LVwG-150221/7/AL/WP

Linz, 22.08.2014

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Dr. Astrid Lukas über die Beschwerde 1. des L R und 2. der E R, beide wohnhaft in  N, gegen den Bescheid des Gemeinderates der Gemeinde Hinterstoder vom 18. April 2014, GZ: Wi-811/2014-S-Richter, betreffend Vorschreibung des Erhaltungsbeitrages gem § 28 Oö. ROG 1994

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

I.         Die Beschwerden werden gemäß § 279 Abs 1 BAO als unbegründet abgewiesen und die gemeindebehördliche Vorschreibung des Erhaltungsbeitrages bestätigt.

 

 

II.       Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG unzulässig.


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.

1. Die Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf) sind jeweils Miteigentümer am verfahrensgegenständlichen Grundstück Nr x, EZ x der KG x Hinterstoder. Mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde Hinterstoder vom 25. April 2013 wurde den Bf der Erhaltungsbeitrag im Bauland gem § 28 Oö. ROG 1994 idHv € 75,-- zur Zahlung vorgeschrieben. Begründend führte der Bürgermeister aus, das verfahrensgegenständliche Grundstück sei unbebaut und im Flächen­widmungsplan als  Bauland ausgewiesen. Das Grundstück liege nicht mehr als 50 m vom nächstgelegenen gemeindeeigenen Kanalisationsstrang entfernt und sei daher gem §§ 28 Abs 4 iVm 25 Abs 4 Z 2 (wohl gemeint: Z 1) Oö. ROG 1994 durch diese Kanalisationsanlage aufgeschlossen. Gem § 28 Abs 3 Oö. ROG 1994 betrage der Erhaltungsbeitrag für ein durch eine gemeindeeigene Kanalisationsanlage aufgeschlossenes Grundstück € 0,15 / . Bei einer tatsächlichen Grundstücksgröße von 500 und einer für den Erhaltungsbeitrag anrechenbaren Grundstücksgröße von 500 errechne sich der Erhaltungsbeitrag durch die Multiplikation des Einheitssatzes mit der anrechenbaren Grundstücksgröße. Im vorliegenden Fall ergebe sich daher ein Erhaltungsbeitrag von € 75,--.

Im Bescheid des Bürgermeisters wurde entsprechend den abgabenrechtlichen Bestimmungen darauf hingewiesen, dass bei Zustellung an eine der im Bescheid genannten Personen die Zustellung an alle als vollzogen gelte. Der Bescheid wurde laut beiliegendem Rückschein am 30. April 2013 an den Erst-Bf zugestellt, womit er auch der Zweit-Bf gegenüber als zugestellt gilt.

 

2. Mit Schreiben vom 7. Mai 2013 erhoben die Bf Berufung („Einspruch“) gegen den Bescheid des Bürgermeisters vom 25. April 2013. Begründend führten die Bf aus, als Messpunkt für die Ermittlung des Abstandes vom Kanalstrang sei der in § 12 Abs 1 Z 2 Oö. Abwasserent­sorgungsgesetz 2001 definierte Messpunkt heranzuziehen. Nach dieser Bestimmung sei der Messpunkt dadurch zu ermitteln, „in dem der am weitesten in Richtung Kanalstrang vorspringende Teil des Objektes auf den Erdboden projeziert wird. Es besteht daher genau genommen für ein eventuell in Zukunft zu errichtendes Objekt keine Anschlusspflicht, da die 50m Distanz ab festgelegtem Anschlusspunkt nur ca. 0.5m über die Grundgrenze reicht, und nicht anzunehmen ist, dass ein Objekt so nahe an die Grundgrenze gebaut wird was auch von der Bauordnung her nicht möglich ist“.

 

3. Mit Schreiben vom 1. November 2013 urgierten die Bf die Erledigung ihres „Einspruches“. Eine Kopie dieses „Einspruches“ wurde beigelegt.

 

4. Mit Schreiben vom 10. Jänner 2014 teilte der Bürgermeister der Gemeinde Hinterstoder den Bf mit, der „Einspruch“ sei nicht am Gemeindeamt eingelangt. Zu den angesprochenen Unklarheiten führte der Bürgermeister aus, die Vorschreibung der Aufschließungsbeiträge und der Erhaltungsbeiträge sei unabhängig von der Anschlussverpflichtung nach dem Oö. Abwasserentsorgungs­gesetz 2001 zu sehen. Diese Bestimmungen seien demzufolge bei einem noch unbebauten Grundstück mangels vorhandenem Messpunkt nicht durchsetzbar.

 

5. Mit Schreiben vom 16. Jänner 2014 monierten die Bf abermals die – aus ihrer Sicht – absurde Gesetzeslage. In der Beilage übermittelten die Bf eine Bestätigung über die erfolgte Zustellung des „Einspruchs“. Aus diesem Dokument ergebe sich die Zustellung an das Gemeindeamt der Gemeinde Hinterstoder am 8. Mai 2013.

 

6. Mit Bescheid des Gemeinderates der Gemeinde Hinterstoder (im Folgenden: belangte Behörde) vom 18. April 2014 wurde die Berufung der Bf als unbegründet abgewiesen und der Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde Hinterstoder vom 25. April 2013 bestätigt. Nach (kurzer) Wiedergabe des bisherigen Verfahrensverlaufs ging die belangte Behörde zunächst auf die Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides ein. Nach Auffassung der belangten Behörde lasse die Bestätigung der Bf auf einen rechtzeitigen Eingang der Berufung schließen, weshalb von der fristgerechten Erhebung der Berufung auszugehen sei. Nach Wiedergabe der maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen führte die belangte Behörde zum Einwand der Bf, es sei der Messpunkt gem § 12 Abs 1 Z 2 Oö. Abwasserent­sorgungsgesetz 2001 heranzuziehen, aus, dass dies nicht möglich sei, da auf einem unbebauten Grundstück kein Gebäude vorhanden sein könne. Die Bestimmungen des Oö. Abwasserentsorgungs­gesetzes 2001 seien mangels nicht vorhandenem Messpunkt nicht durchsetzbar. „Die Vorschreibung von Aufschließungsbeiträgen bzw. in der Folge von Erhaltungsbeiträgen nach dem Oö. ROG 1994 ist daher unabhängig von der Anschlussverpflichtung nach dem Abwasserentsorgungsgesetz 2001 zu sehen“.

Der Bescheid enthält den Zustellungshinweis gem § 101 Bundesabgabenordnung und wurde laut beiliegendem Rückschein am 24. April 2014 an die Zweit-Bf zugestellt, womit die Zustellung auch dem Erst-Bf als vollzogen gilt.

 

7. Mit Schreiben vom 25. April 2014 (Poststempel: 25. April 2014), beim Gemeindeamt der Gemeinde Hinterstoder am 28. April 2014 eingelangt, erhoben die Bf Bescheidbeschwerde an das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. In der Sache wiederholen die Bf ihr Vorbringen aus ihrem Schreiben vom 16. Jänner 2014 und monieren die mangelhafte Begründung des Bescheides der belangten Behörde. Insbesondere wenden die Bf ein, für das verfahrensgegenständliche Grundstück bestehe nach dem Oö. Abwasserentsorgungsgesetz 2001 keine Anschlusspflicht, da ein Gebäude entsprechend den Vorschriften der Oö. Bauordnung nicht derart nahe an der Grundgrenze errichtet werden dürfe. Das Grundstück gelte nach Ansicht der Bf daher als nicht aufgeschlossen und könne das Oö. ROG 1994 wegen Nichterfüllung der Anschlusskriterien nicht zur Anwendung kommen.

 

8. Mit Schreiben vom 6. Mai 2014, beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich am 8. Mai 2014 eingelangt, legte die belangte Behörde unter ausdrücklichem Verzicht auf die Möglichkeit einer Beschwerdevorentscheidung die Bescheidbeschwerde zur Entscheidung vor.

II.

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorliegenden Verwaltungsakt. Weiters wurde seitens des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich in Bezug auf das Grundstück der Bf eine aktuelle Grundbuchsabfrage durchgeführt (ON 2 des verwaltungsgerichtlichen Aktes). Zudem wurde durch eine Anfrage beim Gemeindeamt der Gemeinde Hinterstoder erhoben, dass der im Beschwerdeverfahren relevante Flächenwidmungsplan nach wie vor unverändert in Geltung steht (ON 4 des verwaltungsgerichtlichen Aktes). Nach Aufforderung durch das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich wurde vom Gemeindeamt der Gemeinde Hinterstoder eine Skizze mit der genauen Lage des Kanalstranges im Nahbereich des verfahrensgegenständlichen Grundstückes (ON 5 des verwaltungs­gerichtlichen Aktes) sowie das Gemeinderatsprotokoll über die Beschlussfassung der Berufungsentscheidung beigebracht (ON 3 des verwaltungsgerichtlichen Aktes). Der unter Punkt I. dargelegte Sachverhalt und Verfahrensverlauf ergibt sich widerspruchsfrei aus den vorgelegten Verwaltungsakten und den erwähnten ergänzenden Ermittlungen des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich.

 

Da der entscheidungswesentliche Sachverhalt bereits nach der Aktenlage hinreichend geklärt war, sohin lediglich Rechtsfragen zu beantworten waren und die Bf weder in der Beschwerde noch in einem ergänzenden Schriftsatz einen Antrag auf Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung gestellt haben, war eine solche nicht durchzuführen.

III.

1. Gem Art 130 Abs 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Be-schwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit. Die Zuständigkeit des Landesverwaltungsgerichts Ober­österreich ergibt sich aus Art 131 Abs 1 B-VG und dem Nichtvorliegen von abweichenden Regelungen in den Abs 2 und 3 leg cit.

 

Die Bescheidbeschwerde ist daher zulässig.

 

2. Gem § 245 Abs 1 BAO beträgt die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid einer Behörde gem Art 130 Abs 1 Z 1 B-VG einen Monat. Gem § 249 Abs 1 BAO ist die Bescheidbeschwerde an das Verwaltungsgericht bei der Abgabenbehörde einzubringen, die den Bescheid erlassen hat.

 

Gem §§ 28 Abs 1 iVm 1 Abs 3 Oö. ROG 1994 iVm § 95 Oö. Gemeindeordnung 1990 war zur Entscheidung über die Berufung gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde Hinterstoder der Gemeinderat der Gemeinde Hinterstoder zuständig. Die Bescheidbeschwerde war daher beim Gemeindeamt der Gemeinde Hinterstoder einzubringen.

 

Der Bescheid der belangten Behörde wurde den Bf am 24. April 2014 zugestellt. Die dagegen erhobene Bescheidbeschwerde wurde am 25. April 2014 der Post übergeben und langte am Gemeindeamt der Gemeinde Hinterstoder am 28. April 2014 ein.

 

Die Bescheidbeschwerde ist daher auch rechtzeitig.

 

3. Gemäß § 272 Abs 1 BAO entscheidet das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich durch Einzel­richter, soweit gesetzlich nichts anderes angeordnet ist.

 

Gemäß § 279 Abs 1 BAO hat das Verwaltungsgericht außer in den Fällen des § 278 leg cit immer in der Sache selbst mit Erkenntnis zu entscheiden. Es ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheid­beschwerde als unbegründet abzuweisen.

 

4. Gem § 28 Abs 1 Oö. Raumordnungsgesetz 1994 (Oö. ROG 1994) LGBl 1993/114 idF LGBl 2013/90 hat die Gemeinde dem Eigentümer eines Grundstücks oder Grundstücksteils, das im rechtswirksamen Flächenwidmungs­plan als Bauland gewidmet, jedoch nicht bebaut ist, je nach Aufschließung des Grundstücks durch eine gemeindeeigene Abwasserentsorgungsanlage oder eine gemeindeeigene Wasserversorgungs­anlage jährlich einen Erhaltungsbeitrag vorzuschreiben. Die maßgeblichen Rechtsvorschriften lauten auszugsweise:

 

§ 25

Aufschließungsbeitrag im Bauland

 

(1) [...]

(2) [...]

(3) Als bebaut gilt ein Grundstück,

1. auf dem ein Gebäude errichtet ist, das nicht unter § 3 Abs. 2 Z 5 der Oö. Bauordnung 1994 fällt, oder

2. auf dem mit dem Bau eines solchen Gebäudes im Sinn der Oö. Bauordnung 1994 tatsächlich begonnen wurde oder

3. das mit einem Grundstück gemäß Z 1 und 2 eine untrennbare wirtschaftliche Einheit bildet und an dieses unmittelbar angrenzt.

 

(4) Als aufgeschlossen gilt ein Grundstück, wenn es selbständig bebaubar ist und

1.  von dem für den Anschluß in Betracht kommenden Kanalstrang nicht mehr als 50 m entfernt liegt oder

2. [...]

 

§ 28

Erhaltungsbeitrag im Bauland

 

(1) Die Gemeinde hat dem Eigentümer eines Grundstücks oder Grundstücksteils, das im rechtswirksamen Flächenwidmungsplan als Bauland gewidmet, jedoch nicht bebaut ist, je nach Aufschließung des Grundstücks durch eine gemeindeeigene Abwasserentsorgungsanlage oder eine gemeindeeigene Wasserversorgungsanlage jährlich einen Erhaltungsbeitrag vorzuschreiben.

(2) Die Verpflichtung zur Entrichtung des Erhaltungsbeitrags besteht ab dem fünften Jahr nach der Vorschreibung des entsprechenden Aufschließungsbeitrags. Sie endet mit der Vorschreibung der im § 26 Abs. 5 Z 1 und 2 genannten Beiträge oder der Entrichtung der entsprechenden privatrechtlichen Anschlußgebühr.

(3) Der Erhaltungsbeitrag beträgt für die Aufschließung durch eine Abwasserentsorgungsanlage 15 Cent und für die Aufschließung durch eine Wasserversorgungsanlage 7 Cent pro Quadratmeter.

(4) § 25 Abs. 3, 4, 6 und 7 sowie § 26 Abs. 1 Z 1, Abs. 4 und 7 gelten sinngemäß. (Anm: LGBl. Nr. 60/2000)

(5) Die Erhaltungsbeiträge sind ausschließliche Gemeindeabgaben im Sinn des § 6 Abs. 1 Z 5 des Finanz-Verfassungsgesetzes 1948.

(6) Nähere Bestimmungen über die Vorschreibung des Erhaltungsbeitrags kann die Landesregierung durch Verordnung festlegen.

 

IV.

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat erwogen:

 

1. Die Bf bringen in ihrer Beschwerde im Wesentlichen vor, die Vorschreibung eines Aufschließungs- bzw Erhaltungsbeitrages im Bauland iSd Oö. ROG 1994 sei unzulässig, da sich bei Berücksichtigung einer zulässigen Bebauung des Grundstückes nach den Bestimmungen über die Anschlusspflicht an die gemeindeeigene Kanalisationsanlage (§ 12 Abs 1 Oö. Abwasserentsorgungs­gesetz 2001) ergebe, dass das Grundstück nicht der Anschlusspflicht unterliege. Mit dieser Behauptung verkennen die Bf allerdings die Rechtslage:

 

2. Angesichts des nicht nur in Oberösterreich feststellbaren Überhangs von gewidmetem, aber nicht mobilisierbarem Bauland (vgl dazu ausführlich BlgLT AB 340/1993, 24. GP 19ff) verfolgt der Landesgesetzgeber seit Erlassung des Oö. Raumordnungsgesetzes 1994 (LGBl 1993/114) die Absicht, durch die Regelung eines sogenannten Aufschließungs- bzw Erhaltungsbeitrages Baulandspekulationen entgegen­zuwirken und ein vermehrtes Angebot an Baugründen sicherzustellen. Im Kern handelt es sich bei den Aufschließungsbeiträgen um Vorauszahlungen auf die Interessentenbeiträge für den Anschluss an eine gemeindeeigene Kanalisations- bzw Wasserversorgungs­anlage sowie für die Anbindung an das öffentliche Verkehrsnetz (Baumgartner, Berechnung und Anrechnung des Aufschließungs­beitrages nach dem oö ROG, bbl 2000, 59ff; implizit auch Steiner, Zum Aufschließungsbeitrag nach dem Oö Raumordnungsgesetz 1994, NZ 1994, 226f; sowie ausdrücklich BlgLT AB 1021/1997, 24. GP 6f; vgl diesbezüglich die Anrechnungsbestimmung gem § 26 Abs 5 ROG 1994). Der Gesetzgeber sieht daneben in § 27 Oö. ROG 1994 die Möglichkeit der Gewährung einer Ausnahme vom Aufschließungsbeitrag (Erhaltungsbeitrag) vor. Die Erteilung einer Ausnahmebewilligung hat allerdings zur Konsequenz, dass auf dem Grundstück vor Ablauf einer Frist von zehn Jahren weder bewilligungs- noch anzeigepflichtige Bauvorhaben errichtet werden dürfen (sog „Bausperre“).

 

Zur sachlichen Rechtfertigung und verfassungsrechtlichen Zulässigkeit von Aufschließungs- und Erhaltungsbeiträgen im Bauland konstatierte der Verfassungsgerichtshof beispielsweise in seinem Erkenntnis vom 26. Juni 2006, B 3261/05, ausdrücklich:

„[...] während die Grundlage für die Entrichtung des Aufschließungsbeitrages (insoweit dem Interessentenbeitrag verwandt) die Errichtungskosten der Kanalanlage darstellen, knüpft der Erhaltungsbeitrag an der Überlegung an, dass die Erhaltungskosten einer Abwasserentsorgungsanlage unabhängig davon bestehen, ob alle in ihrem Einzugsbereich liegenden Baugrundstücke bereits bebaut sind und damit der Anschlusspflicht und der Pflicht zur Entrichtung der Benützungsgebühren unterliegen oder nicht.

Jener Grundstückseigentümer, der sein Grundstück aus welchen Gründen immer nicht bebaut, soll daher nach dem Willen des Gesetzgebers dessen ungeachtet ebenfalls einen Beitrag zu den Erhaltungskosten beisteuern müssen. Das ist schon im Hinblick darauf sachlich gerechtfertigt, dass auch der Eigentümer unbebauter Grundstücke im Bauland von der mit der Aufschließung (und der damit im Fall der Bebauung gegebenen Anschlussmöglichkeit an einen öffentlichen Kanal) verbundenen Wertsteigerung des Grundstücks profitiert. Darüber hinaus ist die Maßnahme aber auch unter dem Gesichtspunkt sachlich gerechtfertigt, finanzielle Anreize zur Unterlassung der Bebauung zu vermeiden und solche zur Nutzbarmachung des Baulandes (‚Baulandmobilisierung‘) zu schaffen.“

 

3. Die hinter dem Regelungssystem stehende ratio lässt also erkennen, dass der Landesgesetzgeber angesichts eines massiven öffentlichen Interesses an leistbarem Bauland ein Regelungssystem geschaffen hat, das einen nicht unerheblichen Druck auf Grundstückseigentümer auszulösen vermag, das im Eigentum stehende Grundstück zu bebauen, zu veräußern oder das Risiko der befristeten Nichtbebaubarkeit und der damit potentiell möglichen Änderung des örtlichen Entwicklungskonzeptes bzw des Flächenwidmungsplanes auf sich zu nehmen. Systemimmanent ist diesem Regelungssystem daher das Vorliegen eines unbebauten Grundstückes, da die Bebauung einerseits gleichsam die Erfüllung des mit der Regelung verfolgten Zwecks bedeutet und andererseits die Pflicht zur Leistung des entsprechenden Interessentenbeitrages bei Erfüllung der diesbezüglichen Voraussetzungen auslöst.

 

4. Während insbesondere das Oö. Wasserversorgungsgesetz (§ 1 Abs 1) und das Oö. Abwasserentsorgungsgesetz 2001 (§ 12 Abs 1) bei der Festlegung des Anschlusszwangs bzw der Anschlusspflicht an das Bestehen eines Objektes (vgl dazu die Legaldefinition in § 2 Abs 1 Z 13 Oö. Abwasserentsorgungsgesetz 2001: „ein Gebäude, in dem bei bestimmungsgemäßer Nutzung häusliches oder betriebliches Abwasser anfällt“) anknüpfen, ist dies beim Aufschließungs- bzw Erhaltungsbeitrag im Bauland wesensmäßig (arg: „unbebaut“) ausgeschlossen. Das diesbezügliche Anknüpfungsmoment bildet daher der in Betracht kommende Abstand vom Grundstück zum Kanalstrang bzw zur Wasserversorgungsanlage. Dadurch und aufgrund eines Berechnungssystems, das von einer Durchschnittsbetrachtung ausgeht, kann es zu einem Auseinanderklaffen zwischen Aufschließungsbeitrag und tatsächlichem Interessentenbeitrag kommen. Diesbezügliche Ungleichheiten sind allerdings insofern unbeachtlich, „als bei der Vorschreibung der tatsächlichen Anschlussgebühren oder –beiträge ohnehin eine genaue Abrechnung erfolgt. Im Einzelfall kann es dabei auch zu Rückzahlungsverpflichtungen für die Gemeinde kommen. Darüber hinaus biete auch § 27 Abs. 5 [Anm: nun § 27 Abs 7 Oö. ROG 1994] entsprechende Möglichkeiten, auf geänderte Verhältnisse zu reagieren“ (BlgLT AB 340/1993, 24. GP 23). Angesichts der aufgezeigten systematischen Wechselwirkung zwischen Aufschließungs- bzw Erhaltungsbeitrag und Anschlusspflicht (Anschlusszwang) geht die belangte Behörde richtig und in gesetzmäßiger Weise von differenten Berechnungssystemen einerseits betreffend Aufschließungs- bzw Erhaltungs­beitrag und andererseits betreffend Anschlusspflicht bzw -zwang aus. Die von den Bf als „absurd“ bezeichnete Gesetzeslage ist daher lediglich Konsequenz des Vorauszahlungscharakters dieser Beiträge und wurde vom Gesetzgeber ausdrücklich bedacht und vom Verfassungsgerichtshof als sachlich gerechtfertigt und damit verfassungsrechtlich unbedenklich erachtet (vgl VfGH vom 26. Juni 2006, B 3261/05).

 

5. Wenn die Bf behaupten, ein Gebäude könne aufgrund der Oö. Bauordnung nicht so nahe an die Grundgrenze gebaut werden, so übersehen sie, dass es darauf bei der Berechnung des Aufschließungs- bzw Erhaltungsbeitrages eben – wie dargestellt – gerade nicht ankommt. Im Übrigen sei bemerkt, dass es die Oö. Bauordnung iVm dem Oö. Bautechnikgesetz durchaus zulässt, Gebäude auch an der Grundstücksgrenze zu errichten (vgl dazu insbesondere § 41 Abs 1 Z 5 Oö. Bautechnikgesetz, LGBl 2013/35 idgF).

 

6. Nach Ansicht des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich hat die belangte Behörde die Berechnung des Erhaltungsbeitrages entsprechend den gesetzlichen Vorgaben vorgenommen. Dies bestreiten auch die Bf nicht, verorten sie doch die „Rechtswidrigkeit“ auf Ebene des Gesetzes und weniger auf Ebene der Vollziehung.

 

Aufgrund des dargestellten Sachverhalts steht fest, dass das verfahrensgegenständliche Grundstück im rechtswirksamen Flächenwidmungs­plan als Bauland gewidmet, aber nicht bebaut ist. Es ist offenkundig auch bebaubar, da mit Bescheid vom 24. September 1991 eine Bauplatzbewilligung erteilt wurde (siehe dazu den Grundbuchsauszug unter ON 2 des verwaltungsgerichtlichen Aktes). Da sich die südliche Spitze des verfahrensgegenständlichen Grundstücks im 50m-Bereich des Kanalstranges befindet, gilt es auch als aufgeschlossen iSd §§ 28 Abs 4 iVm 25 Abs 4 Z 1 Oö. ROG 1994. Da die anrechenbare Grundstücksfläche (das ist jene Fläche des Grundstücks, die innerhalb von 50m vom Kanalstrang entfernt liegt) 500m² offenkundig nicht überschreitet, ist der Berechnung gem §§ 28 Abs 4 iVm 26 Abs 1 Z 1 Oö. ROG 1994 eine Fläche von 500m² zugrunde zu legen. Der Erhaltungsbeitrag errechnet sich gem §§ 28 Abs 3 iVm 26 Abs 1 Z 1 Oö. ROG 1994 aus dem Produkt zwischen Einheitssatz (15 Cent pro Quadratmeter) und der anrechenbaren Grundstücksfläche. Daraus ergibt sich auch für das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich konkret ein (jährlicher) Erhaltungsbeitrag von € 75,--.

 

7. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich sieht sich allerdings angesichts des vorliegenden Sachverhalts und der Äußerungen der Bf abschließend zu folgender Bemerkung veranlasst: Wenngleich der Kanalstrang ca 36 m von der nächstgelegenen Grundstücksgrenze entfernt liegt, so sind die Bedenken der Bf hinsichtlich des Nichtvorliegens einer künftigen Anschlusspflicht an die gemeindeeigene Kanalisationsanlage doch nachvollziehbar. Wie bereits weiter oben im Rahmen der ausführlichen Darstellung des Systems der Aufschließungs- und Erhaltungsbeiträge im Bauland dargestellt, hat der Landesgesetzgeber für derartige Fälle Vorsorge getroffen: Sollten sich nach der Vorschreibung oder der Entrichtung eines Aufschließungsbeitrages (Erhaltungsbeitrages) die Leistungsvoraussetzungen hinsichtlich eines bestimmten Grundstücks ändern, so sind die Beiträge neu zu berechnen und allenfalls zurückzuerstatten (§ 26 Abs 7 Oö. ROG 1994). Sollte sich also im Falle einer Bebauung des verfahrensgegenständlichen Grundstückes ergeben, dass aufgrund § 12 Abs 1 Oö. Abwasserentsorgungsgesetz 2001 tatsächlich keine Anschluss­pflicht vorliegt und die Grundstückseigentümer auch nicht freiwillig an die gemeindeeigene Kanalisationsanlage anschließen, so geht das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich im Rahmen einer verfassungskonformen Interpretation – unpräjudiziell – davon aus, dass die mangelnde Anschlusspflicht der Erteilung der Ausnahmebewilligung von der Anschlusspflicht iSd § 26 Abs 7 letzter Satz Oö. ROG 1994 gleichzuhalten ist und in einem solchen Fall die bereits geleisteten Beiträge gem § 26 Abs 7 leg cit zurückzuerstatten wären.

 

8. Im Ergebnis haben die Gemeindebehörden in gesetzeskonformer Weise den Erhaltungsbeitrag im Bauland berechnet und vorgeschrieben. Die Bedenken der Bf hinsichtlich der unklaren Rechtslage haben sich unter Berücksichtigung der systematischen Zusammenhänge zwischen Aufschließungs- und Erhaltungsbeitrag im Bauland respektive deren Vorauszahlungscharakter und der Anschlusspflicht nach dem Oö. Abwasserentsorgungsgesetz 2001 als unbegründet erwiesen.

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

9. Ergänzend ist abschließend darauf hinzuweisen, dass der im gemeindebehördlichen Spruch (Spruchpunkt 3.) zitierte § 157 Abs 1 Oö. Landesabgabenordnung 1996 schon seit 2009 nicht mehr in Geltung steht. Da allerdings § 210 Bundesabgabenordnung eine korrespondierende Regelung normiert, war eine diesbezügliche spruchmäßige Klarstellung nicht erforderlich.

 

V.

Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab (vgl VwGH 23.5.2013, 2010/15/0058), noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Die Abfassung und Einbringung der Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw eine bevollmächtigte Rechtsanwältin oder durch einen bevollmächtigten Wirtschaftstreuhänder bzw eine bevollmächtigte Wirtschaftstreuhänderin erfolgen. Für die Beschwerde bzw Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Dr. Astrid Lukas