LVwG-650086/17/Zo/SA/MSt

Linz, 13.10.2014

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Mag. Gottfried Zöbl über die Beschwerde des Herrn P O, geb. X, vertreten durch Rechtsanwälte Dr. S & Mag. I, H, W, vom 04.03.2014, gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes des Bezirkes Linz-Land vom 05.02.2014, GZ. VerkR21-589-2013 wegen Erteilung einer Lenkberechtigung unter Einschränkungen,

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

I.         Hinsichtlich Punkt I. wird der Beschwerde teilweise stattgegeben und der angefochtene Bescheid dahin abgeändert, dass die Lenkberechtigung des Beschwerdeführers für die Klassen AM, AV, A und B wie folgt eingeschränkt wird:

-      Befristung bis 05.06.2017

-      Vorlage eines fachärztlichen Kontrollbefundes über die Diabetes-einstellung und Hypoglykämie-Häufigkeit alle sechs Monate un-aufgefordert bei der Führerscheinbehörde

-      Messung des Blutzuckerspiegels vor Antritt der Fahrt und bei längeren Fahrten zumindest alle drei Stunden

-      Amtsärztliche Nachuntersuchung spätestens bis 05.06.2017

 

 

II.       Bezüglich Punkt II. wird die Beschwerde abgewiesen.

 

 

III.     Gegen dieses Erkenntnis ist keine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof zulässig.

 

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

 

Zu I.:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land hat mit dem angefochtenen Bescheid den Beschwerdeführer die Lenkberechtigung für die Klassen A und Beschwerdeführer unter folgenden Einschränkungen erteilt:

-      Befristung bis 17.01.2015

-      Vorlage eines fachärztlichen Kontrollbefundes über die Diabeteseinstellung und Hypoglykämie-Häufigkeit alle drei Monate unter Einhaltung einer Toleranzfrist von maximal einer Woche unaufgefordert bei der Behörde (Code 104)

-      Vorlage einer internistischen Stellungnahme zur amtsärztlichen Nachuntersuchung bis spätestens zum 17.01.2015.

 

In Spruchpunkt II. dieses Bescheides wurde der Beschwerdeführer verpflichtet, für die Eintragung der Befristung den bestehenden Führerschein bei der Behörde zwecks Neuausstellung abzuliefern.

 

Dieser Bescheid wurde zusammengefasst damit begründet, dass beim Beschwerdeführer aufgrund einer akuten Hypoglykämie eine Untersuchung veranlasst worden sei. Als Ergebnis dieser amtsärztlichen Untersuchung sei eine Nachuntersuchung in einem Jahr erforderlich, alle drei Monate sei ein fachärztlicher Kontrollbefund über die Einstellung und Hypoglykämie-Häufigkeit vorzulegen.

 

 

2. In der dagegen rechtzeitig eingebrachten Beschwerde führte der Beschwerdeführer zusammengefasst aus, dass er nicht wegen einer akuten Hypoglykämie im Straßenverkehr auffällig geworden sei. Er habe seine beginnende Hypoglykämie rechtzeitig bemerkt, sein Fahrzeug ordnungsgemäß abgestellt und das Eintreffen der alarmierten Rettung und Polizei abgewartet. Beim Auftreten der Hypoglykämie habe er nicht mehr am Straßenverkehr teilgenommen, sondern sein Fahrzeug bereits abgestellt gehabt. Die Prämisse für die Einholung des amtsärztlichen Gutachtens sei daher unrichtig.

 

Bisher sei ihm die Lenkberechtigung unter der Auflage erteilt gewesen, dass er alle drei Jahre eine internistische und eine augenfachärztliche Stellungnahme bei der Wohnsitzbehörde vorlegen müsse. Mit dieser Einschränkung könne weiterhin das Auslangen gefunden werden. Die Befristung bis zum 17.01.2015 sei nicht gerechtfertigt, und auch in dem für den Einschreiter ungünstigsten Fall sei eine Befristung von fünf Jahren auszusprechen gewesen. Dabei sei zu berücksichtigen, dass es weder zu einem Verkehrsunfall gekommen noch der Beschwerdeführer im Straßenverkehr selbst durch das Auftreten einer Hypoglykämie auffällig geworden sei.

 

Er habe den Vorfall vom 28.08.2013 zum Anlass genommen, im Sinne einer Maximierung der Verkehrssicherheit umzudenken. Um derartige Vorfälle zu vermeiden, sei eine häufigere Blutzuckerkontrolle nicht sinnvoll, zweckmäßig sei eine Anhebung des durchschnittlichen Blutzuckerniveaus, um so einen Toleranzgürtel zu schaffen. Bisher habe er sich an die ärztliche Meinung gehalten, wonach der HbA1c-Wert maximal 6,5 % betragen solle, um Folgeerkrankungen möglichst hintanzuhalten. Das habe auch lange Zeit gut funktioniert. Nun habe er seine Insulin-Therapie dahingehend angepasst, dass Unterzuckerungen nicht mehr auftreten können. Bei der Untersuchung im Dezember 2013 habe der HbA1c-Wert 7,2 % betragen. In der fachärztlichen Stellungnahme und damit im amtsärztlichen Gutachten sei dieser höhere Blutzuckerwert nicht berücksichtigt.

 

Zum Vorfall vom 28.08.2013 führte der Beschwerdeführer nochmals aus, dass er die beginnende Hypoglykämie bemerkt habe und sein Fahrzeug unverzüglich abgestellt habe. Es sei daher nicht im Straßenverkehr zum Auftreten der Hypoglykämie gekommen, sondern er habe sein Fahrzeug in einer Hausanlage abgestellt. Offenbar hätten sich die Hausbewohner gestört gefühlt und in weiterer Folge die Polizei und die Rettung eingeschaltet. Zu diesem Zeitpunkt sei das Fahrzeug jedoch schon längst nicht mehr in Betrieb gewesen. Er habe bei Erkennen der Hypoglykämie sein Fahrzeug unverzüglich abgestellt, weshalb keine Auffälligkeit im Straßenverkehr vorliege.

 

Zu der im Gutachten festgestellten Gefahr von Bewusstseinstrübungen bzw. Bewusstlosigkeit sei anzuführen, dass es bei ihm noch nie zu einer Bewusstlosigkeit gekommen sei. Er habe dies der Amtsärztin auch mitgeteilt, sie habe dies in ihrem Gutachten jedoch nicht berücksichtigt.

 

Es sei nicht richtig, dass das Messen des Blutzuckerspiegels vor jedem Fahrtantritt notwendig sei. Diesbezüglich  müsse er sich auf sein subjektives Empfinden verlassen können. Die ständige Blutzuckerkontrolle sei nicht der sinnvolle Weg zur Vermeidung von Vorfällen, sondern sinnvoll sei die Anhebung des durchschnittlichen Blutzuckerniveaus. Dies habe er auch bereits durchgeführt. Aufgrund dieser Umstellung habe er einen HbA1c-Wert von 7,5 % und es seien Hypoglykämien deshalb nicht mehr zu erwarten.

 

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land hat die Beschwerde ohne Beschwerdevorentscheidung dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich vorgelegt. Damit ergab sich dessen Zuständigkeit, wobei es durch den nach der Geschäftsverteilung zuständigen Einzelrichter zu entscheiden hat (§ 2 VwGVG).

 

4. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt sowie Einholung eines amtsärztlichen Gutachtens und Wahrung des Parteiengehörs. Daraus ergibt sich der für die Entscheidung wesentliche Sachverhalt, weshalb eine öffentliche mündliche Verhandlung nicht erforderlich war. Eine solche wurde auch nicht beantragt.

 

4.1. Folgender Sachverhalt steht fest:

 

Der Beschwerdeführer ist seit vielen Jahren im Besitz einer Lenkberechtigung für die Klassen A und B. Wegen seiner Zuckerkrankheit wurde diese mehrfach eingeschränkt. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 08.01.2009, Zl. 5601-2009 wurde der Beschwerdeführer verpflichtet alle drei Jahre eine internistische und eine augenfachärztliche Stellungnahme der Wohnsitzbehörde vorzulegen.

 

Derartige Stellungnahmen legte er im November und Dezember 2011 vor, wobei eine Ergänzung der augenfachärztlichen Stellungnahme erforderlich war, welche der Beschwerdeführer erst nach bescheidmäßiger Vorschreibung beibrachte. Entsprechend dem Gutachten der Amtsärztin Dr. D vom 09.02.2012 war er zum Lenken von Kraftfahrzeugen weiter geeignet.

 

Der Beschwerdeführer lenkte am 27.08.2013 um ca. 13:00 Uhr den PKW mit dem Kennzeichen X in Linz, wobei er im Bereich des Objektes Fritz-Lach-Weg 5 von der Fahrbahn abkam und mit der linken vorderen Seite in einer Gartenhecke zum Stillstand kam. Von einem Anrainer wurde die Polizei verständigt, entsprechend der Meldung der LPD Oberösterreich vom 27.08.2013 war der Beschwerdeführer ansprechbar, wirkte jedoch stark beeinträchtigt (die Polizeibeamten vermuteten vorerst eine Beeinträchtigung durch Medikamente oder Drogen). In weiterer Folge konnten die Polizeibeamten einen Diabetes-ausweis finden und es wurde dem Beschwerdeführer ein Müsliriegel verabreicht, woraufhin sich sein Zustand verbesserte. Vom Roten Kreuz wurde vor Ort eine Zuckermessung durchgeführt, welche ergab, dass der Beschwerdeführer starken Unterzucker hatte (Wert 36). Bei diesem Vorfall wurden weder der PKW noch die Hecke beschädigt.

 

Aufgrund dieses Vorfalles wurde der Beschwerdeführer mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 26.09.2013 aufgefordert, sich innerhalb eines Monates hinsichtlich seiner gesundheitlichen Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Gruppe I amtsärztlich untersuchen zu lassen und die zur Erstattung des Gutachtens erforderlichen Befunde beizubringen. Die Berufung gegen diesen Bescheid wurde vom UVS mit der Erkenntnis vom 28.10.2013, Zl. VwSen-523576/2 abgewiesen. Der Beschwerdeführer unterzog sich daraufhin einer amtsärztlichen Untersuchung, wobei er eine fachärztliche internistische Stellungnahme vom 29.12.2013, ergänzt mit Schreiben vom 13.01.2014 vorlegte. Entsprechend dieser Stellungnahme hatte der Beschwerdeführer den Vorfall dahingehend geschildert, dass er die beginnende Unterzuckerung bemerkt habe und dann das Auto abstellen wollte, was jedoch aufgrund der Verkehrssituation nicht gleich möglich gewesen sei. Er habe dann einen Abstellplatz gesucht und das Fahrzeug in einem Innenhof abgestellt. Es habe neben den Orientierungsschwierigkeiten auch eine Erinnerungslücke von etwa 30 Minuten bestanden. Der Facharzt führte zusammengefasst aus, dass der Beschwerdeführer an Diabetes mellitus Typ 1 bereits seit 1970 leide und eine konventionelle Insulintherapie durchführe. Es würden keine Spätschäden bestehen, welche das sichere Lenken beeinträchtigten. Es wurde weiterhin eine Insulintherapie vereinbart und als Ziel unter anderem angegeben, dass der Beschwerdeführer drei Mal täglich eine Blutzuckerselbstkontrolle sowie zusätzlich bei Symptomen und Fahrtantritt durchführen solle. Die Effizienz der vereinbarten Maßnahmen und Fahrtüchtigkeit sollte nach zwölf Monaten neuerlich überprüft werden. Der Facharzt hat dem Beschwerdeführer eine Diabetikerschulung vor-geschlagen. Die Kontrollstrategie, welche vorher unzureichend gewesen sei, habe sich seit der Erstbegutachtung im November 2013 gebessert und sollte weiter regelmäßig kontrolliert werden. Dadurch sei eine Verbesserung der Hyposymptomatik zu erwarten und die Sicherheit beim Fahren zu steigern. Die Kontrollintervalle und die Befristungsintervalle seien kurz zu halten, um die Compliance sicherzustellen.

 

Unter Berücksichtigung dieser fachärztlichen Stellungnahme sowie der eigenen Untersuchungsergebnisse kam die Amtsärztin zu dem Schluss, dass der Beschwerdeführer befristet für ein Jahr geeignet zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Gruppe I ist, wobei ein fachärztlicher Kontrollbefund über die Diabeteseinstellung und Hypoglykämie-Häufigkeit durchzuführen sei. Der Blutzuckerspiegel sei vor Antritt der Fahrt, bei längeren Fahrten auch zwischendurch zu messen und die Fahrt dürfe nur bei ausreichend hohen Blutzuckerspiegeln angetreten bzw. fortgesetzt werden. Auf Basis dieses Gutachtens erließ die Behörde den nunmehr angefochtenen Bescheid.

 

Aufgrund des im Punkt 2 geschilderten Beschwerdevorbringens wurde der Beschwerdeführer vom Landesverwaltungsgericht Oberösterreich aufgefordert, eine neuerliche fachärztliche internistische Stellungnahme vorzulegen. Entsprechend dieser Stellungnahme vom 20.04.2014 ist im Jahr 2008 einmalig eine schwere Unterzuckerung aufgetreten, zuletzt war im August 2013 eine Hypoglykämie mit Fremdhilfe notwendig. Seither würden die Blutzuckerwerte bewusst etwas höher gehalten und die Unterzuckerungswahrnehmung habe sich wieder normalisiert bei einem aktuellen HbA1c-Wert von 7,7 % (das HbA1c-Ziel sei mit 7,5 % festgelegt). Der Beschwerdeführer führe Traubenzucker mit sich und sei bezüglich der Erkrankung äußerst gut geschult, die letzte Unterzuckerung liege mehr als sechs Monate zurück, aktuell liege keine Hypoglykämie-Wahrnehmungsstörung mehr vor. Der Facharzt sah vorerst keinen Einwand gegen das Lenken eines Kraftfahrzeuges der Gruppe I, wobei der Gesundheits-zustand in etwa dreijährlichen Abständen überprüft werden sollte.

 

Unter Berücksichtigung beider fachärztlichen Stellungnahmen sowie des amtsärztlichen Untersuchungsergebnisses vom 17.01.2014 kam eine Sachverständige der Direktion für Soziales und Gesundheit in ihrem Gutachten vom 05.06.2014 zusammengefasst zu dem Schluss, dass der Beschwerdeführer bislang innerhalb der letzten sechs Monate eine einmalige schwere Hypoglykämie gehabt habe, jedoch derzeit keine Hypoglykämie-Wahrnehmungsstörung mehr vorliege. Der Beschwerdeführer sei daher geeignet zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Gruppe I, mit einer zeitlichen Befristung von drei Jahren. Es wäre noch eine Bestätigung über die Teilnahme an einer Diabetikernachschulung, wie fachärztlich vorgeschlagen, beizubringen. Fachärztliche Kontrollbefunde über die Diabeteseinstellung und Hypoglykämie-Häufigkeit seien der Behörde halbjährlich vorzulegen. Messungen des Blutzuckerspiegels seien vor Antritt der Fahrt und bei längeren Fahrten auch zwischendurch durchzuführen und zu protokollieren, wobei der Antritt bzw. die Fortsetzung der Fahrt nur bei ausreichend hohen Blutzuckerspiegeln zulässig sei.

 

In seiner Stellungnahme vom 07.07.2014 sprach sich der Beschwerdeführer gegen die Befristung und die Kontrolluntersuchungen aus, wobei zu berücksichtigen sei, dass es weder zu einem Verkehrsunfall gekommen noch der Einschreiter im Straßenverkehr selbst durch das Auftreten einer Hypoglykämie auffällig geworden sei. Eine Diabetikernachschulung sei keinesfalls erforderlich, der HbA1c-Wert sei falsch eingestellt gewesen, was in der Zwischenzeit korrigiert worden sei. Auch deshalb seien Hypoglykämien nicht mehr zu erwarten. Er spreche sich nicht gegen Kontrollen betreffend die Diabeteseinstellung und Hypoglykämie-Häufigkeit aus, das halbjährliche Intervall sei jedoch völlig unangemessen, hier könne mit einem Zeitraum von drei Jahren das Auslangen gefunden werden.

 

Die häufige Messung und das ständige Nachjustieren habe bei ihm keinerlei Sinn, da er kein Human-Insulin verwende sondern Schweineinsulin. Ein Nachjustieren durch die Zugabe von Insulin/Glucose wäre unpassend und würde zu einer Irritation führen. Die von ihm eingehaltene konventionelle Insulin-Therapie mit Schweineinsulin verlange die Einhaltung eines gut strukturierten Tagesablaufes. Der Beschwerdeführer schilderte daraufhin die von ihm eingehaltene Tagesroutine, wobei er anführte, dass er auf spontane, der vorgegebenen Struktur zuwiderlaufende Fahrten verzichte.

 

Dazu führte die Amtsärztin der Direktion für Soziales und Gesundheit in ihrer ergänzenden Stellungnahme vom 29.08.2014 aus, dass auch der Facharzt bezüglich der Verkehrstüchtigkeit eine Überprüfung des Gesundheitszustandes in einem Abstand von drei Jahren vorschlägt. Bei Diabetes mellitus handle es sich naturgemäß um eine fortschreitende Erkrankung, sodass mit einer Verschlechterung des Gesundheitszustandes zu rechnen sei. Fachärztliche Kontrollbefunde bezüglich Diabeteseinstellung seien deshalb erforderlich, weil nur eine adäquate Einstellung die Gefahr von Hypo- oder Hyperglykämien reduzieren kann. Diese würden eine große Gefahr bei der Teilnahme am Straßenverkehr darstellen, da es zu Bewusstseinstrübungen, Bewusstseinsverlusten und deutlichen Einschränkungen bis zum Verlust der kraftfahrspezifischen Leistungs-fähigkeit kommen könne.

 

Messungen des Blutzuckerspiegels vor Antritt der Fahrt und bei längeren Fahrten zwischendurch seien erforderlich, um die Gefahr einer Hypo- oder Hyperglykämie rechtzeitig erkennen und vermeiden zu können. Beim Beschwerdeführer liege zwar keine Hypoglykämie-Wahrnehmungsstörung vor, dennoch sei es bei ihm in der Vergangenheit schon wiederholt zu Hypoglykämien bei der Teilnahme im Straßenverkehr gekommen, weshalb die Messung des Blutzuckers vor Fahrtantritt und bei längeren Fahrten zwischendurch erforderlich sei. Dazu ergänzte die Amtsärztin auf telefonische Nachfrage, dass die regelmäßige Kontrolle des Blutzuckerspiegels zumindest alle drei Stunden erfolgen müsse.

 

Der Beschwerdeführer führte in seiner Stellungnahme dazu aus, dass nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine Befristung der Lenkberechtigung nur zulässig sei, wenn aufgrund des konkreten Gesundheitszustandes einer Person geradezu angenommen werden müsse, dass in absehbarer Zeit eine Verschlechterung eintreten wird. Der Hinweis, dass es sich bei Diabetes mellitus um eine fortschreitende Erkrankung handelt, sei nicht ausreichend, um eine Befristung zu rechtfertigen. Er leide bereits seit 44 Jahren an Diabetes mellitus, wobei die durch die Medikamentierung und die Krankheit vor allem betroffenen Organe keinerlei Spätschäden aufweisen. Für eine Befristung bestehe daher kein Anlass, wobei er sich nicht dagegen ausspreche, dass sein Gesundheitszustand bezüglich der Verkehrstüchtigkeit in etwa dreijährlichen Abständen überprüft werden solle. Auch bezüglich fachärztlicher Kontrollbefunde sei ein Zeitraum von drei Jahren ausreichend. Sollten jedoch halbjährliche Kontrollbefunde vorgeschrieben werden, wäre jedenfalls von einer Befristung der Lenkberechtigung abzusehen.

 

Entgegen der Annahme der Amtsärztin sei es beim Beschwerdeführer in der Vergangenheit nicht wiederholt zu Hypoglykämien bei der Teilnahme am Straßenverkehr gekommen. Die geforderte häufige Messung und Nachjustierung mache bei ihm keinen Sinn, da er kein Human-Insulin verwende sondern Schweineinsulin.

 

 

 

 

5. Darüber hat das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich in rechtlicher Hinsicht Folgendes erwogen:

 

5.1. Gemäß § 24 Abs.1 FSG ist Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung nicht mehr gegeben sind, von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit

1.    die Lenkberechtigung zu entziehen oder

2.    die Gültigkeit der Lenkberechtigung durch Auflagen, Befristungen oder zeitliche, örtliche oder sachliche Beschränkungen einzuschränken. Diesfalls ist gemäß § 13 Abs. 5 ein neuer Führerschein auszustellen.

Für den Zeitraum einer Entziehung der Lenkberechtigung für die Klassen A, B oder F ist auch das Lenken von vierrädrigen Leichtkraftfahrzeugen unzulässig, es sei denn es handelt sich

1. um eine Entziehung gemäß § 24 Abs. 3 achter Satz oder

2. um eine Entziehung der Klasse A wegen mangelnder gesundheitlicher Eignung, die ausschließlich mit dem Lenken von einspurigen Kraftfahrzeugen zusammenhängt.

 

Gemäß § 8 Abs.3 FSG hat das ärztliche Gutachten abschließend auszusprechen:

„geeignet“, „bedingt geeignet“, „beschränkt geeignet“ oder „nicht geeignet“. Ist der Begutachtete nach ärztlichem Befund

1.    gesundheitlich zum Lenken von Kraftfahrzeugen einer oder mehrerer Klassen ohne Einschränkung geeignet, so hat das Gutachten „geeignet“ für diese Klassen zu lauten;

2.    zum Lenken von Kraftfahrzeugen einer oder mehrerer Klassen nur unter der Voraussetzung geeignet, dass er Körperersatzstücke oder Behelfe oder dass er nur Fahrzeuge mit bestimmten Merkmalen verwendet oder dass er sich ärztlichen Kontrolluntersuchungen unterzieht, so hat das Gutachten „bedingt geeignet“ für die entsprechenden Klassen zu lauten und Befristungen, Auflagen oder zeitliche, örtliche oder sachliche Beschränkungen der Gültigkeit anzuführen, unter denen eine Lenkberechtigung ohne Gefährdung der Verkehrsicherheit erteilt werden kann; dies gilt auch für Personen, deren Eignung nur für eine bestimmte Zeit angenommen werden kann und bei denen amtsärztliche Nachuntersuchungen erforderlich sind;

3.    zum Lenken nur eines bestimmten Fahrzeuges nach § 2 Z24 KFG 1967 geeignet, so hat das Gutachten „beschränkt geeignet“ zu lauten und anzugeben, durch welche körperlichen Mängel die Eignung beschränkt ist und in welcher Form diese körperlichen Mängel ausgeglichen werden können;

4.    zum Lenken von Kraftfahrzeugen einer oder mehrerer Klassen nicht geeignet, so hat das Gutachten „nicht geeignet“ für die entsprechende Klasse zu lauten.

 

Gemäß § 8 Abs.3a FSG ist die Dauer der Befristung vom Zeitpunkt der Ausfertigung des amtsärztlichen Gutachtens zu berechnen.

 

Gemäß § 11 Abs. 1 FSG-GV darf Zuckerkranken eine Lenkberechtigung nur nach einer befürwortenden fachärztlichen Stellungnahme erteilt oder belassen werden, aus der insbesondere auch hervorgeht, dass der Zuckerkranke die mit Hypoglykämie verbundenen Risiken versteht und seinen Zustand angemessen beherrscht.

 

Gemäß § 11 Abs. 2 FSG-GV darf Zuckerkranken, die mit Insulin oder bestimmten Tabletten behandelt werden müssen, eine Lenkberechtigung der Gruppe I nur für einen Zeitraum von höchstens fünf Jahren unter der Auflage ärztlicher Kontrolluntersuchungen und amtsärztlicher Nachuntersuchungen erteilt oder belassen werden.

 

Gemäß § 11 Abs. 4 FSG-GV darf Zuckerkranken, bei denen innerhalb von zwölf Monaten zwei Mal eine Hypoglykämie aufgetreten ist, die eine Hilfe durch eine andere Person erforderlich macht (wiederholte schwere Hypoglykämie) sowie Zuckerkranken, die an Hypoglykämie-Wahrnehmungsstörung leiden, eine Lenkberechtigung weder erteilt noch belassen werden. Dies gilt nicht, wenn durch geeignete Maßnahmen, Schulung, Therapieumstellung und Blutzucker-kontrollen die Vermeidung von Hypoglykämien erreicht wird.

 

Gemäß § 2 Abs.3 Führerscheingesetz-Gesundheitsverordnung (FSG-GV) ist die Lenkberechtigung nur bis zu dem Zeitpunkt der nächsten amtsärztlichen Nachuntersuchung befristet, erforderlichenfalls unter der Auflage ärztlicher Kontrolluntersuchungen, zu erteilen, wenn das ärztliche Gutachten eine amtsärztliche Nachuntersuchung oder ärztliche Kontrolluntersuchungen vorschreibt. Die Befristung ist gemäß § 13 Abs.2 FSG in den Führerschein einzutragen. Werden ärztliche Kontrolluntersuchungen als Auflage vorgeschrieben, so ist der Befund oder das Gutachten in den vorgeschriebenen Zeitabständen gemeinsam mit dem Führerschein der Behörde vorzulegen.

 

 

5.2. Der Beschwerdeführer leidet an einer Zuckerkrankheit, welche mit Insulin behandelt werden muss. Gemäß § 11 Abs. 2 FSG-GV darf ihm die Lenkberechtigung für die Gruppe I daher jedenfalls nur unter der Auflage ärztlicher Kontrolluntersuchungen und amtsärztlicher Nachuntersuchungen belassen werden. Gemäß § 2 Abs. 3 FSG-GV ist in diesem Fall die Lenkberechtigung jedenfalls auch zu befristen. Soweit sich die Beschwerde daher gegen die Notwendigkeit von Kontrolluntersuchungen bzw. der amtsärztlichen Nachuntersuchung und die Befristung richtet, ist sie schon aus diesem Grund nicht gerechtfertigt. Die vom Beschwerdeführer angeführte Judikatur des VwGH berücksichtigt noch nicht die durch §§ 2 Abs. 3 und 11 FSG-GV geänderte Rechtslage.

 

Fraglich ist lediglich, ob mit der im § 11 Abs. 2 FSG-GV vorgesehenen Maximalfrist von fünf Jahren das Auslangen gefunden werden kann, oder eine kürzere Befristung notwendig ist. Dazu hat der vom Beschwerdeführer als erstes konsultierte Facharzt eine neuerliche Überprüfung nach zwölf Monaten bzw. kurze Kontrollintervalle vorgeschlagen, der zweite Facharzt hat mit eingehender Begründung eine Überprüfung des Gesundheits-zustandes bezüglich der Verkehrstüchtigkeit in etwa dreijährlichen Abständen als notwendig erachtet. Die Amtsärztin hat sich dieser längeren Frist angeschlossen. Unter Berücksichtigung dieser Umstände erscheint die Befristung auf drei Jahre fachlich notwendig, weshalb die Beschwerde auch in diesem Punkt abzuweisen war.

 

Bezüglich der Kontrolluntersuchungen hat sich der erste Facharzt dahingehend geäußert, dass die Intervalle kurz zu halten sind, der zweite Facharzt hat dazu keine ausdrückliche Stellungnahme abgegeben. Die Amtsärztin hat dazu nachvollziehbar ausgeführt, dass eine angemessene Überwachung der Krankheits-Compliance stattfinden müsse, um eine drohende Gefahr von Hypoglykämien rechtzeitig erkennen zu können. Sie hat eine halbjährliche Vorlage entsprechender Kontrollbefunde als ausreichend erachtet. Im Hinblick darauf, dass der Beschwerdeführer im August 2013 tatsächlich eine Unterzuckerung im Straßenverkehr erlitten hat, erscheint diese Forderung nachvollziehbar und gerechtfertigt. Richtig ist, dass der Beschwerdeführer damals keinen Verkehrsunfall verursacht hat, dennoch darf nicht übersehen werden, dass die damalige Problematik (rasches Auffinden eines geeigneten Parkplatzes beim Erkennen der ersten Unterzuckerungssymptome nicht möglich) zumindest im innerstädtischen Verkehr jederzeit auftreten kann. Der Beschwerdeführer hat beim damaligen Vorfall jedenfalls eine schwere Unterzuckerung erlitten, während er ein Kraftfahrzeug gelenkt hat. Der Umstand, dass er seinen PKW noch rechtzeitig – wenn auch nur noch im Bereich einer Wohnanlage und nicht ordnungsgemäß – anhalten konnte, spricht zwar dafür, dass der Beschwerdeführer die beginnende Unterzuckerung (gerade noch) rechtzeitig bemerkt hat, ändert aber nichts daran, dass es sich um eine schwere Unterzuckerung handelte, welche leicht auch zu wesentlich gefährlicheren Situationen hätte führen können. Die Vorschreibung der Kontrolluntersuchungen in einem halbjährlichen Intervall ist daher gerechtfertigt.

 

Um der Gefahr weiterer Unterzuckerungen möglichst vorzubeugen, ist auch die Messung des Blutzuckerspiegels vor Antritt der Fahrt und bei längeren Fahrten zumindest alle drei Stunden erforderlich. Gerade der Vorfall vom August 2013 zeigt, dass der Beschwerdeführer zumindest in Einzelfällen von der von ihm geschilderten sonst eingehaltenen Tagesroutine abweicht, weshalb das bloße Verlassen auf diese Tagesroutine nicht ausreichend ist, um die Sicherheit im Straßenverkehr zu gewährleisten.

 

Der Umstand, dass die Amtsärztin von „wiederholten Hypoglygämien bei der Teilnahme am Straßenverkehr“ ausgegangen ist, obwohl aus der Aktenlage nicht klar ist, ob auch der angeführte Vorfall vor ca. 5 Jahren im Straßenverkehr stattfand, ändert nichts an der Schlüssigkeit ihres Gutachtens. Jedenfalls hat der Beschwerdeführer bereits zumindest zweimal – wenn auch in längeren Abständen – eine Unterzuckerung erlitten. Die ebenfalls geforderte Schulung war hingegen nicht vorzuschreiben, weil der Beschwerdeführer nach den übereinstimmenden fachärztlichen Stellungnahmen bezüglich seiner Krankheit gut informiert ist.

 

 

Zu II.:

Diese Einschränkungen der Lenkberechtigung sind in den Führerschein einzutragen, weshalb der Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 5 FSG verpflichtet ist, seinen Führerschein der Behörde zwecks Neuausstellung abzuliefern. Diesbezüglich war die Beschwerde gegen den Bescheid daher abzuweisen.

 

 

Zu III.

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Zuckerkrankheit ab, noch fehlt es an einer solchen. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes seit der Änderung der FSG-GV auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

 

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

 

Mag. Gottfried Zöbl