LVwG-750176/12/ER/JW

Linz, 30.10.2014

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Dr. Elisabeth Reitter über die Beschwerde des A. W. S., geb.  x, vertreten durch Rechtsanwältin Mag. S. S.,  x-Straße x, W., gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 31. März 2014, Sich40-505-2010, wegen der Abweisung eines Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 16. Oktober 2014

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

I.         Gemäß § 28 Abs 1 und 2 VwGVG iVm § 41a Abs 9 NAG 2005 idF vor BGBl I 87/2012 wird der Beschwerde stattgegeben und dem Beschwerdeführer der Aufenthaltstitel „Rot-weiß-rot – Karte plus“ für zwölf Monate erteilt.

 

II.       Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG zulässig.


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.1. Mit Bescheid vom 31. März 2014, Sich40-505-2010, wies die Bezirkshauptmannschaft Wels-Land (im Folgenden: belangte Behörde) den Antrag des Beschwerdeführers (im Folgenden: Bf) auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot Karte plus“ wie folgt ab:

 

Aufgrund Ihres Antrags vom 25.07.2013 ergeht im Namen des Landeshauptmannes von Oberösterreich (Ermächtigungsverordnung LBGI. Nr. 12/2005) von der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land als Organ der mittleren Bundesverwaltung in erster Instanz folgender

Spruch:

 

Ihr Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels ‘Rot-Weiß-Rot - Karte plus’ zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK wird abgewiesen.

 

Rechtsgrundlage: § 41a Abs 9 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) in der       Fassung BGBl I Nr. 50/2012

 

Begründung:

 

Sie wurden am 01.01.1989 in J. geboren, sind afghanischer Staatsbürger und Angehöriger der Volksgruppe der Paschtunen mit sunnitischem Glaubensbekenntnis. Sie beherrschen die Sprachen Paschtu und Dari auf muttersprachlichem Niveau. Sie reisten schlepperunterstützt unter Umgehung der Grenzkontrollen auf unbekanntem Weg nach Österreich ein und stellten am 17.01.2010 bei der Erstaufnahmestelle Ost einen Asylantrag.

 

Dieser wurde vom Bundesasylamt mit Bescheid vom 21.06.2010 negativ beschieden und die Ausweisung verfügt. Die dagegen erhobene Beschwerde vom 06.07.2010 wurde vom Asylgerichtshof mit Erkenntnis vom 10.12.2012 abgewiesen. Der Verfassungsgerichtshof lehnte die Behandlung der dagegen eingebrachten Beschwerde mit Beschluss vom 06.06.2013 ab. Somit liegt seit 18.12.2012 eine rechtskräftige negative asylrechtliche Entscheidung verbunden mit einer Ausweisung vor.

 

Sie konnten im Verfahren keine unbedenklichen Identitäts-Dokumente vorweisen, lediglich einen afghanischen Gewerbeschein, eine Steuerzahlungsbestätigung und ein Arbeitszeugnis.

 

Sie wohnten nach Ihrer Einreise einige Tage in der Bundesbetreuungsstelle, anschließend seit 25.01.2010 in W. an der T., xstraße x.

 

Am 25.07.2013 stellten Sie bei der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land einen Antrag auf Erteilung einer ‘Rot-weiß-rot Karte plus’ gemäß § 41a Abs 9 NAG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK.

 

Am 11.02.2014 wurde von der Behörde eine Stellungnahme der LPD Oö. gem. § 44b Abs 2 NAG angefordert. In der Stellungnahme der LPD Oö. vom 17.02.2014 wurde festgestellt, dass sämtliche ins Treffen geführte Umstände bereits im abweisenden Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 30.09.2011 berücksichtigt worden seien und sich somit fremdenpolizeiliche Maßnahmen auch unter Berücksichtigung des Art. 8 EMRK als zulässig erweisen würden. Mit Schreiben vom 11. März 2014 wurden Sie bezüglich der negativen Stellungnahme der Sicherheitsdirektion für Oberösterreich in Kenntnis gesetzt.

 

In der durch Ihre rechtsfreundliche Vertretung eingebrachten Stellungnahme entgegnen Sie, dass Ihnen der unsichere Aufenthalt nicht bereits mit der negativen erstinstanzlichen Asylentscheidung bewusst war, sondern dass Sie aufgrund des eingebrachten Rechtsmittels legitimermaßen Hoffnung auf eine positive Entscheidung hatten. Zudem sind seit der Ausweisungsentscheidung nunmehr 15 Monate vergangen und hätte sich der Sachverhalt betreffend der Integration in Österreich zu Ihren Gunsten verändert. Sie kritisierten, dass es der Argumentation der LPD folgend im Laufe der Zeit niemals einen veränderten Integrationssachverhalt (Sprache, Arbeit, soziale Kontakte) zugunsten des Antragstellers geben könne, weil dies immer ein längerer Prozess sei und sich nicht auf einen konkreten Punkt beziehen ließe. Tatsache sei, dass Sie als Ausgangsvoraussetzung für Ihre Integration eine A2-Deutschprüfung abgelegt haben und dies als Teil von gelungener Integration zu werten sei. Sie würden sich derzeit auf die B1-Prüfung vorbereiten. Außerdem belegten die verbindlichen Einstellungsbestätigungen der Firma
x KG sowie der ‘H.-R.’, dass Sie im Falle der Erteilung des Aufenthaltstitels wirtschaftlich abgesichert wären. Auch die Tatsache, dass Sie in Herrn Mag. A. P. einen Paten und Freund gefunden haben, welcher Sie in allen Lebenslagen unterstützt und für Sie für drei Jahre die wirtschaftliche Verantwortung in Form einer Haftungserklärung übernommen hat, sei in der Stellungnahme der LPD Oö. nicht mit einbezogen worden. Über die bestehenden psychischen Probleme sei in der Stellungnahme ebenfalls nicht eingegangen worden. Sie haben in jüngster Vergangenheit einen Erste-Hilfe-Kurs absolviert, sind Mitglied des Roten Kreuzes und haben sich dadurch freiwillige engagiert und soziale Kontakte knüpfen können, auch mit österreichischen Staatsbürgern. Dies würde durch die vorgelegte Unterschriftenliste dokumentiert. Sie gaben weiters an, dass Sie in Afghanistan keine Familie mehr hätten, keine Lebensgrundlage und soziale Anknüpfungspunkte und seit mehr als vier Jahren Österreich Ihr Lebensmittelpunkt sei.

 

...

zu 1.:

Gegen Sie liegt weder ein Aufenthalts- oder Rückkehrverbot nach §§ 60 und 62 FPG, noch ein Aufenthaltsverbot eines anderen EWR-Staates oder eine verfahrensrelevante Aufenthaltsehe, -Partnerschaft oder -adoption vor.

 

zu 2.:

Gemäß § 11 Abs. 3 NAG kann ein Aufenthaltstitel trotz Vorliegens eines Erteilungshindernisses erteilt werden, wenn dies zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist. Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens sind insbesondere zu berücksichtigen:

 

1.    die Art und Dauer des Aufenthalts und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen rechtswidrig war:

Sie stellten nach Ihrer Einreise am 17.01.2010 einen Asylantrag. Dieser wurde am 21.06.2010 in erster und am 18.12.2012 rechtskräftig in zweiter Instanz abgewiesen und die Ausweisung verfügt. Die Behandlung der dagegen erhobenen Beschwerde am 06.06.2013 vom VfGH abgelehnt. Am 25.07.2013 stellten Sie einen Antrag auf humanitären Aufenthalt gem. § 41a Abs 9 NAG. Der rechtmäßige Aufenthalt aufgrund des Asylverfahrens dauerte somit knapp 3 Jahre, der unrechtmäßige Aufenthalt in Österreich bisher 15 Monate.

 

2.    das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens:

 

Sie sind ledig, haben keine Kinder und auch keine sonstigen Verwandten in Österreich. Somit ist von keinem bestehenden Familienleben in Österreich auszugehen.

 

3.    die Schutzwürdigkeit des Privatlebens:

 

Sie sind körperlich gesund, waren jedoch im August 2013 aufgrund einer mittelgradigen depressiven Episode in ärztlicher Behandlung. Die medikamentöse Therapie kann jedoch selbstständig ohne ärztliches Zutun erfolgen.

Es liegen Unterstützungserklärungen von 21 Personen aus dem näheren Umkreis vor, die Ihnen einen großen Integrationswillen bzw. eine schon erfolgte Integration bescheinigen. Sie haben einen intensiven persönlichen Kontakt zum österreichischen Staatsbürger Mag. A. P., der sich für Ihren Verbleib im Land einsetzt, Sie fördert und seit 01.03.2013 für Sie als Pate gem. § 2 Abs 1 Z 18 NAG für sämtliche Kosten im Zusammenhang mit Krankenversicherung, Unterkunft, Unterhaltsmittel und Verfahrenskosten für die Dauer von drei Jahren bürgt. Die Behörde anerkennt, dass die Abgabe einer solchen Erklärung eine tiefergreifende persönliche Beziehung bedingt.

 

4.    der Grad der Integration:

 

Am 24.04.2013 haben Sie die Deutschprüfung auf Niveau A2 bestanden. Sie sind bisher noch keiner sozialversicherungspflichtigen Tätigkeit nachgegangen. Sie haben sich jedoch bereits für ehrenamtliche Tätigkeiten zur Verfügung gestellt (z.B. bei der Gemeinde W. a. d. T. für Winterdienste, beim Roten Kreuz, Dolmetschdienste im Asylheim W., Hilfsdienste im Bezirksalten- und Pflegeheim M.) und einen Erste-Hilfe-Grundkurs absolviert.

Sie versuchen derzeit, einen Pflichtschulabschluss über das Grundbildungszentrum L. zu erlangen. Sie geben an, dass Sie anschließend eine Ausbildung als Gesundheits- und Krankenpfleger absolvieren möchten.

Es liegt eine verbindliche Einstellungsbestätigung der Firma x KG über eine Einstellung als Hilfsarbeiter für 30 Wochenstunden vom 05.12.2013 vor. Die zweite Einstellungszusage der H.-R. ist aufgrund der wirtschaftlichen Lage des Betriebes auf unbestimmte Zeit widerrufen worden.

Die Behörde übersieht nicht, dass Ihnen im Laufe Ihrer Aufenthaltsdauer und aufgrund des fördernden Umfelds eine gewisse Integration gelungen ist.


 

 

5.    die Bindung zum Heimatstaat des Drittstaatsangehörigen;

 

Ihre Angaben zur persönlichen Bedrohungslage in Afghanistan wurden vom Asylgerichtshof in seiner Entscheidung vom 10.12.2012 wohlbegründet als widersprüchlich, unplausibel und als insgesamt nicht glaubhaft erachtet.

Ihr Vater und drei Ihrer Brüder leben nach wie vor in Afghanistan. Sie haben seit Ihrer Geburt bis zum Jahr 2010 in Afghanistan gelebt und beherrschen die offiziellen Landessprachen auf muttersprachlichem Niveau. Zudem sind Sie als Paschtune Mitglied der größten Volksgruppe und als Sunnit auch Mitglied der größten Religionsgemeinschaft des Landes.

Sie besitzen eine afghanische Gewerbeberechtigung für das Gewerbe des Fleischhauers und haben diese Tätigkeit in Afghanistan mehr als 10 Jahre im Geschäft Ihres Vaters ausgeübt.

 

6.    die strafrechtliche Unbescholtenheit:

 

Im Strafregister der Republik Österreich scheint eine Verurteilung des BG Wels vom 10.01.2013 wegen Körperverletzung zu einer teilbedingten Geldstrafe auf. Somit liegt keine strafrechtliche Unbescholtenheit vor.

 

7.    Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts:

 

Sie wurden von der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land am 07.03.2013 wegen illegalem Aufenthalt gem. § 120 Abs 1a NAG bestraft, nachdem Sie trotz rechtskräftiger asylrechtlicher Ausweisung das Land nicht verlassen haben.

 

8.    die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Drittstaatsangehörigen in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren:

 

Sie mussten sich seit der negativen erstinstanzlichen Entscheidung über Ihren Asylantrag, somit seit 21.06.2010 des unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein. Die Patenschaft des Mag. P. besteht seit dem 01.03.2013.

 

9.    die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist:

 

Ihr Asylverfahren dauerte über alle Instanzen etwa 3,5 Jahre. Das anschließende niederlassungsrechtliche Verfahren bisher 8 Monate. In Anbetracht der Tatsache, dass sämtliche Rechtsmittel ausgeschöpft wurden, ist nicht von einer überlangen behördlichen Verzögerung des Verfahrens auszugehen.

 

In Abwägung der Aspekte kommt die Behörde zum Ergebnis, dass das öffentliche Interesse der Republik Österreich an einem geordneten Fremdenwesen ihre Interessen an einem Verbleib im Bundesgebiet überwiegt.

 

Zu Ihren Gunsten wiegt der knapp dreijährige rechtmäßige Aufenthalt und damit verbunden eine gewisse sprachliche und soziale Integration in das österreichische Umfeld sowie der tiefgreifende persönliche Kontakt mit Ihrem Paten sowie die sich daraus ergebende wirtschaftliche Perspektive, die auch durch die Einstellungszusage unterstützt wird.

Auf der anderen Seite ist Ihnen jedoch eine strafrechtliche Verurteilung wegen Körperverletzung anzulasten sowie die Tatsache, dass die Behörde Ihre allgemeine Glaubwürdigkeit durch widersprüchliche Aussagen in Zweifel ziehen muss. So halten Sie an den Angaben über die Bedrohung durch die Taliban fest, die Sie jederzeit finden und Ihr Lebens bedrohen würden, obwohl sich diese im Asylverfahren als widersprüchlich und unschlüssig erwiesen haben. Insbesondere der angegebene Grund für die Bedrohungslage, dass Sie lediglich als Mitarbeiter der Fleischerei an (bei den Amerikanern beschäftigte) afghanische Dolmetscher Fleisch verkauft hätten sowie dass Sie sich im Anschluss ein Monat lang im Elternhaus verstecken konnten ohne dort von den Bedrohern gesucht worden zu sein, vermindert Ihre persönliche Glaubwürdigkeit. Weiters gaben Sie in der jüngsten Stellungnahme an, in Afghanistan keine Familie, keine Lebensgrundlage und keine sozialen Anknüpfungspunkte zu haben. Bei der niederschriftlichen Einvernahme am 28.11.2013 gaben Sie demgegenüber aber an, dass Ihre Familie noch in Afghanistan sei, sie jedoch seit 2 Jahren keinen Kontakt mehr zu Ihrem Vater hätten, da sein Handy gesperrt wäre. In der Entscheidung des Asylgerichtshofes vom 10.12.2012 wird hingegen dargestellt, dass es Ihnen im fortgeschrittenen Asylverfahren möglich war, durch ein Telefonat mit Ihrem Vater in Afghanistan innerhalb einer Woche die von Ihnen vorgelegten Dokumente (Arbeitszeugnis, Gewerbeberechtigung) zu erhalten. Bis zum heutigen Tage ist es Ihnen hingegen nicht gelungen, Ihre Identität durch einen glaubwürdigen Ausweis zweifelsfrei zu belegen.

 

Die Behörde geht entgegen Ihren Angaben von einer bestehenden Bindung zum Heimatland aus. Sie haben den Großteil Ihres bisherigen Lebens in Afghanistan verbracht, gehören dort der Mehrheitsgesellschaft und Mehrheitsreligion an, haben dort sowohl Familie als auch im Betrieb des Vaters wirtschaftliche Perspektiven. Deshalb sieht die Behörde die Zumutbarkeit für eine neue Auseinandersetzung mit Ihrem Heimatland als gegeben an.

 

Somit war spruchgemäß zu entscheiden.

 

I.2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die rechtzeitige Beschwerde des Bf, in der er beantragt, das Landesverwaltungsgericht möge

a) eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung anberaumen,

b) den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 31. März 2014, Sich40-505-2010, dahingehend abändern, dass dem Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels Rot-Weiß-Rot-Karte Plus gem. § 49a Abs. 9 NAG 2005 stattgegeben wird, in eventu

c) den gegenständlichen Bescheid aufheben und zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an die Erstinstanz zurückverweisen.

 

Begründend führt der Bf dazu Folgendes aus:

„Ich erhebe mein gesamtes bisheriges Vorbringen zum integrierenden Bestandteil dieses Beschwerdeschriftsatzes und hätte bei richtiger rechtlicher Beurteilung eine inhaltlich anderslautende Entscheidung, insbesondere keine zurückweisende Entscheidung, getroffen werden müssen.

 

Hinsichtlich der Schutzwürdigkeit des Privatlebens führt die Erstinstanz aus, dass ich, A. W. S., gesund wäre, jedoch seit August 2013 aufgrund einer mittelgradigen depressiven Episode in ärztlicher Behandlung wäre und die medikamentöse Therapie jedoch selbständig ohne ärztliches Zutun erfolgen würde.

 

Diese Ansicht der Erstbehörde ist nicht zutreffend. Wie den ärztlichen Befundberichten im Akt aufliegend entnommen werden kann, musste der Beschwerdeführer aufgrund akuter psychologischer Krisen ambulant im Krankenhaus aufgenommen und behandelt werden und ist neben der medikamentösen Behandlung eine derzeit stattfindende Gesprächstherapie über das O. Therapiezentrum der Volkshilfe, Flüchtlingsbetreuung, von enormer Wichtigkeit für den Beschwerdeführer. Der Beschwerdeführer wird konkret seit Sommer 2013 intensiv psychologisch betreut und hat sich sein Allgemeinzustand, inklusive der psychischen Verfassung, insbesondere aufgrund dieser Gesprächstherapien, welche regelmäßig durchgeführt werden, sehr stabilisiert und gebessert und legt Herr S. positiven Lebenswillen und Ehrgeiz zum Fortkommen in Österreich an den Tag, Es wurde vom Klinikum W.-G. beim Beschwerdeführer eine mittelgradige depressive Episode sowie eine psychosoziale Belastungssituation letzten Sommer diagnostiziert, welche nach wie vor behandlungsbedürftig ist, dies jedoch nicht nur medikamentös, sondern auch durch Gesprächstherapie mit regelmäßigen Sitzungen, welche Herrn S. sehr gut tun. Aus diesem Grund ist es von großer Bedeutung, dass der Beschwerdeführer seine Gesprächstherapie und nicht nur die medikamentöse Behandlung in Österreich fortsetzen kann, damit sich der psychische Zustand nicht verschlechtert.

 

Die Erstinstanz anerkennt, dass die von Herrn Mag. A. P. abgegebene Patenschaftserklärung eine tiefgreifende persönliche Beziehung voraussetzt und ein intensiver persönlicher Kontakt zum österreichischen Staatsbürger Herrn Mag. A. P., welcher sich für den Verbleib des Beschwerdeführers im Land einsetzt, bestehen würde. Zudem liegen Unterstützungserklärungen von 21 Personen aus dem näheren Umkreis vor, die einen großen Integrationswillen bzw. eine schon erfolgte Integration bescheinigen.

 

Aus den zahlreichen vorgelegten Unterlagen ergibt sich, dass Herr A. W. S. in Österreich über tiefgreifende Beziehungen verfügt und es ihm gelungen ist, sich in der ihm in Österreich verbliebenen Zeit bestmöglich zu integrieren. Dies trotz der Tatsache, dass der Beschwerdeführer an sich über keine familiären Beziehungen in Österreich verfügt und auch noch keine eigene Kernfamilie gegründet hat.

 

Die Erstinstanz geht in der Beweiswürdigung davon aus, dass der tiefgreifende persönliche Kontakt mit dem Paten Herrn Mag. A. P. jedenfalls zugunsten des Beschwerdeführers ausschlaggebend sein würde. Dies ebenso durch das Vorliegen einer verbindlichen Einstellungszusage und der bisherigen Aktivitäten auch in freiwilliger Hinsicht des Beschwerdeführers.

 

Der Beschwerdeführer wurde am 10.01.2013 vom Bezirksgericht Wels wegen Körperverletzung zu einer teilbedingten Geldstrafe verurteilt. Bei dieser Verurteilung wird um Berücksichtigung ersucht, dass der Beschwerdeführer augenscheinlich im Flüchtlingsheim mit einem anderen Bewohner eine Auseinandersetzung hatte und auch er bei dieser verletzt wurde. Es wurde zuvor versucht, einen außergerichtlichen Tatausgleich durchzuführen, Herr S. ging zum Termin bei Neustart wie vorgeladen hin, augenscheinlich dürfte jedoch der andere Beteiligte nicht gekommen sein und scheiterte so der außergerichtliche Tatausgleich. Den beiliegenden Gerichtsunterlagen ist zu entnehmen, dass das Urteil in Abwesenheit des Herrn S. getroffen würde, er war unvertreten und erschien verspätet zur Verhandlung, da der Bus im Winter Probleme hatte und hatte er aus diesem Grund Verspätung. Der unbedingte Teil der Geldstrafe wurde von Herrn S. einbezahlt und ist zu berücksichtigen, dass sich der Beschwerdeführer mittlerweile einer Psychotherapie unterzogen hat und seine Gesamtsituation und auch ein anfälliges Aggressionspotential, welches in diesem Fall nicht nur von Herrn S., sondern auch vom anderen Beteiligten, welcher jedoch nicht mehr in Österreich aufhältig sein dürfte, ausgegangen ist, eingedämmt wurde.

 

Die einmalige strafrechtliche Verurteilung des Beschwerdeführers ist unter diesem Gesichtspunkt einer gesonderte Betrachtung zuzuführen und werden der gegenständlichen Beschwerde alle Unterlagen des Verfahrens beigelegt, damit sich die Beschwerdeinstanz von der erfolgten Verurteilung und einer daraus allenfalls resultierenden Gefahr der öffentlichen Ordnung und Sicherheit ein eigenständiges Bild machen kann.

 

Die erstinstanzliche Behörde führt als zusätzlichen negativen Aspekt an, dass Herr S. von der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land am 7.3.2014 wegen illegalem Aufenthalt bestraft wurde, nachdem er trotz rechtskräftiger asylrechtlicher Ausweisung das Land nicht verlassen habe.

 

Diesbezüglich ist auszuführen, dass Herr S. zum ehest möglichen Zeitpunkt alle rechtlichen Schritte unternommen hat, um seinen Aufenthaltsstatus in Österreich rechtlich auf eine entsprechende Grundlage zu stellen und der subjektive Wille zu einem illegalen Aufenthalt in Österreich zu keinem Zeitpunkt vorhanden war. Es ist ein gerechtfertigtes Interesse gestellte Anträge in Österreich abzuwarten und kann dem Bf in diesem Punkt kein vorsätzlicher Verstoß gegen die österreichische Rechtsordnung und die in diesem Lande herrschenden Wertvorstellungen vorgeworfen werden.

Zudem ist zu berücksichtigen, dass der Pate von Herrn S. seinen finanziellen Verpflichtungen aus der Patenschaftserklärung nachgekommen ist und die Strafe ordnungsgemäß bezahlt wurde.

 

Die Erstinstanz führt als negativ aus, dass die Behörde die allgemeine Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers durch widersprüchliche Aussagen in Zweifel ziehen müsse. So würde Herr A. W. S. die Angaben über die Bedrohung durch die Taliban aufrecht erhalten, obwohl diese im Asylverfahren als widersprüchlich und unschlüssig beurteilt worden wären. Insbesondere würde der angegebene Grund für die Bedrohungslage, dass der Beschwerdeführer lediglich als Mitarbeiter der Fleischerei an bei den Amerikanern beschäftigte afghanische Dolmetscher Fleisch verkauft hätte, sowie dass er sich im Anschluss ein Monat lang im Elternhaus verstecken hätte können, ohne dort von den Taliban gesucht worden zu sein, die persönliche Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers stark vermindern.

Zu dieser Argumentation ist grundsätzlich anzumerken, dass die Beurteilung der Glaubwürdigkeit der Aussagen im Asylverfahren keinen Einfluss auf die Beurteilung einer allfälligen Glaubwürdigkeit im gegenständlichen Verfahren haben dürfte und dies auch gesetzlich so nicht normiert ist. Die Beurteilung der Glaubwürdigkeit der Asylgründe ist nicht Aufgabe der Niederlassungsbehörde und darf dies im Verfahren keine Rolle spielen. Abgesehen von diesem Aspekt ist das Vorbringen des Beschwerdeführers vor den allgemeinen Länderinformationen (vermutete Kollaboration mit den Amerikanern) keinesfalls von vornherein als unglaubwürdig einzustufen und ist aus diesem Grund die gegenständliche Argumentation nicht nachvollziehbar.

 

Die Erstinstanz führt gegen den BF und seine Glaubwürdigkeit sprechend an, dass er angegeben hätte, seit mehr als zwei Jahren keinen Kontakt mehr zu seiner Kernfamilie in Afghanistan zu haben, im Asylverfahren hingegen wäre es ihm gelungen, seinen Vater telefonisch zu kontaktieren und hätte ihm dieser innerhalb kürzester Zeit aus Afghanistan den Gewerbeschein für die Fleischhauerei sowie eine Arbeitsbescheinigung geschickt. Dies würde gegenteilig zu den Aussagen des BF belegen, dass dieser sehr wohl noch über umfassende familiäre Bindungen zu seinem Heimatland Afghanistan verfügt. Zudem würde der BF seine Identität durch keinerlei Ausweisdokumente belegen können.

 

Diese Argumentation ist nicht stichhältig, da der BF seit dem besagten Telefonat tatsächlich trotz umfassenden Bemühungen nicht in der Lage gewesen ist, einen Kontakt zu seiner Familie herzustellen. Dies liegt in seinem eigenen Interesse und leidet der BF persönlich sehr darunter, dass es ihm seit langer Zeit nicht gelungen ist, etwas über den Verbleib seiner Familie herauszufinden.

 

Hinsichtlich seiner Identitätsdokumente hat der BF glaubhaft geschildert, dass er eine Geburtsurkunde sowie einen Reisepass besessen hat, diese im Zuge seiner Flucht jedoch an die Schlepper abgeben musste und er letztendlich erfahren hat, dass die Schlepper seine Dokumente einfach weggeworfen hatten.“

 

I.3. Am 16. Oktober 2014 fand vor dem Oö. Landesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung statt. Das Oö. Landesverwaltungsgericht hat Beweis erhoben durch die Ausführungen im Rahmen der öffentlichen

mündlichen Verhandlung, sowie durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt und die ergänzenden Schriftsätze.

 

I.4. Das Oö Landesverwaltungsgericht geht von folgendem entscheidungsrelevanten  S a c h v e r h a l t  aus:

 

Der Bf wurde am 1. Jänner 1989 in J. geboren, ist afghanischer Staatsbürger und Angehöriger der Volksgruppe der Paschtunen mit sunnitischem Glaubensbekenntnis. Er beherrscht die Sprachen Paschtu und Dari auf muttersprachlichem Niveau. Er reiste schlepperunterstützt illegal auf unbekanntem Weg nach Österreich ein und stellte am 17. Jänner 2010 bei der Erstaufnahmestelle Ost einen Asylantrag. Dieser wurde vom Bundesasylamt mit Bescheid vom 21.Juni 2010 negativ beschieden und die Ausweisung verfügt. Die dagegen erhobene Beschwerde vom 6. Juli 2010 wurde vom Asylgerichtshof mit Erkenntnis vom 10. Dezember 2012 abgewiesen. Der Verfassungsgerichtshof lehnte die Behandlung der dagegen eingebrachten Beschwerde mit Beschluss vom 6. Juni 2013 ab. Seit 18. Dezember 2012 liegt eine rechtskräftige negative asylrechtliche Entscheidung verbunden mit einer Ausweisung vor. Bis zu seiner Einreise nach Österreich lebte der Bf in Afghanistan.

 

Der Bf ist im Besitz eines afghanischen Gewerbescheins für das Gewerbe der Fleischhauerei. Außerdem besitzt der Bf eine Geburtsurkunde, die auf seinen Antrag von der afghanischen Botschaft ausgestellt wurde.

 

Der Bf hat am 24. April 2013 die Deutschprüfung auf dem Niveau A2 abgelegt, und eine 16-stündige Freiwilligenausbildung für die Gesundheits- und Sozialen Dienste (Basisausbildung) sowie einen 16-stündigen Erste-Hilfe-Kurs beim Österreichischen Roten Kreuz absolviert. Ferner nahm der Bf von März 2014 bis Juli 2014 an Volkshochschulkursen in Deutsch und Mathematik teil, da er beabsichtigt, den Pflichtschulabschluss nachzuholen. Der Bf nimmt derzeit an Kursen der Volkshochschule L. zur Vorbereitung auf die Lehrabschlussprüfung teil und beabsichtigt, im Anschluss daran eine Ausbildung als Altenpfleger bzw Pflegehelfer zu beginnen.

 

Der Bf hat von sich aus ehrenamtliche Hilfstätigkeit angeboten, etwa im Rahmen des Winterdienstes der Gemeinde W. Im Asylwerberheim W. übernimmt der Bf regelmäßig ehrenamtlich Dolmetschertätigkeiten und hat vor rund drei Monaten im Altenheim W. einmal wöchentlich über einen Zeitraum von fünf Wochen ausgeholfen. Ferner stellt er sich seit rund drei Jahren regelmäßig freiwillig als Dolmetsch für die Gruppenpraxis für Allgemeinmedizin Dr. W./Dr. I. OG in W. zur Verfügung.

 

Der Bf ist im Besitz einer verbindlichen Einstellungszusage und seit 1. März 2013 einer Patenschaftserklärung, wonach Mag. A. P. gemäß § 2 Abs 1 Z 18 NAG als Pate für sämtliche Kosten im Zusammenhang mit Krankenversicherung, Unterkunft, Unterhaltsmittel und Verfahrenskosten für die Dauer von drei Jahren bürgt. Ferner verfügt der Bf über zahlreiche Unterstützungserklärungen.

 

Der Bf wurde am 10. Jänner 2013 vom Bezirksgericht Wels wegen einer am
9. März 2012 begangenen Körperverletzung zu einer teilbedingten Geldstrafe verurteilt.

Am 7. März 2014 wurde der Bf von der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land wegen illegalen Aufenthalts gemäß § 120 Abs 1a FPG bestraft.

 

Seit Sommer 2013 befindet sich der Bf in psychologischer Betreuung, da bei ihm im August 2013 im Rahmen eines stationären Aufenthalts im Klinikum W.-G. eine mittelgradige depressive Episode sowie eine psychosoziale Belastungssituation diagnostiziert wurden. Er absolviert deshalb immer noch regelmäßig eine Gesprächstherapie und benötigt aufgrund seiner psychischen Probleme regelmäßig Medikamente gegen Schlafstörungen und Atemnot.

 

 

II. Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich widerspruchsfrei aus dem vorgelegten Verwaltungsakt und den Aussagen des Bf und des Zeugen
Mag. A. P. im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung. Ferner legte der Bf Bestätigungen über seine ehrenamtlichen Tätigkeiten und seine laufende Ausbildung vor.

 

 

III. Gemäß § 81 Abs 23 NAG 2005 idgF sind Verfahren gemäß §§ 41a Abs 9 und 10, 43 Abs 3 und 4 sowie 69a Abs 1 Z 1 bis 3 in der Fassung vor dem Bundesgesetz BGBl I Nr 87/2012, welche vor dem 1. Oktober 2013 bei der Behörde gemäß § 3 Abs 1 anhängig wurden und am 31. Dezember 2013 noch anhängig sind, sind auch nach Ablauf des 31. Dezember 2013 von der Behörde gemäß § 3 Abs 1 nach den Bestimmungen des Bundesgesetzes in der Fassung vor dem BGBl I Nr 87/2012 (in der Folge: NAG 2005 aF) zu Ende zu führen

 

Gemäß § 41a Abs 9 NAG 2005 aF ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen (§ 44a) oder auf begründeten Antrag (§ 44b), der bei der örtlich zuständigen Behörde im Inland einzubringen ist, ein Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte Plus“ zu erteilen, wenn

1.   kein Erteilungshindernis gemäß § 11 Abs 1 Z 1, 2 oder 4 vorliegt,

2.   dies gemäß § 11 Abs 3 zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK geboten ist und

3.   der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung (§ 14a) erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine Erwerbstätigkeit ausübt.

 

Gemäß § 44a Abs 1 erster Satz NAG hat die Behörde einen Aufenthaltstitel gemäß §§ 41a Abs 9 oder 43 Abs 3 von Amts wegen zu erteilen, wenn eine Ausweisung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 10 AsylG 2005 oder eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG jeweils auf Grund des § 61 FPG rechtskräftig auf Dauer für unzulässig erklärt wurde.

 

Liegt kein Fall des § 44a Abs 1 vor, sind gemäß § 44b Abs 1 NAG Anträge gemäß §§ 41a Abs 9 oder 43 Abs 3 als unzulässig zurückzuweisen, wenn

1. gegen den Antragsteller eine Ausweisung rechtskräftig erlassen wurde

...

und aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 11 Abs 3 ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nicht hervorkommt.

 

Gemäß § 11 Abs 1 NAG dürfen Aufenthaltstitel einem Fremden nicht erteilt werden, wenn

1. gegen ihn eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG erlassen wurde oder ein aufrechtes Rückkehrverbot gemäß § 54 FPG oder ein aufrechtes Aufenthaltsverbot gemäß § 63 oder 67 FPG besteht;

2. gegen ihn eine Rückführungsentscheidung eines anderen EWR-Staates oder der Schweiz besteht;

...

4. eine Aufenthaltsehe, Aufenthaltspartnerschaft oder Aufenthaltsadoption (§ 30 Abs 1 oder 2) vorliegt;

...

 

Gemäß § 11 Abs 3 NAG kann ein Aufenthaltstitel trotz Vorliegens eines Erteilungshindernisses gemäß Abs 1 Z 3, 5 oder 6 sowie trotz Ermangelung einer Voraussetzung gemäß Abs 2 Z 1 bis 6 erteilt werden, wenn dies zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Europäische Menschenrechtskonvention – EMRK), BGBl Nr 210/1958, geboten ist. Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen rechtswidrig war;

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens;

4. der Grad der Integration;

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Drittstaatsangehörigen;

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit;

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts;

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Drittstaatsangehörigen in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren;

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

 

Gemäß § 14a Abs 4 Z 1 NAG ist das Modul 1 der Integrationsvereinbarung erfüllt, wenn der Drittstaatsangehörige einen Deutsch-Integrationskurs besucht und einen Nachweis des Österreichischen Integrationsfonds über den erfolgreichen Abschluss des Deutsch-Integrationskurses vorlegt.

 




 

IV. Das Oö. LVwG hat erwogen:

 

VI.1. Zu seiner Zuständigkeit und der einschlägigen Rechtslage:

 

Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die Verwaltungsgerichte anhand der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt ihrer Entscheidung vorzugehen haben (vgl etwa Fister/Fuchs/Sachs, § 28 VwGVG Anm 7 mwN; Wiederin, Der Umfang der Bescheidprüfung durch das Verwaltungsgericht im Parteibeschwerdeverfahren, ÖJZ 2014/25, 154; sowie etwa Hengstschläger/Leeb, AVG II § 39 Rz 42; AVG III, § 59 Rz 77; AVG IV § 66 Rz 80, letztere jeweils zu Bescheiden). Im Bereich des Aufenthaltsrechts aus humanitären Gründen erfolgten in den letzten Jahren zahlreiche umfangreiche Novellierungen; insbes. wurden derartige Aufenthaltstitel mit 1. Jänner 2014 aus dem NAG 2005 herausgelöst und in das AsylG 2005 integriert.

 

Das NAG 2005 enthält bzgl. der laufenden Verfahren, die vor dem
31. Oktober 2013 bei der „Behörde gemäß § 3 Abs 1 anhängig wurden“ – das ist der örtlich zuständige Landeshauptmann – die Anordnung, dass diese Verfahren „von der Behörde gemäß § 3 Abs 1 [...] zu Ende zu führen [sind]“, wobei dies anhand der Rechtslage vor BGBl I 87/2012 zu geschehen hat (§ 81 Abs 23 NAG 2005).

 

Damit ist freilich nur eine Aussage dahingehend getroffen, dass die belangte Behörde – also der Landeshauptmann respektive die für diesen handelnde Bezirkshauptmannschaft – weiterhin zuständig war, das Verfahren anhand der früheren Rechtslage zu erledigen. Aus dem Wortlaut ergibt sich jedoch nicht zwingend, welche Rechtslage für das im Beschwerdeweg angerufene Verwaltungsgericht zur Anwendung gelangt.

 

Während sich die Zuständigkeit des Landesverwaltungsgerichts (jedenfalls auch) unmittelbar aus der Verfassung ableiten lässt (vgl Art 131 B-VG), weil keine einschlägige einfachgesetzliche Bestimmung existiert, die das Bundesverwaltungsgericht für Beschwerden gegen Bescheide des Landeshauptmannes für zuständig erklären würde, ist die im verwaltungsgerichtlichen Verfahren anwendbare Rechtslage nicht klar definiert.

 

Aus den Bestimmungen des § 81 Abs 25 (der die Erhebung von Beschwerden gegen Bescheide, die vor dem 31. Dezember 2013 erlassen wurden, zum Gegenstand hat), jener des Abs 26 (betreffend die beim Bundesminister anhängigen Verfahren) sowie insbesondere des Abs 27 (der den Fall einer Aufhebung eines Bescheides durch den VwGH bzw. VfGH zum Gegenstand hat) und der darin jeweils angeordneten Anwendung des NAG 2005 idF vor BGBl I 87/2012 lässt sich aber wohl hinreichend klar ableiten, dass der Gesetzgeber eine Fortführung der „Altfälle“ anhand der früheren Rechtslage herbeiführen wollte.

 

Dass keine explizite Übergangsbestimmung existiert, die den hier relevanten Fall einer Beschwerde gegen einen nach dem 1. Jänner 2014 anhand der Rechtslage vor BGBl I 87/2012 ergangenen Bescheid (vgl § 81 Abs 23 NAG 2005) zum Gegenstand hat, stellt damit eine planwidrige Lücke dar. Diese wird vom
Oö. LVwG im Wege der Analogie geschlossen, sodass davon ausgegangen wird, dass auch im ggst. Beschwerdeverfahren die Prüfung des Bescheides anhand der Rechtslage vor BGBl I 87/2012 zu erfolgen hat.

 

Die gegenteilige Ansicht würde zum Ergebnis führen, dass in allen Übergangsfällen die betreffende Verwaltungsbehörde und das zuständige Verwaltungsgericht unterschiedliche Rechtslagen anzuwenden hätten – was Rechtswidrigkeiten der bekämpften Bescheide geradezu indiziert und im Übrigen jedem Bf die Möglichkeit eröffnen würde, durch Beschwerdeerhebung von der früheren in die aktuelle Rechtslage zu wechseln. Dass diese Folgen vom Gesetzgeber gewünscht waren, lässt sich mangels dahingehender Hinweise in den Materialien kaum annehmen.

 

Damit hat das Oö. LVwG über die ggst. Beschwerde zu entscheiden und dabei die Rechtslage vor BGBl I 87/2012 anzuwenden.

 

IV.2. Aus § 41a Abs 9 NAG ergibt sich durch den im ersten Halbsatz enthaltenen Verweis auf § 44a und § 44b NAG, dass primär die Formalvoraussetzungen zu prüfen sind, ob ein Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot-Karte plus“ gemäß § 44a Abs 1 NAG von Amts wegen zu erteilen ist, weil eine Ausweisung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 10 AsylG 2005 oder eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG jeweils auf Grund des § 61 FPG rechtskräftig auf Dauer für unzulässig erklärt wurde, oder ob – falls kein Fall des § 44a Abs 1 NAG vorliegt – der Antrag aufgrund von § 44b Abs 1 NAG zurückzuweisen ist.

 

IV.2.1. Aus dem vorgelegten Verwaltungsakt ergibt sich zweifelsfrei, dass kein Fall des § 44a Abs 1 NAG vorliegt, zumal mit Erkenntnis des Asylgerichtshofs, Zl C9 414201-1/2010/9E, vom 10. Dezember 2012, rk seit 18. Dezember 2012, der erstinstanzliche Bescheid betreffend die Abweisung des Asylantrags einschließlich der Ausweisung des Bf gemäß § 10 AsylG bestätigt worden ist.

 

IV.1.2. Zumal kein Fall des § 44a Abs 1 NAG vorliegt, ist in weiterer Folge aufgrund von § 41a Abs 9 NAG zu prüfen, ob der Antrag gemäß § 44b Abs 1 NAG als unzulässig zurückzuweisen ist. Gegen den Bf liegt eine rechtskräftig erlassene Ausweisung gemäß § 10 AsylG vor. Gemäß § 44b Abs 1 Z 1 NAG ist in diesem Fall der Antrag gemäß § 41a Abs 9 NAG nur dann nicht zurückzuweisen, wenn aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 11 Abs 3 NAG ein maßgeblich geänderter Sachverhalt hervorkommt.

 

IV.1.2.1. Gemäß § 10 Abs 2 AsylG hatte der Asylgerichtshof zu prüfen, ob das durch Art 8 EMRK gewährleistete Recht auf Achtung des Familienlebens durch die Ausweisung verletzt wird. Dazu führte der Asylgerichtshof in seinem Erkenntnis Zl C9 414201-1/2010/9E, vom 10. Dezember 2012, Folgendes aus:

5.1. Wie sich aus den Angaben des BF in der mündlichen Verhandlung ergibt, hat der BF keine in Österreich lebenden Verwandten und auch sonst keine familiären Anknüpfungspunkte.

Hinweise auf eine zum Entscheidungszeitpunkt vorliegende berücksichtigungswürdige besondere Integration des BF in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht sind nicht erkennbar. Der BF hat zwar bereits mehrere Deutschkurse besucht und er verfügt auch über gute Deutschkenntnisse, doch reichen Sprachkenntnisse für sich allein genommen noch nicht aus, um die fortgeschrittene oder gar vollständige Integration eines Fremden in Österreich annehmen zu können, wenngleich der Spracherwerb und der tatsächliche Wille, die deutsche Sprache zu erlernen, zweifellos ein wesentliches Kriterium bei der Beurteilung der Integration in Österreich darstellen. Der BF geht derzeit auch keiner regelmäßigen Beschäftigung nach, sondern lebt derzeit von Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung. Der BF verfügt in Österreich auch über keine sonstigen nennenswerten sozialen Bindungen.

Es sind auch sonst keine weiteren maßgeblichen Anhaltspunkte dahingehend hervorgekommen, dass dem Recht auf Privatleben des BF in Österreich im Verhältnis zu den legitimen öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung eine überwiegende und damit vorrangige Bedeutung zukommen würde.

Im gegenständlichen Fall war aber auch zu berücksichtigen, dass die mittlerweile allenfalls erfolgte Begründung eines Privatlebens in Österreich lediglich auf einer vorläufigen Berechtigung zum Aufenthalt während des anhängigen Asyl Verfahrens beruht. Der weitere rechtmäßige Aufenthalt war daher mit Rücksicht auf den Ausgang des Asylverfahrens während der ganzen Aufenthaltsdauer in Österreich unsicher. Unter Berücksichtigung der diesbezüglichen Rechtsprechung des EGMR, insbesondere im Fall N., erscheint der Eingriff in das Privatleben im Hinblick auf die vorliegenden öffentlichen Interessen nicht als unverhältnismäßig.

Über die genannten Umstände hinaus war ebenso zu berücksichtigen, dass der BF bis zu seiner Ausreise aus Afghanistan bzw. seiner Einreise in Österreich den überwiegenden Großteil seiner bisherigen Lebenszeit, insbesondere die gesamte Kindheit und Jugend, in seinem Herkunftsstaat verbracht hat und dort nach wie vor enge familiäre Beziehungen unterhält. Aus all diesen Gründen kann daher davon ausgegangen werden, dass der BF nach erfolgter Rückkehr in den Herkunftsstaat durchaus in der Lage sein wird, dort wieder zu leben und für seinen Unterhalt zu sorgen.

Letztlich ist im vorliegenden Fall vielmehr davon auszugehen, dass der BF den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz nur zu dem einen Zweck gestellt hat, um sich nach unrechtmäßiger Einreise in Österreich unter Umgehung der die Einreise und den Aufenthalt regelnden Vorschriften den weiteren Aufenthalt in Österreich zu ermöglichen.

5.2. Aus einer Gesamtschau und Abwägung dieser Umstände ist in der gegenständlichen Rechtssache ersichtlich, dass zum Entscheidungszeitpunkt die angeführten öffentlichen Interessen an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften und der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens zum Zweck des Schutzes der öffentlichen Ordnung durch die Beendigung des Aufenthaltes in Österreich das Interesse am Verbleib des BF in Österreich im konkreten Fall überwiegen. Auf Grund der unbegründeten Antragstellung überwiegt im vorliegenden Fall vielmehr das öffentliche Interesse am Vollzug eines geordneten Fremdenwesens.

 

Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung festgehalten hat, (vgl zB VwGH 11.11.2013, 2013/22/0252), ist der Zurückweisungsgrund des § 44b Abs 1 Z 1 NAG „[d]er Sache nach [...] der Zurückweisung wegen entschiedener Sache (§ 68 Abs. 1 AVG) nachgebildet. Die zu § 68 Abs. 1 AVG entwickelten Grundsätze für die Beurteilung, wann eine Änderung des Sachverhaltes als wesentlich anzusehen ist, können daher auch für die Frage, wann eine maßgebliche Sachverhaltsänderung iSd § 44b Abs. 1 NAG vorliegt, herangezogen werden. Demnach ist eine Sachverhaltsänderung dann wesentlich, wenn sie für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen den Schluss zulässt, dass nunmehr bei Bedachtnahme auf die damals als maßgebend erachteten Erwägungen eine andere Beurteilung jener Umstände, die seinerzeit den Grund für die rechtskräftige Entscheidung gebildet haben, nicht von vornherein als ausgeschlossen gelten kann. Die Erlassung eines inhaltlich anders lautenden Bescheides (bezogen auf § 44b Abs. 1 NAG: eine andere Beurteilung der Verhältnismäßigkeit des Eingriffs in Rechte nach Art. 8 EMRK) muss also zumindest möglich sein; in dieser Hinsicht hat die Behörde eine Prognose zu treffen. Dabei ist die Wesentlichkeit der Sachverhaltsänderung nach der Wertung zu beurteilen, die das geänderte Sachverhaltselement in der seinerzeitigen Entscheidung erfahren hat. Für diese Prognose ist eine Gesamtbetrachtung anzustellen (vgl. zum Ganzen etwa das hg. Erkenntnis vom 9. September 2013, Zl. 2013/22/0215, mwN).“

 

Um zum Ergebnis zu kommen, dass ein Antrag gemäß § 41a Abs 9 NAG gemäß § 44b Abs 1 NAG nicht als unzulässig zurückzuweisen ist, ist es somit erforderlich, dass sich aus dem begründeten Antragsvorbringen ergibt, dass sich der Sachverhalt hinsichtlich des Privat- und Familienlebens iSd § 11 Abs 3 NAG seit Erlassung der rechtskräftigen Ausweisung in seiner Gesamtbetrachtung maßgeblich im Sinne der oben zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs geändert hat, was im Folgenden zu prüfen ist.

 

IV.1.2.2. Hinsichtlich der Rechtmäßigkeit seines Aufenthalts hat sich im Vergleich zum Zeitpunkt der Erlassung der Ausweisung nichts maßgeblich zugunsten des Bf geändert: Der Bf war während der Dauer seines Asylverfahrens von knapp drei Jahren rechtmäßig aufhältig. Der Aufenthalt seit rechtskräftiger Beendigung des Asylverfahrens am 18. Dezember 2012 war nicht rechtmäßig, zumal ein Antrag gemäß § 41a Abs 9 NAG gemäß § 44b Abs 3 NAG kein Aufenthalts- oder Bleiberecht begründet. Der Bf hält sich mittlerweile seit knapp fünf Jahren im Bundesgebiet auf, wobei der überwiegende Teil seines Aufenthalts aufgrund des Asylverfahrens rechtmäßig war.

 

Hinsichtlich des Bestehens eines Familienlebens in Österreich hat sich seit der Erlassung der Entscheidung des Asylgerichtshofs ebenso nichts maßgeblich geändert. Der Bf hat keine Verwandten in Österreich und ist alleinstehend.

 

Der Asylgerichtshof führte in seinem Erkenntnis Zl C9 414201-1/2010/9E, vom 10. Dezember 2012 zum Privat- und Familienleben des Bf aus, dass Hinweise auf eine zum damaligen Entscheidungszeitpunkt vorliegende berücksichtigungswürdige besondere Integration des Bf in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht sind nicht erkennbar gewesen seien. Dazu ist nunmehr Folgendes festzuhalten:

 

Der Bf hat am 24. April 2013 die Deutschprüfung auf dem Niveau A2 abgelegt und besuchte seither weitere Kurse zur Vorbereitung auf die Prüfung auf dem Niveau B1. Im Vergleich zur Entscheidung des Asylgerichtshofs hat der Bf in sprachlicher Hinsicht seither beachtliche Integrationsschritte gesetzt.

 

Ferner hat der Bf eine 16-stündige Freiwilligenausbildung für die Gesundheits- und Sozialen Dienste (Basisausbildung) sowie einen 16-stündigen Erste-Hilfe-Kurs beim Österreichischen Roten Kreuz absolviert. Der Bf hat sich ehrenamtlich im Altenheim W. engagiert und der Gemeinde W. ehrenamtliche Hilfstätigkeit etwa in Hochwasserfällen oder beim Winterdienst angeboten. Ferner stellt sich der Bf regelmäßig, mehrmals wöchentlich, ehrenamtlich für Dolmetschertätigkeiten im Asylwerberheim zur Verfügung, auch begleitet er Asylwerber ins Krankenhaus, um für sie zu dolmetschen. Seit rund drei Jahren übernimmt der Bf zudem regelmäßig freiwillig Dolmetschtätigkeiten für die Gruppenpraxis für Allgemeinmedizin Dr. W./Dr. I. OG in W..

 

Der Bf legte im Verwaltungsverfahren 21 Unterstützungserklärungen vor, ferner verfügt er über eine Patenschaftserklärung, wonach Mag. A. P. gemäß § 2 Abs 1 Z 18 NAG als Pate für sämtliche Kosten im Zusammenhang mit Krankenversicherung, Unterkunft, Unterhaltsmittel und Verfahrenskosten für die Dauer von drei Jahren bürgt. Diese Patenschaftserklärung sowie die zahlreichen Unterstützungserklärungen bezeugen, dass der Bf – vor allem zu seinem Paten – über intensive private Kontakte zu in Österreich lebenden Personen verfügt.

 

Es steht somit fest, dass der Bf, der sich aufgrund der getroffenen Feststellungen als weit überdurchschnittlich sozial engagiert herausgestellt hat, seit Erlassung der Ausweisungsentscheidung des Asylgerichtshofs bedeutende Integrationsschritte auch in gesellschaftlicher Hinsicht gesetzt hat.

 

Der Bf verfügt ferner über eine aufrechte Einstellungszusage der Firma x&x V., wonach er sofort nach Erhalt der erforderlichen Dokumente als Hilfsarbeiter in einem Ausmaß von 30 Wochenstunden und bei einem Brutto-Monatslohn von 1.020,- Euro zu arbeiten beginnen könnte.

Darüber hinaus absolviert der Bf seit 22. September 2014, jeweils montags bis freitags von 18:00 Uhr bis 21:15 Uhr einen Kurs zur Ablegung des Pflichtschulabschlusses an der Volkshochschule L. Als Vorbereitung für diesen Kurs hat der Bf – wie sich einer Stellungnahme von Frau MMaga. W., einer Mitarbeiterin der VHS Linz, entnehmen lässt – seit 2012 mehrere Brückenkurse besucht, um seine Kenntnisse in Deutsch und Mathematik zu verbessern. Dabei habe er Fleiß und Lernbereitschaft bewiesen, wodurch ihm nunmehr die Teilnahme am Lehrgang zum Nachholen des Pflichtschulabschlusses möglich sei. Auch bei diesem Lehrgang erweise sich der Bf als wissbegieriger und sehr engagierter Kursteilnehmer.

Der Bf brachte im Beschwerdeverfahren vor, nach Abschluss dieses Kurses eine Ausbildung zum Altenpfleger bzw Pflegehelfer beginnen zu wollen, was mit seiner bereits absolvierten 16-stündigen Freiwilligenausbildung für die Gesundheits- und Sozialen Dienste beim Österreichischen Roten Kreuz und seinem bisherigen ehrenamtlichen Engagement in einem Altenheim im Einklang steht.

 

Aufgrund der verbindlichen Einstellungszusage kann davon ausgegangen werden, dass der Bf – sobald er einen Aufenthaltstitel erhält – einer Beschäftigung in Österreich nachgehen wird. Ferner hat er durch sein Engagement im Rahmen des Lehrgangs zur Nachholung des Pflichtschulabschlusses und durch seine bereits absolvierten – seinem Ausbildungswunsch entsprechenden – Kurse beim Österreichischen Roten Kreuz bewiesen, dass er eine fundierte Ausbildung und eine entsprechende Berufsausübung ernsthaft verfolgt.

 

Es ist somit auch in beruflicher Hinsicht festzustellen, dass der Bf seit Erlassung der Ausweisungsentscheidung des Asylgerichtshofs bedeutende Integrationsschritte gesetzt hat.

 

Im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung ist hervorgekommen, dass der Bf vor rund drei Monaten erstmals seit dem Asylverfahren wieder telefonischen Kontakt zu seinem in Afghanistan lebenden Bruder hatte, der ihn angerufen hatte, um ihn über den schlechten Gesundheitszustand der Mutter zu unterrichten. Mit anderen Familienangehörigen hat der Bf nicht gesprochen, er geht aufgrund des Gesprächs aber davon aus, dass seine drei Brüder, sein Vater und sein Onkel nach wie vor in Afghanistan leben würden und der Betrieb seines Vaters immer noch bestehe.

 

Zwar lebt zumindest ein Bruder des Bf nach wie vor im Herkunftsland und hat der Bf dort eine Ausbildung als Fleischhauer absolviert, doch ist davon auszugehen, dass aufgrund des rund zweieinhalb Jahre unterbrochenen Kontakts zwischen dem Bf und seiner Familie die Bindung zu den möglicherweise dort noch lebenden Verwandten nicht mehr jene Intensität aufweist, die sie noch während des Asylverfahrens hatte, als es dem Bf noch möglich war, seine Familie telefonisch zu erreichen.

 

Gegen den Bf liegt eine Verwaltungsübertretung wegen illegalen Aufenthalts vor.

Der Bf ist ferner einmalig – und zwar am 10. Jänner 2013 (rk seit 10. Mai 2013) vom BG Wels gemäß § 83 Abs 1 StGB – zu einer teilbedingten Geldstrafe von
60 Tagsätzen zu je 4 Euro verurteilt worden. Der unbedingte Teil dieser Geldstrafe wurde vom Paten des Bf beglichen. Der Bf hat in der öffentlichen mündlichen Verhandlung vorgebracht hat, dass er sich bei jener tätlichen Auseinandersetzung, die zur Verurteilung führte, nur verteidigt habe und dass es überhaupt nur deshalb zu einer Verurteilung gekommen sei, weil der Geschädigte nicht zu einem außergerichtlichen Tatausgleich erschienen sei. Ferner habe er unverschuldet die Verhandlung versäumt, weshalb ein Abwesenheitsurteil gegen ihn ergangen sei. Er habe sich aber dennoch einer Psychotherapie unterzogen, um allfälligen Schwierigkeiten mit aggressivem Verhalten entgegenzuwirken. Diese Therapie sei nunmehr erfolgreich abgeschlossen, der Bf habe keine Schwierigkeiten mit tätlichen Auseinandersetzungen mehr gehabt.

 

Zwar ist bei der gegenständlichen Prüfung jedenfalls auf die rechtskräftige Verurteilung des Bf Bedacht zu nehmen, dennoch ist zu berücksichtigen, dass es sich dabei um ein einmaliges Ereignis handelte und das Gericht lediglich eine teilbedingte Geldstrafe verhängt hat. Darüber hinaus hat der Bf im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung glaubhaft dargelegt, dass er sich nach der Verurteilung aus Eigenem mit seinem Fehlverhalten auseinandergesetzt und Maßnahmen ergriffen hat, um künftig derartige Situationen zu vermeiden. Es ist somit davon auszugehen, dass keine Wiederholungsgefahr besteht.

 

IV.1.3. Die Gesamtbetrachtung der seit Erlassung der rechtskräftigen Ausweisung durch den Asylgerichtshof zu berücksichtigenden Umstände führt zum Ergebnis, dass sich der Sachverhalt in Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens des Bf insbesondere aufgrund seines außerordentlichen Engagements in sprachlicher, sozialer und beruflicher Hinsicht maßgeblich geändert hat. Der Antrag des Bf gemäß § 41a Abs 9 NAG war demnach nicht zurückzuweisen, sondern es ist im Folgenden zu prüfen, ob die inhaltlichen Voraussetzungen zur Erteilung eines Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot-Karte plus“ gemäß § 41a Abs 9 NAG vorliegen.

 

IV.2. Gemäß § 41a Abs 9 NAG werden das Nichtvorliegen von Erteilungshindernissen gemäß § 11 Abs 1 Z 1, 2 und 4, die Erforderlichkeit der Erteilung des Aufenthaltstitels gemäß § 11 Abs 3 NAG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens iSd Art 8 EMRK sowie die Erfüllung des Moduls 1 der Integrationsvereinbarung als Bewilligungskriterien für den gegenständlichen Aufenthaltstitel vorausgesetzt.

 

IV.2.1. Der Bf wurde zwar vom Asylgerichtshof rechtskräftig ausgewiesen, jedoch stellt eine solche Ausweisung iSd § 11 Abs 1 Z 3 NAG keinen relevanten Verweigerungsgrund für den gegenständlichen Aufenthaltstitel dar. Hinweise auf Erteilungshindernisse bestehen ansonsten nicht.

 

IV.2.2. In Bezug auf das Privat- und Familienleben nach Art 8 EMRK ist im Wesentlichen auf die in IV.1.2.2. getroffenen Erwägungen hinzuweisen, die gemäß § 44b Abs 1 NAG ebenfalls auf den in § 11 Abs 3 NAG genannten Kriterien basieren.

 

Im vorliegenden Fall zeichnet sich ein Gesamtbild eines gut in Österreich integrierten Antragstellers ab, der neben den bereits von ihm gesetzten Integrationsschritten weitere Integrationsschritte erwarten lässt.

Der Bf hält sich nunmehr bereits seit knapp fünf Jahren in Österreich auf und kann sehr gute Deutschkenntnisse vorweisen. Er zeigt regelmäßig und eigeninitiativ überdurchschnittlich großes Engagement in sozialer Hinsicht, wobei insbesondere seine ehrenamtliche Tätigkeit in den Bereichen der Altenbetreuung und des Dolmetschens für das Asylwerberheim und die Gruppenpraxis
Dr. W./Dr. I., sowie sein Angebot zur ehrenamtlichen Tätigkeit für die Gemeinde W. a. d. T. hervorzustreichen sind. Ferner verfügt der Bf über zahlreiche Unterstützungserklärungen und hat ein derart intensives persönliches Verhältnis zu Mag. A. P. aufbauen können, dass dieser für ihn sogar eine Patenschaft iSd § 2 Abs 1 Z 18 NAG übernommen hat.

 

Ebenso fallen die verbindliche Einstellungszusage und das – ebenfalls überdurchschnittliche – Engagement des Bf hinsichtlich seiner Berufsausbildung ins Gewicht. Es ist daher davon auszugehen, dass der Bf – sobald er einen Aufenthaltstitel erhält – einer Beschäftigung nachgehen wird und darüber hinaus den Pflichtschulabschluss und in Folge die Ausbildung zum Altenpfleger bzw Pflegehelfer weiter verfolgen wird.

 

Der Bf kann durch sein soziales und berufliches Engagement zahlreiche Bezugspersonen in Österreich vorweisen, die sich für ihn auch in Form von Unterstützungserklärungen – und im Fall von Mag. A. P. sogar in Form einer Patenschaftserklärung – einsetzen, sodass eine Gesamtschau über alle integrativen Aspekte einen sehr hohen Grad der Integration des Bf ergibt. Auch der Eindruck, den der Bf im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung auf das Oö. Landesverwaltungsgericht gemacht hat, würde kein anderes Bild zulassen.

 

Der Bf verfügt zwar über keinen Aufenthaltstitel in Österreich, und es wurde gegen ihn eine Ausweisungsentscheidung erlassen, die von ihm gefordert hätte, den rechtmäßigen Zustand durch Ausreise aus dem Bundesgebiet herzustellen. Aufgrund der oben dargestellten Überlegungen ist jedoch im konkreten Fall davon auszugehen, dass die persönlichen Interessen des Bf an einem Verbleib in Österreich das – sehr gewichtige – öffentliche Interesse an der Einhaltung fremdenrechtlicher Vorschriften überwiegen. Dieses Ergebnis vermögen auch die einmalige Verurteilung zu einer teilbedingten Geldstrafe sowie die verwaltungsrechtliche Bestrafung wegen unrechtmäßigen Aufenthalts nicht dermaßen zu mindern, dass eine Abweisung des Antrags auf Erteilung einer „Rot-Weiß-Rot-Karte plus“ iSd Art 8 EMRK zu rechtfertigen wäre. Die Verweigerung des beantragten Aufenthaltstitels erschiene daher im Lichte von Art 8 EMRK unverhältnismäßig.

In diesem Zusammenhang erscheint auch erwähnenswert, dass gegenüber dem Bf zwar im Jahr 2012 eine Ausweisungsentscheidung des Aslygerichtshofs erlassen, diese jedoch von Seiten der Behörden nie effektuiert wurde. Die durch die fortschreitende Aufenthaltsdauer immer weiter verfestigte Integration kann damit wohl nicht vollumfänglich dem Bf alleine angelastet werden.

 

Aus diesen Gründen erachtet das Oö. Landesverwaltungsgericht die Erteilung des beantragten Aufenthaltstitels gemäß § 11 Abs 3 NAG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens gemäß Art 8 EMRK geboten.

 

IV.2.3. Abschließend ist zu prüfen, ob der Bf das Modul 1 der Integrationsvereinbarung erfüllt hat. Gemäß § 14a Abs 4 Z 2 NAG ist diese ua dann erfüllt, wenn ein allgemein anerkannter Nachweis über ausreichende Deutschkenntnisse vorgelegt werden können. Der Bf hat am 24. April 2013 die Deutschprüfung auf Niveau A2 bestanden, wodurch er die geforderten Sprachkenntnisse iSd § 14a NAG iVm § 9 der Integrationsvereinbarungsverordnung nachgewiesen hat.

 

 

V. Im Ergebnis war der angefochtene Bescheid aufzuheben und dem Bf der beantragte Aufenthaltstitel zu erteilen, da er sämtliche Voraussetzungen des § 41a Abs 9 NAG erfüllt hat. Die Gültigkeitsdauer des Aufenthaltstitels von zwölf Monaten ergibt sich aus § 20 Abs 1 NAG. Die belangte Behörde hat den hiermit erteilten Aufenthaltstitel in Form einer Karte gemäß § 1 NAG DV an den Bf im Inland auszufolgen. Bei Ausfolgung des Aufenthaltstitels ist der Bf gemäß § 19 Abs 7 letzter Satz NAG über die Vorschriften im Verfahren zur Verlängerung eines Aufenthaltstitels zu belehren. Der Bf wird darauf hingewiesen, dass Aufenthaltstitel gemäß § 19 Abs 7 NAG nur persönlich ausgefolgt werden dürfen.

 

 

 

VI. Zulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist zulässig, da im gegenständlichen Verfahren eine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, weil eine Rechtsprechung des VwGH zu der Frage, welche Rechtslage für das Verwaltungsgericht einschlägig ist, wenn ein nach dem 1. Jänner 2014 anhand der Rechtslage vor BGBl I 87/2012 erlassener Bescheid (iSd § 81 Abs 23 NAG 2005) angefochten wird, fehlt.

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer ordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Dr. Elisabeth Reitter