentlichen den Unrechtsgehalt der gesetzten Delikte aufzuarbeiten. Nach dem Inhalt der angeordneten besonderen Maßnahme kann davon ausgegangen werden, dass ein Kurs über geeignete Maßnahmen zur Kindersicherung für den Betroffenen am besten geeignet ist, sich mit seinem Fehlverhalten auseinanderzusetzen, sich die Gefahren des Straßenverkehrs bewusst zu machen und durch entsprechende Bewusstseinsbildung, auch im Hinblick auf die Notwendigkeit einer unfallvermeidenden defensiven Fahrweise und die fahrphysikalischen Grenzen beim Betrieb eines Kraftfahrzeuges, einen Rückfall in weitere Verkehrsverstöße zu vermeiden.

 

 

 

II.1. Dagegen wendet sich die Beschwerdeführerin mit ihrer fristgerecht erhobenen Beschwerde.

Im Ergebnis wendet sie darin ein, die Kinder wären zum Zeitpunkt des Wegfahrens von zuhause sehr wohl angegurtet gewesen. Das kleinere fünfjährige Kind habe eine laut dem ÖAMTC zulässige Sitzerhöhung verwendet gehabt. Das größere elfjährige Kind brauche keinen Sitz mehr weil es bereits eine Körpergröße von 158 cm aufweist. Sie hätten sich in weiterer Folge offenbar beide abgehängt, was sie im Zuge der nächtlichen Fahrt nicht bemerkt habe und mit Blick auf die Notwendigkeit sich auf den Verkehr zu konzentrieren sie nicht ständig zu den Kindern nach hinten schauen habe können. Es sei ihr bewusst, dass sich Kinder angurten müssen.

Abschließend vermeint die Beschwerdeführerin nicht einzusehen, eine Nachschulung machen und eine so hohe Strafe bezahlen zu müssen.

 

 

III.1. Eine öffentliche mündliche Verhandlung konnte mit Blick auf die unstrittige Faktenlage gemäß § 24 Abs.1 u. 2 VwGVG und mangels gesonderten Antrages unterbleiben.

Die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Sachentscheidung iSd § 28 Abs.2 Z2 VwGVG liegen vor.

Ergänzend wurde Beweis erhoben durch Beischaffung der dem angefochtenen Bescheid erwähnten rechtskräftigen Bestrafungen. Dies insbesondere vor dem Hintergrund, weil bereits aus dem angefochtenen Bescheid hervorzuleuchten schien, dass es sich bei den Schuldsprüchen um die Beförderung von 2 Kindern und demnach um tateinheitlich begangene Übertretungspunkte handelt.

 

 

IV. Das Landesverwaltungsgericht hat erwogen:

 

IV.1. Gemäß § 30a Abs.2 FSG sind unter anderem Übertretungen des § 106 Abs.5 Z1 und 2, § 106 Abs.5 3. Satz und § 106 Abs.6 letzter Satz KFG 1967 als Vormerkdelikte im Führerscheinregister einzutragen.

 

Gemäß § 30a Abs.3 FSG zählt die Eintragung in das örtliche Führerscheinregister als eine Vormerkung, wenn zwei oder mehrere der in Abs.2 angeführten Delikte in Tateinheit begangen werden.

 

Gemäß § 30b Abs.1 FSG ist unbeschadet einer etwaigen Entziehung der Lenkberechtigung eine besondere Maßnahme gemäß Abs.3 anzuordnen,

1)     wenn zwei oder mehrere der in § 30a Abs.2 genannten Delikte in Tateinheit
(§ 30a Abs.3) begangen werden oder

2)     anlässlich einer zweiten zu berücksichtigenden Vormerkung (§ 30a Abs.4) wegen eines der in § 30a Abs.2 genannten Delikte, sofern wegen des ersten Deliktes nicht bereits eine Maßnahme gemäß Z1 angeordnet wurde.

 

 

IV.2. Die Beschwerdeführerin wurde mit je einer gesonderten, jedoch im Grunde völlig inhaltsgleicher Strafverfügung(en) vom 10.7.2014  rechtskräftig bestraft, weil sie bei einer Fahrt am 5.7.2014 um 01:05 Uhr zwei mitgeführte Kinder nicht ordnungsgemäß gesichert hatte.

Die Beschwerdeführerin wurde von einer Zivilstreife im Raum Steyr zu einer Lenker- und Fahrzeugkontrolle angehalten. Dabei wurden am Rücksitz ihres Fahrzeuges zwei nicht gesicherte (angegurtete) Kinder, die quer über den Rücksitz gelegen sind, vorgefunden. Es wurde festgestellt, dass es sich um ein vierjähriges, etwa 120 cm großes und ein elfjähriges, ca. 160 cm großes Kind handelte, welche die bestimmungsgemäß zu verwendende Rückhalteinrichtung nicht verwendeten. Die Beschwerdeführerin gab gegenüber dem Meldungsleger an, die Kinder hätten auf dem Weg nach Kroatien schlafen wollen, weshalb sie nicht in den Kindersitz gesetzt worden wären. Bis dahin habe es in diesem Zusammenhang noch nie Probleme gegeben, so die Beschwerdeführerin gegenüber dem Meldungsleger.

Aufgrund der Rechtskraft dieser Bestrafung steht sowohl für die Führerscheinbehörde als auch das Landesverwaltungsgericht verbindlich fest, dass tatsächlich zwei  Kinder nicht gesichert waren und nach dem sogenannten Kumulationsprinzip im Sinne des § 22 VStG je eine gesonderte Strafe ausgesprochen werden durfte.

Die Umstände, die dazu geführt haben, ob etwa die Beschwerdeführerin kein Verschulden daran getroffen haben könnte, wenn sich die Kinder selbst abgegurtet haben sollten und  dies etwa von der Beschwerdeführerin nicht bemerkt werden konnte oder musste, sind einer Neuaufrollung im Rahmen dieses Verfahrens jedoch entzogen.

In diesem Zusammenhang ist aber auf den Erlass des Verkehrsministeriums vom 10.02.2006, Zl. BMVIT-179716/0001-II/ST4/2006 zur Frage der Kindersicherung hinzuweisen. In diesem Erlass ist im Punkt 7.3 geregelt, wie die Behörden vorzugehen haben, wenn mehrere Kinder nicht entsprechend gesichert sind. Dementsprechend ist auch dann, wenn mehrere Bestrafungen erfolgt sind, nur eine Vormerkung vorzunehmen (vgl. etwa auch das Erk. des UVS-Oö v. 9.7.2007, sowie vom VwSen-521663/2/Zo/Jo, sowie vom 9.2.2006, VwSen-521220/2/Br/An. In einem solchen Fall ist auch nicht von Deliktsbegehung in Tateinheit im Sinne von § 30a Abs.3 und § 30b Abs.1 Z1 FSG auszugehen und deshalb nicht sofort eine besondere Maßnahme anzuordnen. Unter Berücksichtigung dieser Auslegung durch das Verkehrsministerium ist im gegenständlichen Fall von der Anordnung einer besonderen Maßnahme, also konkret des Kindersicrherungstrainings, Abstand zu nehmen.

 

 

IV.2.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hatte sich im zuletzt zitierten Erkenntnis -  noch vor dem oben angeführten Erlass des BMVIT - mit der Thematik der im Vormerks- u. Maßnahmensystem nach § 30a und § 30b FSG nicht zu kumulierender vorzumerkender Deliktstatbestände auseinander gesetzt und ausgeführt:

„Es stellt sich daher hier die Rechtsfrage ob das Nichtangurten von zwei Kindern bei einer einzigen Fahrt (demnach in Tateinheit) als eine Begehung "von zwei der in § 30a Abs.2 FSG angeführten Delikte" qualifizierbar ist. Sehr wohl ist in Bindung an die diesbezügliche Rechtskraft und unbeachtlich der diesbezüglichen differenzierten Sichtweisen zum Kumulationsprinzip des Verwaltungsstrafrechts  an sich (§ 22 VStG), vom Vorliegen zweier Bestrafungen auszugehen, wenngleich dieses in Setzung nur eines Deliktsbildes (Unterlassungs- oder Omissivdelikt) und subjektiv tatseitig auch nur auf einem einheitlichen Tatwillen beruhend begangen wurde.

Wollte hier aber der Gesetzgeber durch die Verwendung der Wortfolge "der im § 30a Abs.2 FSG genannten Delikte" nun tatsächlich auch das (erstmalige) Nichtangurten von zwei Kindern bereits als alleinige Grundlage für die sofortige Anordnung einer Maßnahme sehen?

Beide Varianten lassen sich aus dem Gesetzeswortlaut argumentieren, die Stärkeren Argumente sprechen jedoch dagegen.

Die Wortwendung "zwei oder mehrere der im § 30a  Abs.2 genannten Delikte" ist - trotz einer für jedes nicht angegurtete Kind gesondert verhängten Geldstrafe - nicht zwingend mit der Begehung zweier Delikte gleichzusetzen. Es macht doch einen gravierenden Unterschied, ob ein Lenker in Tateinheit etwa zusätzlich noch einen Fußgänger am Schutzweg gefährdet oder ein anderes der in den Ziffern 1 bis 12 genannten Delikte begeht.

Liegen hier wirklich zwei Delikte vor? Mit Sicherheit liegt nur ein zweimal verwirklichtes  Deliktsbild vor, welches jedoch im § 22 VStG begründet - ob zu Recht oder Unrecht - zu zwei Strafen geführt hat.

Alleine die grammatikalische Interpretation dieses Gesetzestextes lässt eine Auslegung zu, die eine tateinheitliche Begehung (nur) mit einem anderen Vormerkdelikt des § 30a Abs.2 Z1 bis Z13 FSG abstellt. Widrigenfalls hätte der Gesetzgeber dies wohl klarer zu umschreiben vermocht, anstatt auf die Deliktsvielfalt verweisend auch schon ein einziges Deliktsbild - nur hierfür zwei Strafen verhängt wurden - von der sofortigen Anordnung einer besonderen Maßnahme umfasst sehen zu wollen.

Hat der Gesetzgeber diese Konsequenz nun wirklich bedacht?  Wollte der Gesetzgeber tatsächlich schon bei der ersten Übertretung der Sicherungspflicht von Kindern ohne das im Punktesystem gründende Erziehungs- oder Vorwarnelement wirksam werden zu lassen, eine spezifischen Nachschulung anordnen? Das sind die Fragen, die hier bei der Gesetzesauslegung zu bedenken sind!

Mit Blick darauf ist ein derartiger gesetzgeberischer Wille nicht zu sehen, wobei dafür neben den bereits genannten grammatikalischen Auslegungsregeln, auch teleologische Aspekte, ins Treffen zu führen sind.

Die Gesetzesmaterialien (XXII.GP Stenographisches Protokoll 96. Sitzung / Seite 147 ff). 

Darin auszugsweise Folgendes dargelegt:

„....Mit der Einführung des Vormerksystems soll ein einheitliches und transparentes System geschaffen werden, um auf unbelehrbare Wiederholungstäter und Risikolenker bewusstseinsbildend und sanktionierend einwirken zu können. Das Vormerksystem beinhaltet Delikte, die zu den Hauptunfallursachen zählen, und sich derzeit unterhalb der existierenden Schwelle für den Entzug der Lenkberechtigung befinden. Gerade hier soll das System seine volle Wirkung entfalten, damit die Verkehrstoten und Verletzten reduziert werden (lt. dem Kuratorium für Verkehrssicherheit ca. 75 Tote im Jahr), unbelehrbare Risikolenker zur Vernunft gebracht und die Verkehrssicherheit auf Österreichs Straßen gesteigert werden kann. Durch die Schaffung dieses neuen Systems kann dem ehrgeizigen Ziel des österreichischen Verkehrssicherheitsprogramms, nämlich der Halbierung der Verkehrstoten bis 2010, wieder ein großes Stück näher gekommen werden....

 

Das Vormerksystem umfasst einen Katalog von 13 unfallträchtigen und risikobehafteten Delikten, deren jeweilige Begehung innerhalb eines Zeitraums von zwei Jahren im zentralen Führerscheinregister vorgemerkt und evident gehalten wird.

Bei der erstmaligen Begehung eines Vormerkdeliktes kommt es, neben der bereits derzeit zu verhängenden Sanktion, wie beispielsweise der Geldstrafe, zu einer Vormerkung.

Bei der zweiten Vormerkung eines Deliktes ist von der Behörde eine besondere Maßnahme anzuordnen. Dasselbe gilt, wenn erstmalig mehrere Vormerkdelikte in Tateinheit begangen werden."

 

Auch diese Ausführungen lassen den begründeten Schluss zu, dass es dem Gesetzgeber primär um Hochrisikolenker und in diesem Zusammenhang um die wiederholte Begehung von verschiedenen Delikten (auch in Tateinheit) geht. Es wird nun durchaus auch zu bezweifeln sein, wie auch aus den parlamentarischen Debattenbeiträgen evident wird, dass ein(e) LenkerIn (überwiegend wohl Eltern mit mehreren Kindern u. dabei insbesondere die Mütter), in erstmaliger Begehung eines solchen Unterlassungsdeliktes keinen sachlichen Schluss auf einen Hochrisikolenker / eine Hochrisikolenkerin zulässt. Noch weniger wird hier von einem "unbelehrbaren WiederholungstäterIn oder RisikolenkerIn" die Rede sein können.

Wesensspezifisch ist dem Vormerkregime neben der Bewusstseinsbildung auch eine Warnfunktion zuzuordnen, die im Falle einer zweiten Deliktsbegehung zu einer Maßnahme zu führen hat. Werden nun - aus welchen Gründen auch immer -  zwei mitgeführte Kinder nicht angegurtet, würde dieses Warnsystem wegfallen und sofort mit einer Maßnahme "geahndet" werden. Nicht unerwähnt darf bleiben, dass es bei einem diesbezüglich fehlenden Unrechtsbewusstsein - bei Menschen mit zwei Kindern - das "zweifache Nichtangurten" geradezu als wesenstypisch erwarten lässt und damit die sofortige Maßnahme im Ergebnis auch zu einer präsumtiven Ungleichbehandlung von Menschen mit mehreren Kindern führen würde.

Eine derartige Konsequenz in der Gesetzesvollziehung kann dem Gesetzgeber daher einmal mehr nicht zugedacht werden.

Vielmehr kann der Gesetzgeber nur die Begehung "verschiedener in der zit. Gesetzesstelle genannten Delikte" im Auge gehabt haben, wofür er die wesentlich gravierenderen Rechtsfolgewirkungen der (im Falle der mehrfachen Deliktsbegehung in Tateinheit) die Maßnahmenanordnung seinem Regelungsziel auch grundgelegt sehen wollte.

Diese Schlussfolgerung lässt sich auch auf den letzten Satz des § 30b Abs.3 FSG stützen der besagt:

"Es ist jene Maßnahme zu wählen, die für den Betroffenen am besten geeignet ist, sich mit seinem Fehlverhalten auseinander zu setzen, sich die Gefahren im Straßenverkehr bewusst zu machen und durch entsprechende Bewusstseinsbildung, auch im Hinblick auf die Notwendigkeit einer unfallvermeidenden defensiven Fahrweise und die fahrphysikalischen Grenzen beim Betrieb eines Kraftfahrzeuges, einen Rückfall in weitere Verkehrsverstöße zu vermeiden."

Auch daraus ist die dem Vormerksystem inhärente Warnfunktion klar ersichtlich, welche im Falle des erstmaligen Nichtangurtens von zwei Kindern doch nicht wirkungslos sein darf.

Nicht zuletzt ergibt sich auch aus dem Bericht des Verkehrsausschusses ein Grund für die h. Auslegung (7229dBlgXXIIGP). Auch darin wird auf die Begehung "mehrerer Vormerkdelikte in Tateinheit" verwiesen. Auch in der Stellungnahme des BMVIT-170.706/002-II/St4/2004 vom 20.10.2004, wird jemand, der  eine Übertretung nach § 106 Abs.1b KFG [nunmehr § 106 Abs.5 KFG 1967] (Anschnallpflicht für Kinder unter 12 Jahren) begeht, jedenfalls nicht als Hochrisikolenker qualifiziert.

 

Die Höchstgerichte räumen unter allen herkömmlichen Interpretationsmethoden der Verbalinterpretation und der grammatikalischen Auslegung den Vorrang ein. Wenn sich jedoch - so wie hier - der eindeutige und klare Wortlaut einer Vorschrift Zweifel über den Inhalt der Regelung aufkommen lässt, dann ist eine Untersuchung, ob nicht etwa die historische oder teleologische Auslegungsmethode einen anderen Inhalt ergibt notwendig (Antoniolli/Koja, Das Verwaltungsrecht, 1. Teil, 4. Kapitel, Seite 92 ff, mit Hinweis auf VfSIg 4442/1963, aber auch 4340/1962; ebenso VwSIg 7677 A/ 1969).

All die oben angeführten Überlegungen lassen unter Bedachtnahme auf die Gerechtigkeit und Billigkeit zur Überzeugung gelangen, dass einem im Straßenverkehr zumindest nicht "außenwirksam" werdenden abstrakten Gefährdungsdelikt, welches - wie erste Erfahrungswerte zwischenzeitig zu zeigen scheinen - die häufigsten Vormerkanlässe bilden, nicht schon beim "ersten Fall" neben der Vormerkung auch gleich eine Maßnahme nach sich ziehen darf. Damit würde letztlich ein "nur" in der Innen- und in Familiensphäre wirksames abstraktes Gefährdungspotential letztlich strenger geahndet und damit - jedenfalls im Ergebnis - ungleich gegenüber Anderen und vor allem in Bezug zu gefährdungsintensiveren dem Vormerkregime einbezogene Fehlverhalten, behandelt.

Mit diesen Überlegungen wird keinesfalls übersehen, dass es jede Maßnahme die der Sicherheit im Straßenverkehr und die potenzielle Senkung der Verkehrsunfallopferbilanz dient nachhaltig umzusetzen gilt. Dies jedoch unter Beachtung und Wahrung der Effektivität der dem Regelungswerk zuzuordnenden Vorwarnfunktion und am Maßstab des Sachlichkeitsgebots.“

Diese Überlegungen wurden kurze Zeit später von der obersten Verkehrsbehörde mit einem knappen Erlass klargestellt.

 

Der Beschwede war daher stattzugeben, wobei festzustellen ist, dass die Behörde in Bindung an die Rechtskraft ihrer Strafverfügung(en) die Eintragung einer Vormerkung ins Führerscheinregister vorzunehmen haben wird.

V.        Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu – soweit überhaupt überblickbar - vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen mit Blick auf die primäre einzelfallbezogene Beurteilungsbasis keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Die Beschwerde bzw. Revision ist innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung des Erkenntnisses durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. einer bevollmächtigte Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

 

Dr. B l e i e r