LVwG-600538/7/BR/CG

Linz, 10.11.2014

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Mag. Dr. Bleier, über die Beschwerde des L. B., A.straße ,S.,  gegen das Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Oberösterreich Polizeikommissariat Steyr, vom 01.10.2014, GZ: VStV/914300797069/2014, nach der am 10.11.2014 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung und Verkündung,

 

zu Recht  e r k a n n t:

 

 

 

I. Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde Folge gegeben; das Straferkenntnis wird behoben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs.1 Z4 VStG eingestellt.

 

 

 

II. Gemäß § 52 Abs.9 VwGVG entfällt jeglicher  Verfahrenskostenbeitrag.

 

 

 

III. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine Revision des Beschwerdeführers an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs.4 B-VG nicht zulässig; für die belangte Behörde und die revisionslegitimierte Formalpartei ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4   B-VG unzulässig.

 

 

 

 

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

 

I. Mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis wurde über den Beschwerdeführer wegen einer Übertretung nach § 9 Abs.1 StVO 1960 iVm § 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 eine Geldstrafe in der Höhe von 80 Euro und für den Nichteinbringungsfall eine Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von zwei Tagen verhängt.

Es wurde ihm sinngemäß zur Last gelegt, er habe am 3.8.2014 um 4:36 Uhr in S., V.brücke, Höhe Kreuzung Z.gasse als Lenker des Fahrzeuges mit dem Kennzeichen x die auf der Fahrbahn angebrachte Sperrlinie (§ 56 Abs. 2 StVO 1960) überfahren.

 

 

 

I.1. Die Behörde begründete ihre Entscheidung im Wesentlichen unter Hinweis auf die Wahrnehmung der Verwaltungsübertretung durch den Meldungsleger aus dem Funkstreifenwagen auf der V.brücke in Fahrtrichtung G. Die Behörde ließ es dahingestellt ob der Funkstreifenwagen aufgrund einer eventuellen Amtshandlung kurz angehalten hatte oder nicht, auf jeden Fall wäre dadurch der Beschwerdeführer nicht behindert worden. Tatsache sei jedoch, dass der Funkstreifenwagen nicht am Fahrzeug des Beschwerdeführers vorbeigefahren sei und auch dieses nicht überholt gehabt hatte. Dem Beschwerdeführer wäre es leicht möglich gewesen, bis kurz nach dem N.tor, Beginn G. zu fahren um dort zu wenden und anschließend die Fahrt wieder in Richtung V. Brücke fortzusetzen. Dies habe er nicht getan, sondern er sei links über die Sperrlinie hinweg zurückgefahren.

 

 

 

II. In der dagegen fristgerecht bei der Behörde protokollarisch am 7.10.2014 angebrachten Beschwerde bestreitet der Beschwerdeführer wohl nicht das Überfahren der Sperrlinie, sondern vermeint im Ergebnis er wäre dazu durch das Fahrverhalten des Lenkers des Funkstreifenwagens, der sich unmittelbar schräg vor ihn abgestellt habe, dazu veranlasst worden bzw. habe keine andere Möglichkeit gehabt als umzudrehen und dabei die Sperrlinie zu missachten.

Er sei nach der Kontrolle der Begutachtungsplakette aufgefordert worden 35 Euro zu bezahlen was er jedoch verweigert habe. Der in der Beschwerde in weiterer Folge dargestellte unerfreuliche Dialog zwischen ihm und dem Meldungsleger ist an dieser Stelle nicht weiter auszuführen.

 

 

 

III. Die Behörde hat den Verfahrensakt mit Vorlageschreiben vom 08.10.2014 dem Oö. Landesverwaltungsgericht ohne einem Inhaltsverzeichnis zur Entscheidung vorgelegt.

 

 

III.1. Eine öffentliche mündliche Verhandlung war gemäß § 44 Abs.1 VwGVG und hier insbesondere in Wahrung der durch Art. 6 EMRK indizierten Rechte durchzuführen. Beweis erhoben wurde durch auszugweise Verlesung der Akteninhalte, sowie die  zeugenschaftliche Befragung des Meldungslegers über dessen Wahrnehmung und die vorherrschende Verkehrssituation.

Der Beschwerdeführer wurde als Beschuldigter einvernommen, wobei sich die im Fahrzeug mitfahrende Lebensgefährtin des Beschwerdeführers von ihrem Entschlagungsrecht Gebrauch machte.

Die Behörde wurde ob ihrer Nichtteilnahme an der öffentlichen mündlichen Verhandlung entschuldigt.

 

 

IV. Sachverhalt und Beweiswürdigung:

Als unbestreitbares Faktum gilt es hier festzuhalten, dass der Beschwerdeführer als Lenker eines Taxis hinter dem Funkstreifenwagen umkehrte um in Gegenrichtung weiterzufahren. Dies war der Anlass mit dem Funkwagen zu wenden und den Beschwerdeführer anzuhalten und mit dem Regelverstoß zu konfrontieren. Unbestritten ist, dass es im Zuge der Amtshandlung zu einer  zumindest nicht dienlichen Interaktion zwischen dem Beschwerdeführer und dem Meldungsleger gekommen ist.

Im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung ist es letztlich über Initiative des Beschwerdeführers zu einem Angebot der Entschuldigung an den Meldungsleger gekommen, was spontan zu einem gegenseitigen Handschlag der Versöhnung geführt hat.

Die Darstellungen der damals verbalisierten Unfreundlichkeiten wurden gegenseitig divergierend dargestellt, wobei eine diesbezügliche Würdigung nicht verfahrensspezifisch ist und daher dahingestellt bleiben kann.

Letztlich erklärte der Meldungsleger, dass mit dem Umkehren über die Sperrlinie angesichts der Nachtzeit keinerlei nachteiligen Auswirkungen für andere Verkehrsteilnehmer einhergegangen sind. So hätte in diesem Fall auch von einer Bestrafung abgesehen werden können, was aber angesichts der im Zuge der Amtshandlung obwaltenden Umstände nicht in Betracht zu ziehen gewesen ist, so dass es letztlich mangels Bezahlung eines bargeldlosen Organmandats zur Anzeigeerstattung kommen musste.

Dieses Beweisergebnis ist dahingehend zu würdigen, dass einerseits mit diesem Regelverstoß keine wie immer gearteten nachteiligen Folgen für andere Verkehrsteilnehmer einhergegangen sind und diesem Verhalten auch kein quantifizierbares Verschulden zu Grunde zu legen ist, weil es damit nicht zuletzt auch der Vermeidung einer Umwegfahrt diente. Insbesondere während der Nachtzeit ist eine Verkehrsberuhigung erstrebenswert.

 

 

V. Rechtlich folgt demnach für das Oö. Landesverwaltungsgericht:

 

Das Organ (Abs. 1 [von der Behörde besonders geschulte und ermächtigte Organe der öffentlichen Aufsicht Organstrafverfügungen Geldstrafen einzuheben]) kann von der Einhebung einer Geldstrafe mit Organstrafverfügung absehen, wenn die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat und das Verschulden des Beanstandeten gering sind; eine Anzeige an die Behörde ist in diesem Fall nicht zu erstatten. Das Organ kann jedoch den Beanstandeten in einem solchen Fall in geeigneter Weise auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens aufmerksam machen.

In der täglichen Straßenverkehrspraxis  sind geringfügige Abweichungen von Regeln oft unausweichlich. Daher wäre es auch hier objektiv betrachtet nicht verfehlt gewesen im Sinne § 50 Abs.5a VStG vorzugehen, was jedoch angesichts der im Zuge der Amtshandlung obwaltenden Emotionalität aus durchaus nachvollziehbarer Sicht des Meldungslegers nicht in Betracht gekommen sein mag.

Gemäß § 45 Abs.1 hat schließlich auch die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn …

Z4.) die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat und das Verschulden des Beschuldigten gering sind ….

 

In Anwendung dieser Bestimmung war demnach das Überfahren der Sperrlinie zum Umkehren mit Verfahrenseinstellung zu erledigen.

 

VI. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist für die belangte Behörde und die revisionsberechtigte Formalpartei unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs.4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

 

Gegen dieses Erkenntnis besteht die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung des Erkenntnisses – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – durch eine bevollmächtigte Rechtsanwältin oder einen bevollmächtigten Rechtsanwalt abzufassen und einzubringen. Für die Beschwerde ist eine Eingabegebühr von 240.- Euro zu entrichten.

Da für den vorliegenden Fall gemäß § 25a Abs. 4 VwGG eine Revision nur wegen Verletzung in subjektiven Rechten (Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG) ausgeschlossen ist, steht der belangten Behörde/der revisionslegitimierten Formalpartei die außerordentliche Revision beim Verwaltungsgerichtshof offen.

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

 

Dr. B l e i e r