LVwG-600418/7/Py/SH

Linz, 16.10.2014

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin
Drin. Andrea Panny
über die Beschwerde des Herrn Mag. G S, vertreten durch Rechtsanwalt F B, x, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land vom 28. Mai 2014, GZ. VerkR96-3665-2013, mit dem ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abgewiesen wurde, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 27. August 2014,

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

I.         Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

 

 

II.       Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

 

 

I.            
1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land vom
10. April 2014, VerkR96-3665-2013, wurde über den Beschwerdeführer (in der Folge: Bf) wegen Verwaltungsübertretung nach § 20 Abs. 2 StVO eine Geldstrafe in Höhe von 250 Euro, für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheits­strafe in Höhe von 77 Stunden verhängt. Aus dem im Akt einliegenden Rück­schein geht hervor, dass das Straferkenntnis am 15. April 2014 von einer Angestellten des berufsmäßigen Parteienvertreters des Bf übernommen wurde.

 

Mit Schriftsatz vom 20. Mai 2014, bei der belangten Behörde eingelangt am 22. Mai 2014, brachte der Bf einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sowie Beschwerde gegen das Straferkenntnis vom 10. April 2014 ein. Zum Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bringt er zusammengefasst vor, dass das gegenständliche Straferkenntnis von der Gattin des einschreitenden Anwaltes, die seit zumindest 15 Jahren in der Kanzlei als Sekretärin beschäftigt ist und überwiegend die Eingangspost bearbeitet, übernommen wurde. Von ihr wurde der Eingangsstempel angebracht und das Aktenkurzzeichen mit Bleistift auf dem Straferkenntnis erfasst. Es sei Standard, dass dann der Akt aus dem Akten­schrank geholt und überprüft wird, zu welchem Akt das eingegangene Schrift­stück gehört. Vorsorglich wird von der Sekretärin eine allfällige Frist in dem Fristenkalender vorgemerkt. Im Anschluss daran wird der Akt auf einem Pult mit der täglichen Eingangspost für den Rechtsanwalt für diesen gut ersichtlich abgelegt, wodurch sichergestellt ist, dass dieser die Eingangspost umgehend bearbeitet und ihre richtige Eintragung im Kalender anordnen bzw. die vorge­merkte Eintragung überprüfen kann. Dieses System habe sich stets bewährt und biete dem Rechtsvertreter des Bf seit über 20 Jahren die bestmögliche Kontrolle, dass Fristen richtig und vollständig eingetragen sind. Aus einem jedoch nicht mehr nachvollziehbaren Grund landete der zum Straferkenntnis gehörige Akt, dem dieses Schriftstück korrekt zugeordnet wurde, nie am Stapel der Eingangspost, sondern wurde quasi als Unterakt einem größeren Akt zugeordnet, was am 20. Mai 2014 vom einschreitenden Anwalt anhand der Vorlage dieses anderen Aktes fest­gestellt wurde, ein bis dahin noch nie untergekommenes Missgeschick. Des stelle ein un­vorhersehbares und unabwendbares Ereignis dar, wodurch der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen den Ablauf der Beschwerdefrist zur Er­hebung einer Beschwerde gegen das Straferkenntnis vom 10. April 2014 Berechtigung zukomme.

 

Mit dem verfahrensgegenständlichen Bescheid vom 28. Mai 2014, VerkR96-3665-2013, wurde der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand von der belangten Behörde mit der Begründung abgewiesen, dass die Ver­säumung der Frist auf eine auffallende Sorglosigkeit zurückzuführen sei.

 

2. Gegen diesen Bescheid brachte der Bf mit Schreiben vom 13. Juni 2014 rechtzeitig Beschwerde ein und bringt zusammengefasst vor, dass sich die von der belangten Behörde in ihrer Entscheidung zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes auf eine Fassung des § 71 Abs. 1 lit.a AVG vor der Novelle BGBl. Nr. 357/1990 beziehe. Zu den Voraussetzungen für die Bewilligung der Wieder­einsetzung gehörte damals, dass die Partei an der Versäumung der Frist kein Verschulden treffen dürfe und wurde selbst ein unabwendbares Ereignis nicht als Wiedereinsetzungsgrund anerkannt, wenn der Eintritt durch die Partei zumindest leicht fahrlässig verursacht wurde. Die im vorliegenden Verfahren maßgebliche Fassung des § 71 Abs. 1 Z 1 AVG bestimmt demgegenüber, dass dem Antrag einer Partei gegen die Versäumung einer Frist die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen sei, wenn sie glaubhaft macht, dass sie durch ein un­vorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzu­halten und sie kein Verschulden oder nur ein „minderer Grad des Versehens“ trifft. Nach der Rechtsprechung des VwGH ist das Verschulden des Vertreters einer Partei an der Fristversäumung dem Verschulden der Partei selbst gleichzuhalten, nicht jedoch ein Verschulden eines Kanzleibediensteten des Vertreters. Dessen Versehen ist für den Rechtsanwalt nur dann ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Er­eignis, wenn der Rechtsanwalt die ihm zumutbare und nach der Sachlage gebotene Überwachungspflicht gegenüber seinen Angestellten hinreichend nach­gekommen ist. Der Rechtsvertreter des Bf habe hinreichend und detailliert dar­gelegt, wie er seine Kanzlei organisiert, um Fristversäumnisse bestmöglich zu verhindern. In völliger Verkennung der Rechtslage habe die belangte Behörde den einmaligen „Ausrutscher“ einer ansonsten ausnahmslos zuverlässigen Kanzleibediensteten zur Begründung herangezogen, um den Antrag auf Wieder­einsetzung abzuweisen. Feststellungen zum Verschulden des Vertreters des Bf würden völlig fehlen und sei dem Vertreter kein Organisations- und Über­wachungsverschulden anzulasten. Bei der Entgegennahme der Post und dem Heraussuchen der dazugehörigen Akten aus dem Aktenschrank handelt es sich um Tätigkeiten, die der Vertreter im Sinne eines arbeitsteiligen Zusammen­wirkens seinen Kanzleibediensteten überlassen darf, insbesondere, wenn es sich - wie im vorliegenden Fall – um eine über Jahre in Bezug auf gerade diese Tätigkeit fehlerlos agierende Mitarbeiterin handelt.

 

3. Mit Schreiben vom 11. Juli 2014 legte die belangte Behörde den gegen­ständlichen Verwaltungsakt dem Landesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor, das gemäß § 2 VwGVG zur Entscheidung durch seine nach der Geschäftsver­teilung zuständige Richterin berufen ist.

 

4. Das Landesverwaltungsgericht hat Beweis erhoben durch Akteneinsicht und Anberaumung und Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 27. August 2014, an der ein Rechtsvertreters des Bf sowie eine Vertreterin der belangten Behörde teilnahmen. Als Zeugin wurde Frau I B einvernommen.

 

4.1. Das Landesverwaltungsgericht geht bei seiner Entscheidung von folgendem Sachverhalt aus:

 

In der Kanzlei des Rechtsvertreters des Bf ist für die Post hauptsächlich dessen Ehegattin, Frau B zuständig, allerdings werden diese Tätigkeiten auch durch die Kanzleileiterin oder von Schreibkräften verrichtet. Zunächst wird die zugestellte Post nach Wichtigkeit sortiert, die eingegangenen Poststücke werden nach dem Öffnen mit Datumstempel versehen. Dann wird versucht zu eruieren, welcher Akt dem jeweiligen Schreiben zuzuordnen ist. Allfällige Fristen in den Eingangsstücken werden von Frau B mit einem Marker hervorgehoben. Die von ihr als wichtig eingestufte Post („Chefpost“) wird für den Rechtsvertreter des Bf auf einen eigenen Stapel gelegt, bei Unklarheiten hält sie mit ihm Rücksprache.

 

Aus einem bisher nicht nachvollziehbaren Grund wurde das gegenständliche Straf­erkenntnis zwar dem richtigen Akt zugeordnet, dieser jedoch nicht auf den dem Rechtsvertreter des Bf zugeordneten Eingangsstapel gelegt, sondern als Unterakt einem größeren Akt zugeordnet, wodurch das Straferkenntnis vom 10. April 2014 dem Rechtsvertreter des Bf erst durch Vorlage dieses anderen Aktes am 20. Mai 2014 zur Kenntnis gelangte.

 

Ein minderer Grad des Versehens, das zur Säumnis der Einbringung der Beschwerdefrist führte, liegt nicht vor.

 

4.2. Dieser Sachverhalt ergibt sich aus dem Akteninhalt, insbesondere dem Vor­bringen des Rechtsvertreters des Bf hinsichtlich seiner organisatorischen Vor­kehrungen im Kanzleibetrieb sowie der Aussage der Zeugin B in der mündlichen Verhandlung vom 27. August 2014. Aus den glaubwürdigen Schilderungen der einvernommenen Zeugin geht insbesondere hervor, dass eine konkrete Aufgabenverteilung in der Kanzlei schon hinsichtlich der Behandlung der Eingangspost nicht vorliegt, da sowohl sie, als auch die Kanzleileiterin oder für Schreibarbeiten zuständige Damen Poststücke übernehmen und zuordnen. Auf­grund des geschilderten Ablaufes im Kanzleibetrieb kann daher nicht mit Sicher­heit ausgeschlossen werden, dass einzelne Schriftstücke dem Rechtsvertreter des Bf gar nicht zur Kenntnis gelangen. Wenn der Rechtsvertreter des Bf vorbringt, dass er Fristen selbst einträgt oder bereits durch die Sekretärin erfolgte Ein­tragungen von ihm überprüft werden oder er die Eintragung einer Sekretärin an­ordnet, so setzt ein derartiges Verhalten voraus, dass ihm die entsprechenden Schriftstücke tatsächlich zur Kenntnis gelangen. Wie diesem Umstand innerhalb des Organisationsablaufes entsprechend Rechnung getragen wird, geht aus den Schilderungen des Rechtsvertreters des Bf sowie der Aussage der Zeugin in der mündlichen Verhandlung jedoch nicht hervor und könnte diesbezüglich nicht dargelegt werden, durch welche konkreten Anordnungen und deren Kontrolle ein Erfassen der Eingänge sichergestellt und eine lückenlose Terminvormerkung gewährleistet werden soll.

 

5. Hierüber hat das Landesverwaltungsgericht hat erwogen:

 

Gemäß § 71 Abs. 1 AVG ist gegen die Versäumung einer Frist oder einer münd­lichen Verhandlung auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn:

 

1. die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unab­ wendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhand­ lung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft oder

2. die Partei die Rechtsmittelfrist versäumt hat, weil der Bescheid keine Rechts­ mittelbelehrung, keine Rechtsmittelfrist oder fälschlich die Angabe enthält, dass kein Rechtsmittel zulässig sei.

 

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass sich der Bf Handlungen seines Rechts­vertreters zurechnen lassen muss. Nach ständiger Rechtsprechung des Ver­waltungsgerichtshofes hat ein berufsmäßiger Parteienvertreter die Organisation seines Kanzleibetriebes so einzurichten, dass auch die richtige Vormerkung von Terminen und damit die fristgerechte Vornahme von Prozesshandlungen gesichert erscheint. Liegen Organisationsmängel vor, wodurch die Erreichung dieses Zieles nicht gewährleistet ist, ist das Kontrollsystem in diesem Sinn unzu­reichend, kann nicht mehr von einem bloß minderen Grad des Versehens des Parteienvertreters gesprochen werden (vgl. VwGH vom 22. 12. 2005, Zl. 2002/15/0109). Die anwaltliche Sorgfaltspflicht umfasst eine ausreichende Sicherstellung, dass dem Parteienvertreter von Kanzleibediensteten über­nommene, den Fristenlauf auslösende Schriftstücke tatsächlich zur Kenntnis gelangen. Der Rechtsvertreter des Bf konnte im gegenständlichen Verfahren jedoch nicht schlüssig darlegen, dass tatsächlich geeig­nete organisatorische Maßnahmen zur Sicherstellung der Kenntniserlangung des Rechtsvertreters des Bf von derartigen Schriftstücken vorliegen.

 

Da somit dem Bf durch die ihm zuzurechnende Handlung seines Rechtsvertreters kein bloß minderer Grad des Versehens an der Versäumung der Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen das behördliche Straferkenntnis trifft, war die Beschwerde abzuweisen und spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

II.            Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

 

H i n w e i s

Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen.

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Drin. Andrea Panny