LVwG-650161/20/PY/CG/MSt

Linz, 07.10.2014

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Dr.in Andrea Panny über die Beschwerde des Herrn H S, geb. X, dzt. J L, Außenstelle A, P, A, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung vom 4. Juni 2014, VerkR21-177-2012, wegen Entziehung der Lenkberechtigung

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

 

I.         Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG wird der Beschwerde insofern stattgegeben, als die Dauer der Entziehung der Lenkberechtigung für die Klassen AM und B auf 8 Monate (gerechnet ab 26.6.2014 somit ist bis einschließlich 26.2.2015) herabgesetzt wird.

 

II.       Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Zu I.  

 

1.           Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung vom 4. Juni 2014, VerkR21-177-2012, wurde dem Beschwerdeführer (in der Folge: Bf)

a)   die von der BPD Innsbruck am 29.7.2011 unter Zl. 11278829 für die Klassen AM und B erteilte Lenkberechtigung wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit für die Dauer von 12 Monaten - gerechnet ab Zustellung des Bescheides – entzogen.

b)   das Recht aberkannt, von einer allfälligen bestehenden ausländischen Lenkberechtigung für die Dauer der Entziehung der Lenkberechtigung in Österreich Gebrauch zu machen.

c)   aufgetragen, den Führerschein unverzüglich bei der zuständigen Polizeiinspektion abzuliefern und

d)   einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkannt.

 

Begründend führt die belangte Behörde zusammengefasst aus, dass aufgrund der rechtskräftigen Verurteilung durch das Landesgericht Linz die Verkehrszuverlässigkeit des Bf nicht mehr gegeben ist und die angeführte Entziehungsdauer im Hinblick auf das Ausmaß der begangenen strafbaren Handlungen und dem Umstand, dass bereits mit Bescheid vom 19.12.2012 für die Dauer von 6 Monaten die Lenkberechtigung aus mangelnder Verkehrszuverlässigkeit entzogen werden musste, als durchaus angemessen anzusehen ist.

 

2.           Dagegen brachte der Bf rechtzeitig Beschwerde ein in der er ausführt, dass die Durchführung einer mündlichen Verhandlung und Einholung eines Gutachtens eines Verkehrspsychologen beantragt wird, da bereits beim Entzug am 19.12.2012 seine Verkehrstauglichkeit in keiner Weise beeinträchtigt war, da er nie unter dem Einfluss von Substanzen gefahren ist und in keiner Weise geprüft wurde, ob er verkehrstüchtig sei. Von einem Einspruch gegen das Urteil habe er nur abgesehen da ihm versichert wurde, er könne der Geburt seiner Tochter beiwohnen, wenn er sich nicht mehr in U-Haft befinde.

 

Der ebenfalls gestellte Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe wurde bereits in einem gesonderten Verfahren mit Bescheid des LVwG vom 21. August 2014, LVwG-650161/5/Py/HK, entschieden.

 

3.           Mit Schreiben vom 22. Juli 2014 legte die belangte Behörde dem Landesverwaltungsgericht den gegenständlichen Verfahrensakt vor, der zur Entscheidung durch seine nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelrichterin berufen ist.

4.           Das Landesverwaltungsgericht hat Beweis erhoben durch Akteneinsicht und Anberaumung und Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 25. September 2014. An dieser haben der Bf sowie eine Vertreterin der belangten Behörde teilgenommen. Des Weiteren wurde Einsicht genommen in den vom Landesgericht beigeschafften Gerichtsakt zu 34 Hv 111/13x. Der Beschwerdeführer, der zur Verhandlung aufgrund eines bewilligten Freiganges unbegleitet erschienen ist, gab in der mündlichen Verhandlung an, dass er darauf hinweisen möchte, dass es sich bei ihm um keinen schweren Gewaltverbrecher handelt und er die Zuerkennung einer Fußfessel beantragt habe und auf einer Entlassung aus der Strafhaft im Jänner 2015 hoffe. Die in der Beschwerde beantragte Einholung eines verkehrspsychologischen Gutachtens konnte entfallen, da im gegenständlichen Verfahren nicht die gesundheitliche Eignung des Bf zu beurteilen war.

 

5.           Über die Beschwerde hat das Landesverwaltungsgericht erwogen:

 

5.1.      Der Bf wurde mit Urteil des Landesgerichtes Linz, Abt. 34, vom 30. Oktober 2013, 34 Hv 111/13x wegen

a)   des Vergehens der versuchten Nötigung nach §§ 15 Abs.1, 105 Abs.1 StGB,

b)   des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs.1 StGB,

c)   des Vergehens der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs.1, 84 Abs.1 StGB,

d)   des Vergehens des versuchten Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15 Abs.1, 269 Abs.1 StGB,

e)   des Vergehens des Hausfriedensbruches nach § 109 Abs.1 StGB,

f)    des Vergehens der schweren Sachbeschädigung nach den §§ 125, 126 Abs.1 Z.5 StGB,

g)   des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs.1 StGB und

h)   des Vergehens nach § 50 Abs.1 Z.3 WaffG unter Anwendung des § 28 StGB nach § 269 Abs.1 erster Strafsatz StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 9 Monaten verurteilt. Des Weiteren wurde vom Widerruf der bedingten Strafnachsicht/bedingten Entlassung mit Beschluss des LG Linz vom 7.8.2012 zu Zl. 81828B14/12 abgesehen und die Probezeit zur bedingten Entlassung auf 5 Jahre verlängert.

 

Davor wurde dem Bf bereits mit Bescheid vom 19.12.2012 die von der BPD Innsbruck am 29. Juli 2011 zu GZ: 11278829 ausgestellte Lenkberechtigung für die Klassen AM und B für die Dauer von 6 Monaten (von 2.1.2013 bis 2.7.2013) entsprechend der Eintragung im Zentralen Führerscheinregister entzogen.

 

5.2. Gemäß § 7 Abs.1 Führerscheingesetz (FSG) gilt eine Person als verkehrszuverlässig, wenn nicht aufgrund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs.3) und ihrer Wertung (Abs.4) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen

1.   die Verkehrssicherheit insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr oder durch Trunkenheit oder einen durch Suchtmittel oder durch Medikamente beeinträchtigten Zustand gefährden wird, oder

2.   sich wegen der erleichternden Umstände, die beim Lenken von Kraftfahrzeugen gegeben sind, sonstiger schwerer strafbaren Handlungen schuldig machen wird.

 

Gemäß § 7 Abs.3 Z.9 FSG hat als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs.1 insbesondere zu gelten, wenn jemand eine strafbare Handlung gegen Leib und Leben gemäß §§ 75, 76, 84 bis 87 StGB oder wiederholt gemäß dem § 83 StGB begangen hat.

 

Gemäß § 7 Abs.4 FSG sind für die Wertung der in Abs.1 genannten und in Abs. 3 beispielsweise angeführten Tatsachen deren Verwerflichkeit, die Gefährlichkeit der Verhältnisse, unter denen sie begangen wurden, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit maßgebend, wobei bei den in Abs.3 Z.14 und 15 genannten bestimmten Tatsachen die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit nicht zu berücksichtigen ist.

 

Gemäß § 7 Abs.5 FSG gelten strafbare Handlungen jedoch dann nicht als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs.1, wenn die Strafe zum Zeitpunkt der Einleitung des Verfahrens getilgt ist. Für die Frage der Wertung nicht getilgter bestimmter Tatsachen gemäß Abs.3 sind jedoch derartige strafbare Handlungen auch dann heranzuziehen, wenn sie bereits getilgt sind.

 

Gemäß § 24 Abs.1 FSG ist von der Behörde Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs.1 Z.2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit

1)          die Lenkberechtigung zu entziehen oder

2)          die Gültigkeit der Lenkberechtigung durch Auflagen, Befristungen oder zeitliche, örtliche oder sachliche Beschränkungen einzuschränken. Diesfalls ist gemäß § 13 Abs.5 ein neuer Führerschein auszustellen.

 

Für den Zeitraum einer Entziehung der Lenkberechtigung für die Klassen A1, A1, A, B oder F ist auch das Lenken von vierrädrigen Leichtkraftfahrzeugen unzulässig, es sei denn, es handelt sich

1.           um eine Entziehung gemäß § 24 Abs.3 achter Satz oder

2.           um eine Entziehung der Klasse A mangels gesundheitlicher Eignung, die ausschließlich mit dem Lenken von einspurigen Kraftfahrzeugen zusammenhängt.

Bei besonders berücksichtigungswürdigen Gründen kann von der Entziehung der Klasse AM hinsichtlich der Berechtigung zum Lenken von Motorfahrrädern abgesehen werden. Dies ist auch dann möglich, wenn der Betreffende die Lenkberechtigung für die Klasse AM nur im Wege des § 2 Abs. 3 Z 7 besitzt.

 

Gemäß § 25 Abs. 1 ist bei der Entziehung auch auszusprechen, für welchen Zeitraum die Lenkberechtigung entzogen wird. Dieser ist auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens festzusetzen. Endet die Gültigkeit der Lenkberechtigung vor dem Ende der von der Behörde prognostizierten Entziehungsdauer, so hat die Behörde auch auszusprechen, für welche Zeit nach Ablauf der Gültigkeit der Lenkberechtigung keine neue Lenkberechtigung erteilt werden darf.

 

5.3. Unter Zugrundelegung dieser Rechtslage wurde von der belangten Behörde dem Bf mit dem gegenständlichen Bescheid die Lenkberechtigung – unter Vorschreibung weiterer Auflagen – für die Dauer von 12 Monaten entzogen. Gegen diese Entzugsdauer richtet sich das gegenständliche Rechtsmittel des Bf. Zwar ist dem Vorbringen des Bf in der mündlichen Verhandlung beizupflichten, wonach er sich nicht mehrmals schwerer Gewaltverbrechen schuldig gemacht hat, jedoch ist aus dem beigeschafften Gerichtsakt doch eindeutig ersichtlich, dass dem Bf ein hohes Aggressionspotential innewohnt, das er nur schwer zu kontrollieren vermag. So widersetzte er sich am 22. April 2013 einer Anhaltung wegen „Schwarzfahrens“ durch ein Kontrollorgan der Linzer Verkehrsbetriebe und fügte dem Kontrollorgan eine leichte Körperverletzung zu. Noch schwerer wiegt jedoch sein am 22.6.2013 gesetztes Verhalten vor einem Lokal in G, bei dem er Herrn C.F. durch Versetzen eines Faustschlages in das Gesicht vorsätzlich schwer am Körper verletzte. Einer Wertung zu unterziehen ist zudem sein aggressives Verhalten am 15. September 2013 anlässlich einer Anhaltung durch Beamte des SPK Linz sowie der Umstand, dass sich der Bf innerhalb weniger Monate wiederholt der Begehung von gerichtlichen Handlungen strafbar gemacht hat. Aus der Aggression, die den von ihm begangenen Delikten innewohnte, ist abzuleitenden, dass der Bf auf Konfliktsituationen mit rücksichtslosem Verhalten reagiert.  Im Zusammenhang mit dem Lenken von Kraftfahrzeugen muss jedoch aufgrund der im Straßenverkehr häufig auftretenden Konfliktfälle vom Lenker von Kraftfahrzeugen eine nicht zur Gewalttätigkeit neigende Sinnesart verlangt werden (vgl. VwGH vom 26.02.2002, 2001/11/0379). Aus diesem Grund ist von der Verkehrsunzuverlässigkeit des Bf auszugehen und erfolgte der von der belangten Behörde ausgesprochene Entzug der Lenkberechtigung grundsätzlich zu Recht.

 

Die von der belangten Behörde ausgesprochene Entzugsdauer von 12 Monaten ist jedoch als zu hoch anzusehen. Die letzte dem Bf anzulastende bestimmte Tatsache im Sinn des § 7 FSG wurde am 15. September 2013 gesetzt, wobei der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 27. 5. 1999, 98/11/0198, eine Entziehungszeit (Prognoseentscheidung) von 12 Monaten bei bloßem Widerstand gegen die Staatsgewalt für angemessen erachtete. Die Festsetzung der Entziehungsdauer von 12 Monaten, gerechnet ab Zustellung des angefochtenen Bescheides ab 26.6.2014 zieht jedoch eine Verkehrsunzuverlässigkeit von September 2013 bis September 2015 nach sich, wobei dem Wohlverhalten des Bf im Hinblick auf den Umstand, dass er sich in Strafhaft befindet, wohl nur untergeordnete Bedeutung zukommen kann. Es bedarf daher noch eines weiteren unter Freiheit unter Beweis gestellten Wohlverhaltens, um auf die Wiedererlangung der Verkehrszuverlässigkeit des Bf schließen zu können (vgl. VwGh 6.7.2004, 2002/11/0130). Nach Aussage des Bf in der mündlichen Verhandlung hofft er, im Jänner 2015 aus der Strafhaft entlassen zu werden. Mit der nunmehr festgesetzten Entzugsdauer ist davon auszugehen, dass beim Bf das Bewusstsein vorliegt, dass im Fall eines neuerlichen Rückfalls seitens der belangten Behörde ein deutlich strengerer Maßstab anzuwenden ist.

 

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

 

Zu II.  Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Dr. Andrea Panny