LVwG-850104/6/BM/AK/IH

Linz, 22.09.2014

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin
Maga. Michaela Bismaier über die Beschwerde des Herrn H S, vertreten durch Rechtsanwalt Mag. Dr. H B in L gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 4. März 2014, GZ: Ge10-38698-2012-Wil, betreffend Entziehung der Berechti­gung zur Ausübung des „Handels- und Handelsagentengewerbes“

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

 

I.         Gemäß § 28 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) wird der Beschwerde Folge gegeben und der Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 4. März 2014, GZ: Ge10-38698-2012-Wil, ersatzlos behoben.

 

 

II.       Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Zu I.:

1. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 4. März 2014,
GZ: Ge10-38698-2012-Wil, wurde dem Beschwerdeführer (in der Folge: Bf) die Berechtigung zur Ausübung des Handels- und Handelsagentengewerbes im Standort A, im Grunde des § 88 Abs. 1 iVm § 14 Abs. 1 GewO 1994 entzogen.

Begründend wurde ausgeführt, nach Auskunft der Fremdenpolizei sei das Asyl­verfahren negativ abgeschlossen worden und liege gegen den Gewerbeinhaber eine rechtskräftige Ausweisung vor. Aus diesem Grund halte sich der Gewerbein­haber in Österreich nicht mehr rechtmäßig auf und sei daher auch nicht mehr zur Ausübung einer selbstständigen Erwerbstätigkeit in Österreich berechtigt, weshalb die im Spruch genannte Gewerbeberechtigung zu entziehen war.

 

2. Gegen diesen Bescheid hat der Bf innerhalb offener Frist durch seine anwalt­liche Vertretung Beschwerde erhoben und darin ausgeführt, es treffe zwar zu, dass das Asylverfahren rechtskräftig abgeschlossen sei und dieses mit einer rechtskräftigen Ausweisung geendet habe. Verwiesen werde aber darauf, dass der Bf beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mit Eingabe vom
11. Februar 2014 einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 Asylgesetz aufgrund eines maßgeblich geänderten Sachverhaltes gestellt habe (Antrag auf Aufenthaltsberechtigung plus). Über den Antrag sei bis dato nicht entschieden worden.

Vor diesem Hintergrund erweise sich die mit dem hier angefochtenen Bescheid der belangten Behörde erfolgte Entziehung der Gewerbeberechtigung als nicht rechtskonform. Dies auch vor dem Hintergrund, dass es hinsichtlich der Gewerbeausübung durch den Bf keinerlei Beanstandungen gegeben habe, ins­besondere sämtliche öffentlich-rechtlichen Abgaben sowie Verbindlichkeiten des Unternehmens bezahlt und auch sämtliche gewerberechtlichen Vorschrif­ten eingehalten worden seien.

Verwiesen werde in diesem Zusammenhang darauf, dass der Bf seit August 2007 in Österreich aufhältig sei, unbescholten sei und einen besonderen Integrations­grad aufweise. Der Bf lebe mit einer österreichischen Staatsangehörigen in auf­rechter Lebensgemeinschaft und spreche ausgezeichnet deutsch. Das gesamte Privat- und Familienleben finde in Österreich statt. Zahlreiche Unterstützungs­erklärungen würden die ausgezeichnete Integration bestätigen. Die Vorausset­zungen für die Erteilung des Aufenthaltstitels nach § 55 Asylgesetz seien daher als sehr gut zu qualifizieren. Vor diesem Hintergrund erweise sich der Gewerbe­entzug als kontraproduktiv und rechtswidrig.

 

Es werde daher beantragt, das Verwaltungsgericht möge

a)   eine mündliche Verhandlung anberaumen und durchführen sowie

b)   den angefochtenen Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land aufheben und das gegenständliche Gewerbeentzugsverfahren einstellen.

 

3. Die belangte Behörde hat die Beschwerde gemeinsam mit dem bezug­habenden Verwaltungsverfahrensakt dem Landesverwaltungsgericht Oberöster­reich (LVwG Oö.) vorgelegt.

 

4. Das LVwG Oö. hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Ver­fahrensakt und Einholung einer Stellungnahme des Bundesamtes für Fremden­wesen und Asyl, Regionaldirektion Oberösterreich.

 

4.1. Folgender Sachverhalt ist entscheidungswesentlich:

Der Bf ist seit 29. November 2012 zur Ausübung des Handels- und Handelsagen­tengewerbes im Standort A, berechtigt.

Am 14. November 2013 wurde der Gewerbebehörde von der Fremdenpolizei mit­geteilt, dass das Asylverfahren negativ abgeschlossen wurde und gegen den Bf eine rechtskräftige Ausweisung vorliegt.

Mit Eingabe vom 11. Februar 2014 stellte der Bf beim Bundesamt für Fremden­wesen und Asyl, Regionaldirektion Oberösterreich, einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 Asylgesetz.

Mit Schreiben vom 2. September 2014 teilte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Oberösterreich, mit, dass dem Bf gemäß § 55 Asyl­gesetz eine Aufenthaltsberechtigung plus mit Gültigkeit 7. August 2014 bis
6. August 2015 erteilt worden ist.

 

Das hier entscheidungswesentliche Beweisergebnis ergibt sich eindeutig aus dem Akteninhalt. Da der Beschwerde stattgegeben wird, konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung entfallen.

 

5. Hierüber hat das LVwG Oö. erwogen:

 

5.1. Gemäß § 14 Abs. 1 GewO 1994 dürfen ausländische natürliche Personen, sofern dieses Bundesgesetz nicht anderes bestimmt, Gewerbe wie Inländer aus­üben, wenn dies in Staatsverträgen festgelegt worden ist. Angehörige von Staaten, mit denen kein derartiger Staatsvertrag abgeschlossen wurde, Personen, denen Asyl gewährt wird, oder Staatenlose dürfen, sofern dieses Bundesgesetz nicht anderes bestimmt, Gewerbe wie Inländer ausüben, wenn sie sich nach den für sie in Betracht kommenden Rechtsvorschriften zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit bereits in Österreich aufhalten dürfen. Für Drittstaatsange­hörige, die noch nicht rechtmäßig aufhältig sind (Erstantragsteller) und in Öster­reich ein Gewerbe ausüben wollen, ist die Erteilung eines Aufenthaltstitels, der die Ausübung einer selbstständigen Erwerbstätigkeit zulässt, zur rechtmäßigen Ausübung dieses Gewerbes erforderlich.

 

Nach § 88 Abs. 1 GewO 1994 ist die Gewerbeberechtigung von der Behörde
(§ 361) zu entziehen, wenn sich der Gewerbeinhaber nach den für ihn in Betracht kommenden Rechtsvorschriften nicht mehr zulässigerweise in Öster­reich aufhält.

 

Nach § 55 Abs. 1 Asylgesetz 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsan­gehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine „Aufenthaltsbe­rechtigung plus“ zu erteilen, wenn

1.   dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und

2.   der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß
§ 14a NAG erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz - ASVG) erreicht wird.

 

Nach § 54 Abs. 1 Z 1 Asylgesetz werden Aufenthaltstitel aus berücksichtigungs­würdigenden Gründen Drittstaatsangehörigen erteilt als „Aufenthaltungsberech­tigung plus“, die zu einem Aufenthalt im Bundesgebiet und zur Ausübung einer selbstständigen und unselbstständigen Erwerbstätigkeit gemäß § 17 Ausländer­beschäftigungsgesetz berechtigt.

 

5.2. § 88 Abs. 1 GewO 1994 normiert einen Entziehungstatbestand für Ausländer, die im Bundesgebiet ein Gewerbe ausüben und hierfür eine Gewerbe­berechtigung erlangt haben.

§ 88 Abs. 1 leg.cit. knüpft sohin an die Bestimmung des § 14 Abs. 1 GewO 1994 an, wonach Ausländer ein Gewerbe „wie Inländer“ ausüben dürfen, wenn sie sich nach den für sie in Betracht kommenden Rechtsvorschriften zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit bereits in Österreich aufhalten dürfen und verpflichten die Gewerbebehörde, einem Ausländer die Gewerbeberechtigung zu entziehen, wenn sich dieser nicht mehr zulässigerweise in Österreich aufhält (siehe Kommentar zur Gewerbeordnung, Grabler/Stolzlechner/Wendl 2. Auflage, Rz. 2 zu § 88).

 

Unbestritten ist, dass zum Zeitpunkt der Entziehung der Gewerbeberechtigung durch die belangte Behörde der Bf über eine aufrechte Berechtigung zur Ausübung des Handelsgewerbes verfügt hat, sich jedoch zu diesem Zeitpunkt nicht mehr zulässigerweise im Bundesgebiet aufgehalten hat. Allerdings hat sich im Zuge des Beschwerdeverfahrens der Aufenthaltsstatus des Bf insofern geändert, als ihm nunmehr eine Aufenthaltsberechtigung plus gemäß § 55 Asyl­gesetz erteilt wurde. Nach der oben zitierten Bestimmung des § 54 Asylgesetz ist der Bf damit auch berechtigt, ein Gewerbe auszuüben.

 

Da somit der Entziehungstatbestand des § 88 Abs. 1 GewO 1994 nicht (mehr) vorliegt, war der Bescheid der belangten Behörde ersatzlos zu beheben.

Es ist darauf hinzuweisen, dass bis zum Eintritt der Rechtskraft eines Entziehungs­bescheides ein Gewerbe vom Gewerbeinhaber befugt ausgeübt werden darf.

Von der belangten Behörde wurde die aufschiebende Wirkung im angefochtenen Bescheid nicht aberkannt, weshalb im Grunde des festgestellten Sachverhaltes der angefochtene Bescheid zur Gänze zu beheben war und kein vergangenheits­bezogenes Erkenntnis zu fällen war.

 

 

Zu II.:

Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des
Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Recht­sprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Recht­sprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsge­richtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechts­frage vor.

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsge­richtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsge­richtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landes­verwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsan­walt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240,- Euro zu entrichten.

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Maga. Michaela Bismaier